Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 VG 2631/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3679/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) streitig.
Am 03. November 2004 beantragte der 1933 geborene Kläger beim Versorgungsamt Karlsruhe (VA) die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Er machte als Gesundheitsstörungen "Schädel-Hirn-Trauma, somatosensorischer zervikaler Schwindel, schw. Prellung der WS (OP am 03.03.2004)" geltend; diese seien auf eine versuchte Körperverletzung am 24. September 2004 zurückzuführen. Er legte den Ambulanzbericht der Zentralen Notfallaufnahme des Städtischen Klinikums K. über die Untersuchung vom 25. September 2004, den Arztbrief des Facharztes für Neurologie PD Dr. S. vom 12. Oktober 2004 über Untersuchungen am 08. und 11. Oktober 2004 sowie das Attest des Orthopäden Dr. F. vom 09. Dezember 2004 vor. Das VA zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Karlsruhe (311 Js 34876/04) bei. Mit am 05. April 2005 zur Post gegebenen Bescheid vom 04. April 2005 lehnte das VA den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft sei eingestellt worden, da nicht mit einer für eine Anklageerhebung nötigen Sicherheit habe nachgewiesen werden können, dass er von den Beschuldigten angegriffen und gegen seinen Willen in der elterlichen Wohnung einer der Beschuldigten festgehalten worden sei. Trotz Ausschöpfung aller relevanten Beweismittel habe der Geschehensablauf objektiv nicht nachvollzogen werden können; Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit hätten sich nicht ausräumen lassen.
Am 14. Juni 2005 legte der Kläger gegen diesen Bescheid sinngemäß Widerspruch ein und beantragte, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er machte geltend, wegen den Folgen eines Schlaganfalls sei es ihm zuvor nicht möglich gewesen, auf das "Schreiben" vom 04. April 2005 zu reagieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 wurde der Widerspruch mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, der Bescheid vom 04. April 2005 sei am 05. April 2005 der Post zur Beförderung übergeben worden und gelte mit dem 08. April 2005 als bekannt gegeben; die Widerspruchsfrist von einem Monat sei damit am 09. Mai 2005, einem Montag, abgelaufen gewesen. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht entsprochen werden, da Bettlägerigkeit und Behandlungsbedürftigkeit allein keine Wiedereinsetzung rechtfertigten.
Am 11. Juli 2005 erhob der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage und trug im Hinblick auf die Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, er sei absolut nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig Widerspruch einzulegen. Dabei gehe er davon aus, dass er als alleinstehende Person schuldlos die Einspruchsfrist versäumt habe. Er sei jetzt und heute zur Einsicht gelangt, dass er damals nicht nur wegen der Folgen zweier Schlaganfälle, sondern auch wegen schweren tiefgreifenden Depressionen, bedingt durch seine Lebensumstände, hilflos gewesen sei. Zwischenzeitlich habe sich seine Lage insoweit gebessert, als er zumindest teilweise eingesehen habe, dass er damals die angebotene Hilfe seiner Tochter, die ihm seinerzeit persönlich schon gesagt habe, er benötige dringend Hilfe, nicht angenommen habe. Er habe im Übrigen eine schwerstbehinderte Tochter; zudem laufe gegen ihn ein Strafverfahren. Das SG zog die Akte der Staatsanwaltschaft Karlsruhe 311 Js 34876/04 bei und wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2006 mit der Begründung ab, in dem angefochtenen Bescheid vom 04. April 2005 sei zutreffend ausgeführt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht nachgewiesen seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des zum Zwecke der Zustellung an den Kläger am 03. Juli 2006 mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegebenen Gerichtsbescheids verwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 12. Juli 2006 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim SG Berufung eingelegt, sich zum Tatgeschehen und den Folgen geäußert sowie zahlreiche Unterlagen vorgelegt. Zum Nachweis des erlittenen Schlaganfalls, der nach seinen Angaben im Widerspruchsverfahren zur Versäumung der Widerspruchsfrist geführt habe, legte er nach entsprechender Aufforderung durch den Senat nochmals den bereits erwähnten Ambulanzbericht des Städtischen Klinikums