L 1 U 1410/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2319/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1410/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. Februar 2006 wird mit der Maßgabe, dass Ziff. 3 des Tenors des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Heilbronn aufgehoben wird, zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte bei der Klägerin einen Beitragszuschlag für das Beitragsjahr 2003 erheben konnte.

Die Klägerin ist zum 01.08.1978 im Unternehmensverzeichnis der S. E.- und St.-Berufsgenossenschaft (im folgenden nur noch Beklagte), eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, eingetragen und ihr wurde der Aufnahmebescheid vom 05.08.1981 erteilt.

Mit dem Unfallanzeigen-Vordruck für Unternehmen meldete die Klägerin unter dem 05.03.2003 den Arbeitsunfall vom 27.02.2003 des bei ihr beschäftigten Industriemechanikers G. In dem Vordruck ist als Unfallhergang angegeben, dass G am Betriebsort über sein eigenes Werkzeug gestolpert sei und sich dabei den rechten Arm gebrochen habe. Von dem Unfall habe R. W. zuerst Kenntnis genommen, aber nicht als Augenzeuge. Im Durchgangsarztbericht vom 28.02.2003 ist vom Durchgangsarzt Dr. M. ausgeführt, der Versicherte G sei bei der Arbeit über einen Gasschlauch gestürzt und dabei auf den ausgestreckten rechten Arm gefallen. G wurde stationär vom 28.02. bis 07.03.2003 behandelt. Eine Belastungserprobung am Arbeitsplatz vom 28.04. bis 11.05.2003 zu vier Stunden arbeitstäglich und vom 12.05. bis 25.05.2003 zu sechs Stunden arbeitstäglich wurde ab 27.05.2003 um zwei Wochen mit sechs Stunden arbeitstäglich verlängert. Im Zwischenbericht des C.-Krankenhauses, Bad M. vom 13.06.2003 ist vermerkt, die Arbeitserprobung des G hätte bis einschließlich Sonntag stattfinden sollen. Wegen einer neu aufgetretenen Multiplen Sklerose mit akuter Neuritis nervi optici (Sehnervenentzündung) sei G aktuell in stationärer Behandlung der neurologischen Abteilung. Wegen der berufsgenossenschaftlich anerkannten Fraktur erfolge am Sonntag Abschluss der Behandlung, die Minderung der Erwerbsfähigkeit liege unter 20 v.H. Die weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit gehe zu Lasten der Krankenkasse. Dr. M. bestätigte in der Mitteilung des D-/H-Arztes vom 13.06.2003 die Entlassung als arbeitsfähig aus der ambulanten Behandlung am 16.06.2003.

Die Beklagte gewährte G Heilbehandlung und für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit bis 16.06.2003 Verletztengeld. Der Leistungsaufwand betrug 6793,96 EUR.

Mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) vom 27.05.2004 ist G auf Antrag vom 09.12.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.12.2003 befristet bis 31.08.2006 bewilligt worden.

Mit Beitragsbescheid vom 08.04.2004 wurde der Beitrag der Klägerin für das Jahr 2003 in Höhe von 3937,44 EUR zuzüglich eines im Beitragsausgleichsverfahren errechneten Beitragzuschlags von 380,19 EUR und eines Beitrags aus der Ausgleichslast in Höhe von 399,40 EUR erhoben.

Gegen den Beitragsbescheid legte die Klägerin wegen des Beitragsausgleichsverfahrens Widerspruch ein. Der Unfall vom 27.02.2003 sei im Gesundheitszustand des G und nicht in einem erhöhten Gefahrenpotenzial des Arbeitsplatzes begründet. G habe schon öfters in der Vergangenheit Schwächeanfälle gehabt, weshalb davon auszugehen sei, dass auch ein Schwächeanfall Ursache des Unfalls gewesen sei. G habe sich nach dem Unfall nicht aufrichten können und der spätere Krankenhausaufenthalt sei deshalb zu Stande gekommen, weil die Ursache des Schwächeanfalls unklar gewesen sei. G sei bis heute arbeitsunfähig, was nicht auf die Unfallverletzung zurückgeführt werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Annahme eines den Arbeitsunfall ausschließenden Unfalls aus innerer Ursache setze voraus, dass die körpereigene Ursache zwangsläufig zu dem eingetretenen Unfallverlauf geführt habe. Die innere Ursache müsse mit Wahrscheinlichkeit die allein wesentliche Bedingung des Unfalls gewesen sein. Die Annahme oder Vermutung des Vorliegens einer inneren Ursache reiche als Nachweis nicht aus.

