L 6 V 2200/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 V 2710/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 2200/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte in einem Anpassungsbescheid die aufgeführte "Ausgleichsrente" als eine vom Einkommen unabhängige Leistung zu bezeichnen hat.

Bei dem am 1916 geborenen Kläger wurden mit Neufeststellungsbescheid des früheren Versorgungsamts Freiburg (VA) vom 4. Januar 1985 als Schädigungsfolgen hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuletzt anerkannt: 1. Verlust des linken Auges, Erblindung des rechten Auges. 2. Verlust der Zähne rechts unten 2 bis 8. 3. einige kleine Stecksplitter im Weichteil des linken Rückens, Splitternarben im Bereich der linken Gesichtsseite und linken Oberarm. 4. Leberschaden. 5. leichte Hörminderung links mit Pfeifton. Neben einer Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v.H.) bezieht der Kläger deshalb u.a. Pflegezulage, Schwerstbeschädigtenzulage, Ausgleichsrente sowie einen Ehegattenzuschlag.

Aufgrund der 11. Verordnung zur Anpassung des Bemessungsbetrages und von Geldleistungen nach dem BVG (11. KOV-AnpV 2002) teilte das VA dem Kläger mit Bescheid vom 19. Juni 2002 die Höhe der ab 1. Juli 2002 zu gewährenden Versorgungsbezüge wie folgt mit:

"Beschädigtengrundrente (§ 31 BVG) 652,00 EUR Pflegezulage Stufe III Schwerstbeschädigtenzulage Stufe II Pauschbetrag Führzulage 3.558,00 EUR 145,00 EUR 47,00 EUR 140,00 EUR

Vom Einkommen abhängige Versorgungsbezüge: Ausgleichsrente Ehegattenzuschlag Beitragserstattung nach § 53a BVG 615,00 EUR 67,00 EUR 5,80 EUR Versorgungsbezüge gesamt 5.229,80 EUR". Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und forderte neben der Neuberechnung der Pflegezulage, in einer Neufassung des Bescheids die Bezeichnung "vom Einkommen abhängige Versorgungsbezüge" wegzulassen, da Ausgleichsrente an Kriegserblindete ohne Prüfung des Einkommens gezahlt werde. Das verwendete Formblatt erzeuge Irritationen, beispielsweise bei der Vorlage an Gerichte, und solle zweckmäßigerweise geändert werden. Mit Schreiben vom 21. März 2003 bestätigte das VA dem Kläger unter Bezugnahme auf ein am selben Tag geführtes Telefonat u.a. sodann, dass bei ihm als Empfänger einer Pflegezulage der Stufe III eine einkommensabhängige Berechnung der Höhe der Ausgleichsrente nicht stattfinde. Für den Kreis dieser Versorgungsberechtigten regele die Vorschrift des § 33 Abs. 4 BVG ausdrücklich, dass die volle Ausgleichsrente zustehe, das konkrete Einkommen also keine Rolle spiele. Soweit teilweise vorgedruckte Bescheide das Wort "einkommensabhängig" enthielten, sei dies in seinem Fall unzutreffend. Nachdem der Kläger auch gegen den in gleicher Weise formulierten Bescheid vom 18. Juni 2003 betreffend die 12. KOV-AnpV 2003 Widerspruch eingelegt und diesen ausführlich begründet hatte, wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Juni 2002 mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2003 zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus, mit dem Aufklärungsschreiben vom 21. März 2003 sei bereits darauf hingewiesen worden, dass gemäß § 33 Abs. 4 BVG eine einkommensabhängige Berechnung seiner Ausgleichsrente nicht stattfinde, da er Empfänger einer Pflegezulage der Stufe III sei.

