Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2961/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1901/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner 1922 geborenen und am 6. Januar 2007 verstorbenen Mutter (nachfolgend Versicherte genannt) die Gewährung höherer Witwenrente aus der Versicherung seines Vaters, des 1907 geborenen und am 31. Mai 1947 verstorbenen Versicherten B. L. (B. L.).
Die am 6. Januar 2007 verstorbene Versicherte war mit dem verstorbenen Versicherten B. L. seit dem 9. Juli 1941 bis zu dessen Tode verheiratet. Am 19. April 1952 heiratete sie den K. K., von dem sie am 18. Januar 1974 geschieden wurde, ohne Anspruch auf Versorgung oder Unterhalt gegen den K. K. zu haben.
Auf Antrag vom 23. Januar 1992 gewährte die Beklagten der Versicherten mit Bescheid vom 21. Dezember 1992 für die Zeit ab dem 1. Februar 1992 große Witwenrente aus der Versicherung des am 31. Mai 1947 verstorbenen Versicherten B. L. unter Anerkennung folgender Versicherungszeiten des B. L.: - 11.07.41-24.06.45 48 Mon. Militärischer Dienst - 01.01.46-28.02.46 2 Mon. Pflichtbeiträge - 01.03.46-31.12.46 10 Mon. Pflichtbeiträge - 01.01.47-12.04.47 4 Mon. Pflichtbeiträge und - 31.05.47-31.08.64 208 Mon. Zurechnungszeit
Unter dem 23. Juli 2003 beantragte die Versicherte u. a. unter Vorlage eines Auszugs aus der Personalkartei der Stadt L. über die berufliche Tätigkeit und des Reichswehr-Soldbuchs des verstorbenen Versicherten B. L. als Beamter von 1926 bis 1946 die Neuberechnung der Witwenrente. Auf der Karteikarte war neben anderem vermerkt, der Versicherte, der von 1926 bis 1931 als Landwirt beim Heeresversuchsgut in Q./O. und anschließend von 1931 bis 1938 und sodann wieder ab dem 15. März 1946 als Vermessungstechniker im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen sei, sei zwischen 1938 und 1941 in S./W ... wegen eines heimtückischen Angriffs gegen die NSDAP aus politischen Gründen inhaftiert gewesen. Anschließend sei er Kriegsteilnehmer gewesen, zuletzt im Range eines Oberfeldwebels, im April 1945 in amerikanische Gefangenschaft geraten und im Juli 1945 aus dieser entlassen worden. Darauf folgend sei der Versicherte vom 16. Juli 1945 bis zum 28. Februar 1946 als Gummierer bei der Firma E. S. in L. beschäftigt gewesen.
Das Bundesarchiv - Zentralnachweisstelle (Aachen) - teilte dem Kläger unter dem 28. Oktober 2003 mit, Nachforschungen nach Personalunterlagen/Eintragungen über seinen Vater in den vorhandenen Archivbeständen seien negativ verlaufen.
Mit Bescheid vom 20. November 2003 lehnte die Beklagte die Neuberechnung der Witwenrente im Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit der Begründung ab, die Personalkartei der Stadt Leipzig sei als Nachweis über eventuelle Beschäftigungszeiten/Beamtendienstzeiten des Versicherten B. L. nicht ausreichend. Im Übrigen seien die Zeiträume vom 11. Juli 1941 bis zum 24. Juni 1945 und vom 1. Januar 1946 bis zum 12. April 1947 bereits als Ersatz- und Beitragszeiten anerkannt worden. Für die geltend gemachten Beamtenzeiten zwecks Prüfung einer fiktiven Nachversicherung nach dem G 131 sei nachzuweisen, dass der Versicherte B. L. Berufssoldat gewesen sei. Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden.
Einen gesonderten Antrag auf Nachversicherung des Versicherten nach dem G 131 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg mit Bescheid vom 27. Januar 2004 mit der Begründung ab, B. L. habe nicht die Rechtsstellung eines Berufssoldaten der früheren Wehrmacht im Sinne des Wehrgesetzes gehabt. Deshalb gehöre auch seine Witwe als Hinterbliebene nicht zum nachversicherungsberechtigten Personenkreis des G 131.
Auf den zwischenzeitlich von der Versicherten gegen den Bescheid vom 20. November 2003 erhobenen Widerspruch erteilte die Beklagte sodann unter dem 22. März 2004 einen neuen Rentenbescheid, mit dem sie die große Witwenrente der Versicherten unter zusätzlicher Anerkennung des sechsmonatigen Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis zum 31. Dezember 1945 als Pflichtbeitragszeit neu feststellte. Auch diesem Bescheid widersprach die Versicherte unter Hinweis auf die weiterhin versagte Anerkennung von Dienst- und Beamtenzeiten des verstorbenen Versicherten B.L.
Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 28. Juni 2004 einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie den Widerspruch - soweit ihm nicht durch Bescheid vom 22. März 2004 abgeholfen worden war - zurückwies. Zur Begründung hieß es: Für die Zeiten vom 1. Januar 1926 bis zum 31. Dezember 1941 und vom 1. Januar 1945 bis zum 15. Juli 1945 sei eine Beitragsentrichtung des Versicherten B. L. zur gesetzlichen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Die Personalkartei der Stadt L. sei als Nachweis oder Mittel der Glaubhaftmachung ungeeignet. Zur Berücksichtigung der fraglichen Zeiträume als Beitragszeiten sei die Vorlage entsprechender Arbeitgeberzeugnisse oder von Unterlagen der Krankenkasse, die eine Beitragsentrichtung bestätigten, unerlässlich. Im Übrigen sei die Zeit vom 11. Juli 1941 bis zum 24. Juni 1945 bereits als Ersatzzeit und die Zeit vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als glaubhaft gemachte Beitragszeit anerkannt worden.
Mit am 21. Juli 2004 beim Sozialgericht Karlsruhe erhobener Klage (S 15 RA 2961/04) begehrte die Versicherte unter abermaligem Hinweis auf die Personalkartei der Stadt L. weiter die Neuberechnung ihrer Hinterbliebenenrente unter Anerkennung folgender Zeiten: - des Zeitraums vom 1. Januar 1926 bis zum 31. Dezember 1937 als Beitragszeit, - des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis zum 10. Juli 1941 als Ersatzzeit und - des als glaubhaft gemacht anerkannten Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als nachgewiesene Zeiten.
In einem parallel zum Klageverfahren im Hinblick auf den Teilabhilfe-Rentenbescheid vom 22. März 2004 durchgeführten Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 2. Februar 2005 fest, die Rente sei im Bescheid vom 22. März 2004 auch der Höhe nach zutreffend festgestellt worden. Es seien weder Beweismittel vorgelegt noch neue Tatsachen vorgetragen worden, die geeignet gewesen seien, eine der Versicherten günstigere Entscheidung zu treffen. Die Zeit von 1939 bis zum 10. Juli 1941 könne als Ersatzzeit nicht anerkannt werden, weil sie weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Dieser Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Das Sozialgericht wies die Klage in der Folge mit Urteil vom 14. April 2005 mit der Begründung als unbegründet ab, weitere rentenrechtlich relevante Zeiten als die von der Beklagten bereits anerkannten Zeiten seien bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente der Klägerin nicht zu berücksichtigen. Auch wenn man davon ausgehe, dass durch die Personalkartei der Stadt L. eine Beschäftigung ab dem Jahre 1926 glaubhaft gemacht sei, so fehle es immer noch an der Glaubhaftmachung der tatsächlichen Beitragszahlung. Zur Frage der Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung verhielten sich die Eintragungen in der Personalkartei der Stadt L. nicht. Auch der Vortrag der Versicherten, ihr damaliger Ehemann, der Versicherte B. L., sei von 1926 bis 1944 als Beamter beschäftigt gewesen, spreche gegen eine Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Anerkennung des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis zum 10. Juli 1941 als Ersatzzeit stehe entgegen, dass nicht glaubhaft gemacht worden sei, der Versicherte B. L. habe eine Freiheitsentziehung erlitten und gehöre zum Personenkreis des § 1 Bundesentschädigungsgesetz. Sollte der Versicherte B. L. bis zum 10. Juli 1941 aus politischen Gründen inhaftiert gewesen sein, sei unverständlich, dass er anschließend - ab dem 25. Juli 1941 - wieder regulären Truppenteilen angehört habe. Soweit die Anerkennung des Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als nachgewiesene Zeit anstatt als glaubhaft gemachte Zeit begehrt werde, sei ein entsprechender Nachweis durch die Vorlage von Versicherungsausweisen, Ausweisen der Arbeits- und Sozialversicherung, Bescheinigungen der Versicherungsträger und Einzugsstellen, Steuer-, Beitrags-, Feststellungs- oder Abrechnungsbescheinigungen nicht geführt worden. Das Urteil wurde den Bevollmächtigten der Versicherten am 25. April 2005 zugestellt.
Am 11. Mai 2005 hat die Versicherte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Versicherte hat weiter die Auffassung vertreten, die von ihr vorgelegten umfangreichen Unterlagen seien geeignet, die geltend gemachten Ansprüche mit der vom Gesetz geforderten Sicherheit zu beweisen.
Am 6. Januar 2007 ist die Versicherte verstorben. Ihr Sohn setzt als Sonderrechtsnachfolger den Rechtsstreit fort.
