L 9 R 4075/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 1237/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4075/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. August 2005 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2003 verurteilt, der Klägerin auch über den 31. August 2008 hinaus bis zum Eintritt in die Altersrente Rente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. August 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

In der Doppelberufung der Beteiligten wendet sich die Klägerin zuletzt noch gegen die Befristung der ihr vom Sozialgericht zugesprochenen Rente wegen voller Erwerbsminderung, während sich die Beklagte generell gegen die Verurteilung, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, wendet.

Die 1948 geborene Klägerin und Berufungsbeklagte (künftig: Klägerin), die keinen Beruf erlernte, war nach ihrer Einreise aus Kroatien im Bundesgebiet seit November 1969 - unterbrochen durch Kindererziehungszeiten, Krankheitszeiten, Arbeitslosenzeiten und einer etwa mehr als zehnjährigen Lücke vom 9. März 1984 bis zum 30. November 1994 im Versicherungsverlauf - bis zum 31. August 2001 als Arbeiterin, vorwiegend als Reinigungskraft - versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog sie bis 26. Oktober 2003 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit und der Krankenversicherung (Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld). Parallel dazu ging die Klägerin - zuletzt dokumentiert bis 31. Dezember 2005 - einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung nach.

Vom 12. Oktober bis 2. November 1999 unterzog sich die Klägerin einer stationären Rehaheilbehandlung in B. U ... Im Entlassungsbericht vom 22. Dezember 1999 wurden für die als arbeitsfähig entlassene, damals 162 cm große und 94 kg schwere Klägerin folgende Diagnosen mitgeteilt: akute Lumboischialgie rechts bei chron. rez. Lumbovertebralsyndrom bei degenerativen Veränderungen und Fehlstatik, Unterschenkelthrombose links (1/99), Fibulafraktur links (1/99), Adipositas per magna und Femoropatellararthrose links.

Am 19. Juni 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung gab sie an seit 1999 unter Thrombosen, Bandscheibenbeschwerden, Arthrose und Schmerzen in beiden Beinen zu leiden.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die gutachtliche Untersuchung der Klägerin durch die Allgemein- und Sozialmedizinerin Dr. K. Mit Gutachten vom 14. Oktober 2002 stellte Dr. K. folgende Diagnosen bei der damals 162 cm großen und 100 kg schweren Klägerin: - Gonarthrose links und Innenmeniskusschaden links, - Lumboischialgie rechts bei degenerativen Veränderungen und kleinem rechts-mediolateralem Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1, - Adipositas per magna, - Arterieller Hypertonus, - Struma nodosa I. Grades mit latenter Hypothyreose und - Durchgemachte Unterschenkelthrombose links nach konservativ behandelter Fibulafraktur links. Aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen sei die Klägerin nicht mehr in der Lage zum Teil mit Knien, Bücken und dem Heben schwerer Lasten verbundene Putzarbeiten zu verrichten. Körperlich leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne längere stehende Tätigkeit, ohne längere Anmarschwege sowie ohne wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten (schweres Heben und Tragen, vermehrtes Bücken, Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten) könne die Klägerin aber arbeitstäglich mindestens sechs Stunden nachgehen.

Im Folgenden lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 30. Oktober 2002 ab. Zur Begründung hieß es: Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitstäglich sechs und mehr Stunden tätig sein. Berufsschutz bestehe nicht.

Auf den dagegen unter Hinweis auf massive Schmerzen im Bereich des linken Knies und die Feststellung eines neuen rechts-mediolateralen Bandscheibenvorfalls im Segment L5/S1 bei Osteochondrose und Gefügestörung am 20. November 2002 erhobenen Widerspruch holte die Beklagte Berichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Der Orthopäde Dr. W. teilte unter dem 4. Februar 2003 mit, die Klägerin wegen degenerativen Lumbalsyndroms und beginnender Gonarthrose behandelt zu haben; da aber seit dem 5. Februar 2002 keine Behandlung mehr erfolgt sei, lägen auch keine aktuellen Befunde vor. Der Orthopäde Dr. S. berichtete unter dem 13. Februar 2003, die Klägerin seit Januar 2001 gelegentlich wegen eines operierten Meniskusschadens links und beginnender Gonarthrose links zu behandeln. Der Allgemeinmediziner Dr. S. erklärte unter dem 18. März 2003 die Klägerin seit Juli 2002 fünfmal behandelt und Schmerzmittel verordnet zu haben. Eine angiologische Untersuchung der Beine sei ohne pathologischen Befund geblieben. Näheres könne er nicht beitragen.