K. über die Untersuchung vom 25. September 2004 vor, darüber hinaus den Arztbrief der Neurochirurgischen Klinik dieses Klinikums vom 11. September 2006 über die ambulante Untersuchung am 11. September 2006 wegen Rückenschmerzen und gelegentlichen Ischiasbeschwerden und ferner die Bescheinigung der Internistin Dr. D. vom 04. Oktober 2004, in der über die Untersuchung des Klägers vom 24. September 2004 berichtet wird. Nach Hinweis auf den Umstand, dass die vorgelegten Unterlagen weder Anhaltspunkte für einen Schlaganfall enthielten, noch Hinweise auf seinen Gesundheitszustand während des Laufs der Widerspruchsfrist, die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe demgegenüber allerdings ein von ihm noch während des Laufs der Widerspruchsfrist unter dem 06. Mai 2005 verfasstes Schreiben an seinen damaligen Strafverteidiger, hat der Kläger geltend gemacht, vielleicht "die nicht ganz richtige Krankheit (Schlaganfall)" für sein Fristversäumnis angegeben zu haben. In Wirklichkeit sei für die Fristversäumnis seine Erkrankung an vaskulär bedingter Demenz verantwortlich gewesen. Diese Erkrankung verlaufe auch in Schüben, so dass es Zeiten gebe, in denen er in der Lage sei, seine Korrespondenz selbstständig und ohne Formulierungshilfe zu führen. Hierzu legte er die Seiten 19 bis 21 eines Gutachtens des Prof. Dr. E., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin und Neurologie vor, dem eine ambulante gutachtliche Untersuchung am 22. Oktober 2005 zugrunde lag. Er kündigte die Vorlage weiterer Atteste an, die bestätigten, dass seine seinerzeitige Handlungsunfähigkeit durch eine tiefe Depression bedingt gewesen sei, ohne diese in der Folgezeit allerdings vorzulegen. Im Übrigen sei er als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 anerkannt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2006 aufzuheben, ihm wegen Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 04. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2005 zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass der Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings hätte es keine Entscheidung in der Sache treffen dürfen, da der den geltend gemachten Anspruch ablehnende Bescheid des Beklagten vom 04. April 2005 bestandkräftig geworden ist und einer sachlichen Überprüfung durch das Gericht nicht mehr zugänglich war. Da Wiedereinsetzungsgründe nicht vorlagen, war nach Ablauf der Widerspruchsfrist insoweit Bestandkraft eingetreten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger mit seinem am 14. Juni 2005 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 04. April 2005 die Widerspruchsfrist von einem Monat (vgl. § 84 Abs. 1 SGG) versäumt hatte. Im Rahmen des Widerspruchverfahrens wäre der Beklagte daher nur dann verpflichtet gewesen, in eine erneute Sachprüfung einzutreten, wenn dem Kläger im Hinblick auf die Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren gewesen wäre. Hierzu war der Beklagte jedoch nicht verpflichtet. Denn - wie im Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 zutreffend ausgeführt - lag ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vor.
Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die entsprechende Verfahrensfrist einzuhalten. In diesem Sinne hatte der Kläger die Widerspruchsfrist jedoch nicht schuldlos versäumt. Krankheit schließt ein Verschulden nämlich nur aus, wenn der Betroffene so schwer erkrankt ist, dass er weder selbst hat handeln, noch einen Anderen hat beauftragen können, zumindest zur Fristwahrung Widerspruch einzulegen. Davon, dass der Kläger sich bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 09. Mai 2005 in einem derartigen Zustand befunden hat, vermochte sich der Senat ebenso wenig wie der Beklagte zu überzeugen. Hinsichtlich des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes ist bereits der eigene Vortrag des Klägers widersprüchlich. Denn nachdem er seine Fristversäumnis zunächst mit einem erlittenen Schlaganfall begründet hatte und seitens des Senats darauf hingewiesen wurde, dass die zum Nachweis dieses Ereignisses vorgelegten Unterlagen hierfür keine Anhaltspunkte böten, hat er sein Vorbringen umgestellt und seine Fristversäumnis unter Hinweis darauf, kein Arzt oder Jurist zu sein, nunmehr damit begründet, an einer vaskulären Demenz zu leiden, was mit den vorgelegten Auszügen aus einem Gutachten des Prof. Dr. E. belegt