Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3885/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3941/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1956 geborene Klägerin schloss im September 1977 eine dreijährige Lehre zur Justizangestellten ab und arbeitete anschließend - abgesehen von einer Familienpause wegen Erziehung ihrer beiden Kinder (ab 1984) und sonstigen von Januar 1990 bis Januar 1992 ausgeübten verschiedenen Beschäftigungen - im erlernten Beruf. Seit Februar 2004 ist sie ihren Angaben zufolge krankgeschrieben.
Am 10. April 2000 beantragte die Klägerin erstmalig die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung unter Hinweis auf eine seit Mai 1998 vorliegende depressive Erkrankung. Im Mai 2000 nahm sie den Rentenantrag zurück, da sich ihr Gesundheitszustand gebessert habe.
Ausgangspunkt des jetzigen Verfahrens ist der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 23. August 2003. Zur Begründung ihres Rentenantrags führte die Klägerin aus, sie halte sich seit mehreren Jahren wegen massiven psychischen Störungen für erwerbsgemindert.
Die Beklagte zog den ärztlichen Entlassungsbericht über das zu ihren Lasten in der Parkklinik B., Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, in der Zeit vom 15.09. bis 18.10.2000 durchgeführte Rehabilitationsverfahren der Klägerin bei. Hierin wurden die Diagnosen: Dysthymia, Agoraphobie ohne Panikstörung, Nikotinabusus und leichte Hypercholesterinämie gestellt. Das Leistungsvermögen der Klägerin in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Verwaltungsfachkraft im öffentlichen Dienst wurde als nicht wesentlich eingeschränkt beurteilt; die Klägerin könne vollschichtig tätig sein.
Die Beklagte holte ein Gutachten von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin - Sozialmedizin - Dr. Dipl.-Psych. K.-H. ein. Diese stellte im Gutachten vom 3. November 2003 bei der Klägerin folgende Diagnosen: - Dysthymia - neurasthenische Persönlichkeitszüge Konstitutionsgemäß könne die Klägerin nur leichte körperliche Tätigkeiten ausführen, aufgrund der eingeschränkten psychischen Belastbarkeit unter Vermeidung von Nacht- und Wechselschicht, Zeitdruck und besonderer psychischer Belastung. Bei zumutbarer Willensanspannung werde die Tätigkeit der Justizangestellten, die bereits langjährig und routiniert ausgeübt worden sei, noch in sechs- bis achtstündigem Umfang für möglich erachtet.
Hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 1. Dezember 2003 ab, da diese in der Lage sei, sowohl in ihrem bisherigen Beruf als Justizangestellte als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden arbeitstäglich erwerbstätig zu sein und daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege.
Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch vom 17. Dezember 2003 begründete die Klägerin damit, sie könne wegen schweren Depressionen, Burn-Out-Syndrom, ausgeprägten Erschöpfungszuständen und schweren Schlafstörungen den gestiegenen Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr nachkommen. Sie fühle sich nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden pro Arbeitstag volle Leistung zu erbringen. Vom Versorgungsamt sei ihre Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung - GdB - von 50 festgestellt worden.
Die Beklagte holte von dem die Klägerin behandelnden Hausarzt Dr. I., Arzt für Innere Medizin, den Befundbericht vom 22. Juni 2004 und von der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie/Sozialmedizin B I. den Befundbericht vom 13. Februar 2004 ein. Die Ärztin I. gab als bei der Klägerin gestellte Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung und eine Dysthymia an. Seit Behandlungsbeginn im Juni 2003 sei die Klägerin während 14 Tagen wegen Depression arbeitsunfähig gewesen. Aktuell liege keine Arbeitsunfähigkeit vor.
Die Klägerin legte zu den Verwaltungsakten der Beklagten das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Baden-Württemberg vom 7. September 2004 vor, in welchem eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert wird und die Klägerin als weiterhin arbeitsunfähig beurteilt wird. Ferner wird eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit angenommen.
Nach Einholung beratungsärztlicher Stellungnahmen von Dr. U. (vom 02.09.2004) und von Dr. D. (vom 01.10.2004) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 2. Dezember 2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgte. Ergänzend zur Widerspruchsbegründung gab sie an, sie habe sich vom 21. September bis 1. Dezember 2004 in teilstationärer Behandlung in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie GmbH in Villingen-Schwenningen befunden.
Das SG holte zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von den die Klägerin behandelnden Ärzten Dr. M., Internist, A. Sch., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und B. I. ein (Auskünfte vom 01.02., 02.02. und 28.02.2005). Die Ärztin I. übersandte den Bericht der Tagesklinik VS-Villingen über die tagesklinische Behandlung der Klägerin vom 21.09. bis 30.11.2004.