Vom 30. April bis 21. Mai 2003 unterzog sich die Klägerin sodann einer weiteren stationären Reha-Heilmaßnahme, nunmehr in der Rheumaklinik B. W. Die dort laut Entlassungsbericht vom 20. Mai 2003 gestellten Diagnosen bei der jetzt 98 kg schweren Klägerin lauteten: Lumbalgien bei degenerativen Veränderungen mit kleinem Bandscheibenvorfall L5/S1, Gefügestörung LWK 5 und begleitender Foramenstenose, Gonarthrose mit Zustand nach Innenmeniskus- und Außenmeniskus-Teilresektion über Arthroskopie links, Adipositas und Struma I.Grades mit vorbeschriebener Hypothyreose. In der Leistungsbeurteilung wurde die Klägerin als über sechs Stunden arbeitstäglich für die Verrichtung leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes körperlich leistungsfähig gehalten. Ausgeschlossen seien schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf unebenem Grund und Tätigkeiten in andauernder Wirbelsäulenzwangshaltung.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2003 als unbegründet zurück.

Dagegen erhob die Klägerin am 27. Mai 2003 Klage zum Sozialgericht Ulm (S 6 R 1237/03). Das Sozialgericht holte zunächst sachverständige Zeugenauskünfte bei den von der Klägerin benannten behandelnden Ärzten ein.

Der Orthopäde Dr. W. berichtete dem Sozialgericht unter dem 18. August 2003 die Klägerin zuletzt am 5. Februar 2002 behandelt zu haben und deshalb keine aktuellen Angaben machen zu können. Der Neurologe und Psychiater Dr. L. teilte unter dem 19. September 2003 mit, die Klägerin seit März 2002 wegen anhaltender, im Wesentlichen unverändert fortbestehender Schmerzen nach einem Bandscheibenvorfall L5/S1 zu behandeln. Paresen oder andere Schädigungen lägen nicht vor.

Daraufhin beauftragte das Sozialgericht auf Antrag der Klägerin den Orthopäden Prof. Dr. P., Ulm, mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin. Im Gutachten vom 24. September 2004 stellte Prof. Dr. P. folgende Diagnosen: - Lumboischialgien, rechtsbetont bei degenerativen LWS-Veränderungen mit Bandscheibenvorfall L5/S 1 rechts medio-lateral, - Gefügestörung LWK 5 und Bandscheibenprotrusionen in den übrigen Segmenten, - Medial betonte Gonarthrose, links größer als rechts, - Adipositas per magna, - Arterielle Hypertonie, - Struma nodosa I. Grades mit latenter Hypothyreose, - Zustand nach Unterschenkelthrombose links, 1 /99, und konservativ behandelter Fibulafraktur links und - Varikosis beidseitig. Wegen der deutlich eingeschränkten Geh- und Stehfähigkeit sei die Klägerin inzwischen aufgrund einer Verschlimmerung der Lumboischialgien und der beidseitigen Gonalgien auch mit körperlich leichten, vorwiegend sitzend zu verrichtenden Arbeiten arbeitstäglich nur noch zwischen drei und unter sechs Stunden belastbar. Außerdem sei die Klägerin auch nicht in der Lage, mindestens viermal täglich mehr als 500 Meter zu Fuß zurückzulegen oder selbst einen Pkw zu steuern; die schmerzfreie Gehstrecke liege bei 100 Metern. Die festgestellten Leistungseinschränkungen beständen bereits spätestens seit dem Reha-Aufenthalt der Klägerin in Bad. U. (1999).

Nachdem der Prüfarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. L., die Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. P. mit Stellungnahme vom 3. November 2004 als sozialmedizinisch auf objektiver Basis jenseits der Eigenanamnese der Klägerin nicht tragfähig zurückgewiesen hatte, ersuchte das Sozialgericht Prof. Dr. P. um eine ergänzende Stellungnahme nach Aktenlage. Daraufhin erwiderte Prof. Dr. P. unter dem 12. Januar 2005, wegen des zunehmenden Leidensdrucks der Klägerin und der fortschreitenden degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS und der beiden Kniegelenke an seiner gutachtlichen Leistungsbeurteilung weiter festzuhalten.

