L 6 U 1941/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 71/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1941/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Februar/März 1998 sowie die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1963 geborene Kläger wandte sich im Januar 2000 an die Beklagte und führte aus, er sei seit September 1998 arbeitsunfähig und wolle einen Betriebsunfall melden, der sich im Februar oder März 1998 ereignet habe. Er habe bei seiner Tätigkeit als Werkzeugmacher Werkstücke für die Firma A. bearbeiten müssen, die über das Wochenende im Innenhof des Beschäftigungsbetriebs, der Gebr. S. GmbH & Co., vergessen worden seien. Es hätten am fragliche Montagmorgen Außentemperaturen von mindestens minus 15 Grad Celsius vorgelegen. Auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass die fraglichen Werkstücke (Wellen) draußen vergessen worden und jetzt eiskalt seien, habe der Meister des Betriebs ein Werkstück in die Hand genommen, dieses aber sofort wieder in die Transportbox zurückgetan und habe gesagt, er könne daran jetzt auch nichts mehr ändern und auf die vom Kläger getragenen Handschuhe hingewiesen. Er selbst habe, um die Werkstücke bearbeiten zu können, zuerst die Kiste, die auf einem Transportwagen gestanden habe, umladen müssen. In die Kiste würden etwa 140 Wellen passen. Als er mit dem Umladen fertig gewesen sei, seien seine Hände innen ganz weiß und eiskalt gewesen. Weil er starke Schmerzen verspürt habe, sei er wiederum zum Meister gegangen und habe ihm die Hände gezeigt. Er habe dann den Tag über die eiskalten Werkstücke bearbeitet und dabei Handschuhe getragen. Abends seien dann selbst die Daumen innen ganz weiß gewesen und beide Zeigefinger hätten tagsüber eine grünliche Farbe angenommen. Die ganze Sache hätte die ganze Abteilung mitbekommen. Er sei aus Angst um seinen Arbeitsplatz erst Anfang Mai zum Arzt, als die Schmerzen unerträglich geworden seien. Auf Anraten des Arztes sei er innerbetrieblich umgesetzt worden. Er habe dann aber nach den Sommerferien wieder einen Auftrag der Firma A. bearbeiten müssen und sei erst, als er die Schmerzen nicht mehr ausgehalten habe, wieder zum Arzt. Dies sei Anfang September gewesen. Seitdem sei er arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 18. Januar 2000 teilte der Kläger der Beklagten weiter mit, er werde seine Tätigkeit wegen der Erkrankung zum 31. März 2000 aufgeben und bitte auch insoweit um Leistungsgewährung.

Die Beklagte wandte sich daraufhin an den Beschäftigungsbetrieb. Dieser teilte unter dem 1. Februar 2000 mit, dass ein Unfallereignis des Klägers in den fraglichen Monaten nicht bekannt sei. Der Kläger sei lediglich im April bzw. Mai und durchgängig seit September 1998 arbeitsunfähig, wobei weder der Betriebsarzt noch der damalige Meister einen Zusammenhang mit einem Arbeitsunfall sehen würden. Auch die Sicherheitsfachkraft Nagel habe keinen Arbeitsunfall gemeldet. Man sehe daher keinen Anlass, eine Unfallanzeige zu erstatten.

Der Kläger legte Arztbriefe des Dr. M., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 4. Mai 1998 sowie des Prof. Dr. G., Direktor der Hautklinik am Städtischen Klinikum K., vom 2. November 1998 vor. Dr. M. führte aus, es bestehe der Verdacht auf ein sekundäres Raynaud-Syndrom, ausgelöst durch einen Kältereiz bei Nikotinabusus. Prof. Dr. G. diagnostizierte Perniones (Frostbeulen) sowie eine Raynaud-Symptomatik und berichtete über eine vom Kläger geschilderte ausgeprägte Hyperhidrosis palmaris seit Jahren, die zugleich mit der Berufsaufnahme als Fräser aufgetreten sei. Der Kläger habe angegeben, sich möglicherweise im letzten Winter die Fingerkuppen erfroren zu haben. Die Finger hätten allerdings klinisch keine wesentlichen Hautveränderungen gezeigt, seien jedoch kühl gewesen und hätten sich teigig ödematös geschwollen angefühlt.