Das SG beauftragte im Folgenden PD Dr. L., Münsterklinik, Zentrum für Psychiatrie Zwiefalten, mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin einschließlich testpsychologischer Begutachtung durch den Psychologischen Psychotherapeuten M. F. Zusammenfassend stellte PD Dr. L. in seinem Gutachten vom 1. Juli 2005 unter Mitberücksichtigung des testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 26. Juli 2005 bei der Klägerin die Diagnosen: Kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61.0), selbstunsicher, abhängig mit depres- siven Anteilen. Aus psychiatrisch/psychotherapeutischer Sicht sei die Klägerin in der Lage, sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachtschicht sowie Arbeiten mit besonderer Verantwortung zu verrichten. Aus konstitutioneller Sicht seien schwere körperliche Arbeiten auszuschließen. Die zeitliche Einschränkung auf sechs Stunden täglich beruhe auf dem subjektiven Leidensdruck der Klägerin.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG noch von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. ein psychiatrisches Gutachten ein. In ihrem Gutachten vom 1. Mai 2006 nannte Dr. K. folgende Diagnosen: 1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10: F 33.2) 2. Dysthymia (ICD-10: F 34.1) 3. Ängstlich vermeidende und abhängige Persönlichkeitsstruktur (ICD-10: F 61.0) 4. Chronische Kopfschmerzen vom Spannungstyp (ICD-10: G 44.2) Anamnestisch ergäben sich darüber hinaus Hinweise für eine Agoraphobie mit Panikstörung im 20. Lebensjahr (ICD-10: F 40.01). Aus psychiatrischer Sicht seien der Klägerin nur leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Akkordarbeiten, Schichtarbeiten, Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung oder gar besonderer geistiger Beanspruchung möglich. Zu bevorzugen seien klar strukturierte Arbeiten mit ausreichend Pausen. Unter Beachtung der genannten Einschränkungen sei die Klägerin nur in der Lage, eine Erwerbstätigkit unter drei Stunden arbeitstäglich auszuüben. Grund für die zeitliche Einschränkung sei die depressive Störung mit deutlicher Einschränkung der konzentrativen Leistungsfähigkeit und des Antriebs. Die Störung sei seit ein bis zwei Jahren nachweisbar, habe aber wohl auch in geringer Ausprägung drei bis vier Jahre zuvor bestanden.
Die anschließend vom SG befragte, die Klägerin behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A. Sch. berichtete mit Schreiben vom 7. Juni 2006, die Klägerin habe sich letztmalig am 1. Juni 2006 in ihrer Sprechstunde vorgestellt. Der Befund sei ihres Erachtens unverändert.
Mit Urteil vom 12. Juli 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung machte sich das SG insbesondere die Feststellungen in dem von PD Dr. L. eingeholten Gutachten zu eigen. Der Beurteilung im Gutachten der Ärztin Dr. K. folgte das SG dagegen nicht. Das SG sah es nicht als überzeugend belegt an, dass im Vorgutachten des PD Dr. L. eine zu positive Beurteilung erfolgt sei oder eine Leidensverschlechterung seit der Voruntersuchung eingetreten sei.
Gegen das am 27. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. August 2006 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, das Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 1. Mai 2006 sei geeignet als Entscheidungsgrundlage zu dienen, zumal auch die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Sch. ein mindestens sechsstündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen verneint habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Juli 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Änderung der Sach- und Rechtslage. Die Würdigung der eingeholten medizinischen Beurteilungen von PD Dr. L., Dr. K. und der behandelnden Ärztin Sch. durch das Sozialgericht sei aus Sicht der Beklagten nicht zu beanstanden.
Der Senat hat Prof. Dr. E., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie/Psychosomatik im Klinikum L., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem psychiatrischen Gutachten vom 21. Dezember 2006 hat Prof. Dr. E. nach Einholung des testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 14. bzw. 22. November 2006 der Diplompsychologin A. bei der Klägerin die Diagnose einer Dysthymia gestellt. Aus psychiatrischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage, sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch als Justizangestellte auszuüben. Aus konstitutionellen Gründen seien schwere körperliche Arbeiten zu vermeiden sowie auch Akkord- und Fließbandarbeiten. Aufgrund der psychischen Beeinträchtigungen seien weiterhin Wechsel- und Nachtschichtarbeiten wie auch Arbeiten mit erhöhter Anforderung an Konzentration, Ausdauer und Verantwortung nicht zumutbar. Besondere und über die genannten Einschränkungen hinausgehende Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich.
Die Klägerin hat nach Kenntnis des Gutachtens mitgeteilt, sie sei von ihrer behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie zur stationären Behandlung in die F.-H.-Klinik, Buchenbach bei Freiburg, eingewiesen worden. Die Maßnahme habe von ihr abgebrochen werden müssen.