Daraufhin sah sich das Sozialgericht veranlasst, von Amts wegen ein weiteres orthopädisch-chirurgisches Gutachten in Auftrag zu geben. Dieses Gutachten erstattete der Orthopäde und Chirurg Dr. U., Ulm, unter dem 28. Februar 2005. Seine fachgebietsbezogenen Diagnosen bei der jetzt (bekleidet ohne Schuhe) 101,5 kg schweren Klägerin lauteten: - Degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule im Sinne einer Spondylosis hyperostotica, - Kleiner, rechts-mediolateraler Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 bei Osteochondrose mit Gefügestörung sowie linksbetonte degenerative Foramenstenose auf gleicher Höhe bei deutlichen Bandscheibenprotrusionen in den übrigen beiden Segmenten und degenerativen Veränderungen der LWS mit leichter Fehlhaltung sowie - Erhebliche degenerative Veränderungen beider Kniegelenke mit Funktionseinschränkung. Aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen seien der Klägerin körperlich schwere und mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar. Über arbeitstäglich sechs Stunden möglich seien der Klägerin aber leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die überwiegend im Sitzen und überwiegend in geschlossenen Räumen ausgeübt würden. Dabei seien auch Arbeiten mit Publikumsverkehr möglich. Infolge der seit August 2003 massiven Kniegelenksveränderungen sei aber die Gehfähigkeit der Klägerin eingeschränkt. Soweit die Klägerin vortrage für das fußläufige Zurücklegen von 100 Metern eine Stunde zu benötigen, sei dies zwar nicht glaubhaft. Aufgrund der objektiv festgestellten Behinderungen sei aber zu vermuten, dass die Klägerin für das Zurücklegen einer Wegstrecke von 500 Metern unter Zuhilfenahme einer Gehstütze mehr als 30 Minuten Zeit benötige. Das fußläufige Zurücklegen einer Wegstrecke von viermal täglich mehr als 500 Metern sei der Klägerin nicht zumutbar. Auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten könne von der Klägerin aufgrund der eingeschränkten Geh- und Stehfähigkeit nicht mehr verlangt werden. Wegen der mit den Knieveränderungen verbundenen Funktionsbehinderungen sollte die Klägerin auch keinen Pkw fahren. Die degenerativen Veränderungen der Kniegelenke hätten seit August 2003 erheblich zugenommen; davor sei die Klägerin noch nicht so eingeschränkt gewesen. Deshalb sei anzunehmen, dass bis Mitte 2003 ein positives Leistungsbild für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten bestanden habe und noch keine erhebliche Gehbehinderung festzustellen gewesen sei.

Auch den Ergebnissen des Gutachters Dr. U. trat Dr. Lindner entgegen (prüfärztliche Stellungnahme vom 23. Juni 2005), u. a. mit dem Hinweis, die Tatsache, dass Dr. U. keine Kniegelenksreizerscheinungen im Sinne eines Reizergusses habe feststellen können, spreche gegen eine gravierende, die Gehfähigkeit massiv einschränkende Funktionsbehinderung der Kniegelenke.

Durch Urteil vom 10. August 2005 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide und Abweisung der Klage im Übrigen, der Klägerin ab dem 1. September 2005 befristet bis zum 31. August 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung bezog sich das Sozialgericht auf die Feststellungen des Gutachters Dr. U. Das Urteil wurde den damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 6. September 2005 und der Beklagten am 13. September 2005 zugestellt.

Am 4. Oktober 2005 haben die Klägerin und am 10. Oktober 2005 die Beklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Die Klägerin meint, aufgrund der gutachtlichen Feststellungen von Prof. Dr. P. stehe fest, dass sie spätestens seit der Begutachtung am 24. September 2004 arbeitsmarktbezogen täglich nur noch unter sechs Stunden belastbar und nur sehr eingeschränkt gehfähig sei. Deshalb bestehe seither volle Erwerbsminderung auf Dauer. Zur weiteren Begründung legt sie u. a. einen Arztbericht der kardiologisch-angiologischen Gemeinschaftspraxis Ulm vom 5. September 2005 vor. Die Internistin H.-G. hat danach nach Untersuchung der Klägerin am 2. September 2005 folgende Diagnosen gestellt: differenzialdiagnostisch Unterschenkelödeme beidseitig, hyperntensive Herzerkrankung, diastolische Funktionsstörung, Verdacht auf Lymphödem bei Infekt und Varikosis beidseitig.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. August 2005 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2003 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer für die Zeit ab 1. September 2005, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. August 2005 aufzuheben und die Klage vollumfänglich abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Zwar sei der versicherungsrechtliche Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer mittlerweile - zum 20. September 2006 - eingetreten. Ein Anspruch auf Rente bestehe jedoch nicht, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung nicht mehr erfüllt seien. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 1. Juli 2001 bis zum 19. September 2006 seien lediglich 32 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Im Übrigen sei die Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. August 2006 auch nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.

