L 6 U 1734/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1711/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1734/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.02.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob sich die Folgen des Unfalles vom 08.09.1987 beim Kläger wesentlich verschlimmert haben und ihm deshalb eine höhere Rente zusteht.

Der 1947 geborene Kläger war seit 1985 als LKW-Fahrer bei dem Bauunternehmen P. in A. tätig. Nach einer von der Beklagten übernommenen Weiterbildungsmaßnahme zum Betriebswirt des Handwerks ist er seit 1996 in diesem Unternehmen als Gruppenleiter beschäftigt.

Der Unfall ereignete sich, als der Kläger am 08.09.1987 auf einem beladenen LKW stand, um diesen mit Hilfe eines Krans zu entladen. Er verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts aus ca. 2,50 Meter Höhe vom LKW. Er wurde vom Notarzt in das Kreiskrankenhaus B. gebracht, wo eine Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers (LWK), ein Vorderkantenabriss des 12. Brustwirbelkörpers (BWK), eine Beckenprellung sowie eine distale Radiustrümmerfraktur links erhoben wurden. Es bestand auch eine Blasenlähmung. Nachdem computertomographisch eine deutliche Einengung des Spinalkanals festgestellt worden war, wurde der Kläger zur operativen Behandlung in das K.hospital S. verlegt. Dort erfolgte im Rahmen der stationären Behandlung vom 09.09.1987 bis 08.10.1987 eine operative Versorgung der Frakturen am 10.09.1987 (Reposition und Stabilisierung der Wirbelfraktur mit Fixateur interne von BWK 12 zu LWK 2, transpedunkuläre Spongiosaplastik vom linken dorsalen Beckenkamm, offene Reposition und dorsale T-Abstützplatte am Radius). Vom 11.11. bis 27.11.1987 wurde ein stationäres Heilverfahren mit krankengymnastischer Übungsbehandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. durchgeführt. Am 15.02.1988 nahm der Kläger nach einer Belastungserprobung seine Tätigkeit wieder auf.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 27.04.1988 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vom Hundert (v. H.). Dem Bescheid lag das Erste Rentengutachten von Prof. Dr. W. vom 14.12.1987 zu Grunde.

Die Metallentfernung erfolgte im November 1988. Prof. Dr. W. schätzte in seinem Zweiten Rentengutachten vom 09.06.1989 die MdE nur noch auf 10 v. H. Daraufhin entzog die Beklagte die Rente mit Bescheid vom 28.08.1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.09.1989 mit Ablauf des Monats September 1989.

Als Folgen des Arbeitsunfalls stellte sie fest: "Nach knöchern fest verheilter Kompressionsfraktur des 1. Lendenwirbelkörpers, Vorderkantenabsprengung am 12. Brustwirbelkörper und Radiusfraktur links: Blockwirbelbildung des 12. Brust- mit dem 1. Lendenwirbelkörper. Endgradige Bewegungseinschränkung im Übergangsbereich der Brust- zur Lendenwirbelsäule. Beginnende Arthrose im Radiocarpalgelenk links. Kalksalzminderung im Bereich des distalen Radius und der Handwurzelknochen links. Endgradige Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk. Reizlose Narben im Bereich der Brust und Lendenwirbelsäule, des rechten hinteren Beckenkammes und des linken Handgelenks."

In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) wurde unter anderem das Gutachten von Prof. Dr. P., Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Klinik des O.hospitals in S. vom 13.10.1990 eingeholt. Dieser führte aus, in Bezug auf die Radiusfraktur links liege ein sehr gutes Ausheilungsergebnis ohne funktionelle Beeinträchtigung vor. Die LWK-1-Fraktur sowie die BWK-12-Vorderkantenabsprengung seien knöchern konsolidiert. In Folge der Verletzung bestehe noch eine Teileinsteifung der Wirbelsäule. Aufgrund der mit erheblicher Bewegungsbehinderung ausgeheilten Wirbelsäulenverletzung und des glaubhaften Beschwerdebildes bewertete Prof. Dr. P. die MdE. mit 20 v. H. Mit Urteil vom 10.10.1991 verurteilte das SG die Beklagte, die Rente nach einer MdE um 20 v. H. weiter zu gewähren. In Ausführung dieses Urteils gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 25.02.1992 eine Dauerrente nach einer MdE um 20 v. H. ab 01.10.1989.