Zu dem vom Senat beigezogenen Entlassbericht der F.-H.-Klinik vom 19. Oktober 2006 mit der Verdachtsdiagnose einer schweren depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung hat Prof. Dr. E. im Auftrag des Senats ergänzend gutachterlich nach Aktenlage Stellung genommen. Mit Datum vom 11. April 2007 hat Prof. Dr. E. ausgeführt, bei im Wesentlichen übereinstimmender Beschwerdeschilderung durch die Klägerin im Klinik-Aufnahmegespräch gegenüber ihrer Schilderung im Rahmen der Begutachtung bestünden keine Anhaltspunkte für eine vom psychiatrischen Gutachten vom 20. Dezember 2006 abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin. Bezüglich des Befundberichts von der Ärztin Sch. bestehe eine abweichende Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Eine schwere Antriebslosigkeit habe sich bei der gutachterlichen Untersuchung nicht feststellen lassen. Zwar liege ein chronifiziertes Krankheitsbild vor. Dies rechtfertige jedoch nicht die Feststellung, dass die Klägerin nicht mehr leistungsfähig sei.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts im erstinstanzlichen Verfahren und auf diejenigen des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im schriftsätzlichen Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht ihr nicht zu.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat bestätigt die im erstinstanzlichen Verfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnisse voll und ganz, sodass hierfür im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Bezug genommen werden kann (§ 153 Abs. 2 SGG).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (siehe hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (siehe hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend sicher belegen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Gesamtwürdigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens der Dr. Dipl.-Psych. K.-H. (vom 03.11.2003), das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird, des für das Sozialgericht erstellten Gutachtens des PD Dr. L. (vom 01.07.2005) sowie des im Berufungsverfahren vom Senat von Amts wegen eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. E. (vom 21.12.2006) nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme (vom 11.04.2007). In den genannten Gutachten wird bei teilweise leicht divergierender diagnostischer Beurteilung übereinstimmend ein mindestens sechsstündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt.
Die Klägerin leidet danach zur Überzeugung des Senats an einer Dysthymia, die ihre berufliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Zudem liegt bei ihr eine selbstunsichere und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsakzentuierung vor. Dagegen kann eine Persönlichkeitsstörung nicht festgestellt werden. Dies ergibt sich aus den für den Senat überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. E. im Gutachten vom 21.12.2006. Danach waren die in der zusätzlichen psychologischen Untersuchung durchgeführten Persönlichkeitstests aufgrund der extremen Selbstbeurteilung der Klägerin wenig plausibel und gaben keinen eindeutigen Aufschluss über das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung. Die von PD Dr. L. im Gutachten vom 01.07.2005 gestellte Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sieht der Senat aufgrund der gutachterlichen Beurteilung des Prof. Dr. E. nicht als erwiesen an.
Durch die Dysthymia sind der Klägerin Arbeiten mit Wechsel- und Nachtschicht, mit erhöhter Anforderung an Konzentration, Ausdauer und Verantwortung nicht zumutbar. Aus konstitutionellen Gründen sind von der Klägerin schwere körperliche Arbeiten sowie Akkord- und Fließbandarbeiten zu vermeiden. Über diese Einschränkungen hinausgehende Arbeitsbedingungen sind nicht erforderlich. Entgegen ihrer Auffassung ist die Klägerin gegenwärtig - und dies gilt auch für die Zeit ab Rentenantragstellung - in der Lage, arbeitstäglich mindestens sechs Stunden hinweg körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Die bei der Klägerin festgestellte einzig relevante Diagnose einer Dysthymia stellt eine chronische depressive Verstimmung dar, die nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden nicht die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllt. Obwohl die hieran leidenden Patienten sich meistens oft monatelang müde und depressiv fühlen, angestrengt sind, grübeln und sich beklagen, schlecht schlafen und unzulänglich fühlen, sind sie in der Regel fähig, mit den Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden. Dass dies auch bei der Klägerin der Fall ist, dafür spricht der anlässlich der aktuellen Untersuchung durch Prof. Dr. E. erhobene Befund. So konnte die Klägerin die Exploration mit einer Dauer von ca. sieben Stunden (von drei Pausen unterbrochen) gut durchhalten und zeigte keine Zeichen von körperlicher Erschöpfung, keine Konzentrationsstörungen oder psychomotorische Auffälligkeiten. Hinweise auf mnestische Störungen fanden sich ebenso wenig wie auf formale oder inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen oder psychotisches Ich-Erleben. Die affektive Schwingungsfähigkeit besserte sich im Verlauf der Untersuchung. Auffällig war während der Untersuchung eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der subjektiven Beschwerden und den objektiven Befunden bzw. dem Verhalten der Klägerin. Für die beklagte Angststörung mit Panikgefühlen (Schwitzen, Herzklopfen) fanden sich während der Untersuchung keine Anhaltspunkte. Der von der Klägerin geschilderten Antriebslosigkeit und Depressivität, wodurch sie zu keinerlei Unternehmungen mehr fähig sei, standen ihre weiteren Äußerungen entgegen, sie sei durchaus mit dem eigenen Auto unterwegs, fahre öfters in die Stadt, bummele gerne auf Flohmärkten und habe sich mit dem VW-Bus gemeinsam mit dem Partner einen "Traum" erfüllt. Soweit die Klägerin angab, es sei ihr kaum mehr möglich, Post oder Rechnungen zu öffnen und das Klingeln von Telefon oder an der Wohnungstür zu ertragen (wegen Panikattacken), berichtete sie - im Gegensatz hierzu - sie werde zwei- bis drei Mal täglich vom Partner angerufen und habe selbst schon ein "Vermögen" vertelefoniert. Hinsichtlich der von der Klägerin beschriebenen Defizite im privaten und häuslichen Bereich bestehen nach den Darlegungen des Prof. Dr. El, die sich der Senat zu eigen macht, insgesamt Zweifel, ob sie tatsächlich so stark ausgeprägt sind. Eine Aggravation der Klägerin kann nicht ausgeschlossen werden. Hierfür sprechen auch die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung durch Dipl.-Psych. A. im Zusatzgutachten vom 14.11.2006, die ein extremes Antwortmuster bei den Selbstbeurteilungstests gezeigt haben, das sich mit den klinischen Befunden der Untersuchung kaum in Deckung bringen lässt.