Der Senat hat den Orthopäden Dr. H., Stuttgart, beauftragt, die Klägerin gutachtlich zu untersuchen. Mit Gutachten vom 31. März 2006 hat Dr. H. folgende Diagnosen mitgeteilt: - Chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei fortgeschrittenen Spondylochondrosen in der mittleren Lendenwirbelsäule ohne sichere neurologische Ausfallserscheinungen mit umfangreichen funktionellen Störungen in Form von Blockierungen und sekundären Muskelverspannungen und - Schmerzhafte Bewegungsstörung beider Kniegelenke bei fortgeschrittenen, innenseitig betonten beidseitigen Kniearthrosen. Aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen erscheine eine 40-Stunden-Woche auch bezogen auf eine leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit zu lang. Eine leichte abwechselreiche Tätigkeit sei der Klägerin aber noch sechs Stunden täglich möglich. Die Klägerin sei auch in der Lage viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel auch während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Er habe die Klägerin zufällig vor der Begutachtung "in der Stadt" gesehen. Dort sei sie mit Ehemann und Tochter trotz winterlicher Verhältnisse mit einer Unterarmgehstütze links sicher und ohne eindeutig erkennbares Hinken unterwegs gewesen. Die Geschwindigkeit schätze er auf 2 bis 3 km/h. Auf dieser Grundlage gehe er davon aus, dass die Klägerin eine Wegstrecke von 500 Metern in maximal 20 Minuten fußläufig bewältigen könne. Nach Aktenlage sei es 2003 zu einer Verstärkung der Kniebeschwerden gekommen. Funktionell bedeutsam sei nicht primär das Streckdefizit von ca. 10 bis 15°, das sich seither im linken Knie ausgebildet habe, sondern die Tatsache, dass dieses Streckdefizit indirekt auf eine deutliche Zunahme der Kniearthrose schließen lasse. Solche Streckdefizite entwickelten sich nämlich erst in einem fortgeschrittenen Arthrosestadium. Fortgeschrittene Arthrosen seien auch - entgegen der Auffassung von Dr. L. - nicht selten "trocken"; d.h. ein Gelenkerguss müsse nicht vorliegen. Im Gegenteil liege bei einer massiven Knieschädigung mit weitgehend aufgebrauchtem Knorpel oftmals kein Reizerguss mehr vor. Den Feststellungen des Vorgutachters Dr. U. werde sowohl hinsichtlich der Diagnosen als auch hinsichtlich der Leistungsbeurteilung zugestimmt.

Prüfarzt Dr. L. ist auch den aus seiner Sicht "inkohärenten" Feststellungen des Gutachters Dr. H. mit Stellungnahmen vom 27. Juni 2006 und vom 6. Oktober 2006 entgegen getreten.

In der Zeit vom 30. Januar bis zum 27. April 2006 ist die Klägerin wegen Parvaphlebitis links und sekundärer Phlebothrombose im P1-Segment mittels einer oralen Antikoagulation medikamentös therapiert worden (Berichte des Angiologen Dr. P. vom 30. Januar und 27. April 2006). Weiter ist der Klägerin von Dr. P. empfohlen worden, den Kompressionsstrumpf links noch ein viertel Jahr zu tragen.

Vom 20. September bis zum 10. Oktober 2006 hat sich die Klägerin im Universitätsklinikum U. zur stationären operativen Behandlung eines entzündlichen Pankreaskopftumors mit florider entparenchymisierender Pankreatitis befunden. Laut Arztbericht vom 16. Oktober 2006 ist sie am selben Tag beschwerdefrei mit reizlosen Wundverhältnissen und primärer Wundbehandlung ohne Malignitätsnachweis entlassen worden. Anschließend hat sie sich vom 12. Oktober bis zum 9. November 2006 einer stationären Reha-Heilmaßnahme in den W.-Z.-Kliniken in A. unterzogen. Laut Entlassungsbericht vom 9. November 2006 ist die Leistungsfähigkeit der als arbeitsunfähig aus der Maßnahme entlassenen Klägerin auch für leichte Tätigkeiten langfristig auf unter drei Stunden arbeitstäglich einzuschätzen.