Der Kläger beantragt als Sonderrechtsnachfolger der verstorbenen Versicherten,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 und des Bescheids vom 2. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 21. Dezember 1992 und vom 22. März 2004 zurückzunehmen und die der verstorbenen Versicherten vom 1. Februar 1992 bis zum 6. Januar 2007 gewährte große Witwenrente unter Berücksichtigung - des Zeitraums vom 1. Januar 1926 bis 31. Dezember 1937 als Beitragszeit, - des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis 10. Juli 1941 als Ersatzzeit und - des Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis 12. April 1947 als nachgewiesene Zeiten neu zu berechnen und neu festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und nimmt auf dessen Entscheidungsgründe Bezug.
Der Senat hat Beweis erhoben, durch Anfragen zur Aufklärung des beruflichen und persönlichen Werdegangs des Versicherten B. L. im Zeitraum zwischen 1926 und 1947 beim Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen, bei der Wiedergutmachungsstelle des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg und bei der Bezirksregierung Düsseldorf, Dezernat 10 (Wiedergutmachung).
Das Sächsische Staatsarchiv Leipzig hat unter dem 2. März 2006 mitgeteilt, dass allein die Meldekarte des B. L. habe ermittelt werden können, anderweitig sachdienliche Nachweise aber nicht aufzufinden gewesen seien. Unter der Rubrik Beruf ist auf der Meldekarte des B. L. die Bezeichnung "Angestellter" eingetragen.
Der Internationale Suchdienst hat dem Senat unter dem 24. April 2006 Kopien von Auszügen aus den Gefangenenbüchern des Polizeigefängnisses Leipzig sowie der Untersuchungshaftanstalt Leipzig aus den Jahren 1939 und 1940 vorgelegt. Danach befand sich B. L. am 29. November 1939 von 7:55 Uhr bis 13:00 Uhr im Polizeigewahrsam und anschließend vom 29. November 1939, 13:20 Uhr bis zum 13. Dezember 19(40 ?), 7:55 Uhr in Gewahrsam und Haft in der Untersuchungshaftanstalt Leipzig. Unter der Rubrik "Ursache der Einlieferung" im Tagebuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig ist vermerkt: "Urkundenfälschung, Betrug".
Die Wiedergutmachungsstelle des Landesamtes für Besoldung und Versorgung - LBV - Baden-Württemberg berichtet unter dem 19. Dezember 2006, dass nach ihrem Aktenbestand eine Entschädigungssache des B. L. nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht anhängig gewesen sei. Da der B. L. nach den vorgelegten Unterlagen auch seinen Wohnsitz nie in Baden-Württemberg gehabt habe, sei die Wiedergutmachungsstelle des LBV auch rechtlich nicht zuständig.
Unter dem 5. März 2007 hat die Bezirksregierung Düsseldorf - Wiedergutmachung - nach Durchsicht der von ihr geführten Bundeszentralkartenkartei erklärt, eine für die Anerkennung von Ersatzzeiten notwendige Verfolgteneigenschaft im Sinn des § 1 Bundesentschädigungsgesetz könne bei dem verstorbenen Versicherten B. L. nicht bejaht werden. Es sei zweifelhaft, ob das NS-Regime in der Person des B. L. einen politischen Gegner verfolgt habe. Allein der Hinweis in der Personalkartei der Stadt Leipzig "heimtückischer Angriff gegen die NSDAP" lege jedenfalls keinen politischen Hintergrund nahe. Da es im Übrigen an Indizien für eine politische Verfolgung des B. L. während des NS-Regimes fehle und die persönlichen Motive des Versicherten B. L. nicht mehr aufzuklären seien, sei es nicht möglich, die Verfolgteneigenschaft nach § 1 Bundesentschädigungsgesetz zu bejahen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe im erstinstanzlichen Verfahren (S 15 RA 2961/04) sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 und des Bescheids vom 2. Februar 2005 sind rechtmäßig. Der Kläger, der den Rentenrechtsstreit seiner verstorbenen Mutter als Sonderrechtsnachfolger gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - fortsetzt, hat keinen Anspruch auf Neuberechnung und Neufeststellung der der verstorbenen Versicherten von der Beklagten ab dem 1. Februar 1992 gewährten großen Witwenrente. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils vom 14. April 2005 Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Beweiserhebung im Berufungsverfahren gibt Anlass zu nachfolgenden ergänzenden Feststellungen:
1. Mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegte Zeiträume des am 31. Mai 1947 verstorbenen B. L. sind für den vom Kläger vorliegend geltend gemachten Zeitraum vom 1. Januar 1926 bis zum 31. Dezember 1937 auch im Berufungsverfahren weder als nachgewiesen noch als glaubhaft gemacht zu ermitteln gewesen. Die vom Gesetzgeber nach § 286 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - aufgestellten Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung von Beitragszeitenzeiten, die vor dem 1. Januar 1973 liegen und die auf einer Versicherungskarte nicht bescheinigt sind, liegen nicht vor. Die Personalkartei der Stadt L., in der der Versicherte B. L. geführt worden ist, ist insofern von vornherein unergiebig, weil in ihr Angaben über etwaige Beitragsabführungen an die gesetzliche Rentenversicherung nicht vermerkt sind. Nichts anderes gilt für die im Berufungsverfahren erlangte Auskunft des Sächsischen Staatsarchivs vom 2. März 2006, nach der in der Meldekarte des Versicherten B. L. als Beruf lediglich "Angestellter" vermerkt ist, ohne dass eine nähere zeitliche Eingrenzung und ein Hinweis auf die Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung angebracht worden sind.
2. Auch die Anerkennung des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis zum 10. Juli 1941 als Ersatzzeit ist ausgeschlossen. Nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI setzt das die Glaubhaftmachung voraus, dass der verstorbene Versicherte, dessen Freiheit beschränkt oder entzogen worden ist (Verfolgungszeit), zum Personenkreis des § 1 Bundesentschädigungsgesetz - BEG - gehört, also Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist. Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist danach, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen Fortkommen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). Die Feststellung der Verfolgteneigenschaft im Rahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI hat der Senat dabei entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14. August 2003, B 13 RJ 27/02 R = BSGE 91, 198 und BSG, Urteil vom 8. September 2005, B 13 RJ 20/05 R, JURIS) in eigener Zuständigkeit zu treffen.
Der Nachweis der Freiheitsentziehung und damit ein "Schaden" an Freiheit im Sinn von § 1 Abs. 1 BEG für den Versicherten B. L. ist für die Zeit zwischen November 1939 und Dezember 1940 mit den Eintragungen im Gefangenenbuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig aus den Jahren 1939 und 1940 geführt. Aus diesen Eintragungen ergibt sich nämlich klar und eindeutig, dass B. L. sich in "Untersuchungshaft" im Sinn von § 43 Abs. 2 BEG befunden hat.
Nicht zu erhärten gewesen ist aber, dass die dem Versicherten B. L. zwischen 1939 und 1940 auferlegte Freiheitsentziehung aufgrund einer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus beruht hat, mithin der Versicherte B. L. Verfolgter im Sinn von § 1 Abs. 1 BEG und § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gewesen ist. Dafür spricht zwar der knappe und abstrakt anmutende Hinweis auf der Personalkartei der Stadt Leipzig, der B. L. sei wegen eines heimtückischen Angriffs gegen die NSDAP aus politischen Gründen inhaftiert gewesen. Dagegen streitet zunächst aber die Eintragung im Gefangenenbuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig, in dem als Inhaftierungsgründe allein und konkret "Urkundenfälschung" und "Betrug" vermerkt sind, also gewöhnliche Vergehen ohne von vornherein erkennbaren politischen Hintergrund. Weiter sprechen die Ausführungen der Bezirksregierung Düsseldorf in ihrer Stellungnahme vom 5. März 2007 gegen eine Verfolgteneigenschaft des Versicherten B. L. Zutreffend verweist die Bezirksregierung Düsseldorf darauf, dass über die tatsächliche Handlung, die zur Inhaftierung des B. L. geführt hat, abgesehen vom unpolitischen Vermerk über den Einlieferungsgrund im Gefangenenbuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig, keine Angaben vorliegen. Mangels objektivierbarer Anhaltspunkte, die das Vorliegen einer politischen Verfolgung des B. L. durch das NS-Unrechtsregime näher belegen könnten, der Tatsache, dass die aufzuklärenden Vorgänge mittlerweile mehr als 60 Jahre zurückliegen und die ursprünglichen Verfahrensbeteiligten - die Versicherte und der B. L. - verstorben sind und dem weiteren Umstand, dass von der Versicherten als hinterbliebener Witwe des B. L. ein Verfahren zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung nach dem Bundesentschädigungsgesetz nach Aktenlage nie durchgeführt worden ist, vermag der Senat eine Verfolgteneigenschaft des B. L. im Rahmen von § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht festzustellen.
3. Soweit der Kläger das Begehren, die Zeit vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als nachgewiesen - anstatt als glaubhaft gemachte - Beitragszeit anzuerkennen, mit dem Ziel die seiner verstorbenen Mutter gewährte Witwenrente neu berechnen und neu feststellen zu lassen, weiterverfolgt, nimmt der Senat erneut nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Bezug, denen mangels vertieftem Berufungsvortrag zu diesem Punkt nichts hinzuzufügen ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner 1922 geborenen und am 6. Januar 2007 verstorbenen Mutter (nachfolgend Versicherte genannt) die Gewährung höherer Witwenrente aus der Versicherung seines Vaters, des 1907 geborenen und am 31. Mai 1947 verstorbenen Versicherten B. L. (B. L.).
Die am 6. Januar 2007 verstorbene Versicherte war mit dem verstorbenen Versicherten B. L. seit dem 9. Juli 1941 bis zu dessen Tode verheiratet. Am 19. April 1952 heiratete sie den K. K., von dem sie am 18. Januar 1974 geschieden wurde, ohne Anspruch auf Versorgung oder Unterhalt gegen den K. K. zu haben.
Auf Antrag vom 23. Januar 1992 gewährte die Beklagten der Versicherten mit Bescheid vom 21. Dezember 1992 für die Zeit ab dem 1. Februar 1992 große Witwenrente aus der Versicherung des am 31. Mai 1947 verstorbenen Versicherten B. L. unter Anerkennung folgender Versicherungszeiten des B. L.: - 11.07.41-24.06.45 48 Mon. Militärischer Dienst - 01.01.46-28.02.46 2 Mon. Pflichtbeiträge - 01.03.46-31.12.46 10 Mon. Pflichtbeiträge - 01.01.47-12.04.47 4 Mon. Pflichtbeiträge und - 31.05.47-31.08.64 208 Mon. Zurechnungszeit
Unter dem 23. Juli 2003 beantragte die Versicherte u. a. unter Vorlage eines Auszugs aus der Personalkartei der Stadt L. über die berufliche Tätigkeit und des Reichswehr-Soldbuchs des verstorbenen Versicherten B. L. als Beamter von 1926 bis 1946 die Neuberechnung der Witwenrente. Auf der Karteikarte war neben anderem vermerkt, der Versicherte, der von 1926 bis 1931 als Landwirt beim Heeresversuchsgut in Q./O. und anschließend von 1931 bis 1938 und sodann wieder ab dem 15. März 1946 als Vermessungstechniker im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen sei, sei zwischen 1938 und 1941 in S./W ... wegen eines heimtückischen Angriffs gegen die NSDAP aus politischen Gründen inhaftiert gewesen. Anschließend sei er Kriegsteilnehmer gewesen, zuletzt im Range eines Oberfeldwebels, im April 1945 in amerikanische Gefangenschaft geraten und im Juli 1945 aus dieser entlassen worden. Darauf folgend sei der Versicherte vom 16. Juli 1945 bis zum 28. Februar 1946 als Gummierer bei der Firma E. S. in L. beschäftigt gewesen.
Das Bundesarchiv - Zentralnachweisstelle (Aachen) - teilte dem Kläger unter dem 28. Oktober 2003 mit, Nachforschungen nach Personalunterlagen/Eintragungen über seinen Vater in den vorhandenen Archivbeständen seien negativ verlaufen.
Mit Bescheid vom 20. November 2003 lehnte die Beklagte die Neuberechnung der Witwenrente im Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) mit der Begründung ab, die Personalkartei der Stadt Leipzig sei als Nachweis über eventuelle Beschäftigungszeiten/Beamtendienstzeiten des Versicherten B. L. nicht ausreichend. Im Übrigen seien die Zeiträume vom 11. Juli 1941 bis zum 24. Juni 1945 und vom 1. Januar 1946 bis zum 12. April 1947 bereits als Ersatz- und Beitragszeiten anerkannt worden. Für die geltend gemachten Beamtenzeiten zwecks Prüfung einer fiktiven Nachversicherung nach dem G 131 sei nachzuweisen, dass der Versicherte B. L. Berufssoldat gewesen sei. Dieser Nachweis sei nicht erbracht worden.
Einen gesonderten Antrag auf Nachversicherung des Versicherten nach dem G 131 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg mit Bescheid vom 27. Januar 2004 mit der Begründung ab, B. L. habe nicht die Rechtsstellung eines Berufssoldaten der früheren Wehrmacht im Sinne des Wehrgesetzes gehabt. Deshalb gehöre auch seine Witwe als Hinterbliebene nicht zum nachversicherungsberechtigten Personenkreis des G 131.
Auf den zwischenzeitlich von der Versicherten gegen den Bescheid vom 20. November 2003 erhobenen Widerspruch erteilte die Beklagte sodann unter dem 22. März 2004 einen neuen Rentenbescheid, mit dem sie die große Witwenrente der Versicherten unter zusätzlicher Anerkennung des sechsmonatigen Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis zum 31. Dezember 1945 als Pflichtbeitragszeit neu feststellte. Auch diesem Bescheid widersprach die Versicherte unter Hinweis auf die weiterhin versagte Anerkennung von Dienst- und Beamtenzeiten des verstorbenen Versicherten B.L.
Daraufhin erließ die Beklagte unter dem 28. Juni 2004 einen Widerspruchsbescheid, mit dem sie den Widerspruch - soweit ihm nicht durch Bescheid vom 22. März 2004 abgeholfen worden war - zurückwies. Zur Begründung hieß es: Für die Zeiten vom 1. Januar 1926 bis zum 31. Dezember 1941 und vom 1. Januar 1945 bis zum 15. Juli 1945 sei eine Beitragsentrichtung des Versicherten B. L. zur gesetzlichen Rentenversicherung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Die Personalkartei der Stadt L. sei als Nachweis oder Mittel der Glaubhaftmachung ungeeignet. Zur Berücksichtigung der fraglichen Zeiträume als Beitragszeiten sei die Vorlage entsprechender Arbeitgeberzeugnisse oder von Unterlagen der Krankenkasse, die eine Beitragsentrichtung bestätigten, unerlässlich. Im Übrigen sei die Zeit vom 11. Juli 1941 bis zum 24. Juni 1945 bereits als Ersatzzeit und die Zeit vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als glaubhaft gemachte Beitragszeit anerkannt worden.
Mit am 21. Juli 2004 beim Sozialgericht Karlsruhe erhobener Klage (S 15 RA 2961/04) begehrte die Versicherte unter abermaligem Hinweis auf die Personalkartei der Stadt L. weiter die Neuberechnung ihrer Hinterbliebenenrente unter Anerkennung folgender Zeiten: - des Zeitraums vom 1. Januar 1926 bis zum 31. Dezember 1937 als Beitragszeit, - des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis zum 10. Juli 1941 als Ersatzzeit und - des als glaubhaft gemacht anerkannten Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als nachgewiesene Zeiten.
In einem parallel zum Klageverfahren im Hinblick auf den Teilabhilfe-Rentenbescheid vom 22. März 2004 durchgeführten Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X stellte die Beklagte mit weiterem Bescheid vom 2. Februar 2005 fest, die Rente sei im Bescheid vom 22. März 2004 auch der Höhe nach zutreffend festgestellt worden. Es seien weder Beweismittel vorgelegt noch neue Tatsachen vorgetragen worden, die geeignet gewesen seien, eine der Versicherten günstigere Entscheidung zu treffen. Die Zeit von 1939 bis zum 10. Juli 1941 könne als Ersatzzeit nicht anerkannt werden, weil sie weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden sei. Dieser Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Das Sozialgericht wies die Klage in der Folge mit Urteil vom 14. April 2005 mit der Begründung als unbegründet ab, weitere rentenrechtlich relevante Zeiten als die von der Beklagten bereits anerkannten Zeiten seien bei der Berechnung der Hinterbliebenenrente der Klägerin nicht zu berücksichtigen. Auch wenn man davon ausgehe, dass durch die Personalkartei der Stadt L. eine Beschäftigung ab dem Jahre 1926 glaubhaft gemacht sei, so fehle es immer noch an der Glaubhaftmachung der tatsächlichen Beitragszahlung. Zur Frage der Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung verhielten sich die Eintragungen in der Personalkartei der Stadt L. nicht. Auch der Vortrag der Versicherten, ihr damaliger Ehemann, der Versicherte B. L., sei von 1926 bis 1944 als Beamter beschäftigt gewesen, spreche gegen eine Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Anerkennung des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis zum 10. Juli 1941 als Ersatzzeit stehe entgegen, dass nicht glaubhaft gemacht worden sei, der Versicherte B. L. habe eine Freiheitsentziehung erlitten und gehöre zum Personenkreis des § 1 Bundesentschädigungsgesetz. Sollte der Versicherte B. L. bis zum 10. Juli 1941 aus politischen Gründen inhaftiert gewesen sein, sei unverständlich, dass er anschließend - ab dem 25. Juli 1941 - wieder regulären Truppenteilen angehört habe. Soweit die Anerkennung des Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als nachgewiesene Zeit anstatt als glaubhaft gemachte Zeit begehrt werde, sei ein entsprechender Nachweis durch die Vorlage von Versicherungsausweisen, Ausweisen der Arbeits- und Sozialversicherung, Bescheinigungen der Versicherungsträger und Einzugsstellen, Steuer-, Beitrags-, Feststellungs- oder Abrechnungsbescheinigungen nicht geführt worden. Das Urteil wurde den Bevollmächtigten der Versicherten am 25. April 2005 zugestellt.
Am 11. Mai 2005 hat die Versicherte Berufung gegen das Urteil eingelegt. Die Versicherte hat weiter die Auffassung vertreten, die von ihr vorgelegten umfangreichen Unterlagen seien geeignet, die geltend gemachten Ansprüche mit der vom Gesetz geforderten Sicherheit zu beweisen.
Am 6. Januar 2007 ist die Versicherte verstorben. Ihr Sohn setzt als Sonderrechtsnachfolger den Rechtsstreit fort.
Der Kläger beantragt als Sonderrechtsnachfolger der verstorbenen Versicherten,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 und des Bescheids vom 2. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Bescheide vom 21. Dezember 1992 und vom 22. März 2004 zurückzunehmen und die der verstorbenen Versicherten vom 1. Februar 1992 bis zum 6. Januar 2007 gewährte große Witwenrente unter Berücksichtigung - des Zeitraums vom 1. Januar 1926 bis 31. Dezember 1937 als Beitragszeit, - des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis 10. Juli 1941 als Ersatzzeit und - des Zeitraums vom 16. Juli 1945 bis 12. April 1947 als nachgewiesene Zeiten neu zu berechnen und neu festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und nimmt auf dessen Entscheidungsgründe Bezug.
Der Senat hat Beweis erhoben, durch Anfragen zur Aufklärung des beruflichen und persönlichen Werdegangs des Versicherten B. L. im Zeitraum zwischen 1926 und 1947 beim Sächsischen Staatsarchiv Leipzig, beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen, bei der Wiedergutmachungsstelle des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg und bei der Bezirksregierung Düsseldorf, Dezernat 10 (Wiedergutmachung).
Das Sächsische Staatsarchiv Leipzig hat unter dem 2. März 2006 mitgeteilt, dass allein die Meldekarte des B. L. habe ermittelt werden können, anderweitig sachdienliche Nachweise aber nicht aufzufinden gewesen seien. Unter der Rubrik Beruf ist auf der Meldekarte des B. L. die Bezeichnung "Angestellter" eingetragen.
Der Internationale Suchdienst hat dem Senat unter dem 24. April 2006 Kopien von Auszügen aus den Gefangenenbüchern des Polizeigefängnisses Leipzig sowie der Untersuchungshaftanstalt Leipzig aus den Jahren 1939 und 1940 vorgelegt. Danach befand sich B. L. am 29. November 1939 von 7:55 Uhr bis 13:00 Uhr im Polizeigewahrsam und anschließend vom 29. November 1939, 13:20 Uhr bis zum 13. Dezember 19(40 ?), 7:55 Uhr in Gewahrsam und Haft in der Untersuchungshaftanstalt Leipzig. Unter der Rubrik "Ursache der Einlieferung" im Tagebuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig ist vermerkt: "Urkundenfälschung, Betrug".
Die Wiedergutmachungsstelle des Landesamtes für Besoldung und Versorgung - LBV - Baden-Württemberg berichtet unter dem 19. Dezember 2006, dass nach ihrem Aktenbestand eine Entschädigungssache des B. L. nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht anhängig gewesen sei. Da der B. L. nach den vorgelegten Unterlagen auch seinen Wohnsitz nie in Baden-Württemberg gehabt habe, sei die Wiedergutmachungsstelle des LBV auch rechtlich nicht zuständig.
Unter dem 5. März 2007 hat die Bezirksregierung Düsseldorf - Wiedergutmachung - nach Durchsicht der von ihr geführten Bundeszentralkartenkartei erklärt, eine für die Anerkennung von Ersatzzeiten notwendige Verfolgteneigenschaft im Sinn des § 1 Bundesentschädigungsgesetz könne bei dem verstorbenen Versicherten B. L. nicht bejaht werden. Es sei zweifelhaft, ob das NS-Regime in der Person des B. L. einen politischen Gegner verfolgt habe. Allein der Hinweis in der Personalkartei der Stadt Leipzig "heimtückischer Angriff gegen die NSDAP" lege jedenfalls keinen politischen Hintergrund nahe. Da es im Übrigen an Indizien für eine politische Verfolgung des B. L. während des NS-Regimes fehle und die persönlichen Motive des Versicherten B. L. nicht mehr aufzuklären seien, sei es nicht möglich, die Verfolgteneigenschaft nach § 1 Bundesentschädigungsgesetz zu bejahen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe im erstinstanzlichen Verfahren (S 15 RA 2961/04) sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entschieden hat, ist zulässig, aber nicht begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. April 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2004 und des Bescheids vom 2. Februar 2005 sind rechtmäßig. Der Kläger, der den Rentenrechtsstreit seiner verstorbenen Mutter als Sonderrechtsnachfolger gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I - fortsetzt, hat keinen Anspruch auf Neuberechnung und Neufeststellung der der verstorbenen Versicherten von der Beklagten ab dem 1. Februar 1992 gewährten großen Witwenrente. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils vom 14. April 2005 Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Beweiserhebung im Berufungsverfahren gibt Anlass zu nachfolgenden ergänzenden Feststellungen:
1. Mit Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung belegte Zeiträume des am 31. Mai 1947 verstorbenen B. L. sind für den vom Kläger vorliegend geltend gemachten Zeitraum vom 1. Januar 1926 bis zum 31. Dezember 1937 auch im Berufungsverfahren weder als nachgewiesen noch als glaubhaft gemacht zu ermitteln gewesen. Die vom Gesetzgeber nach § 286 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - aufgestellten Voraussetzungen für die Glaubhaftmachung von Beitragszeitenzeiten, die vor dem 1. Januar 1973 liegen und die auf einer Versicherungskarte nicht bescheinigt sind, liegen nicht vor. Die Personalkartei der Stadt L., in der der Versicherte B. L. geführt worden ist, ist insofern von vornherein unergiebig, weil in ihr Angaben über etwaige Beitragsabführungen an die gesetzliche Rentenversicherung nicht vermerkt sind. Nichts anderes gilt für die im Berufungsverfahren erlangte Auskunft des Sächsischen Staatsarchivs vom 2. März 2006, nach der in der Meldekarte des Versicherten B. L. als Beruf lediglich "Angestellter" vermerkt ist, ohne dass eine nähere zeitliche Eingrenzung und ein Hinweis auf die Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung angebracht worden sind.
2. Auch die Anerkennung des Zeitraums vom 1. Januar 1939 bis zum 10. Juli 1941 als Ersatzzeit ist ausgeschlossen. Nach § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI setzt das die Glaubhaftmachung voraus, dass der verstorbene Versicherte, dessen Freiheit beschränkt oder entzogen worden ist (Verfolgungszeit), zum Personenkreis des § 1 Bundesentschädigungsgesetz - BEG - gehört, also Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist. Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ist danach, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen Fortkommen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (Verfolgter). Die Feststellung der Verfolgteneigenschaft im Rahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI hat der Senat dabei entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14. August 2003, B 13 RJ 27/02 R = BSGE 91, 198 und BSG, Urteil vom 8. September 2005, B 13 RJ 20/05 R, JURIS) in eigener Zuständigkeit zu treffen.
Der Nachweis der Freiheitsentziehung und damit ein "Schaden" an Freiheit im Sinn von § 1 Abs. 1 BEG für den Versicherten B. L. ist für die Zeit zwischen November 1939 und Dezember 1940 mit den Eintragungen im Gefangenenbuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig aus den Jahren 1939 und 1940 geführt. Aus diesen Eintragungen ergibt sich nämlich klar und eindeutig, dass B. L. sich in "Untersuchungshaft" im Sinn von § 43 Abs. 2 BEG befunden hat.
Nicht zu erhärten gewesen ist aber, dass die dem Versicherten B. L. zwischen 1939 und 1940 auferlegte Freiheitsentziehung aufgrund einer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus beruht hat, mithin der Versicherte B. L. Verfolgter im Sinn von § 1 Abs. 1 BEG und § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI gewesen ist. Dafür spricht zwar der knappe und abstrakt anmutende Hinweis auf der Personalkartei der Stadt Leipzig, der B. L. sei wegen eines heimtückischen Angriffs gegen die NSDAP aus politischen Gründen inhaftiert gewesen. Dagegen streitet zunächst aber die Eintragung im Gefangenenbuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig, in dem als Inhaftierungsgründe allein und konkret "Urkundenfälschung" und "Betrug" vermerkt sind, also gewöhnliche Vergehen ohne von vornherein erkennbaren politischen Hintergrund. Weiter sprechen die Ausführungen der Bezirksregierung Düsseldorf in ihrer Stellungnahme vom 5. März 2007 gegen eine Verfolgteneigenschaft des Versicherten B. L. Zutreffend verweist die Bezirksregierung Düsseldorf darauf, dass über die tatsächliche Handlung, die zur Inhaftierung des B. L. geführt hat, abgesehen vom unpolitischen Vermerk über den Einlieferungsgrund im Gefangenenbuch der Untersuchungshaftanstalt Leipzig, keine Angaben vorliegen. Mangels objektivierbarer Anhaltspunkte, die das Vorliegen einer politischen Verfolgung des B. L. durch das NS-Unrechtsregime näher belegen könnten, der Tatsache, dass die aufzuklärenden Vorgänge mittlerweile mehr als 60 Jahre zurückliegen und die ursprünglichen Verfahrensbeteiligten - die Versicherte und der B. L. - verstorben sind und dem weiteren Umstand, dass von der Versicherten als hinterbliebener Witwe des B. L. ein Verfahren zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung nach dem Bundesentschädigungsgesetz nach Aktenlage nie durchgeführt worden ist, vermag der Senat eine Verfolgteneigenschaft des B. L. im Rahmen von § 250 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht festzustellen.
3. Soweit der Kläger das Begehren, die Zeit vom 16. Juli 1945 bis zum 12. April 1947 als nachgewiesen - anstatt als glaubhaft gemachte - Beitragszeit anzuerkennen, mit dem Ziel die seiner verstorbenen Mutter gewährte Witwenrente neu berechnen und neu feststellen zu lassen, weiterverfolgt, nimmt der Senat erneut nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Bezug, denen mangels vertieftem Berufungsvortrag zu diesem Punkt nichts hinzuzufügen ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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