Die in der F.-H.-Klinik im Entlassungsbericht vom 19.10.2006 aufgeführte "Verdachts"-Diagnose einer schweren depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Die von der Klägerin beklagten Beschwerden im Klinikaufnahmegespräch entsprachen im Wesentlichen ihrer Schilderung bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. E. Die in der Klinik erhobenen Befunde, soweit sie Sprachantrieb, Auffassung und Konzentration betrafen - allesamt unauffällig - sprechen gegen eine schwere depressive Episode. Die Klägerin verließ die Klinik im Übrigen nach Aufnahme am 08.09.2006 bereits wieder am 11.09.2006 auf eigenen Wunsch. Der Senat schließt sich den Darlegungen von Prof. Dr. E. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 11.04.2007 insgesamt an. Der Gutachter hat auch für den Senat des Weiteren überzeugend ausgeführt, weshalb er der abweichenden Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die behandelnde Ärztin Sch. nicht folgt. Die von der Ärztin Sch. beschriebene Antriebslosigkeit ist im ausführlichen Gutachtensgespräch bei Prof. Dr. E. nicht nachweisbar gewesen. Die Annahme einer Chronifizierung des Krankheitsbildes rechtfertigt - für sich allein - nicht die Feststellung eines auf unter sechs Stunden pro Arbeitstag herabgesunkenen Leistungsvermögens der Klägerin, da Patienten mit Dysthymia - wie die Klägerin - in der Regel fähig sind, die Anforderungen des täglichen Lebens zu bewältigen. Ebenfalls nicht belegen lässt sich die im Gutachten der Dr. K. vom 01.05.2006 diagnostizierte rezidivierende depressive Störung bei angegebener damaliger schwerer Episode. Prof. Dr. E. hat in seinem Gutachten insoweit - erneut - auf die offenkundige Diskrepanz zwischen beklagten Symptomen und objektiven Befunden hingewiesen. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Prof. Dr. E., die er für schlüssig erachtet, auch in diesem Punkt an.
Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Agentur für Arbeit einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m. w. N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt die Klägerin keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche bis mittelschwere Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen bis mittelschweren Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen von vorn herein nicht mit erheblichem Zeitdruck, mit häufigem Bücken oder Knien, einseitigen körperlichen Zwangshaltungen oder dem Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an gefährdenden Maschinen oder Arbeiten unter Kälte- und Zuglufteinfluss verbunden. Die benannten Leistungs- und Funktionsausschlüsse führen zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend in geschlossenen wohltemperierten Räumen durchgeführt werden und auch nicht regelmäßig mit besonderem Zeitdruck oder Schichtarbeiten verbunden sind.
2. Die Klägerin ist auch nicht berufsunfähig. Deshalb kommt auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI nicht in Betracht.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Da die Klägerin mit dem festgestellten körperlichen Leistungsvermögen auch in ihrem erlernten und später ganz überwiegend ausgeübten Beruf als Justizangestellte arbeitstäglich sechs und mehr Stunden belastbar ist (Prof. Dr. E. Gutachten vom 21.12.2006, Dr. Dipl.-Psych. K.-H., Gutachten vom 03.11.2003), liegen - mangels Berufsunfähigkeit - auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI erkennbar nicht vor.
3. Auch die Anerkennung eines GdB von 50 durch die Versorgungsverwaltung ist für das von der Klägerin vorliegend betriebene Rentenstreitverfahren nach den §§ 43, 240 SGB VI ohne eigenes rechtliches Gewicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, B. v. 8. August 2001, B 9 SB 5/01 B, juris-dok. und B. v. 5. Dezember 1987, 5b BJ 156/87, unveröffentlicht) ist die Frage, ob eine Person schwerbehindert ist von der anderen Frage, ob sie nach dem SGB VI erwerbsgemindert ist, zu unterscheiden. Zwischen beiden Tatbeständen besteht auf Grund ihrer völlig unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen keine Wechselwirkung. Während es für eine Berentung nach den §§ 43, 240 SGB VI auf die "konkreten" Erwerbsmöglichkeiten des Versicherten ankommt, beurteilt sich die Frage der Schwerbehinderung nach den "abstrakten" Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX).
Nach alledem ist das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Reutlingen nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1956 geborene Klägerin schloss im September 1977 eine dreijährige Lehre zur Justizangestellten ab und arbeitete anschließend - abgesehen von einer Familienpause wegen Erziehung ihrer beiden Kinder (ab 1984) und sonstigen von Januar 1990 bis Januar 1992 ausgeübten verschiedenen Beschäftigungen - im erlernten Beruf. Seit Februar 2004 ist sie ihren Angaben zufolge krankgeschrieben.