Auf Nachfrage des Senat hat die Beklagte dem Gericht einen auf den 15. Januar 2007 datierenden Versicherungsverlauf der Klägerin vorgelegt. Darüber hinaus hat sich die Beklagte zum Verfahren durch weitere prüfärztliche Stellungnahme von Dr. Sch. vom 31. Mai 2007 geäußert.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Ulm im erstinstanzlichen Verfahren (S 6 R 1237/03) und die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Klägerin sowie der Beklagten sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist aber sachlich nicht begründet; diejenige der Klägerin hingegen ist mit dem zuletzt gestellten Antrag, ihr ab 1. September 2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bis zum Eintritt in die Altersrente zu gewähren, begründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. August 2005 ist rechtmäßig ergangen. Das Sozialgericht hat der Klägerin damals zu Recht zunächst unter Zugrundelegung eines im Februar 2005 (Gutachten Dr. U.) eingetretenen Leistungsfalls unter zutreffender Beachtung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nach dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 15. Januar 2007 unstreitig erfüllt, befristet Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2005 bis zum 31. August 2008 zugesprochen. Dauernde volle Erwerbsminderung besteht erst seit der Feststellung und Behandlung des Pankreaskopftumors der Klägerin im September 2006.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Des Weiteren ist die vom Bundessozialgericht entwickelte Rechtsprechung zur hinreichenden Wegefähigkeit eines Versicherten zu beachten (BSG, Urteil vom 9. August 2001, B 10 LW 18/00 R, SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N., Beschluss des Großen Senat des BSG vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, BSGE 80, 24 (35) und Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Wenn ein Versicherter infolge von Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage ist, einen Arbeitsplatz in zumutbarer Zeit zu erreichen, entfällt seine Fähigkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Einkommen zu erzielen und dies begründet einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Dazu hat das Bundessozialgericht (BSG) in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Leistungsvermögen und dessen Umsetzungsfähigkeit an den individuellen Verhältnissen des Versicherten und den konkreten Bedingungen des Arbeitsmarkts zu messen sind (vgl. z.B. BSG Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 und BSG, Urteil vom 28. August 2002, B 5 RJ 12/02 R). Nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, kann als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (vgl. stellvertretend BSG Urteil vom 9. August 2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr 2 m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 44 SGB VI a.F., § 43 SGB VI n.F. versicherten Risikos (BSG Urteile vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 9. August 2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 S 4 f und vom 14. März 2002 - B 13 RJ 25/01 R sowie vom 28. August 2002 - B 5 RJ 12/02 R - veröffentlicht in juris); das Defizit führt zur Erwerbsunfähigkeit bzw. zur vollen Erwerbsminderung.

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats seit der gutachtlichen Untersuchung durch Dr. U. am 28. Februar 2005 nachweislich als voll erwerbsgemindert im Sinn von § 43 Abs. 2 SGB VI zu beurteilen. Von diesem Zeitpunkt an, dem Eintritt des Leistungsfalls, hat das Sozialgericht ihr entsprechend § 101 Abs. 1 SGB VI - vom damaligen Zeit- und Standpunkt aus zutreffend - befristet Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab dem 1. September 2005, also nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem nachweislichen Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit, zuerkannt.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin lässt sich zur Überzeugung des Senats zwar nicht für die Zeit vor dem 28. Februar 2005, sehr wohl aber für die Zeit ab diesem Zeitpunkt belegen. Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. K. vom 14. Oktober 2002 und der Reha-Entlassungsberichte vom 22. November 1999 und vom 20. Mai 2003, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie der im gerichtlichen Verfahren vom Sozialgericht und vom Berufungssenat von Amts wegen eingeholten medizinischen Gutachten von dem Orthopäden und Chirurgen Dr. U. (28. Februar 2005) und dem Orthopäden Dr. H. (31. März 2006), die hinsichtlich der gestellten Diagnosen und Leistungsbeurteilung - abgesehen von der Frage der Reichweite der Gehfähigkeit der Klägerin - im Wesentlichen übereinstimmen.

Die Klägerin leidet aufgrund der jeweils nach ambulanter Untersuchung und unabhängig voneinander gewonnenen und dem Senat nachvollziehbar begründeten Erkenntnissen der Gerichtsgutachter Dr. U. und Dr. H. an folgenden orthopädisch-chirurgisch bedingten Erkrankungen: - Chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei fortgeschrittenen Spondylochondrosen in der mittleren Lendenwirbelsäule ohne sichere neurologische Ausfallserscheinungen mit umfangreichen funktionellen Störungen in Form von Blockierungen und sekundären Muskelverspannungen, - Kleiner Bandscheibenvorfall L5/S 1 rechts medio-lateral, - Gefügestörung LWK 5 und Bandscheibenprotrusionen in den übrigen Segmenten und - Schmerzhafte Bewegungsstörung beider Kniegelenke bei fortgeschrittenen, innenseitig betonten beidseitigen Kniearthrosen. Darüber hinaus sind bei der Klägerin ärztlich unstreitig folgende Diagnosen jenseits des orthopädisch-chirurgischen Fachgebiets gestellt worden: - Adipositas per magna, - Arterielle Hypertonie, - Struma nodosa I. Grades mit latenter Hypothyreose, - Zustand nach Unterschenkelthrombose links, 1 /99 und konservativ behandelter Fibulafraktur links 1/99 sowie - Varikosis beidseitig.