Ab 1995 waren immer wieder krankengymnastische Behandlungen wegen Rückenbeschwerden erforderlich (Nachschauberichte von Dr. H. vom 04.08.1995, Dr. S. vom 14.06.1999, Dr. J. vom 22.08.2000, 18.12.2000. 19.02.2001, 15.05.2001), wobei der Unfallzusammenhang von den behandelnden Ärzten nicht eindeutig abgegrenzt werden konnte.

Am 30.07.2002 stellte der Kläger einen Antrag auf Erhöhung der Rente mit der Begründung, sein körperlicher Zustand aufgrund des Arbeitsunfalls habe sich ständig verschlechtert. Die Beklagte holte daraufhin von Prof. Dr. D., Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Städtischen Kliniken E., das Gutachten vom 23.10.2002 ein. Dieser führte aus, als Unfallfolgen bestünden noch eine Bewegungseinschränkung im Bereich der BWS / LWS durch Blockwirbelbildung BWK 12 / LWK 1 bei Zustand nach LWK-1- Kompressionsfraktur mit Vorderkantenabsprengung BWK 12 sowie eine ausgeheilte distale Radiusfraktur links mit Bewegungseinschränkung im Handgelenk für die Dorsalextension und Volarflexion. Die MdE werde weiterhin auf 20 v. H. geschätzt, eine wesentliche Änderung im Vergleich zu den früheren Befunden bestehe nicht. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers auf Erhöhung der Rente mit Bescheid vom 14.11.2002 ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2003 zurück.

Der Kläger erhob hiergegen am 04.04.2003 Klage zum SG. Zur Begründung führte er aus, der Vergleich der Gutachten von Prof. Dr. P. und Prof. Dr. D. zeige durchaus, dass sich die Befunde verschlechtert hätten. Trotz der verordneten Krankengymnastik sei es auch zu einer Zunahme der Beschwerden gekommen.

Das Gericht befragte zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen. Die Fachärztin für Unfallchirurgie Dr. J. teilte mit, der Kläger sei seit 22.08.2000 wegen der Rückenverletzung in ihrer Behandlung. Sie stimme mit den Beurteilungen in dem Gutachten von Prof. Dr. D. überein. Der Allgemeinmediziner M. teilte mit, er sei seit Juli 1982 Hausarzt des Klägers. Wegen der Unfallfolgen habe er ihn nicht behandelt.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) holte das SG das orthopädische Gutachten von Dr. G. vom 08.03.2004 mit der ergänzenden Stellungnahme vom 08.07.2004 ein. Dr. G. diagnostizierte ein funktionelles Impingementsyndrom der rechten Schulter, das er als unfallunabhängig ansah, eine Lumboischialgie beidseits mit ständig vorhandenen Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, mit Angabe von Sensibilitätsstörungen bis in die Zehenspitzen ohne radikuläre Zuordnung sowie eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule bei radiologisch gut konsolidierter LWK-1-Fraktur und knöchern konsolidierter BWK 12-Vorderkantenabsprengung und eine ausgeheilte distale Radiusfraktur links mit geringer, endgradiger Bewegungseinschränkung ohne Angaben von Schmerzen. Er sah gegenüber der Symptomatik aus dem Jahr 1990 eine Verschlechterung insoweit, als nunmehr ständige, belastungsunabhängige Beschwerden angegeben würden mit Ausstrahlung in beide Beine sowie damals noch nicht vorhandene Sensibilitätsstörungen. Diese Verschlechterung rechtfertige eine MdE um 30 v.H.

Das SG holte dann von Amts wegen das unfallchirurgische Gutachten von Oberarzt Dr. D. aus dem M.hospital S. vom 20.12.2004 ein. Dieser führte aus, der Kläger sehe als Verschlimmerung seiner Unfallfolgen seit zwei bis drei Jahren zunehmende Lumboischialgien links an. Bei der neurologischen Untersuchung der unteren Extremitäten habe sich ein sensibles und motorisches Nervenwurzelreiz-Syndrom seitens des linksseitigen Spinalnerven S1 ergeben. Dieses könne nicht als Unfallfolge gewertet werden, da die Symptomatik anatomisch nicht der Höhe der ursprünglichen Wirbelsäulenverletzung (Bewegungssegment BWK 12 / LWK 1) sondern dem Bewegungssegment L5 / S1 zuzuordnen sei. Er schätzte die MdE für die Unfallfolgen weiterhin auf 20 v. H. Der Einschätzung von Dr. G. sei nicht zuzustimmen, da sie nicht nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung gültigen Einschätzungskriterien vorgenommen worden sei und ein Teil der Beschwerdesymptomatik entgegen den Ausführungen von Dr. G. als unfallunabhängig anzusehen sei. Wegen der seit 2 Jahren bestehenden Probleme beim Wasserlassen empfahl Dr. D. eine Anfrage bei dem behandelnden Urologen und gegebenenfalls eine urologisches Begutachtung.