Am 10. April 2000 beantragte die Klägerin erstmalig die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung unter Hinweis auf eine seit Mai 1998 vorliegende depressive Erkrankung. Im Mai 2000 nahm sie den Rentenantrag zurück, da sich ihr Gesundheitszustand gebessert habe.
Ausgangspunkt des jetzigen Verfahrens ist der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 23. August 2003. Zur Begründung ihres Rentenantrags führte die Klägerin aus, sie halte sich seit mehreren Jahren wegen massiven psychischen Störungen für erwerbsgemindert.
Die Beklagte zog den ärztlichen Entlassungsbericht über das zu ihren Lasten in der Parkklinik B., Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, in der Zeit vom 15.09. bis 18.10.2000 durchgeführte Rehabilitationsverfahren der Klägerin bei. Hierin wurden die Diagnosen: Dysthymia, Agoraphobie ohne Panikstörung, Nikotinabusus und leichte Hypercholesterinämie gestellt. Das Leistungsvermögen der Klägerin in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Verwaltungsfachkraft im öffentlichen Dienst wurde als nicht wesentlich eingeschränkt beurteilt; die Klägerin könne vollschichtig tätig sein.
Die Beklagte holte ein Gutachten von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin - Sozialmedizin - Dr. Dipl.-Psych. K.-H. ein. Diese stellte im Gutachten vom 3. November 2003 bei der Klägerin folgende Diagnosen: - Dysthymia - neurasthenische Persönlichkeitszüge Konstitutionsgemäß könne die Klägerin nur leichte körperliche Tätigkeiten ausführen, aufgrund der eingeschränkten psychischen Belastbarkeit unter Vermeidung von Nacht- und Wechselschicht, Zeitdruck und besonderer psychischer Belastung. Bei zumutbarer Willensanspannung werde die Tätigkeit der Justizangestellten, die bereits langjährig und routiniert ausgeübt worden sei, noch in sechs- bis achtstündigem Umfang für möglich erachtet.
Hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 1. Dezember 2003 ab, da diese in der Lage sei, sowohl in ihrem bisherigen Beruf als Justizangestellte als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden arbeitstäglich erwerbstätig zu sein und daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vorliege.
Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch vom 17. Dezember 2003 begründete die Klägerin damit, sie könne wegen schweren Depressionen, Burn-Out-Syndrom, ausgeprägten Erschöpfungszuständen und schweren Schlafstörungen den gestiegenen Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr nachkommen. Sie fühle sich nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden pro Arbeitstag volle Leistung zu erbringen. Vom Versorgungsamt sei ihre Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung - GdB - von 50 festgestellt worden.
Die Beklagte holte von dem die Klägerin behandelnden Hausarzt Dr. I., Arzt für Innere Medizin, den Befundbericht vom 22. Juni 2004 und von der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie/Sozialmedizin B I. den Befundbericht vom 13. Februar 2004 ein. Die Ärztin I. gab als bei der Klägerin gestellte Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung und eine Dysthymia an. Seit Behandlungsbeginn im Juni 2003 sei die Klägerin während 14 Tagen wegen Depression arbeitsunfähig gewesen. Aktuell liege keine Arbeitsunfähigkeit vor.
Die Klägerin legte zu den Verwaltungsakten der Beklagten das sozialmedizinische Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) Baden-Württemberg vom 7. September 2004 vor, in welchem eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert wird und die Klägerin als weiterhin arbeitsunfähig beurteilt wird. Ferner wird eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit angenommen.
Nach Einholung beratungsärztlicher Stellungnahmen von Dr. U. (vom 02.09.2004) und von Dr. D. (vom 01.10.2004) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 2. Dezember 2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgte. Ergänzend zur Widerspruchsbegründung gab sie an, sie habe sich vom 21. September bis 1. Dezember 2004 in teilstationärer Behandlung in der Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie GmbH in Villingen-Schwenningen befunden.
Das SG holte zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von den die Klägerin behandelnden Ärzten Dr. M., Internist, A. Sch., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und B. I. ein (Auskünfte vom 01.02., 02.02. und 28.02.2005). Die Ärztin I. übersandte den Bericht der Tagesklinik VS-Villingen über die tagesklinische Behandlung der Klägerin vom 21.09. bis 30.11.2004.