Nachdem die Sachverständigen Dr. U. (2005) und Dr. Hepp (2006) für den Senat gutachtlich nachvollziehbar und schlüssig begründet haben, dass der Klägerin überwiegend sitzend zu verrichtende körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich sechs Stunden zumutbar sind, konzentriert sich die rentenversicherungsrechtlich entscheidende Frage maßgeblich auf den Aspekt der Wegefähigkeit der Klägerin.

Hat der Versicherte - wie vorliegend die Klägerin - keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zu bewältigen (maximal: 20 Minuten pro Wegstrecke) und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, S 30 f; Urteile vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R - und vom 28. August 2002 - B 5 RJ 12/02 R - JURIS). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs.3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 SGB IX) subventionierten und dem Versicherten vom Versicherungsträger tatsächlich verfügbar gemachten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 5 RJ 51/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 8 unter teilweiser Aufgabe der Rechtsprechung in den Urteilen vom 19. November 1997 - 5 RJ 16/97 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30. Januar 2002 - B 5 RJ 36/01 R - JURIS, die das in Aussicht stellen eines Zuschusses nach der Kraftfahrzeug-Hilfe-Verordnung - KfzHV - für den Erwerb einer Fahrerlaubnis oder eines Kfz hat ausreichen lassen).

Gemessen an diesen Kriterien, liegt bei der Klägerin für die Zeit ab Februar 2005 volle Erwerbsminderung im Sinn des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SGB VI vor. Die die Gehfähigkeit der Klägerin seit 2003 nachweislich beeinträchtigende und seither fortschreitende Kniegelenks-arthrose ist gutachtlich sicher belegt; ab Februar 2005 (Untersuchung durch Gutachter Dr. U.) hat sie einen Umfang erreicht, der Wegefähigkeit ausschließt.

Hieß es etwa im Reha-Entlassbericht vom 22. Dezember 1999 noch, dass das Gangbild der Klägerin flüssig, Zehen- und Fersengang beidseitig gut durchführbar und ein Gehstock nicht erforderlich gewesen sei, so wird das Gangbild bereits im sozialmedizinischen Gutachten von Dr. Kinzl vom 14. Oktober 2002 als "ausgesprochen schwerfällig und linksbehindert" bei unsicherem Fersen- und Hackenstand beschrieben. Auch der spätere Reha-Entlassbericht vom 20. Mai 2003 charakterisiert das Gangbild der Klägerin als zwar symmetrisch und ohne Schon- und Verkürzungshinken, aber "langsam". Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung am 30. August 2004 beschreibt Prof. Dr. P. das Gangbild der Klägerin im Gutachten vom 24. September 2004 als "hinkend und steif". Dr. U. schildert den Gang der sich stets mit Unterarmgehstütze fortbewegenden Klägerin im Gutachten vom 28. Februar 2005 sodann als "auf ebener Erde ohne Schuhwerk" "staksig" mit verminderter Schrittgröße und nur schwer vorzeigbarem Fersen- und Zehenspitzgang. Außerdem, so Dr. U., haben sich die Abrollbewegungen der Kniegelenke, der Sprunggelenke und der Zehengelenke beidseitig unharmonisch präsentiert. Auch Dr. H. (Gutachten vom 31. März 2006) beschreibt ein langsames Gehverhalten ohne eindeutiges Hinken unter der Benutzung einer Unterarmgehstütze links.

Das von den Sachverständigen beobachtete, sich stetig verschlechternde Gangbild der Klägerin, korreliert mit den Ergebnissen der von den Gutachtern durchgeführten Messung der Beweglichkeit der Kniegelenke in Winkelgraden und der Umfangmaße der unteren Extremitäten. Hat die Kniegelenksbeweglichkeit bei der Klägerin im Verhältnis zur Normalbeweglichkeit von Beugung und Streckung von 0/0/120-150° im Oktober noch beidseitig je 0/0/140° betragen (Gutachten Dr. K.), so ist sie im August 2004 rechts noch mit 0/5/100° und links mit 0/10/100° gemessen worden (Gutachten Prof. Dr. P.), bevor sie im Februar 2005 bei bleibendem Wert rechts auf links 0/15/85° weiter gesunken ist (Gutachten Dr. U.), ein Wert, der mit 0/15/90° im März 2006 von Gutachter Dr. H. jedenfalls annähernd bestätigt worden ist. Näherungsähnliche Werte zu den Umfangmaßen beider unterer Extremitäten haben die Gutachter Dres. U. (2005) und H. (2006) unabhängig voneinander ermittelt, nämlich 20 cm oberhalb des Oberrandes des inneren Kniegelenkspalts von rechts 65 und links 64 cm (Dr. U.) und seitengleich 67 cm (Dr. H.), 10 cm oberhalb des Oberrandes der inneren Kniegelenksspalts von beidseitig 52 cm (Dr. U.) und beidseitig 55 cm (Dr. H.), in der Kniescheibenmitte beidseitig 45 cm (Dr. U.) und rechts 40 cm sowie links 43 cm (Dr. H.) und 15 cm unterhalb des Unterrandes des inneren Kniegelenksspalts von beidseitig jeweils 37 cm (Dres. U., H.). Weiter hat Dr. H. deutliche Verplumpungen der Kniegelenkskonturen beidseitig, links etwas mehr als rechts, festgestellt, die mit der Beugekontraktur links von ca. 10-15° korrelieren. Die Tatsache, dass sich an den beidseitig verdickten Kniegelenkskapseln keine Gelenkergüsse gefunden haben, hat Dr. H. unter Hinweis auf den typischen, nicht selten "trockenen" Verlauf fortgeschrittener Arthrosen plausibel erklärt, ohne dass dieser Aussage vom Prüfarzt der Beklagten in einer seiner Stellungnahmen (vom 27. Juni 2006, vom 6. Oktober 2006 und vom 8. Dezember 2006) widersprochen worden ist. Schließlich wird auch durch eine am 21. Juni 2006 durchgeführte 3-Phasenskelettszintigraphie der Nachweis für mäßig bis deutlich aktivierte medialseitige Gonarthrosen beidseits links etwas ausgeprägter als rechts mit retropatellarer arthrotischer Komponente rechts erbracht und ein endoprothetischer Ersatz angeregt, den schon Prof. Dr. P. bei zunehmendem Leidensdruck und Verstärkung der radiologischen Bildgebung für erforderlich hielt ( Bericht des Radiologen und Nuklearmediziners Dr. G. vom 22. Juni 2006).