Die Beklagte zog daraufhin das Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenkasse bei und befragte die vom Kläger benannten Arbeitskollegen schriftlich nach dem angeschuldigten Ereignis.

J. W. gab unter dem 11. März 2000 an, es habe sich bei den Werkstücken um Metallwellen gehandelt, die trotz der kalten Witterung längere Zeit im Freien gestanden hätten. Der zuständige Palettenfahrer hätte sich trotz mehrfacher Aufforderung geweigert, die Werkstücke in die Halle zu fahren. Der Kläger habe daraufhin die Werkstücke umgeladen und an seinen Arbeitsplatz gebracht. Er habe dann am gleichen Tag darüber geklagt, dass sich seine Finger stark unterkühlt hätten und bei jeder Bewegung schmerzten. Er habe ihm an den folgenden Tagen mehrfach seine Hände gezeigt. Diese seien angeschwollen gewesen und hätten sich schwammig angefühlt. Der Arbeitskollege F. B. gab an, er habe den Vorfall nicht selbst gesehen und könne sich auch nicht mehr daran erinnern. Der Kläger habe ihm allerdings seine Hände gezeigt. Diese seien kalt gewesen, beim Druck auf die Fingerkuppen seien sie weiß geworden und mit etwas Verzögerung sei die Farbe wieder zurückgekehrt.

Die Beklagte zog weitere ärztliche Unterlagen bei und befragte die behandelnden Ärzte des Klägers. Der Internist Dr. S. gab unter dem 28. März 2000 an, der Kläger befinde sich seit Juni 1999 in seiner Behandlung. Im Klinikum K.-L. sei ein Thoracic-Outlet-Syndrom ohne Anhalt auf Plexusschädigung diagnostiziert worden, ebenso eine massive Sympathikotonie der oberen Extremitäten mit Raynaud-Syndrom und Schweißneigung. Bei einer orthopädischen Untersuchung sei eine Hyperhidrosis beider Hohlhandflächen aufgefallen sowie eine Thenaratrophie beidseits. Residuen nach angeblichen Erfrierungen seien nicht sichtbar. Beigefügt war der Entlassbericht der W.klinik D. vom 19. Oktober 1999 über eine Rehabilitationsmaßnahme des Rentenversicherungsträgers vom 26. August bis 30. September 1999. Danach bestehe ein Verdacht auf somatoforme Störung sowie eine euthyreote Struma nodosa beidseits. Unter anderem wurde ausgeführt, dass das vorbeschriebene Thoracic-Outlet-Syndrom sowohl von Seiten der Symptomatik als auch der Klinik für äußerst unwahrscheinlich erachtet werde. Das Raynaud-Syndrom habe nicht beobachtet werden können und sei auch im Provokationstest nicht auslösbar gewesen. Dr. L. übersandte u.a. die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 3. Dezember 1998 und 2. März 1999 und den Arztbrief des Prof. Dr. D., Chefarzt der Inneren Abteilung des Klinikums K.-L., vom 4. März 1999, wonach beim Kläger u.a. ein Thoracic-outlet-Syndrom beidseits, eine massive Sympathikotonie der oberen Extremitäten bei Raynaud-Syndrom und Schweißneigung bestehe, sowie seine Berichte für den MDK vom 28. Februar 1998 und 16. März 1999.

Mit Bescheid vom 17. August 2000 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des angeschuldigten Ereignisses im Februar/März 1998 ab, da nicht erwiesen sei, dass es zu einem Arbeitsunfall gekommen sei.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, es sei nachgewiesen, dass sich der von ihm beschriebene Geschehensablauf tatsächlich auch so ereignet habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob sich das Geschehen einem bestimmten Tag zuordnen lasse. Unter medizinischen Gesichtspunkten sei der Sachverhalt noch nicht ausreichend aufgeklärt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2000 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück, da der Kläger weder ein Unfallereignis voll bewiesen habe noch das von ihm beschriebene Krankheitsbild in Gestalt von Erfrierungen an den Händen habe festgestellt werden können.

Dagegen erhob der Kläger am 22. Dezember 2000 Klage (S 4 U 4545/00) zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Beklagte wies im Klageverfahren darauf hin, dass sie ein Feststellungsverfahren zur Prüfung des Vorliegens einer Berufskrankheit nach Nr. 2106 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Druckschädigung der Nerven - eingeleitet habe. Mit Beschluss vom 18. Mai 2001 ordnete das SG daraufhin das Ruhen des Verfahrens an. Mit Schreiben vom 27. November 2001 rief die Beklagte das Verfahren wieder an, nachdem mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. August 2001 die geklagten Beschwerden an den Händen nicht als Berufskrankheit anerkannt worden waren.

Mit Urteil vom 19. Februar 2004 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, es sei nicht nachgewiesen, dass sich tatsächlich ein Arbeitsunfall ereignet habe. Doch selbst das Vorliegen eines Arbeitsunfalls unterstellt, scheide eine Entschädigung aus, da zu keinem Zeitpunkt Unfallfolgen in Form von Erfrierungen der Finger oder Hände hätten objektiviert werden können. Dabei könne zum einen abgestellt werden auf die vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst vorgelegten Unterlagen (Internetausdrucke), wonach sich die klinischen Zeichen von Erfrierungen ersten Grades im Regelfall innerhalb weniger Tage zurückbilden würden, so dass sich mögliche Unfallfolgen bis zum ersten Arztbesuch im Mai 1998 längst zurückgebildet hätten. Erfrierungen zweiten oder dritten Grades, die die sofortige Einstellung der Arbeit erforderlich gemacht hätten, habe der Kläger nie behauptet. Darüber hinaus sei auch den vorliegenden ärztlichen Unterlagen kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass tatsächlich Erfrierungsfolgen an den Fingern oder Händen bestünden. Es sei darüber hinaus fraglich, ob das vom Kläger beschriebene Kältegefühl in den Fingern tatsächlich erst im Februar/März 1998 aufgetreten sei, da bereits in einem Arztbrief des Dr. M. vom 11. Juni 1997 ein Kältegefühl in den Fingern beschrieben worden sei.

Gegen das am 28. April 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Mai 2004 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, es liege bei ihm kein typischer Fall von Erfrierungsfolgen vor, die sich innerhalb weniger Tage wieder zurückgebildet hätten. Dies zeige sich auch daran, dass er erst im April 1998 einen Arzt aufgesucht habe. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren habe der Betriebsarzt des ehemaligen Beschäftigungsbetriebs bestätigt, dass er ihn mehrfach wegen Veränderungen an den Fingerbeeren aufgesucht habe. Selbst wenn dieser nicht von Erfrierungsfolgen ausgegangen sei, hätte es ihm oblegen, sich an die Beklagte zu wenden. Im Übrigen habe das 1997 beschriebene Kältegefühl auf anderen Ursachen beruht und sei in der Folgezeit auch abgeklungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Februar 2004 sowie den Bescheid vom 17. August 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. November 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen eines Arbeitsunfalls im Februar oder März 1998 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen. Ergänzend führt sie aus, dass kein Nachweis dafür erbracht sei, dass beim Kläger ein "atypischer" Fall von Erfrierungsfolgen vorliege. Auch nach der Erstattung des Gutachtens von Dr. K. stehe nicht fest, dass der Kläger den behaupteten Arbeitsunfall erlitten habe, ebenso wenig, dass es hierbei zu Erfrierungen gekommen sei und dass die heute bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen an den Händen auf Erfrierungen zurückzuführen seien.

Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat von dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Sozialmedizin Dr. K. das aufgrund einer ambulanten Untersuchung erstattete Gutachten vom 02.05.2006 mit der Ergänzung vom 13.03.2007 eingeholt. Ausgehend von der Vorgabe, der Kläger habe im Februar oder März 1998 einen Arbeitsunfall entsprechend seiner Schilderung vom Januar 2000 erlitten, hat der Sachverständige ausgeführt, der Kläger habe sich bei seinem Arbeitsunfall, bei dem er kalten Witterungsumständen ausgesetzt gewesen sei, Erfrierungen der Hände zugezogen, die im weiteren Verlauf praktisch von allen ihn danach behandelnden Ärzten bestätigt worden seien. Hierdurch sei ein sekundäres Raynaud-Syndrom mit typischen vasomotorischen, Sensibilitäts- und myotrophischen Störungen, Hautveränderungen sowie Kälteüberempfindlichkeit bei chronischen schmerzhaften Missempfindungen in Form von Par- und Dysästhesien, lokalen Schmerzen und herabgesetztem Vibrationsempfinden und beeinträchtigten feinmotorischen Fähigkeiten hervorgerufen worden. Die hierdurch bedingte MdE betrage 20 vom Hundert (v. H.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das Vorbringen der Beteiligten sowie den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger stehen wegen des angeschuldigten Ereignisses im Februar/März 1998 keine Entschädigungsleistungen zu.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für die Prüfung des geltend gemachten Anspruchs maßgeblichen Rechtsgrundlagen sowie die für die Beurteilung relevanten Rechtsgrundsätze zutreffend und umfassend dargestellt. Es hat weiter ohne Rechtsfehler ausgeführt, warum im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Anerkennung des angeschuldigten Ereignisses als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen daraus nicht vorliegen. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren, nach eigener Prüfung zur Vermeidung von Wiederholungen unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des Urteils an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsverfahren hat keine neuen Erkenntnisse erbracht, auf die eine für den Kläger günstige Entscheidung gestützt werden könnte.

Hierbei unterstellt der Senat für seine Beurteilung den Vortrag der als Zeugen benannten ehemaligen Arbeitskollegen als zutreffend, wonach der Kläger im Zusammenhang mit der Bearbeitung von kalten Werkstücken über kalte Hände geklagt hat. Ebenso zweifelt er deren Beurteilung, dass die Hände des Klägers kalt und nach ihrem Eindruck auch geschwollen waren bzw. sich teigig anfühlten, nicht an. Eine Vernehmung dieser Kollegen als Zeugen konnte daher unterbleiben. Allerdings genügt dies zur Überzeugung des Senats nicht, um einen Arbeitsunfall im fraglichen Zeitraum im Sinne des Vollbeweises nachzuweisen, unabhängig davon, ob zeitnah ein Arztbesuch des Klägers erfolgte oder eine Unfallmeldung des Beschäftigungsbetriebs. Denn zum Nachweis eines Unfalls ist es erforderlich, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ein von außen auf den Körper wirkender Vorgang festgestellt werden kann, der die geltend gemachte Gesundheitsstörung rechtlich wesentlich verursacht haben kann. Der als Zeuge benannte Arbeitskollege W. berichtete lediglich darüber, dass der Kläger Werkstücke umgeladen und an seinen Arbeitsplatz gebracht habe, die längere Zeit im Freien gestanden hätten. Er berichtete weiter, dass der Kläger am gleichen Tag darüber geklagt habe, dass sich seine Finger stark unterkühlt und bei jeder Bewegung geschmerzt hätten. Er habe ihm an den folgenden Tagen mehrfach seine Hände gezeigt. Diese seien angeschwollen gewesen und hätten sich schwammig angefühlt. Allein aus diesen Schilderungen kann aber ein Unfallereignis nicht im Sinne des Vollbeweises als nachgewiesen angesehen werden. Denn der Zeuge konnte keine Angaben darüber machen, ob die Hände des Klägers ggf. schon vor Aufnahme der geschilderten Arbeit kalt und angeschwollen waren oder ob diese Symptomatik auf dem mit Handschuhen erfolgten Anfassen der Werkstücke beruhte bzw. dadurch hervorgerufen wurde. Allein aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Umladen und Bearbeiten der Werkstücke und dem vom Kläger geschilderten Empfinden lässt sich ein Unfallereignis nicht im Wege des Vollbeweises nachweisen. Dies um so mehr, als der Kläger nicht in zeitlich engem Zusammenhang zum angeschuldigten Ereignis einen Arzt aufgesucht hat, sondern erst mehrere Wochen danach. Der Kläger selbst hat vorgetragen, sich zunächst an Dr. K. gewandt zu haben, der ihn an Dr. M. überwiesen habe. Der Internist Dr. K. hat der Beklagten mitgeteilt, er habe den Kläger wegen der Handbeschwerden nur einmalig am 30.April 1998 behandelt. Der die Behandlung fortsetzende Neurologe Dr. M. hat in seinem an Dr. K. gerichteten Arztbrief vom 4.Mai 1998 wörtlich ausgeführt: "Der Patient berichtet Schmerzen in der Hand manchmal bis zum Ellenbogen reichend aber insbesondere in den Fingern vor allem II bis V, welche sich auch oftmals weiss verfärben und er sei insbesonde gegen Kälte sehr empfindlich. Er müsse ständig im kalten Wasser arbeiten, dies mache er nun seit 13 Jahren und es bereite ihm unterdessen teilweise stärkste Schmerzen eben in Verbindung mit dieser Weissverfärbung der Finger". Von einem einmaligen Ereignis, das auf eine Arbeitsschicht bezogen werden und deshalb einen Arbeitsunfall darstellen könnte, ist hier nicht die Rede. Eher entsteht der Eindruck, der Kläger sehe seine Beschwerden von Seiten der Hände und Finger im Zusammenhang mit dem seit 13 Jahren andauernden Arbeiten im kalten Wasser. Der Arbeitskollege F. B. gab an, den angeschuldigten Vorfall nicht selbst gesehen zu haben und sich auch nicht mehr daran erinnern zu können. Der Kläger habe ihm allerdings seine Hände gezeigt. Diese seien kalt gewesen, beim Druck auf die Fingerkuppen seien sie weiß geworden und mit etwas Verzögerung sei die Farbe wieder zurückgekehrt. Auch daraus kann nicht auf ein Unfallereignis im Sinne des Vollbeweises geschlossen werden.

Doch selbst unterstellt, es hätte sich bei dem angeschuldigten Vorfall um ein Unfallereignis gehandelt, ist dem SG auch insoweit zu folgen, dass schon keine Erfrierung nachgewiesen ist und damit auch aus diesem Grund eine Entschädigung ausscheidet.

Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren, bei ihm liege ein atypischer Fall der Erfrierung ersten Grades vor, die sich erst Monate nach dem Ereignis vollständig gezeigt und seitdem auch nicht zurückgebildet habe, entbehrt jeder Grundlage. Obwohl der Kläger gegenüber Dr. M. seine Kälteempfindlichkeit und sein jahrelanges Arbeiten im kalten Wasser erwähnt hatte, hat dieser Arzt das Vorliegen von Erfrierungen nicht einmal in Erwägung gezogen, sondern ausschließlich die Verdachtsdiagnose eines sekundären Raynaud-Syndroms, ausgelöst durch den Kältereiz bei Nikotinabusus, gestellt. Keine einzige der vom SG aufgeführten und aktenkundigen ärztlichen Unterlangen belegt eine Erfrierung an den Händen oder Fingern, schon gar nicht einen "atypischen Fall", sollte es einen solchen überhaupt bei Erfrierungen geben. Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung vorgetragen hat, aus dem bereits dem SG vorgelegten Szintigraphiebefund ergebe sich, dass er Erfrierungen erlitten habe, vermochte der Senat dem nicht zu folgen. Der Kläger nimmt hierbei offensichtlich auf den Arztbrief der Dres. F., S., R., K. und v. R. vom 30. März 2001 Bezug, in dem ein über ein Skelettszintigramm der Hände in 3-Phasen-Technik vom 28. März 2001 berichtet wird. Wörtlich heisst es dort: "Auffällig ist in der Perfussionsphase und auch noch in der Weichteilphase eine Mehrbelegung im Bereiche der Fingerendglieder und der Mittelhandregion etwa in den Bereichen, die der Patient als ehemals traumatisiert beschreibt. Die Spätszintigramme zeigen diese Veränderungen nicht mehr, sondern lediglich eine leicht höhere Aktivitätsbelegung an den Daumengelenken und einigen Fingergrundgelenken". Auf diesen Befund hat Prof. Dr. D. von der Klinik für Unfallchirurgie des M.hospitals S. in seinem Arztbrief vom 19.04.2001 Bezug genommen. Er hat weiter ausgeführt, eine Oszillographie der Klinik und Poliklinik für Angiologie an der Gesamthochschule E. vom November 2000 habe eine sichere Zuordnung der geklagten Beschwerden zu einem angiologischen entzündlichen Krankheitsbild nicht ergeben. Insgesamt habe sich auch hier ein rarefiziertes enggestelltes Gefäßsystem an beiden Händen gezeigt. Soweit Prof. Dr. D. ausgeführt hat, seines Erachtens handle es sich um einen Morbus Raynaud beiderseits, der durch die stattgehabte Erfrierung verstärkt worden sei, wird zum einen deutlich, dass dieser Arzt davon ausgeht, der Morbus Raynaud habe schon vor dem angeschuldigten Ereignis vom Februar/März 1998 bestanden. Soweit er zum anderen eine Verschlimmerung durch die "stattgehabte Erfrierung" angenommen hat, hat er sich hierbei ausschließlich auf die annamestischen Angaben des Klägers und nicht auf ojektivierbare Befunde gestützt. Offengelegt wird dieser Zusammenhang im Arztbrief von Prof. Dr. R. von der Oszillographie E. vom 20. November 2000, in dem die Diagnose "Hypotrophie der linken Hand anamestisch bei Zustand nach Erfrierungen" gestellt wird. Der Kläger hatte sich dort am 14. September 2000 in der angiologischen Ambulanz vorgestellt und offensichtlich von Erfrierungen berichtet. Im Übrigen hat Prof. Dr. R. im Abschnitt "Procedere" ausgeführt, inwieweit die Veränderungen im Bereich der Hand wirklich den Erfrierungen zuzuordnen sei, sei fraglich. Es könne sein, dass bei dem Kläger in der Hand grundsätzlich ein etwas rarefiziertes enggestelltes Gefäßsystem vorliege, das die Erfrierungen im Bereich der Hand begünstigt habe. Allein auf anamnestischen Angaben des Kläger beruht auch die im Arztbrief des Chefarztes der Klinik für Gefäßchirurgie E., Dr. S., vom 26. September 2001 gestellte Diagnose eines Zustands nach Erfrierungen mit partiellen Digitalarterienverschlüssen links. Dasselbe gilt für die Diagnose eines Zustands nach Erfrierung in dem zuletzt vorgelegten Arztbrief der Radiologen Dr. L. und Kollegen vom 15. Dezember 2005 und die Diagnose "Perniones" (Frostbeulen) im Arztbrief von Prof. Dr. G. vom 2. November 1998, zumal dieser keine wesentlichen Hautveränderungen beschrieben hat.

