Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2141/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 605/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung zu gewähren.
Die am 1920 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten versichert. Sie leidet an einem Postpoliomyelitis-Syndrom. Sie erhält von der Pflegekasse Leistungen der sozialen Pflegeversicherung seit 01. Januar 1997 nach der Pflegestufe I, seit 01. Juni 1998 nach der Pflegestufe II.
Wegen der genannten Erkrankung waren zwischen der Klägerin und der Beklagten bereits in den Jahren 2000 und 2001 Klageverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) anhängig. Im Verfahren S 4 KR 2663/00 richtete sich die Klage auf die Versorgung mit einem so genannten Motomed-Ergometer zum Muskelaufbau. Das Verfahren S 4 KR 2006/01 hatte die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation zum Gegenstand. Beide Klagen wurden durch Beschluss verbunden. In dem verbundenen Verfahren wurde ein Gutachten von Prof. Dr. B., Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin, Sozialmedizin, eingeholt. In seinem Gutachten vom 14. November 2001 führte er aus, die Klägerin sei infolge eines Postpoliomyelitis–Syndroms gehunfähig. Die Rückenstreckmuskulatur sei ausgefallen. Es bestünden erhebliche Teillähmungen an den Beinen. Die Schulterbeweglichkeit sei bei fortgeschrittener Schultergelenksarthrose schmerzhaft eingeschränkt. Es bestehe eine schmerzhafte Bewegungsbehinderung des linken Kniegelenks bei Arthrosen neben der fortbestehenden Beinlähmungen. Zur Behandlung schlug er krankengymnastische Behandlung und Behandlungen vor allem auch im Bewegungsbad vor. Eine passive Übung und Lymphdrainage seien sinnvoll, zweckmäßig und notwendig. Ambulante Behandlung sei nicht ausreichend. Es sollte jährlich einmal eine stationäre Heilbehandlung, gegebenenfalls auch eine ambulante Kur, z. B. in Bad Waldsee erfolgen. Die Beklagte anerkannte (Schriftsatz vom 27. November 2001) die mit den Klagen geltend gemachten Ansprüche; sie bewilligte der Klägerin eine vierwöchige ambulante Rehabilitation in Bad Waldsee und übernahm die Kosten für einen Motomed-Ergometer in voller Höhe.
In der Folge führte die Klägerin, die bereits vom 01. bis 28. August 2000 und vom 30. Juli bis 27. August 2001 ambulante Badekuren durchgeführt hatte, jährlich stationäre medizinische Rehabilitationen auf Kosten der Beklagten durch. Solche Maßnahmen erfolgten vom 29. Juli bis 26. August 2002, vom 28. Juli bis 25. August 2003 und vom 26. Juli bis 23. August 2004 in Bad Waldsee.
Die Klägerin beantragte am 21. Januar 2005 erneut eine weitere stationäre medizinische Rehabilitation. Sie nahm Bezug auf eine am 21. Januar 2005 von Internist Dr. Bi. ausgestellte Verordnung. Dr. Bi. gab an, die Verordnung erfolge wegen zunehmender Schmerzen in der linken Schulter, nachlassender Kraft im linken Arm sowie einer Schwäche der Rücken-, Arm- und Schultermuskulatur. Ziel sei die Kräftigung der Rumpf-, Schulter- und Beckenmuskulatur. Dazu, ob diese Behandlung vor Ablauf von vier Jahren dringend erforderlich sei, machte der Arzt keine Angaben. Er empfahl eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Die Beklagte wandte sich an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. W. führte in seiner sozialmedizinischen Beratung vom 11. Februar 2005 zusammenfassend aus, ein wesentliches Rehabilitationspotenzial sei nicht vorhanden. Die vorausgegangenen jährlichen Maßnahmen hätten offensichtlich nicht den gewünschten anhaltenden Therapieerfolg gebracht. Sämtliche Erkrankungen seien langjährige chronische Leiden, weshalb die Klägerin Leistungen der Pflegeversicherung erhalte. Dringende medizinische Gründe für eine vorzeitige stationäre Rehabilitation lägen nicht vor. Mit Bescheid vom 15. Februar 2005 lehnte die Beklagte eine stationäre medizinische Rehabilitation ab. Die Voraussetzungen für eine solche erneute Behandlung vor Ablauf der vierjährigen Sperrfrist lägen nicht vor.