Aufgrund der vor beschriebenen Kniebefunde macht sich der Senat hinsichtlich der Funktionsfähigkeit und Belastbarkeit der Knie und der daraus resultierenden Geh- und Stehfähigkeit der Klägerin die Einschätzung des erstinstanzlichen Gutachters Dr. U. zu eigen. Danach ist es der Klägerin jedenfalls seit Februar 2005 nicht mehr möglich, wie im Arbeitsleben üblich, regelmäßig arbeitstäglich viermal täglich mehr als 500 Meter fußläufig binnen 15 bis maximal 20 Minuten zurückzulegen und anschließend während der Hauptverkehrzeiten öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Dafür sprechen der von sämtlichen Gutachtern beschriebene und auch unter regelmäßiger Nutzung einer Unterarmgehstütze langsame und staksige Gang der Klägerin, die von Dr. H. zufällig beobachtete Gehweise der von Ehemann und Tochter begleiteten Klägerin "in der Stadt" mit einer Geschwindigkeit von nur "ca. 2-3 km" und die gutachtlich ermittelten Umfangsmaße beider Kniebereiche der Klägerin. Hinzu kommt ein im streitigen Zeitraum fortdauerndes ödematöses und thrombotisches Geschehen im Bereich der Unterschenkel beidseits vor dem Hintergrund der im Januar 1999 erlittenen Unterschenkelthrombose, wie der Senat den vorgelegten Befundberichten der behandelnden Ärzte entnimmt. Zwar konnte im August 2004 kein angiologisches Korrelat der krampfartigen Beschwerden bei Beinschwellung beidseits und prätibialen Ödemen festgestellt werden (Bericht von Dr. Ahnefeld vom 31. August 2004), die - nicht kardial bedingten - Unterschenkelödeme beidseits, morgens verstärkt, bestanden aber fort (Bericht der Kardiologin H.-G. vom 5. September 2005) und nahmen im Januar 2006 zu. Am 23. Januar 2006 wurden darüber hinaus bei der Klägerin eine Parvaphlebitis links und eine sekundäre Phlebothrombose im P1-Segment diagnostiziert, weshalb sie in der Zeit zwischen Januar und April 2006 durch orale Antikoagulation medikamentös therapiert worden ist (Berichte Dr. P. vom 23. Januar , 30. Januar und 27. April 2006). Weiter ist in diesem Zusammenhang die Herzerkrankung der Klägerin und das fortbestehende erhebliche Übergewicht zu berücksichtigen. Alle Faktoren gemeinsam, in der gebotenen Zusammenschau betrachtet, stehen dagegen, von der Klägerin arbeitstäglich viermal Fußwege von mehr als 500 Metern binnen jeweils höchstens 20 Minuten zu erwarten und ihr anschließend Fahrten in während der Hauptverkehrszeiten vollen bis übervollen öffentlichen Verkehrsmitteln zuzumuten. Selbst unter der Voraussetzung, dass sie darin jeweils einen Sitzplatz finden sollte, wäre ihr dieser im Hinblick auf die tatsächlichen räumlichen Anforderungen wegen des Zustands nach Unterschenkelthrombose links zu hinterfragen. Dagegen - wie Prüfarzt Dr. L. (27. Juni 2006 und 6. Oktober 2006) - die einmal jährlich stattfindenden Reisen der Klägerin in ihre frühere Heimat nach Serbien vorzuhalten, erscheint dem Senat nicht sachangemessen. Denn diese sicherlich strapaziösen Autoreisen finden nur einmal jährlich statt und die Fahrten können jederzeit individuell unterbrochen werden, um die nötigen Bewegungsmaßnahmen zu gewährleisten. Deshalb sind sie mit den Anforderungen an den arbeitstäglichen Arbeitsweg - wenn überhaupt - so nur höchst eingeschränkt vergleichbar. Entsprechendes gilt für den weiteren Vorhalt Dr. Lindners, die Klägerin bewältige auch den Weg in ihre im zweiten Geschoss befindliche Wohnung in einem Wohngebäude ohne Aufzug und sei zudem in der Lage bis zu 30 Minuten allein draußen spazieren zu gehen. Dies entspricht zwar den Tatsachen, sagt aber nichts über die für die Bewältigung des Arbeitsweg erforderliche Mindestgehgeschwindigkeit der Klägerin aus.

Unabhängig davon besteht eine ausreichende Wegefähigkeit der Klägerin auch nicht etwa deshalb, weil sie möglicherweise im Besitz eines Pkw ist oder einen solchen durch ihren Ehemann ständig verfügbar hat. Denn aus gesundheitlichen Gründen ist es der Klägerin gar nicht möglich, einen solchen Pkw selbst zu steuern. Prof. Dr. P. und Dr. U. sind nämlich als mit dem Fall der Klägerin gerichtlich befasste Gutachter unabhängig voneinander und auf der Grundlage der erhobenen Befunde dem Senat nachvollziehbar zu der Folgerung gelangt, dass die Klägerin wegen der fortgeschrittenen Kniegelenksarthrose beidseits körperlich gar nicht in der Lage ist, einen Pkw eigenverantwortlich zu steuern (Prof. Dr. P., 24. September 2004, Dr. U., 28. Februar 2005). Deshalb darf die Klägerin nicht auf einen eigen genutzten, nicht behindertengerecht ausgestatteten Pkw verwiesen werden, um die Wegstrecken von der Wohnung zu einer Arbeitsstelle und zurück zurückzulegen. Einen entsprechend ausgestatteten Pkw - etwa nach der KfzHV - hat die Beklagte der Klägerin bislang weder angeboten noch gar zur Verfügung gestellt.

Dem entsprechend hat die Beweiserhebung im Berufungsverfahren die Feststellungen des Sozialgerichts zu Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalls - Februar 2005 - voll bestätigt. Das Sozialgericht hat die Zuerkennung der Rentenleistung vom damaligen Entscheidungszeitpunkt - 10. August 2005 - aus betrachtet zunächst auch zu recht nur befristet zuerkannt. Die Dauerhaftigkeit der mangelnden körperlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin für jede Art von Erwerbstätigkeit ist - wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig - erst im September 2006 mit der Pankreastumordiagnose eingetreten. Daraus ist weiter abzuleiten, dass die der Klägerin zunächst befristet bis zum 31. August 2008 zugesprochene volle Erwerbsminderungsrente wegen seit September 2006 grundlegend geänderter Gesundheitsverhältnisse auf Dauer zu gewähren ist.

Aus alledem folgt zugleich, dass die gegenläufige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 10. August 2005 als unbegründet zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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