Das SG beauftragte im Folgenden PD Dr. L., Münsterklinik, Zentrum für Psychiatrie Zwiefalten, mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin einschließlich testpsychologischer Begutachtung durch den Psychologischen Psychotherapeuten M. F. Zusammenfassend stellte PD Dr. L. in seinem Gutachten vom 1. Juli 2005 unter Mitberücksichtigung des testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 26. Juli 2005 bei der Klägerin die Diagnosen: Kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD 10: F 61.0), selbstunsicher, abhängig mit depres- siven Anteilen. Aus psychiatrisch/psychotherapeutischer Sicht sei die Klägerin in der Lage, sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachtschicht sowie Arbeiten mit besonderer Verantwortung zu verrichten. Aus konstitutioneller Sicht seien schwere körperliche Arbeiten auszuschließen. Die zeitliche Einschränkung auf sechs Stunden täglich beruhe auf dem subjektiven Leidensdruck der Klägerin.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG noch von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. ein psychiatrisches Gutachten ein. In ihrem Gutachten vom 1. Mai 2006 nannte Dr. K. folgende Diagnosen: 1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10: F 33.2) 2. Dysthymia (ICD-10: F 34.1) 3. Ängstlich vermeidende und abhängige Persönlichkeitsstruktur (ICD-10: F 61.0) 4. Chronische Kopfschmerzen vom Spannungstyp (ICD-10: G 44.2) Anamnestisch ergäben sich darüber hinaus Hinweise für eine Agoraphobie mit Panikstörung im 20. Lebensjahr (ICD-10: F 40.01). Aus psychiatrischer Sicht seien der Klägerin nur leichte körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Akkordarbeiten, Schichtarbeiten, Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung oder gar besonderer geistiger Beanspruchung möglich. Zu bevorzugen seien klar strukturierte Arbeiten mit ausreichend Pausen. Unter Beachtung der genannten Einschränkungen sei die Klägerin nur in der Lage, eine Erwerbstätigkit unter drei Stunden arbeitstäglich auszuüben. Grund für die zeitliche Einschränkung sei die depressive Störung mit deutlicher Einschränkung der konzentrativen Leistungsfähigkeit und des Antriebs. Die Störung sei seit ein bis zwei Jahren nachweisbar, habe aber wohl auch in geringer Ausprägung drei bis vier Jahre zuvor bestanden.
Die anschließend vom SG befragte, die Klägerin behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie A. Sch. berichtete mit Schreiben vom 7. Juni 2006, die Klägerin habe sich letztmalig am 1. Juni 2006 in ihrer Sprechstunde vorgestellt. Der Befund sei ihres Erachtens unverändert.
Mit Urteil vom 12. Juli 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung machte sich das SG insbesondere die Feststellungen in dem von PD Dr. L. eingeholten Gutachten zu eigen. Der Beurteilung im Gutachten der Ärztin Dr. K. folgte das SG dagegen nicht. Das SG sah es nicht als überzeugend belegt an, dass im Vorgutachten des PD Dr. L. eine zu positive Beurteilung erfolgt sei oder eine Leidensverschlechterung seit der Voruntersuchung eingetreten sei.
Gegen das am 27. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4. August 2006 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, das Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 1. Mai 2006 sei geeignet als Entscheidungsgrundlage zu dienen, zumal auch die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Sch. ein mindestens sechsstündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen verneint habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Juli 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Änderung der Sach- und Rechtslage. Die Würdigung der eingeholten medizinischen Beurteilungen von PD Dr. L., Dr. K. und der behandelnden Ärztin Sch. durch das Sozialgericht sei aus Sicht der Beklagten nicht zu beanstanden.
Der Senat hat Prof. Dr. E., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie/Psychosomatik im Klinikum L., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem psychiatrischen Gutachten vom 21. Dezember 2006 hat Prof. Dr. E. nach Einholung des testpsychologischen Zusatzgutachtens vom 14. bzw. 22. November 2006 der Diplompsychologin A. bei der Klägerin die Diagnose einer Dysthymia gestellt. Aus psychiatrischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage, sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch als Justizangestellte auszuüben. Aus konstitutionellen Gründen seien schwere körperliche Arbeiten zu vermeiden sowie auch Akkord- und Fließbandarbeiten. Aufgrund der psychischen Beeinträchtigungen seien weiterhin Wechsel- und Nachtschichtarbeiten wie auch Arbeiten mit erhöhter Anforderung an Konzentration, Ausdauer und Verantwortung nicht zumutbar. Besondere und über die genannten Einschränkungen hinausgehende Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich.
Die Klägerin hat nach Kenntnis des Gutachtens mitgeteilt, sie sei von ihrer behandelnden Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie zur stationären Behandlung in die F.-H.-Klinik, Buchenbach bei Freiburg, eingewiesen worden. Die Maßnahme habe von ihr abgebrochen werden müssen.