Das SG hörte den behandelnden Urologen Dr. S. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte unter dem 21.05.2005 mit, er habe den Kläger seit 04.02.2002 behandelt. Es bestehe eine Blasenentleerungsstörung bei Prostatahyperplasie. Diese führe nicht zu einer MdE.

Schließlich holte das SG noch das neurologische Gutachten von Dr. S. vom 31.10.2005 ein. Dieser führte aus, auf neurologischem Fachgebiet ergäben sich keine erkennbaren Residuen des Arbeitsunfalls vom 08.09.1987, bzw. keine mit hinreichender Sicherheit diesem Unfallereignis zuordenbare Defizite. Die Beschwerdesymptomatik der letzten Jahre spreche ebenso wie der klinische Befund und der Befund der durchgeführten neurophysiologischen Zusatzdiagnostik für eine Wurzelreizsymptomatik bzw. Radikulopathie S 1 links, welche nicht zwanglos und mit hinreichender Sicherheit mit dem Unfallereignis 1987 mit LWK-1-Fraktur korreliere. Es ergäben sich klinisch wie neurophysiologisch keine hinreichenden Hinweise auf eine verbliebene oder gar progrediente Konus-/Kauda-Läsion; vielmehr entspreche die geklagte, in den letzten Jahren progrediente Beschwerdesymptomatik ebenso wie der klinische Befund einer Wurzelreizsymptomatik bzw. leichten Radikulopathie S1 links, die durch die zweifelsohne bestehenden erheblichen degenerativen Veränderungen im Bereich des lumbosakralen Überganges L5/S1 erklärt sei. Die seit etwa zwei bis drei Jahren progrediente Blasenentleerungsstörung könne seines Erachtens nach dem langjährigen symptomfreien oder zumindest weitgehend symptomarmen Intervall ebenfalls nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgeführt werden. Es erscheine weitaus wahrscheinlicher, dass diese Störung im Zusammenhang mit der Prostata-Problematik stehe.

Mit Urteil vom 16.02.2006 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich dabei auf die Gutachten von Dr. D. und Dr. S., die schlüssig und nachvollziehbar seien. Danach sei eine Erhöhung der Verletztenrente wegen einer Verschlimmerung der Unfallfolgen nach dem medizinischen Sachverhalt nicht gerechtfertigt.