Die Klägerin hat am 03.08.2004 Klage beim Sozialgericht Heilbronn erhoben und geltend gemacht, G sei die Aufnahme der Arbeitserprobung am 28.04.2003 nicht möglich gewesen. G beziehe nunmehr Erwerbsunfähigkeitsrente. Bereits vor dem Unfallgeschehen sei es zu Schwächeanfällen gekommen, ein solcher sei auch Ursache des Unfalls gewesen. Diese seien auch Grund für die Erwerbsunfähigkeit des Versicherten.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat zur Höhe des Streitgegenstands ausgeführt, ohne Berücksichtigung des Unfalls mit der Folge des Beitragszuschlags von 308,91 EUR wäre stattdessen ein Nachlass von 269,73 EUR gewährt worden und die Beitragshöhe hätte sich um 649,92 EUR reduziert.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.02.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, der Klägerin die Gerichtskosten auferlegt und entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (Nr. 1 bis 3 des Entscheidungstenors), sowie den Streitwert auf 649,2 90 EUR festgesetzt (Nr. 4 des Tenors). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die Beklagte habe dem Versicherten wegen eines Arbeitsunfalls Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt. Dies binde hinsichtlich der Beitragfestsetzung nicht, doch es gebe keinen Anlass, die Angaben des Versicherten gegenüber dem Durchgangsarzt anzuzweifeln. Dem stünden auch nicht die Angaben in der Unfallanzeige entgegen, der Versicherte sei über sein eigenes Werkzeug gestolpert, denn bei einem Gasschlauch handele sich um Werkzeug. Die Behauptung der Klägerin, der Unfall beruhe auf einem Schwächeanfall des G, sei mit der Erwerbsunfähigkeit nicht bewiesen. Es handle sich um eine Vermutung, die nicht belegt sei. Beweiserhebungen habe es nicht bedurft, denn der benannte Zeuge sei nicht Augenzeuge gewesen. Die Behauptung der Klägerin habe den Charakter einer unsubstantiierten Zweckbehauptung mit Ausforschungscharakter, der das Gericht nicht nachzugehen habe.

Gegen den ihr am 20.02.2007 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 16.03.2007 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es sei nicht bewiesen, dass G einen Arbeitsunfall erlitten habe. Die Behauptung, über einen Gasschlauch gestolpert zu sein, beruhe allein auf den Angaben des Mitarbeiters, für den Vorfall gebe es keine Zeugen. Auch R.W. habe den angeblichen Sturz nicht beobachtet. Ein Gasschlauch habe es zum Unfallzeitpunkt im Arbeitsbereich von G nicht gegeben. Im Betrieb seien nur Handgeräte, um sogenannte Schrumpfhauben einzuschrumpfen, mit einem Gummischlauch von etwa 12 mm Durchmesser im Einsatz, was R.W. und der Vorarbeiter von G. als Zeugen bestätigen könnten. Es werde für ausgeschlossen erachtet, dass man über einen solchen dünnen Gummischlauch stolpern könne. Das Sozialgericht hätte nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, da der Sachverhalt nicht geklärt gewesen sei. Es seien Hilfstatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt worden. Zum Beweis dafür, dass bereits vor dem Unfall Schwächeanfälle aufgetreten seien und G wegen dieser Schwächeanfälle aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei, habe sie die Zeugeneinvernahme von G angeboten. Der Unfall habe sich keine vier Monate vor der Untersuchung in Juni 2003 ereignet, bei welcher das Auftreten der Multiplen Sklerose mit Entzündung des Sehnervs erstmals diagnostiziert worden sei und die eine Fall- und Sturzneigung zur Folge habe.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.02.2007 soweit die Entscheidungssätze des Tenors Nr. 1 bis 3 betroffen sind und den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 07.07.2004 teilweise um den in der Beitragshöhe um 649,92 EUR reduzierten Betrag aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids bezogen und ergänzend ausgeführt, die von der Klägerin genannte Sechsmonatsfrist, die bei der Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit zu prüfen sei, belege nicht, dass der innerhalb dieser Frist eingetretene Unfall durch die gesundheitliche Konstitution des Versicherten wesentlich bedingt gewesen sei. Im Rahmen der Beweiswürdigung vor dem Hintergrund der typischen Beweisschwierigkeiten der Versicherten sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst die Unfallanzeige zeitnah zum Unfall ausgefüllt habe, jedoch erst nach acht Monaten einwende, dass es sich nicht um einen Arbeitsunfall, sondern um eine Verletzung aus innerer Ursache handele. Selbst wenn Schwächeanfälle Anlass der Erwerbsunfähigkeit sein sollten, sei die Behauptung der Klägerin, ein solcher Schwächeanfall sei auch alleinige Ursache des Sturzes, durch nichts belegt. Die multiple Sklerose sei als neu aufgetretene Erkrankung im Juni 2003 ärztlich dokumentiert worden, Anhaltspunkte für eine Fall- und Sturzneigung zum Unfallzeitpunkt lägen nicht vor.