werde. Auch unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, wonach davon auszugehen sei, dass der Kläger mindestens seit Ende 2003 an einer Demenzerkrankung leichten bis mittleren Grades leide, vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Denn auch der vorgelegte Gutachtensauszug bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die kognitive Hirnleistung des Klägers in dem hier maßgeblichen Zeitraum April/Mai 2005 bereits derart beeinträchtigt war, dass er weder den Inhalt des Bescheids vom 04. April 2005 hat erfassen, noch hat erkennen können, dass es erforderlich ist, zur Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG entsprechend der beigefügten Rechtsmittelbelehrung innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Dem steht entgegen, dass der Kläger auch in der Folgezeit durchaus noch in der Lage war, Klage zu erheben, Berufung einzulegen und - wie sein umfangreicher Schriftwechsel deutlich macht - seine Rechte wahrzunehmen und ausführlich mit den in Anspruch genommenen Gerichten zu korrespondieren. Der Senat sieht keine Gesichtspunkte, aus denen geschlossen werden könnte, dass ein entsprechendes Vorgehen nicht auch Ende April/Anfang Mai des Jahres 2005 möglich gewesen wäre. Schließlich hat der Kläger auch am 06. Mai 2005, also während des Laufs der Widerspruchsfrist, noch ein umfangreiches Schreiben an seinen damaligen Strafverteidiger verfasst, in dem er zu einem angeblich gegen ihn gerichteten Vorwurf in von klaren Gedankengängen geprägten Ausführungen Stellung genommen hat. Weshalb der Kläger angesichts dessen seinerzeit nicht in der Lage gewesen sein soll, zumindest zur Fristwahrung Widerspruch gegen den Bescheid vom 04. April 2005 einzulegen, ist daher nicht erkennbar.
Da der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 04. April 2005 nach alledem zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat, ist nicht zu beanstanden, dass das SG die Klage abgewiesen hat. Entsprechend konnte auch die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Entschädigungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) streitig.
Am 03. November 2004 beantragte der 1933 geborene Kläger beim Versorgungsamt Karlsruhe (VA) die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Er machte als Gesundheitsstörungen "Schädel-Hirn-Trauma, somatosensorischer zervikaler Schwindel, schw. Prellung der WS (OP am 03.03.2004)" geltend; diese seien auf eine versuchte Körperverletzung am 24. September 2004 zurückzuführen. Er legte den Ambulanzbericht der Zentralen Notfallaufnahme des Städtischen Klinikums K. über die Untersuchung vom 25. September 2004, den Arztbrief des Facharztes für Neurologie PD Dr. S. vom 12. Oktober 2004 über Untersuchungen am 08. und 11. Oktober 2004 sowie das Attest des Orthopäden Dr. F. vom 09. Dezember 2004 vor. Das VA zog die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Karlsruhe (311 Js 34876/04) bei. Mit am 05. April 2005 zur Post gegebenen Bescheid vom 04. April 2005 lehnte das VA den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft sei eingestellt worden, da nicht mit einer für eine Anklageerhebung nötigen Sicherheit habe nachgewiesen werden können, dass er von den Beschuldigten angegriffen und gegen seinen Willen in der elterlichen Wohnung einer der Beschuldigten festgehalten worden sei. Trotz Ausschöpfung aller relevanten Beweismittel habe der Geschehensablauf objektiv nicht nachvollzogen werden können; Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit hätten sich nicht ausräumen lassen.
Am 14. Juni 2005 legte der Kläger gegen diesen Bescheid sinngemäß Widerspruch ein und beantragte, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er machte geltend, wegen den Folgen eines Schlaganfalls sei es ihm zuvor nicht möglich gewesen, auf das "Schreiben" vom 04. April 2005 zu reagieren. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 wurde der Widerspruch mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen, der Bescheid vom 04. April 2005 sei am 05. April 2005 der Post zur Beförderung übergeben worden und gelte mit dem 08. April 2005 als bekannt gegeben; die Widerspruchsfrist von einem Monat sei damit am 09. Mai 2005, einem Montag, abgelaufen gewesen. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht entsprochen werden, da Bettlägerigkeit und Behandlungsbedürftigkeit allein keine Wiedereinsetzung rechtfertigten.
Am 11. Juli 2005 erhob der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage und trug im Hinblick auf die Versagung der begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, er sei absolut nicht in der Lage gewesen, rechtzeitig Widerspruch einzulegen. Dabei gehe er davon aus, dass er als alleinstehende Person schuldlos die Einspruchsfrist versäumt habe. Er sei jetzt und heute zur Einsicht gelangt, dass er damals nicht nur wegen der Folgen zweier Schlaganfälle, sondern auch wegen schweren tiefgreifenden Depressionen, bedingt durch seine Lebensumstände, hilflos gewesen sei. Zwischenzeitlich habe sich seine Lage insoweit gebessert, als er zumindest teilweise eingesehen habe, dass er damals die angebotene Hilfe seiner Tochter, die ihm seinerzeit persönlich schon gesagt habe, er benötige dringend Hilfe, nicht angenommen habe. Er habe im Übrigen eine schwerstbehinderte Tochter; zudem laufe gegen ihn ein Strafverfahren. Das SG zog die Akte der Staatsanwaltschaft Karlsruhe 311 Js 34876/04 bei und wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Juni 2006 mit der Begründung ab, in dem angefochtenen Bescheid vom 04. April 2005 sei zutreffend ausgeführt, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht nachgewiesen seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des zum Zwecke der Zustellung an den Kläger am 03. Juli 2006 mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegebenen Gerichtsbescheids verwiesen.
Dagegen hat der Kläger am 12. Juli 2006 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim SG Berufung eingelegt, sich zum Tatgeschehen und den Folgen geäußert sowie zahlreiche Unterlagen vorgelegt. Zum Nachweis des erlittenen Schlaganfalls, der nach seinen Angaben im Widerspruchsverfahren zur Versäumung der Widerspruchsfrist geführt habe, legte er nach entsprechender Aufforderung durch den Senat nochmals den bereits erwähnten Ambulanzbericht des Städtischen Klinikums K. über die Untersuchung vom 25. September 2004 vor, darüber hinaus den Arztbrief der Neurochirurgischen Klinik dieses Klinikums vom 11. September 2006 über die ambulante Untersuchung am 11. September 2006 wegen Rückenschmerzen und gelegentlichen Ischiasbeschwerden und ferner die Bescheinigung der Internistin Dr. D. vom 04. Oktober 2004, in der über die Untersuchung des Klägers vom 24. September 2004 berichtet wird. Nach Hinweis auf den Umstand, dass die vorgelegten Unterlagen weder Anhaltspunkte für einen Schlaganfall enthielten, noch Hinweise auf seinen Gesundheitszustand während des Laufs der Widerspruchsfrist, die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Karlsruhe demgegenüber allerdings ein von ihm noch während des Laufs der Widerspruchsfrist unter dem 06. Mai 2005 verfasstes Schreiben an seinen damaligen Strafverteidiger, hat der Kläger geltend gemacht, vielleicht "die nicht ganz richtige Krankheit (Schlaganfall)" für sein Fristversäumnis angegeben zu haben. In Wirklichkeit sei für die Fristversäumnis seine Erkrankung an vaskulär bedingter Demenz verantwortlich gewesen. Diese Erkrankung verlaufe auch in Schüben, so dass es Zeiten gebe, in denen er in der Lage sei, seine Korrespondenz selbstständig und ohne Formulierungshilfe zu führen. Hierzu legte er die Seiten 19 bis 21 eines Gutachtens des Prof. Dr. E., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapeutische Medizin und Neurologie vor, dem eine ambulante gutachtliche Untersuchung am 22. Oktober 2005 zugrunde lag. Er kündigte die Vorlage weiterer Atteste an, die bestätigten, dass seine seinerzeitige Handlungsunfähigkeit durch eine tiefe Depression bedingt gewesen sei, ohne diese in der Folgezeit allerdings vorzulegen. Im Übrigen sei er als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 90 anerkannt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Juni 2006 aufzuheben, ihm wegen Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 04. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2005 zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass der Widerspruch zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Allerdings hätte es keine Entscheidung in der Sache treffen dürfen, da der den geltend gemachten Anspruch ablehnende Bescheid des Beklagten vom 04. April 2005 bestandkräftig geworden ist und einer sachlichen Überprüfung durch das Gericht nicht mehr zugänglich war. Da Wiedereinsetzungsgründe nicht vorlagen, war nach Ablauf der Widerspruchsfrist insoweit Bestandkraft eingetreten.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger mit seinem am 14. Juni 2005 eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 04. April 2005 die Widerspruchsfrist von einem Monat (vgl. § 84 Abs. 1 SGG) versäumt hatte. Im Rahmen des Widerspruchverfahrens wäre der Beklagte daher nur dann verpflichtet gewesen, in eine erneute Sachprüfung einzutreten, wenn dem Kläger im Hinblick auf die Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren gewesen wäre. Hierzu war der Beklagte jedoch nicht verpflichtet. Denn - wie im Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 zutreffend ausgeführt - lag ein Wiedereinsetzungsgrund nicht vor.
Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, die entsprechende Verfahrensfrist einzuhalten. In diesem Sinne hatte der Kläger die Widerspruchsfrist jedoch nicht schuldlos versäumt. Krankheit schließt ein Verschulden nämlich nur aus, wenn der Betroffene so schwer erkrankt ist, dass er weder selbst hat handeln, noch einen Anderen hat beauftragen können, zumindest zur Fristwahrung Widerspruch einzulegen. Davon, dass der Kläger sich bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist am 09. Mai 2005 in einem derartigen Zustand befunden hat, vermochte sich der Senat ebenso wenig wie der Beklagte zu überzeugen. Hinsichtlich des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes ist bereits der eigene Vortrag des Klägers widersprüchlich. Denn nachdem er seine Fristversäumnis zunächst mit einem erlittenen Schlaganfall begründet hatte und seitens des Senats darauf hingewiesen wurde, dass die zum Nachweis dieses Ereignisses vorgelegten Unterlagen hierfür keine Anhaltspunkte böten, hat er sein Vorbringen umgestellt und seine Fristversäumnis unter Hinweis darauf, kein Arzt oder Jurist zu sein, nunmehr damit begründet, an einer vaskulären Demenz zu leiden, was mit den vorgelegten Auszügen aus einem Gutachten des Prof. Dr. E. belegt werde. Auch unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, wonach davon auszugehen sei, dass der Kläger mindestens seit Ende 2003 an einer Demenzerkrankung leichten bis mittleren Grades leide, vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, die Widerspruchsfrist einzuhalten. Denn auch der vorgelegte Gutachtensauszug bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die kognitive Hirnleistung des Klägers in dem hier maßgeblichen Zeitraum April/Mai 2005 bereits derart beeinträchtigt war, dass er weder den Inhalt des Bescheids vom 04. April 2005 hat erfassen, noch hat erkennen können, dass es erforderlich ist, zur Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG entsprechend der beigefügten Rechtsmittelbelehrung innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Dem steht entgegen, dass der Kläger auch in der Folgezeit durchaus noch in der Lage war, Klage zu erheben, Berufung einzulegen und - wie sein umfangreicher Schriftwechsel deutlich macht - seine Rechte wahrzunehmen und ausführlich mit den in Anspruch genommenen Gerichten zu korrespondieren. Der Senat sieht keine Gesichtspunkte, aus denen geschlossen werden könnte, dass ein entsprechendes Vorgehen nicht auch Ende April/Anfang Mai des Jahres 2005 möglich gewesen wäre. Schließlich hat der Kläger auch am 06. Mai 2005, also während des Laufs der Widerspruchsfrist, noch ein umfangreiches Schreiben an seinen damaligen Strafverteidiger verfasst, in dem er zu einem angeblich gegen ihn gerichteten Vorwurf in von klaren Gedankengängen geprägten Ausführungen Stellung genommen hat. Weshalb der Kläger angesichts dessen seinerzeit nicht in der Lage gewesen sein soll, zumindest zur Fristwahrung Widerspruch gegen den Bescheid vom 04. April 2005 einzulegen, ist daher nicht erkennbar.
Da der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 04. April 2005 nach alledem zu Recht als unzulässig zurückgewiesen hat, ist nicht zu beanstanden, dass das SG die Klage abgewiesen hat. Entsprechend konnte auch die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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