L 6 U 5911/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 2320/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5911/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung durch die Beklagte wegen eines Ereignisses am 07.06.2005.

Der 1962 geborene, aus Bosnien stammende Kläger war seit August 2003 bei der Firma Z. Umzüge in F. als Mitarbeiter eines Umzugsteams beschäftigt. In Ausübung dieser Tätigkeit hatte er am 03.03.2004 einen Arbeitsunfall erlitten, indem er beim Kistentragen mit dem linken Fuß umgeknickt war, woraufhin eine Distorsion des linken oberen Sprunggelenkes diagnostiziert worden war. Im Anschluss an diesen Unfall litt er unter starken Schmerzen im Bereich der linken Leiste. Dr. H., Oberarzt des St. J. Krankenhauses in F. diagnostizierte in seinem Zwischenbericht vom 15.03.2004 einen beidseitigen Leistenbruch, der unfallunabhängig sei. Am 28.05.2004 erfolgte eine Leistenbruchoperation. Der Kläger litt auch weiterhin unter Beschwerden, weswegen vom 10.02.2005 bis 17.03.2005 eine Rehabilitationsmaßnahme in der Z.klinik in St. B. durchgeführt wurde. Ausweislich des Entlassungsberichts über diese Behandlung vom 29.03.2005 wurden eine mittelgradige depressive Episode, ein Verdacht auf eine somatoforme Schmerzstörung, ein Verdacht auf Adduktorenzerrung des linken Oberschenkels, ein Zustand nach Leistenhernien-OP links sowie ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert. Der Kläger wurde als arbeitsfähig entlassen.

Bei dem streitgegenständlichen Ereignis am 07.06.2005 fiel der Kläger nach den Angaben in der Unfallanzeige vom 07.06.2005 zunächst beim Absteigen vom LKW "die Leiter herunter". Er arbeitete weiter und stolperte kurz danach im Treppenhaus über eine Stufe. Er stellte die Arbeit wegen starker Schmerzen im Bereich des linken Beines sofort ein und ließ sich liegend in das Universitätsklinikum F. transportieren. Nach dem Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. S. vom 08.06.2005 gab er deutliche Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenkes an. Bei der Palpation zeigten sich Schmerzen über dem Leistenkanal in Projektion auf das Hüftgelenk sowie über dem Trochanter maior. Die Hüftgelenksbeweglichkeit links war eingeschränkt. Röntgenologisch fand sich kein Hinweis auf knöcherne Verletzungen. Prof. Dr. S. wies auf die vor dem Ereignis bestehenden Hüftgelenksbeschwerden hin und hielt einen Arbeitsunfall für fraglich. Nach dem Abschlussbericht von Prof. Dr. S. vom 05.07.2005 war der Befund bei der Untersuchung des Klägers an diesem Tag unverändert. Eine empfohlene Kernspintomographie der Hüfte links sei im Wesentlichen wegen der fehlenden Compliance des Klägers bislang nicht erfolgt. Anhaltspunkte für noch bestehende Folgen eines Arbeitsunfalles fänden sich nicht. Der Kläger sei weiter arbeitsfähig. Dr. R. teilte der Beklagten unter dem 08.07.2005 mit, die zur Sicherheit veranlasste Magnetresonanztomographie habe einen altersentsprechenden Befund beider Hüftgelenke ohne Hinweise für posttraumatische knöcherne oder Weichteilverletzungen ergeben. Der Hausarzt des Klägers Dr. S. teilte der Beklagten unter dem 20.07.2005 mit, auch nach der Kur hätten beim Kläger weiterhin Schmerzen der linken Hüfte bestanden. Er bewege sich nur mit beidseitigen Unterarmgehstöcken. Als Ursache der Beschwerden komme ein Engpasssyndrom im Bereich der Leiste in Betracht. Letztlich bestehe differentialdiagnostisch auch noch die Möglichkeit einer somatoformen Schmerzstörung. Nach dem von Dr. S. vorgelegten Arztbrief von Dr. S. vom 29.07.2005 deuten die Beschwerden auf ein Postherniotomiesyndrom links hin.