Der Senat hat die Betriebs-Akten bezüglich der Klägerin sowie die Unfallakten betreffend den Unfall des G vom 27.02.2003 von der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes von 500 EUR ist bei der im Streit stehenden Beitragsdifferenz von 649,92 EUR erreicht. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Der streitige Beitragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 150 Abs. 1 SGB VII sind die Unternehmer beitragspflichtig, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die Beiträge werden durch den zu erteilenden Beitragsbescheid der Unfallversicherungsträger (§ 168 Abs. 1 SGB VII) nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt (§ 152 SGB VII). Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind der Finanzbedarf, die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrklassen (§ 153 Abs. 1 SGB VII).

Die Berufsgenossenschaften haben ferner unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen (§ 162 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Aufwendungen für die Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale (§ 162 Abs. 1 Satz 4 SGB VII). Das Nähere bestimmt die Satzung (§ 162 Abs. 1 Satz 3 1. Halbs. SGB VII) Die sogenannten Wegeunfälle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII) bleiben außer Betracht (§ 162 Abs. 1 Satz 2 SGB VII), Versicherungsfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden nicht zum Unternehmen gehörender Personen eintreten und Versicherungsfälle auf Betriebswegen sowie Berufskrankheiten können durch die Satzung ausgenommen werden (§ 162 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. SGB VII).

In § 30 der Satzung der Beklagten, Ausgabe Januar 2002, ist bestimmt, dass jedem Beitragspflichtigen unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten Zuschläge zum Beitrag auferlegt oder Nachlässe auf den Beitrag bewilligt werden (§ 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung). Ein Zuschlag wird auferlegt, wenn die Eigenbelastung des einzelnen Unternehmens die Durchschnittsbelastung aller am Verfahren beteiligten Unternehmen übersteigt (§ 30 Abs. 2). Die Berechnung der Durchschnittsbelastung aller am Verfahren beteiligten Unternehmen ist in § 30 Abs. 3 der Satzung im Einzelnen geregelt. Danach ist das Verhältnis von Unfallneulast zu Unfallgesamtlast zu errechnen. Die Eigenbelastung des einzelnen Unternehmens ergibt sich aus dem Verhältnis der für das Unternehmen festgestellten Unfallneulast im Beobachtungszeitraum zu dem Teil seines Umlagebeitrags, der dem Anteil der Unfallgesamtlast an der allgemeinen Umlage entspricht. Der auf diesen Beitragsanteil bezogene Vomhundertsatz bildet die Eigenbelastungsziffer (§ 30 Abs. 4 der Satzung). Der absolute Unterschied zwischen der Eigenbelastungsziffer und der Durchschnittsbelastungsziffer ist der Vomhundertsatz des Beitragsanteils nach Abs. 4, der als Zuschlag auferlegt wird (§ 30 Abs. 5 der Satzung).