Zu dem vom Senat beigezogenen Entlassbericht der F.-H.-Klinik vom 19. Oktober 2006 mit der Verdachtsdiagnose einer schweren depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung hat Prof. Dr. E. im Auftrag des Senats ergänzend gutachterlich nach Aktenlage Stellung genommen. Mit Datum vom 11. April 2007 hat Prof. Dr. E. ausgeführt, bei im Wesentlichen übereinstimmender Beschwerdeschilderung durch die Klägerin im Klinik-Aufnahmegespräch gegenüber ihrer Schilderung im Rahmen der Begutachtung bestünden keine Anhaltspunkte für eine vom psychiatrischen Gutachten vom 20. Dezember 2006 abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin. Bezüglich des Befundberichts von der Ärztin Sch. bestehe eine abweichende Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin. Eine schwere Antriebslosigkeit habe sich bei der gutachterlichen Untersuchung nicht feststellen lassen. Zwar liege ein chronifiziertes Krankheitsbild vor. Dies rechtfertige jedoch nicht die Feststellung, dass die Klägerin nicht mehr leistungsfähig sei.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts im erstinstanzlichen Verfahren und auf diejenigen des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im schriftsätzlichen Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat. Auch Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht ihr nicht zu.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat bestätigt die im erstinstanzlichen Verfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnisse voll und ganz, sodass hierfür im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Bezug genommen werden kann (§ 153 Abs. 2 SGG).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (siehe hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (siehe hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend sicher belegen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Gesamtwürdigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens der Dr. Dipl.-Psych. K.-H. (vom 03.11.2003), das im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird, des für das Sozialgericht erstellten Gutachtens des PD Dr. L. (vom 01.07.2005) sowie des im Berufungsverfahren vom Senat von Amts wegen eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. E. (vom 21.12.2006) nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme (vom 11.04.2007). In den genannten Gutachten wird bei teilweise leicht divergierender diagnostischer Beurteilung übereinstimmend ein mindestens sechsstündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen der Klägerin festgestellt.
Die Klägerin leidet danach zur Überzeugung des Senats an einer Dysthymia, die ihre berufliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Zudem liegt bei ihr eine selbstunsichere und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsakzentuierung vor. Dagegen kann eine Persönlichkeitsstörung nicht festgestellt werden. Dies ergibt sich aus den für den Senat überzeugenden Darlegungen des Prof. Dr. E. im Gutachten vom 21.12.2006. Danach waren die in der zusätzlichen psychologischen Untersuchung durchgeführten Persönlichkeitstests aufgrund der extremen Selbstbeurteilung der Klägerin wenig plausibel und gaben keinen eindeutigen Aufschluss über das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung. Die von PD Dr. L. im Gutachten vom 01.07.2005 gestellte Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung sieht der Senat aufgrund der gutachterlichen Beurteilung des Prof. Dr. E. nicht als erwiesen an.
Durch die Dysthymia sind der Klägerin Arbeiten mit Wechsel- und Nachtschicht, mit erhöhter Anforderung an Konzentration, Ausdauer und Verantwortung nicht zumutbar. Aus konstitutionellen Gründen sind von der Klägerin schwere körperliche Arbeiten sowie Akkord- und Fließbandarbeiten zu vermeiden. Über diese Einschränkungen hinausgehende Arbeitsbedingungen sind nicht erforderlich. Entgegen ihrer Auffassung ist die Klägerin gegenwärtig - und dies gilt auch für die Zeit ab Rentenantragstellung - in der Lage, arbeitstäglich mindestens sechs Stunden hinweg körperlich leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Die bei der Klägerin festgestellte einzig relevante Diagnose einer Dysthymia stellt eine chronische depressive Verstimmung dar, die nach Schweregrad und Dauer der einzelnen Episoden nicht die Kriterien für eine rezidivierende depressive Störung erfüllt. Obwohl die hieran leidenden Patienten sich meistens oft monatelang müde und depressiv fühlen, angestrengt sind, grübeln und sich beklagen, schlecht schlafen und unzulänglich fühlen, sind sie in der Regel fähig, mit den Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden. Dass dies auch bei der Klägerin der Fall ist, dafür spricht der anlässlich der aktuellen Untersuchung durch Prof. Dr. E. erhobene Befund. So konnte die Klägerin die Exploration mit einer Dauer von ca. sieben Stunden (von drei Pausen unterbrochen) gut durchhalten und zeigte keine Zeichen von körperlicher Erschöpfung, keine Konzentrationsstörungen oder psychomotorische Auffälligkeiten. Hinweise auf mnestische Störungen fanden sich ebenso wenig wie auf formale oder inhaltliche Denkstörungen, Wahrnehmungsstörungen oder psychotisches Ich-Erleben. Die affektive Schwingungsfähigkeit besserte sich im Verlauf der Untersuchung. Auffällig war während der Untersuchung eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der subjektiven Beschwerden und den objektiven Befunden bzw. dem Verhalten der Klägerin. Für die beklagte Angststörung mit Panikgefühlen (Schwitzen, Herzklopfen) fanden sich während der Untersuchung keine Anhaltspunkte. Der von der Klägerin geschilderten Antriebslosigkeit und Depressivität, wodurch sie zu keinerlei Unternehmungen mehr fähig sei, standen ihre weiteren Äußerungen entgegen, sie sei durchaus mit dem eigenen Auto unterwegs, fahre öfters in die Stadt, bummele gerne auf Flohmärkten und habe sich mit dem VW-Bus gemeinsam mit dem Partner einen "Traum" erfüllt. Soweit die Klägerin angab, es sei ihr kaum mehr möglich, Post oder Rechnungen zu öffnen und das Klingeln von Telefon oder an der Wohnungstür zu ertragen (wegen Panikattacken), berichtete sie - im Gegensatz hierzu - sie werde zwei- bis drei Mal täglich vom Partner angerufen und habe selbst schon ein "Vermögen" vertelefoniert. Hinsichtlich der von der Klägerin beschriebenen Defizite im privaten und häuslichen Bereich bestehen nach den Darlegungen des Prof. Dr. El, die sich der Senat zu eigen macht, insgesamt Zweifel, ob sie tatsächlich so stark ausgeprägt sind. Eine Aggravation der Klägerin kann nicht ausgeschlossen werden. Hierfür sprechen auch die Ergebnisse der testpsychologischen Untersuchung durch Dipl.-Psych. A. im Zusatzgutachten vom 14.11.2006, die ein extremes Antwortmuster bei den Selbstbeurteilungstests gezeigt haben, das sich mit den klinischen Befunden der Untersuchung kaum in Deckung bringen lässt.