Mit Bescheid vom 01.09.2005 lehnte die Beklagte Ansprüche des Klägers auf Entschädigung wegen des Ereignisses vom 07.06.2005 ab. Zur Begründung führte sie aus, das Ereignis vom 07.06.2005 habe zu keiner wesentlichen Veränderung der bereits seit über einem Jahr bestehenden Beschwerden an der linken Leiste geführt. Die Beschwerden seien somit gelegentlich einer betrieblichen Tätigkeit, aber nicht infolge dieser Tätigkeit aufgetreten. Ein Arbeitsunfall im Sinne des Gesetzes liege nicht vor.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S.-B. vom 01.02.2006 mit der Begründung zurück, nach interner fachärztlicher Prüfung seien die geschilderten Beschwerden am ehesten auf ein Postherniotomiesyndrom zurückzuführen und nicht auf Folgen eines Ereignisses vom 07.06.2005.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 erhob der Kläger am 12.05.2006 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Das SG holte bei Prof. Dr. H. das orthopädisch-chirurgische Gutachten vom 31.07.2006 ein. Dieser kam aufgrund der Angaben des Klägers zum Hergang des Ereignisses sowie sämtlicher in den Akten befindlicher ärztlicher Unterlagen, der Untersuchung des Klägers sowie der vorliegenden radiologischen Aufnahmen zu der Beurteilung, es lägen beim Kläger keine Gesundheitsstörungen vor, die wahrscheinlich unmittelbar oder mittelbar alleine oder wenigstens gleichwertig mitverursacht auf das bekundete Unfallereignis vom 07.06.2005 zurückgeführt werden könnten. Die nach dem Unfall geklagten Beschwerden seien sämtlich rein subjektiver Natur gewesen. Abgesehen von der reizlosen Operationsnarbe seien keinerlei objektiv fassbare krankhafte Veränderungen festgestellt worden. Auch gegenwärtig könnten keine krankhaften Veränderungen objektiviert werden. Bereits zum Zeitpunkt des Ereignisses hätten im Anschluss an die 13 Monate zuvor erfolgte Operation eines Leistenbruches Schmerzen im linken Leistenbereich bestanden. Diese seien durch das Ereignis nicht erkennbar verschlimmert worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.10.2006 wies das SG die Klage mit der Begründung ab, das Ereignis vom 07.06.2005 habe nach dem Gutachten von Prof. Dr. H. keine gesundheitlichen Folgen beim Kläger nach sich gezogen.

Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid am 20.11.2006 beim SG zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Berufung eingelegt. Er hat mitgeteilt, er könne sich mit der Entscheidung nicht einverstanden erklären und beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20.10.2006 sowie den Bescheid vom 01.09.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 07.06.2005 Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Anlässlich eines Erörterungstermins am 31.05.2007 teilte der Kläger mit, er habe seine Arbeit und seine Gesundheit verloren. Hierfür wolle er Entschädigung.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das Ereignis vom 7. Juni 2005 als Arbeitsunfall festzustellen und Leistungen zu gewähren.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer Zusammenhang; BSG, Urteil vom 28. Juli 1988 - 2 RU 60/87 - BSGE 63, 273). Weitere Voraussetzung ist, dass die Verrichtung des Versicherten zu dem Unfallereignis geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - Breithaupt 2005, 929).

Dabei ist für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt oder Kreislaufkollaps, wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten. Daher genügt ein schlichter Sturz, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nicht betriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Versicherte bei der versicherten Tätigkeit ausgesetzt war. Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor (BSG, Urteil vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83 - BSG SozR 2002 § 550 Nr. 35).

Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und der bei dem Unfall erlittenen Primärschädigung gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Gab es neben der versicherten Ursache noch konkurrierende Ursachen, z. B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine Krankheitsanlage war von überragender Bedeutung, wenn sie so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die (naturwissenschaftliche) Verursachung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen verursacht hätte. War die Krankheitsanlage von überragender Bedeutung, so ist die versicherte naturwissenschaftliche Ursache nicht als wesentlich anzusehen und scheidet als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts aus; sie ist dann bloß eine so genannte Gelegenheitsursache (BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - Breithaupt 2005, 929).

Der Anspruch des Klägers scheitert bereits daran, dass keine Primärschädigung nachgewiesen wurde, die durch das Herunterrutschen von der Leiter und das Stolpern im Treppenhaus während der versicherten Tätigkeit bei der Fa. Z. am 07.06.2005 verursacht wurde. Trotz zahlreicher klinischer und radiologischer Untersuchungen wurden beim Kläger nach dem 07.06.2005 keine objektiven Befunde festgestellt, die durch einen Unfall hervorgerufen sein könnten. Offenbar ist die Ursache der vom Kläger geklagten Leistenschmerzen nach wie vor unklar. Durch die vorliegenden medizinischen Unterlagen ist jedenfalls nachgewiesen, dass die Schmerzen bereits vor dem Ereignis vor dem 07.06.2005 bestanden. Wie Prof. Dr. H. zutreffend ausgeführt hat, ergeben sich aus den vorliegenden Unterlagen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerden durch das Ereignis verschlimmert wurden.

Die Berufung war aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand keine Anlass.
Rechtskraft
Aus
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