Ebenso wie das Sozialgericht sieht der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eigenbelastung der Klägerin fehlerhaft festgestellt worden ist, weil bei der Berechnung der Unfallneulast nicht berücksichtigungsfähige Aufwendungen herangezogen worden sind. Auch der Senat ist davon überzeugt, dass ein Arbeitsunfall des G vorliegt.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2 , 3 , 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Mitursachen keine überragende Bedeutung haben (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Ebenso wie das Sozialgericht geht der Senat nach diesen Maßstäben vom Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität aus, denn er ist davon überzeugt, dass die versicherte Verrichtung des G zum Zeitpunkt des Unfalls wesentlich ursächlich für die eingetretene Gesundheitsstörung, der Fraktur des rechten Arms, war. In der Unfallanzeige vom 05.03.2003 hat der hierzu Bevollmächtigte des Unternehmens R.W. keinen Vorgang geschildert, aus dem sich ein Unfall aus innerer Ursache ergibt. Auch die auf der Schilderung des Versicherten beruhenden Angaben im Durchgangsarztbericht vom 28.02.2003 lassen nicht erkennen, dass ein Schwächeanfall für den Sturz und die daraus resultierende Armverletzung ursächlich war. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass die Angabe, über Werkzeug gestolpert zu sein, durchaus mit der Angabe, über einen Gasschlauch gestürzt zu sein, zu vereinbaren ist.

Die Behauptung der Klägerin, schon zuvor habe es Schwächeanfälle gegeben, kann als wahr unterstellt werden. Aus diesem Umstand ist aber nicht zu folgern, dass auch ein Schwächeanfall die wesentliche Sturzursache am 27.02.2003 gewesen ist. Eine Beweisaufnahme zu dieser Behauptung ist daher nicht erforderlich. Selbst wenn G - aus welchen Gründen auch immer - nach dem Sturz nur mit Hilfe von R.W. hat aufstehen können, wie die Klägerin behauptet, kann dies auf die Folgen der schmerzhaften Sturzverletzung zurückzuführen sein. Aber auch eine konstitutionell/gesundheitlich bedingte körperliche Schwäche wäre, sofern sie vorgelegen hätte, ebenso wenig ausreichend, um einen Sturz allein aus innerer Ursache zu begründen. Ein gesundheitlich angegriffener Versicherter genießt ebenso Unfallversicherungsschutz wie ein gesunder, wenn er durch Einwirkung betrieblicher Verhältnisse stolpert. Erst wenn die körperliche Konstitution gegenüber der Mitursache aus den betrieblichen Verhältnisse eine so überragende Bedeutung erlangt, dass sie als alleinige Ursache angesehen werden kann, wäre von einer inneren Ursache und damit von der Loslösung vom Versicherungsschutz auszugehen. Dass G ohnmächtig geworden ist oder infolge einer Bewusstseinstrübung oder Schwäche über ein Hindernis stolperte, das bei normaler Reaktionsfähigkeit keinen Sturz verursacht hätte, ist keiner der Angaben der Klägerin oder der dokumentierten Unfallbeschreibungen zu entnehmen.

Bei dieser Ausgangslage hat der Senat keinen Anlass gesehen, weitere Ermittlungen anzustellen. Die von der Klägerin durch Vernehmung von R.W. und eines anderen Zeugen unter Beweis gestellte Behauptung, bei dem Schlauch handele es sich nur um einen 12 mm dicken Gummischlauch, ist nicht entscheidungserheblich. Es ist nicht ersichtlich, weshalb aus dieser Tatsache sich ein Sturz aus innerer Ursache ergeben soll. Es ist weder behauptet noch rekonstruierbar anzunehmen, dass alle denkbaren Varianten, bei denen ein 12 mm dicker Schlauch zur Stolperfalle werden kann, ausgeschlossen sind. Auszuschließen wäre u. a., dass der Schlauch zum Unfallzeitpunkt nicht als Knäuel auf dem Boden lag bzw. vom Fuß beim Gehen nicht als Schlinge aufgenommen wurde usw. Es ist auch nicht ersichtlich, wie ein solcher Unfallhergang bei fehlenden Augenzeugen aufgeklärt werden könnte.