Dem Gutachten von Dr. K. war nicht zu folgen. Zwar ist nicht zu beanstanden, dass er in seinem Gutachten davon ausgegangen ist, der Kläger habe im Februar oder März 1998 einen Arbeitsunfall durch Kälteeinwirkungen entsprechend seiner Schilderung vom Januar 2000 erlitten. Damit hat er sich lediglich an die Vorgaben des Senats im Beweisanschreiben vom 3. November 2005 gehalten. Zu Unrecht ist Dr. K. aber davon ausgegangen, dass Erfrierungen der Hände praktisch von allen den Kläger nach dem angegebenen Unfallereignis behandelnden Ärzten bestätigt worden seien. Wie oben dargelegt, haben sämtliche behandelnden Ärzte des Klägers von Erfrierungen der Hände ausschließlich aufgrund anamestischer Angaben des Klägers gesprochen, ohne sich hierbei auf eigene, objektive Befunde stützen zu können. Soweit Dr. K. als Ergebnis seiner Untersuchung des Klägers vom 10. Januar 2006 eine Blasenbildung an den Fingerkuppen beschrieben hat, hat er darin nach der langen Zeit seit dem behaupteten Arbeitsunfall zu Recht kein Anzeichen von Erfrierungen gesehen. Soweit er in seiner Gutachtensergänzung vom 13. März 2007 ausgeführt hat, es sei bekannt, dass eine aktuelle kältebedingte Exposition nach anfänglichem Auftreten einer Hautsymptomatik nach einiger Zeit durch eine sensorische bzw. palpatorische Untersuchung nicht mehr nachweisbar zu sein brauche und sich dann "nur" durch kühle Haut und verstärktes Schwitzen kundtun könne, stellt dies den von dem Kläger behaupteten "atypischen Fall" quasi auf den Kopf, der behauptet hatte, bei ihm hätten die Erfrierungen erst nach einem längeren Zeitraum Folgen gezeigt, woraus sich erkläre, dass er erst im April 1998 einen Arzt aufgesucht habe. Soweit Dr. K. weiter ausgeführt hat, nicht jede lokale Erfrierung habe ein und dieselbe lokale Sichtbarkeit, sondern sei in vielen Fällen nur durch subjektives Betroffensein (Schmerzen) gekennzeichnet, kann hierin das Eingeständnis gesehen werden, dass Erfrierungen nie objektiviert worden sind.

Nach alledem hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung keinen Erfolg haben konnte.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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