Dagegen erhob der Kläger am 31. August 2003 beim Sozialgericht Freiburg (SG) "Vornahmeklage", mit der er u.a. die Fertigung eines "neuen, widerspruchsfreien, klaren Rentenbescheids" beantragte, in dem die Ausgleichsrente gemäß § 33 Abs. 4 BVG "einkommensunabhängig gezahlt wird". Er machte geltend, bei dem Neufeststellungsbescheid handele es sich um ein öffentlich-rechtliches Dokument, mit dem er sein Renteneinkommen beweise. Der Bescheid sei jedoch irreführend, weil die Ausgleichsrente als vom Einkommen abhängiger Versorgungsbezug bezeichnet werde, obwohl diese gemäß § 33 Abs. 4 BVG einkommensunabhängig gezahlt werde. Für Schwerstbeschädigte stelle sich § 33 Abs. 4 BVG als lex specialis dar, was eine Gleichsetzung mit der in § 32 BVG geregelten Ausgleichsrente ausschließe. Er verwies auf den von ihm verfassten Aufsatz in der Zeitschrift "Der Kriegsblinde" Nr. 9/10, 2003, S. 3 und führte weiter aus, die irrtumserregende Formulierung führe zu ärgerlichen Streitigkeiten vor Familiengerichten, da diese die Ausgleichsrente nach § 33 Abs. 4 BVG bei der Ermittlung der Unterhaltshöhe fälschlicherweise als anzurechnendes Einkommen berücksichtigten. Aufgrund dieser Erfahrungen habe er ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an einer Richtigstellung. Das VA habe

ein unrichtiges Dokument ausgestellt, was rechtswidrig sei. Er benötige ein einwandfreies, ihn nicht benachteiligendes Dokument in Gestalt des Rentenbescheids, auf das er sich verlassen könne. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen und führte aus, die Ausgleichsrente sei ihrer Natur nach eine einkommensabhängige Leistung. Insoweit verwies sie auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Juni 2003 (B 9 V 2/02 R). Dass im Falle des Klägers tatsächlich keine Anrechnung stattfinde, ändere nichts an deren Rechtsnatur. Die Ausgleichsrente werde daher zutreffend unter der Rubrik "einkommensabhängige Leistungen" genannt. Aus dem angefochtenen Bescheid gehe im Übrigen nicht hervor, ob und gegebenenfalls welche einzelnen Versorgungsbezüge als Lohnersatz zu werten seien. Dies sei vom Familiengericht zu prüfen. Zur Klarstellung könne diesem zusätzlich noch das Aufklärungsschreiben vom 21. März 2003 mit vorgelegt werden. Eine Beschwer hinsichtlich seines Versorgungsanspruch bzw. ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage sei nicht ersichtlich. Mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2005 wies das SG die Klage u.a. mit der Begründung ab, die vom Kläger gerügte Formulierung werde nicht von der Regelungswirkung des Anpassungsbescheides erfasst; insoweit handele es sich lediglich um der Bindungswirkung nicht fähige Berechnungs- und Einstufungselemente des Anpassungsbescheids. In dem gewünschten Punkt könne der Bescheid mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage daher nicht erfolgreich angegriffen werden. Auch ein hilfsweise zu unterstellender Feststellungsantrag sei als sogenannte Elementenfeststellungsklage unzulässig. Dem Kläger sei es im Übrigen ohne Weiteres möglich, die Richter des Familiengerichts durch Vorlage des Aufklärungsschreibens vom 21. März 2003 über den speziellen Rechtscharakter der Ausgleichsrente für Pflegezulagenempfänger der Stufe III zu informieren. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des am 29. April 2005 an den Kläger mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegebenen Gerichtsbescheids verwiesen.