Eine weitere Beweiserhebung, insbesondere die Vernehmung von G, ist rechtlich nicht geboten. Der Senat ist auf Grund der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht nicht gehalten, Ermittlungen ins Blaue hinein anzustellen. Bei der Aufklärung des Sachverhalts darf sich das Gericht an objektiv vorliegenden Anknüpfungstatsachen orientieren, die weitere Ermittlungen für einen entscheidungserheblichen Sachverhalt als aussichtsreich erscheinen lassen. Aus den Akten ergeben sich keine medizinischen Hinweise auf frühere Schwächeanfälle des G oder auf einen solchen zum Unfallzeitpunkt. Die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit des G ist mit der nach dem ärztlichen Zwischenbericht vom 13.06.2003 neu aufgetretenen multiplen Sklerose begründet worden. Damit lag zum Unfallzeitpunkt weder eine entsprechende Diagnose vor, noch ergibt sich aus dieser Diagnose ein zu diesem Zeitpunkt bestehender Schwächezustand des G, da die akuten, zur Diagnose führenden Beschwerden mit einer Neuritis nervi optici, also einer Entzündung des Sehnervs, verbunden sind. Im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.07.2007 wird auch die Behauptung von Schwächeanfällen offensichtlich nicht mehr aufrechterhalten, sondern unter Bezugnahme auf die Nervenerkrankung eine Fall- und Sturzneigung behauptet, was sich nicht mit der ärztlich dokumentierten Feststellung vom 13.06.2003 zur im Juni 2003 neu aufgetretenen Multiplen Sklerose in Einklang bringen lässt. Entgegen der klägerischen Annahme ist dem ärztlichen Befundbericht auch nicht eine Fall- und Sturzneigung zu entnehmen, denn der Beginn der Erkrankung einer multiplen Sklerose geht in vielen Fällen klinisch zunächst nur mit einer Retrobulbärneuritis (Synonym für Neuritis nervi optici) einher (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, Stichwort: Multiple Sklerose), weshalb die medizinischen Ausführungen im Zwischenbericht vom 13.06.2003 zur Erstdiagnose der multiplen Sklerose und der damit einhergehenden Beschwerden für den Senat überzeugend sind. Hinzukommt, dass die Klägerin selbst an den Angaben von G zunächst keinen Anlass zu Zweifeln hatte, wie sich aus der von ihr der Beklagten vorgelegten Unfallanzeige ergibt, die von dem hierzu Bevollmächtigten R.W. unterzeichnet ist. Ihre hierzu im Widerspruch stehende spätere Behauptung, die wiederum nach Einsicht in die ihr mit Einverständnis von G zugeleitete Unfallakte der Beklagten und Kenntnisnahme der darin enthaltenen ärztlichen Befundberichte abgeändert worden ist, gründet sich somit allein auf Vermutungen und unrichtigen Annahmen, die keinen Anlass für den Senat sein können, hierauf gestützte weitere Ermittlungen anzustellen. Aus der obengenannten Wahrunterstellung der Schwächeanfälle des G, weshalb eine Vernehmung des G hierzu rechtlich nicht geboten ist, folgt nicht, dass der Senat auf Grund der unsubstantiierten Behauptung der Klägerin nunmehr G unter diesem Gesichtspunkt zum Unfallablauf zu vernehmen hätte, weil jetzt die Vermutung als wahr zu unterstellen wäre.

Berechnungsfehler bei der Berücksichtigung der sonach zutreffend als Aufwendungen für einen im Unternehmen der Klägerin aufgetretenen Arbeitsunfall eingestuften Leistungen im Beitragszuschlagverfahren sind weder gerügt noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, 154 Abs. 2, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Bei der von Amts wegen zu treffenden Kostenentscheidung des Rechtsmittelgerichts war zu berücksichtigen, dass die Klägerin auch vor dem Sozialgericht unterlegen war und daher gem. § 154 Abs. 1 VwGO die außergerichtlichen Kosten der Beklagten in der ersten Instanz trägt. Die Kosten des Verfahrens sind nach § 162 Abs. 1 VwGO die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten. § 193 SGG, auf den das Sozialgericht bei seiner Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten Bezug genommen hat, ist vorliegend nicht anwendbar (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 197 a Rdnr. 10). Der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius gilt bei der Kostenentscheidung nicht (allgemeine Meinung; vgl. Leitherer a.a.O. § 193 Rdnr. 16 mit Hinweis auf BSGE 62, 131, 136; vgl. auch BVerwGE 14, 171ff).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved