Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3091/06 AK-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3988/07 AK-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 3. Juli 2007 dahingehend abgeändert, dass die Beklagte dem Kläger nur die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Der Inhalt dieser Entscheidung richtet sich nach billigem Ermessen ohne Rücksicht auf die Anträge der Beteiligten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 193 Rdnr. 12 ff.). Grundsätzlich hat das Gericht bei der Ausübung des sachgemäßen oder billigen Ermessens alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bei Erledigung ohne Urteil hat vor allem der nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrensausgang den Ausschlag zu geben (vgl. BSG, Beschluss vom 07.09.1998 - NZS 1999, 264). Ebenso wenig kann aber außer Betracht bleiben, ob ein Versicherungsträger Anlass zur Klage gegeben oder ob sich die Sach- und Rechtslage nach Erlass des Bescheides geändert hat. Trägt ein Beteiligter dem sofort Rechnung, hat er gegebenenfalls keine Kosten zu tragen. Letzteres ist Ausfluss des Veranlassungsprinzips und trägt dem Rechtsgedanken des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) Rechnung. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat voll nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 12.04.2005 von Anfang an rechtswidrig war. Die Beklagte ist mit ihrem Anerkenntnis vom 12.07.2006 davon ausgegangen, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung beim Kläger bereits am 01.03.2005, also zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, vorgelegen hat. Der Kläger war mit seinem Rentenbegehren mithin insoweit erfolgreich, als ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit befristet ab 01.10.2005 bis 30.09.2008 gewährt wurde. Dieser Gesichtspunkt allein führt jedoch nicht automatisch zu einer vollen Kostentragungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist ferner, ob der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang erreicht hat. Dies ist aber, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, nicht der Fall. Nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht gilt der Grundsatz, dass Renten wegen Erwerbsminderung zu befristen sind (§ 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Das Regel-Ausnahmeverhältnis hat sich gegenüber dem bis 31.12.2000 geltenden Recht umgekehrt. Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, nur dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Ob eine Klage ganz oder teilweise Erfolg hat, hängt vom Klageantrag ab.
Vorliegend hat der Kläger in seinem Antrag vom 09.02.2006, die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.03.2005 zu gewähren, nicht zum Ausdruck gebracht, ob er die Gewährung der Rente als Dauerrente oder lediglich als Zeitrente begehrt. Sein pauschal formulierter Antrag umfasst beides. Gemäß § 92 SGG ist es Sache des durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretenen Klägers, mit seinem Antrag den Gegenstand des Verfahrens festzulegen. Notwendig ist deswegen, dass der Kläger - jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - klarstellt, welches Ziel er mit der Klage verfolgt. Bei Unklarheiten des klägerischen Antrags ist der Antrag unter Heranziehung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. BSGE 74, 77, 79) unter Würdigung des gesamten Vorbringens des Klägers auszulegen (vgl. BSGE 63, 93, 94 f.; Meyer-Ladewig a.a.O. § 92 Rndr. 5 m. w. N.). Hier ergeben sich weder aus der Klagebegründung vom 09.02.2006 noch aus der vom 22.02.2006 Hinweise darauf, dass der Kläger von einer zeitlichen Begrenzung ausging. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger das Anerkenntnis der Beklagten ohne Einwendungen angenommen hat. Auch unter Berücksichtigung dessen, ist sein Begehren unter Würdigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nicht dahingehend zu verstehen, dass er lediglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Im Hinblick darauf, dass eine Befristung von Gesetzes wegen auszusprechen gewesen wäre, hätte der Kläger, wäre das Anerkenntnis der Beklagten nicht erfolgt, teilweise seinen Antrag beschränken und insofern die Klage zurücknehmen müssen. Dementsprechend hat der Kläger nicht voll obsiegt, was kostenrechtlich nicht ohne Auswirkungen bleiben kann (vgl. zuletzt Beschluss des erkennenden Senates vom 27.02.2007 - L 11 R 279/07 AK-B m. w. N.). Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente bis zum 65. Lebensjahr eine Rente für die Dauer von ca. 13 Jahren bedeutet hätte. Tatsächlich bewilligt wurde die Rente jedoch nur für drei Jahre.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage erachtet es der Senat für sachgerecht, der Beklagten die Hälfte der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 27.02.2007).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung des Artikel 4 Abs. 25 Nr. 2 des KostRMoG vom 05.05.2004 (BGBl. I Seite 718). Das Beschwerdeverfahren nach § 172 SGG, in dem die nach § 193 Abs. 1 Satz 3 ergangene Kostengrundentscheidung des SG angefochten wird, stellt kostenrechtlich ein eigenständiges Verfahren dar, für das der Rechtsanwalt einen Anspruch auf Vergütung hat (§ 18 Nr. 5 RVG). Eine Unterscheidung danach, ob sich die Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Streitwert bestimmt oder ob der Anwalt für seine Tätigkeit Betragsrahmengebühren (§ 3 RVG) erhält, findet unter der Geltung des RVG nicht mehr statt. Auch für Beschwerdeverfahren dieser Art ist daher einen Kostenentscheidung zu treffen. Der Senat sieht es als sachgerecht an, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren nicht zu tragen hat, da die Beschwerde der Beklagten erfolgreich war.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Nach § 193 Abs. 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders als durch Urteil beendet wird. Der Inhalt dieser Entscheidung richtet sich nach billigem Ermessen ohne Rücksicht auf die Anträge der Beteiligten (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 193 Rdnr. 12 ff.). Grundsätzlich hat das Gericht bei der Ausübung des sachgemäßen oder billigen Ermessens alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Bei Erledigung ohne Urteil hat vor allem der nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Erledigung zu beurteilende Verfahrensausgang den Ausschlag zu geben (vgl. BSG, Beschluss vom 07.09.1998 - NZS 1999, 264). Ebenso wenig kann aber außer Betracht bleiben, ob ein Versicherungsträger Anlass zur Klage gegeben oder ob sich die Sach- und Rechtslage nach Erlass des Bescheides geändert hat. Trägt ein Beteiligter dem sofort Rechnung, hat er gegebenenfalls keine Kosten zu tragen. Letzteres ist Ausfluss des Veranlassungsprinzips und trägt dem Rechtsgedanken des § 93 Zivilprozessordnung (ZPO) Rechnung. Ein vom Sozialgericht ausgeübtes Ermessen ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch den Senat voll nachprüfbar, da die Befugnis zur Ausübung des Ermessens in der Sache durch das Rechtsmittel der Beschwerde in vollem Umfang auf das Beschwerdegericht übergegangen ist.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben, weil der mit der Klage angefochtene Bescheid vom 12.04.2005 von Anfang an rechtswidrig war. Die Beklagte ist mit ihrem Anerkenntnis vom 12.07.2006 davon ausgegangen, dass der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung beim Kläger bereits am 01.03.2005, also zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung, vorgelegen hat. Der Kläger war mit seinem Rentenbegehren mithin insoweit erfolgreich, als ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit befristet ab 01.10.2005 bis 30.09.2008 gewährt wurde. Dieser Gesichtspunkt allein führt jedoch nicht automatisch zu einer vollen Kostentragungspflicht der Beklagten. Entscheidend ist ferner, ob der Kläger sein Klageziel in vollem Umfang erreicht hat. Dies ist aber, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, nicht der Fall. Nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht gilt der Grundsatz, dass Renten wegen Erwerbsminderung zu befristen sind (§ 102 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Das Regel-Ausnahmeverhältnis hat sich gegenüber dem bis 31.12.2000 geltenden Recht umgekehrt. Nach § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, nur dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Ob eine Klage ganz oder teilweise Erfolg hat, hängt vom Klageantrag ab.
Vorliegend hat der Kläger in seinem Antrag vom 09.02.2006, die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ab 01.03.2005 zu gewähren, nicht zum Ausdruck gebracht, ob er die Gewährung der Rente als Dauerrente oder lediglich als Zeitrente begehrt. Sein pauschal formulierter Antrag umfasst beides. Gemäß § 92 SGG ist es Sache des durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertretenen Klägers, mit seinem Antrag den Gegenstand des Verfahrens festzulegen. Notwendig ist deswegen, dass der Kläger - jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung - klarstellt, welches Ziel er mit der Klage verfolgt. Bei Unklarheiten des klägerischen Antrags ist der Antrag unter Heranziehung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (vgl. BSGE 74, 77, 79) unter Würdigung des gesamten Vorbringens des Klägers auszulegen (vgl. BSGE 63, 93, 94 f.; Meyer-Ladewig a.a.O. § 92 Rndr. 5 m. w. N.). Hier ergeben sich weder aus der Klagebegründung vom 09.02.2006 noch aus der vom 22.02.2006 Hinweise darauf, dass der Kläger von einer zeitlichen Begrenzung ausging. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger das Anerkenntnis der Beklagten ohne Einwendungen angenommen hat. Auch unter Berücksichtigung dessen, ist sein Begehren unter Würdigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nicht dahingehend zu verstehen, dass er lediglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit angestrebt hat. Im Hinblick darauf, dass eine Befristung von Gesetzes wegen auszusprechen gewesen wäre, hätte der Kläger, wäre das Anerkenntnis der Beklagten nicht erfolgt, teilweise seinen Antrag beschränken und insofern die Klage zurücknehmen müssen. Dementsprechend hat der Kläger nicht voll obsiegt, was kostenrechtlich nicht ohne Auswirkungen bleiben kann (vgl. zuletzt Beschluss des erkennenden Senates vom 27.02.2007 - L 11 R 279/07 AK-B m. w. N.). Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente bis zum 65. Lebensjahr eine Rente für die Dauer von ca. 13 Jahren bedeutet hätte. Tatsächlich bewilligt wurde die Rente jedoch nur für drei Jahre.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage erachtet es der Senat für sachgerecht, der Beklagten die Hälfte der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 27.02.2007).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung des Artikel 4 Abs. 25 Nr. 2 des KostRMoG vom 05.05.2004 (BGBl. I Seite 718). Das Beschwerdeverfahren nach § 172 SGG, in dem die nach § 193 Abs. 1 Satz 3 ergangene Kostengrundentscheidung des SG angefochten wird, stellt kostenrechtlich ein eigenständiges Verfahren dar, für das der Rechtsanwalt einen Anspruch auf Vergütung hat (§ 18 Nr. 5 RVG). Eine Unterscheidung danach, ob sich die Vergütung des Rechtsanwalts nach dem Streitwert bestimmt oder ob der Anwalt für seine Tätigkeit Betragsrahmengebühren (§ 3 RVG) erhält, findet unter der Geltung des RVG nicht mehr statt. Auch für Beschwerdeverfahren dieser Art ist daher einen Kostenentscheidung zu treffen. Der Senat sieht es als sachgerecht an, dass die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren nicht zu tragen hat, da die Beschwerde der Beklagten erfolgreich war.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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