Die in der F.-H.-Klinik im Entlassungsbericht vom 19.10.2006 aufgeführte "Verdachts"-Diagnose einer schweren depressiven Episode bei rezidivierender depressiver Störung lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Die von der Klägerin beklagten Beschwerden im Klinikaufnahmegespräch entsprachen im Wesentlichen ihrer Schilderung bei der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. E. Die in der Klinik erhobenen Befunde, soweit sie Sprachantrieb, Auffassung und Konzentration betrafen - allesamt unauffällig - sprechen gegen eine schwere depressive Episode. Die Klägerin verließ die Klinik im Übrigen nach Aufnahme am 08.09.2006 bereits wieder am 11.09.2006 auf eigenen Wunsch. Der Senat schließt sich den Darlegungen von Prof. Dr. E. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 11.04.2007 insgesamt an. Der Gutachter hat auch für den Senat des Weiteren überzeugend ausgeführt, weshalb er der abweichenden Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die behandelnde Ärztin Sch. nicht folgt. Die von der Ärztin Sch. beschriebene Antriebslosigkeit ist im ausführlichen Gutachtensgespräch bei Prof. Dr. E. nicht nachweisbar gewesen. Die Annahme einer Chronifizierung des Krankheitsbildes rechtfertigt - für sich allein - nicht die Feststellung eines auf unter sechs Stunden pro Arbeitstag herabgesunkenen Leistungsvermögens der Klägerin, da Patienten mit Dysthymia - wie die Klägerin - in der Regel fähig sind, die Anforderungen des täglichen Lebens zu bewältigen. Ebenfalls nicht belegen lässt sich die im Gutachten der Dr. K. vom 01.05.2006 diagnostizierte rezidivierende depressive Störung bei angegebener damaliger schwerer Episode. Prof. Dr. E. hat in seinem Gutachten insoweit - erneut - auf die offenkundige Diskrepanz zwischen beklagten Symptomen und objektiven Befunden hingewiesen. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Prof. Dr. E., die er für schlüssig erachtet, auch in diesem Punkt an.
Der Klägerin ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Agentur für Arbeit einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m. w. N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).
Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt die Klägerin keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.
Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche bis mittelschwere Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen bis mittelschweren Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen von vorn herein nicht mit erheblichem Zeitdruck, mit häufigem Bücken oder Knien, einseitigen körperlichen Zwangshaltungen oder dem Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und an gefährdenden Maschinen oder Arbeiten unter Kälte- und Zuglufteinfluss verbunden. Die benannten Leistungs- und Funktionsausschlüsse führen zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (z.B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend in geschlossenen wohltemperierten Räumen durchgeführt werden und auch nicht regelmäßig mit besonderem Zeitdruck oder Schichtarbeiten verbunden sind.
2. Die Klägerin ist auch nicht berufsunfähig. Deshalb kommt auch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI nicht in Betracht.
Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Da die Klägerin mit dem festgestellten körperlichen Leistungsvermögen auch in ihrem erlernten und später ganz überwiegend ausgeübten Beruf als Justizangestellte arbeitstäglich sechs und mehr Stunden belastbar ist (Prof. Dr. E. Gutachten vom 21.12.2006, Dr. Dipl.-Psych. K.-H., Gutachten vom 03.11.2003), liegen - mangels Berufsunfähigkeit - auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 SGB VI erkennbar nicht vor.
3. Auch die Anerkennung eines GdB von 50 durch die Versorgungsverwaltung ist für das von der Klägerin vorliegend betriebene Rentenstreitverfahren nach den §§ 43, 240 SGB VI ohne eigenes rechtliches Gewicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, B. v. 8. August 2001, B 9 SB 5/01 B, juris-dok. und B. v. 5. Dezember 1987, 5b BJ 156/87, unveröffentlicht) ist die Frage, ob eine Person schwerbehindert ist von der anderen Frage, ob sie nach dem SGB VI erwerbsgemindert ist, zu unterscheiden. Zwischen beiden Tatbeständen besteht auf Grund ihrer völlig unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen keine Wechselwirkung. Während es für eine Berentung nach den §§ 43, 240 SGB VI auf die "konkreten" Erwerbsmöglichkeiten des Versicherten ankommt, beurteilt sich die Frage der Schwerbehinderung nach den "abstrakten" Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX).
Nach alledem ist das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Reutlingen nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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