Gegen das am 06.03.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.04.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die bestehenden Unfallfolgen seien mit einer MdE um 20 v.H. nicht angemessen bewertet. Angemessen wäre vielmehr eine MdE von mindestens 30 v.H. Das SG hätte im Übrigen den Sachverhalt in Bezug auf die neurologisch/urologischen Beschwerden weiter aufklären müssen. Die Lumboischialgien seien zumindest als mittelbare Folge des Unfalles anzusehen. Sie beruhten auf einer jahre- bzw. jahrzehntelangen Fehlhaltung infolge der Unfallverletzung. In diesem Zusammenhang sei auch von Belang, dass er unter Osteoporose leide. Auch dies könne eine Spätfolge des Unfalles sein. Er hat darauf hingewiesen, dass nach dem Gutachten von Dr. S. die Blasenentleerungsstörung lediglich "nicht zwanglos" durch die Unfallfolgen erklärbar sei. Ein Unfallzusammenhang sei jedoch danach nicht ausgeschlossen, nachdem er unmittelbar nach dem Unfall unter einer Blasenlähmung gelitten habe. Außerdem leide er auch unter erektiler Dysfunktion.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16.02.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheids vom 14.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2003 eine Rente nach einer MdE um mindestens 30 v. H. zu gewähren, hilfsweise von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten zur Frage der Verschlimmerung von Unfallfolgen sowie ebenfalls von Amts wegen ein urologisches Gutachten zur Frage eines Ursachenzusammenhangs der bei dem Kläger vorliegenden Blasenentleerungsstörung und Erektionsprobleme einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat den nunmehr behandelnden Orthopäden Dr. B. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser berichtet unter dem 27.11.2006, der Kläger habe sich erstmals am 27.05.2002 wegen HWS/Schulter-Beschwerden links vorgestellt, die kassenärztlich behandelt worden seien. Wegen des erlittenen Arbeitsunfalls habe er sich zwischen dem 04.04.2006 und dem 06.11.2006 viermal vorgestellt. Zu Lasten der Beklagten seien physikalische Therapien sowie orthopädische Arbeitsschuhe verordnet worden. Nach der segmentbezogenen Beurteilung von Wirbelsäulenschäden resultiere nach seiner Berechnung aus den Wirbelfrakturen des Klägers eine "MdE von 24,3". Setze man nun für die Unterarmfraktur mit Pseudarthrose mit resultierender Bewegungseinschränkung eine Einzel-MdE von rund 5 v.H. an, sollte seiner Ansicht nach insgesamt eine MdE von 30 v.H. anzusetzen sein.

Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die MdE mit 20 v.H. richtig bewertet sei. Insbesondere habe Dr. B. zu Unrecht auch eine Beeinträchtigung des Bewegungssegments L1/L2 in seine Beurteilung einbezogen. Im Übrigen habe er keine Verschlimmerung der Unfallfolgen beschrieben.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, da in Bezug auf die Unfallfolgen beim Kläger keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist und ihm keine höhere Rente zusteht. Das SG hat die Klage daher zu Recht abgewiesen.

Nach § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei der Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist eine Änderung in diesem Sinne nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt. Dies ergibt sich aus der ständigen Rechsprechung des Bundessozialgerichts (BSG -vgl. BSGE 32, 245) bzw. für Versicherungsfälle ab 01.01.1997 aus § 73 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII).

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass auf die Rente des Klägers noch die bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden sind und die Voraussetzungen für den Rentenanspruch und die Einschätzung der MdE zutreffend dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf verwiesen (§ 153Abs. 2 SGG).

Ebenso wie das SG kommt der Senat bei nochmaliger kritischer Überprüfung der vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten zu der Überzeugung, dass eine wesentliche Änderung in den Folgen des Unfalles vom 08.09.1987 nicht eingetreten ist. Dies ergibt sich sowohl aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Prof. Dr. D., das urkundsbeweislich verwertet wurde, als auch aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. D. und Dr. S ... Vergleichsgutachten für die Beurteilung, ob eine wesentliche Veränderung der Unfallfolgen vorliegt, ist das Gutachten von Prof. Dr. P. vom 13.10.1990, auf welches das SG sein Urteil vom 10.10.1991 gestützt hat, mit dem die Beklagte zur Gewährung einer Dauerrente nach einer MdE um 20 v.H. verurteilt worden ist. Der Vergleich der von Prof. Dr. P. erhobenen Befunde und Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule des Klägers mit den Befunden, welche die in diesem Verfahren tätigen Gutachter und Sachverständigen erhoben haben, zeigt, dass die Einschränkungen der Beweglichkeit der Wirbelsäule sich nicht wesentlich verändert haben. So betrug der Fingerbodenabstand bei der Untersuchung durch Prof. Dr. P. 45 cm, bei der Untersuchung durch Dr. D. 32 cm, bei der Untersuchung durch Dr. D. 34 cm. Die Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule (Zeichen nach Schober) war bei der Untersuchung durch Prof. Dr. P. mit 10/12 cm stärker eingeschränkt als bei den Untersuchungen durch Dr. D. und Dr. D. mit 10/14 cm. Die Messwerte für die Beweglichkeit der Wirbelsäule von Dr. D. entsprechen im Wesentlichen denen von Prof. Dr. P., während Dr. D. hier für die LWS-Rotation und für die Seitneigung ungünstigere Werte erhoben hat als Prof. Dr. P. (LWS-Rotation 20 Grad, Seitneigung 15 Grad gegenüber 30- 40 Grad bzw. 30 Grad ). Sämtliche Ärzte beschreiben die röntgenologisch sichtbare knöcherne Konsolidierung der LWK 1-Kompressionsfraktur sowie der BWK 12-Vorderkantenfraktur ohne Einengung des Spinalkanales. Da somit hier teilweise günstigere, teilweise geringfügig ungünstigere Befunde in Bezug auf die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule erhoben wurden, liegt eine wesentliche Verschlechterung der objektiven Befunde im Bereich der erlittenen Frakturen nicht vor.