Mit seiner am 25. Mai 2005 beim SG eingelegten Berufung hat der Kläger lediglich noch die Korrektur des Bescheidtextes geltend gemacht und ausgeführt, das SG verkenne Wert und Charakter des Rentenbescheids als einer öffentlich-rechtlichen Urkunde von hoher Beweiskraft. Weil die für Schwerstbeschädigte gezahlte Ausgleichsrente gemäß § 33 Abs. 4 BVG keine Lohnersatzfunktion habe, sei die Bezeichnung in der Überschrift "vom Einkommen abhängige Leistungen" fehlerhaft. Diese Bezeichnung benachteilige ihn und sei ersatzlos zu streichen. Dass Handlungsbedarf bestehe, habe die Beklagte mit der Bestätigung vom 21. März 2003 selbst bestätigt. Die irreführende Passage könne ohne großen Aufwand gestrichen oder handschriftlich mit dem Zusatz "Einkommen gemäß § 32 BVG" versehen werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 27. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 19. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 2003 zu verurteilen, im Bescheidtext die Ausgleichsrente als nicht vom Einkommen abhängige Versorgungsbezüge zu bezeichnen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Der Anpassungsbescheid vom 19. Juni 2002 sei entsprechend dem geltenden Recht ergangen. Der Regelungsgehalt dieser Entscheidung beschränke sich auf die Anpassung der Versorgungsbezüge zu einem bestimmten Stichtag, die als solche nicht angefochten werde.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten (Bände XXIII und XXIV) sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Diese war mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Aufgabe der Gerichte ist es, den Bürgern und der Verwaltung zu ihrem Recht zu verhelfen, soweit dies notwendig ist. Besteht demgegenüber die Möglichkeit, das Recht außerprozessual durchzusetzen, besteht kein Anlass, die Hilfe des Gerichts in Anspruch zu nehmen. Zur Verfolgung nicht schutzwürdiger Ziele, mit denen die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessert wird, steht die Hilfe des Gerichts daher nicht zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund hat das SG zutreffend ausgeführt, dass sich der Regelungsgehalt des angefochtenen Anpassungsbescheides auf die mitgeteilte Höhe der jeweiligen Versorgungsbezüge bezieht, die durch die 11. KOV-AnpV 2002 zum 1. Juli 2002 angepasst wurden. Ein darüber hinausgehender Regelungsgehalt ist dem Bescheid nicht zu entnehmen. Die Höhe der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Ausgleichsrente hat der Kläger aber nicht angegriffen, so dass nicht ersichtlich ist, woraus er eine Beschwer abzuleiten versucht.

Regelungsgegenstand des angefochtenen Anpassungsbescheid ist bezüglich der erwähnten Ausgleichsrente insbesondere auch nicht ihre unterhaltsrechtliche Anrechenbarkeit, sondern ausschließlich deren Erhöhung zum 1. Juli 2002 auf 615,00 EUR. Soweit für die Beurteilung von Unterhaltsansprüchen in zivilrechtlichen Streitigkeiten der Rechtscharakter dieser Leistung von Bedeutung ist, obliegt die entsprechende Einordnung den für die Entscheidung derartiger Streitigkeiten zuständigen Familiengerichten, nicht aber der Versorgungsverwaltung.

Eine Verpflichtung des VA, die gewährte Ausgleichsrente in dem angefochtenen Anpassungsbescheid in der gewünschten Form als "nicht vom Einkommen unabhängigen Versorgungsbezug" zu bezeichnen, kann der Kläger insbesondere auch nicht daraus herleiten, dass die vorgenommene Bezeichnung fehlerhaft wäre. Denn die Ausgleichsrente als solche ist - anders als der Kläger meint - eine grundsätzlich einkommensabhängige Leistung, bei der lediglich in den Fällen des § 33 Abs. 4 BVG von einer Einkommensanrechnung ganz oder teilweise abgesehen wird. Hierzu hat sich das BSG in der erwähnten Entscheidung ausführlich geäußert, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen wird.

Letztlich stellt auch die Möglichkeit, dass durch die gewünschte Formulierung eventuelle Streitigkeiten vermieden werden, kein schutzwürdiges Interesse für die Inanspruchnahme der Gerichte dar. Denn dem entsprechenden Interesse des Klägers, gegenüber Dritten deutlich zu machen, dass die ihm als Pflegezulagenempfänger der Stufe III gewährte Ausgleichsrente gemäß § 33 Abs. 4 BVG ohne Anrechnung von Einkommen in voller Höhe gezahlt wird, ist bereits hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass das VA die entsprechende Regelung mit Schreiben vom 21. März 2003 im Einzelnen dargelegt und den Kläger so in die Lage versetzt hat, durch Vorlage dieses Schreibens Unklarheiten bezüglich der in Rede stehenden Leistung zu beseitigen. Angesichts dessen bedurfte es der Inanspruchnahme des Gerichts auch unter diesem Gesichtspunkt nicht.

Da die Berufung des Klägers daher keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Saved