Allerdings leidet der Kläger neben den Beschwerden und Funktionseinschränkungen im BWS/LWS-Übergang, die dem Unfall zuzuordnen sind, unter Lumboischialgien mit Ausstrahlungen hauptsächlich in das linke Bein. Diese Beschwerden wurden bereits von Dr. H. in seinem Bericht an die Beklagte vom 04.08.1995 beschrieben. Dieser vertrat in seiner Stellungnahme vom 06.05.2001 die Auffassung, die Schmerzepisoden könnten mit degenerativen Veränderungen der an die ehemals verletzten Wirbelkörper angrenzenden Bandscheiben erklärt werden. Er empfahl daher, die Übernahme der durch die behandelnde Unfallchirurgin Dr. J. verordneten physikalischen Behandlungsmaßnahmen durch die Beklagte. Im Übrigen sei zur Klärung eine Nachuntersuchung erforderlich.

Inzwischen haben aber sowohl Dr. D. als auch Dr. S. schlüssig ausgeführt, dass die Lumboischialgien des Klägers mit Wahrscheinlichkeit auf ein Wurzelreizsyndrom im Bereich L5/S1, also im Bereich der unteren Wirbelsäule, die von der Unfallverletzung nicht betroffen war, zurückzuführen sind. Die diesbezüglichen und von den Sachverständigen als glaubhaft beschriebenen Beschwerden des Klägers können aus diesem Grund nach Überzeugung des Senats bei der Frage, ob eine wesentliche Veränderung der Unfallfolgen eingetreten ist, nicht berücksichtigt werden. Auch für eine mittelbare Verursachung dieser Beschwerden durch die Unfallfolgen fehlt es an ausreichenden Anhaltspunkten. Dr. D. hat einen harmonischen, doppel-S-förmigen Verlauf der Wirbelsäule ohne wesentliche Knickbildung im Bereich des LWS-BWS-Überganges beschrieben. Die paravertebrale Rückenmuskulatur beschreibt er als ordnungsgemäß ausgeprägt. Lediglich im Bereich des BWS-LWS Überganges bestand ein Muskelhartspann. Wesentliche Haltungsschäden, die auf den Unfall zurückzuführen wären, werden von den Sachverständigen nicht beschrieben. Es spricht somit mehr dagegen als dafür, dass die Lumboischialgien durch die Unfallfolgen - und sei es nur mittelbar - bedingt sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Befundbericht der Neurochirurgischen Klinik des K.hospitals S. vom 01.04.2004, der dem Gutachten von Dr. S. beigefügt war. Auch darin werden neben den Unfallfolgen degenerative Veränderungen im unteren LWS-Bereich beschrieben. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger an Osteoporose leidet, ergeben sich aus den Gutachten nicht. Der Kalksalzgehalt wird bei der Befundung der Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule als regelrecht beschrieben. Eine Osteoporose wäre im Übrigen nicht unfallbedingt.

Auch in Bezug auf die Blasenentleerungsstörungen spricht nach Überzeugung des Senats mehr dagegen als dafür, dass diese mit dem Unfall in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Dr. S. weist für den Senat nachvollziehbar darauf hin, dass sich die ursprüngliche Blasenlähmung, die unmittelbar nach dem Unfall bestand, in der Folgezeit nach den vorliegenden ärztlichen Berichten und den eigenen Angaben des Klägers deutlich gebessert bzw. zurückgebildet hatte. Ausweislich des Befundberichts der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 25.11.1987 sowie der Ausführungen von Prof. Dr. W. in seinen Rentengutachten vom 14.12.1987 und 27.06.1989 bestanden nach den eigenen Angaben des Klägers keine Blasenstörungen mehr. Bei der Untersuchung durch Dr. P. am 26.09.1990 gab der Kläger lediglich noch eine seit dem Unfall bestehende Pollakisurie an. Der Senat misst den damaligen zeitnah gemachten Angaben des Klägers einen höheren Beweiswert zu als seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, die Blasenentleerungsstörung habe sich nach dem Unfall nie vollständig zurückgebildet, zumal eine urologische Behandlung erstmals im Jahr 2002 stattgefunden hat. Die nach dem Bericht des behandelnden Urologen Dr. S. am 04.02.2002 erhobene Blasenentleerungsstörung kann nach dem langjährigen symptomfreien oder zumindest weitgehend symptomarmen Intervall von ca. 15 Jahren nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgeführt werden. Dr. S. hat insoweit überzeugend dargelegt, dass sich aus den klinischen und neurophysiologischen Befunden keine hinreichenden Hinweise auf eine weiter bestehende oder gar neu aufgetretene/zunehmende Konus- oder Konus-Kauda-Läsion ergeben. Aufgrund der Ausführungen von Dr. S. erscheine es weitaus wahrscheinlicher, dass die progrediente Blasenentleerungsstörung im Zusammenhang mit der Prostataproblematik steht.

Nach Überzeugung des Senats ist der medizinische Sachverhalt umfassend aufgeklärt. Den Hilfs¬anträgen des Klägers war daher nicht zu entsprechen. Die Einholung eines urologischen Gutachtens war nicht erforderlich. Dr. S. hat schlüssig ausgeführt, dass keine neurologischen Befunde vorliegen, die eine Blasenfunktionsstörung erklären würden. Dies wäre jedoch erforderlich, wenn man die seit 2002 bestehenden urologischen Probleme als Spätfolge der nach dem Unfall aufgetretenen neurogenen Blasenlähmung ansehen wollte. Aus dem selben Grund ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und der erektilen Dysfunktion, die der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung vom 31.10.2006 geltend gemacht hat, nicht wahrscheinlich zu machen. Im übrigen hat Dr. S. eine entsprechende Funktionsstörung in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 21.05.2005 nicht bestätigt, obwohl sie nach den Angaben des Klägers jedenfalls seit 2002 besteht.

Für die Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens gibt es ebenfalls keine Veranlassung. Insbesondere ergeben sich aus der Auskunft von Dr. B. keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Unfallfolgen auf diesem Fachgebiet nach der Untersuchung durch Dr. D. wesentlich verschlechtert hätten.

Da die Unfallfolgen sich seit der Gewährung der Dauerrente nicht wesentlich verschlechtert haben, hat der Kläger keinen Anspruch auf eine höhere Rente. Die MdE für die noch bestehenden Unfallfolgen ist auch nach Überzeugung des Senats weiterhin mit 20 v.H. angemessen und ausreichend bewertet. Auch insoweit kann den Ausführungen von Dr. D. und Dr. D. gefolgt werden. Die leichte Bewegungseinschränkung des Handgelenkes nach der erlittenen Fraktur führt nach den herrschenden sozialmedizinischen Kriterien zu keiner Erhöhung der MdE. Sie bestand im Übrigen ebenfalls bereits bei der Untersuchung durch Prof. Dr. P ...

Den Ausführungen von Dr. G. in seinem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten konnte der Senat nicht folgen. Aus den von diesem Arzt erhobenen objektiven Befunden insbesondere im Bereich des BWS-/LWS-Überganges ergibt sich keine wesentliche Änderung im Vergleich zu den Befunden von Prof. Dr. P ... Dr. G. schätzt die MdE vor allem deshalb auf 30 v.H., weil sich die vom Kläger angegebene Schmerzsymptomatik verstärkt habe. Bei der MdE-Bewertung werden jedoch in erster Linie Funktionseinschränkungen berücksichtigt. Die glaubhaften Beschwerden des Klägers im Wirbelsäulenbereich gehen nicht über das übliche Maß hinaus und führen damit nicht zu einer Erhöhung der MdE (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 312 f.). Im Übrigen ist die Schmerzsymptomatik - wie dargelegt - jedenfalls teilweise auf das unfallunabhängige Wurzelreizsyndrom L5/S1 zurückzuführen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. B ... Dieser hat den Kläger erst seit März 2006 wegen der Unfallfolgen behandelt und kann über eine Verschlechterung seit 1990 keine Angaben machen.

Die Berufung war aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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