Am 02. März 2005 legte die Klägerin Widerspruch ein. Ein Rehabilitationspotenzial sei vorhanden. Die jährlichen Rehabilitationen hätten immer einen deutlichen Therapieeffekt (deutlich anhaltende Schmerzreduzierung und Stabilisierung) gebracht. Die Wiederholung sei wegen der Schwere der Erkrankung erforderlich. Ohne eine jährliche vorzeitige Kur könne die bei ihr noch vorhandene Beweglichkeit nicht erhalten werden; sonst drohe Bettlägerigkeit. Um einer Zunahme der Invalidität entgegenzusteuern, sei eine Aktivierung der Gelenke erforderlich, wie sie nur im Rahmen einer stationären Rehabilitation erfolgen könne. Prof. Dr. B. habe in seinem Gutachten vom November 2001 klargestellt, dass eine ambulante Behandlung an ihrem Wohnort allein nicht ausreiche. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 01. Juli 2005 Klage beim SG erhoben. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, aus dem Gutachten des Prof. Dr. B. ergebe sich nicht, dass eine jährliche stationäre Heilbehandlung medizinisch dringend indiziert sei. Er habe lediglich festgestellt, eine solche Maßnahme sei sinnvoll. Seitdem seien immerhin auch fast vier Jahre vergangen, sodass sich, da die Klägerin mittlerweile 85 Jahre alt sei, die Frage des Rehabilitationspotenzials stelle. Das SG hat Dr. Bi. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er gab in seiner Stellungnahme, am 21. September 2005 beim SG eingegangen, an, die medizinische Notwendigkeit für die erneute Kur vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist ergebe sich aus der Komplexität des Krankheitsbilds und aus der Tatsache, dass sich der Allgemeinzustand infolge einer neu entdeckten chronischen Darmentzündung (Colitis ulcerosa) weiter verschlechtert habe. Die Klägerin habe bisher stets von den Kurmaßnahmen profitiert. Kostspielige Krankenhausaufenthalte hätten vermieden werden können. Die Rehabilitationsziele hätten sich auf Funktionseinschränkungen, wie sie schon vor Durchführung der letzten stationären Rehabilitation im August 2004 bestanden hätten, bezogen. Diese hätten sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert. Die Klägerin habe in den letzten zwölf Monaten 96 Massagetherapien, 96 Lymphdrainagen und 96 Bewegungstherapien erhalten. Die laufende Anwendung sei für die Aufrechterhaltung des körperlichen Gleichgewichtszustands unabdingbar. Ferner hat das SG beigezogen: Entlassungsberichte der Städtischen Kurbetriebe Bad Waldsee vom 17. September 2002 (stationäre Behandlung vom 29. Juli bis 26. August 2002), der Städtischen Reha-Kliniken Bad Waldsee vom 30. August 2004 (stationäre Behandlung vom 26. Juli bis 20. August 2004) und Arztbrief des Dr. Kunz, Universitätsklinikum Tübingen (Orthopädische Klinik und Poliklinik), vom 15. Juli 2000.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2006 abgewiesen. Eine ausreichend günstige Rehabilitationsprognose sei nicht zu stellen. Der Arzt des MDK Dr. W. habe nachvollziehbar dargelegt, dass ein wesentliches Rehabilitationspotenzial nicht vorliege, da die vorausgegangenen jährlichen Maßnahmen offensichtlich nicht den gewünschten anhaltenden Therapieerfolg gebracht hätten. So sei der neue Antrag bereits fünf Monate nach Beendigung der letzten stationären Rehabilitationsbehandlung im August 2004 gestellt worden. Nach Angaben des Dr. Bi. seien in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich wöchentlich über fünf Heilmittel ambulant erbracht worden. Es fehle deshalb auch an Rehabilitationsfähigkeit. Die Intensität der Heilmittelerbringung könne im Rahmen einer stationären Rehabilitation zwar noch gesteigert werden. Dies sei aber nicht realistisch. Auf das Gutachten des Prof. Dr. B. könne nicht zurückgegriffen werden. Der Zeitablauf rechtfertige es, von dessen damaliger Auffassung abzuweichen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass grundsätzlich ein Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation noch in Betracht käme, stünde einer Leistungsgewährung die noch nicht abgelaufene vierjährige Wartefrist entgegen. Eine dringende medizinische Notwendigkeit für eine vorzeitige Maßnahme könne nicht erkannt werden. Bei chronischen Krankheitsbildern könne von einer dringenden medizinischen Erforderlichkeit ausgegangen werden, wenn sich eine erhebliche Verschlechterung ergeben habe oder eine neue Erkrankung hinzugetreten sei. Beides sei nicht der Fall. Soweit Dr. Bi. auf eine neu hinzugetretene und dennoch chronische Darmerkrankung hinweise, könne daraus keine besondere Dringlichkeit hergeleitet werden. Die Rehabilitation solle auch nach seinen Angaben nicht vorwiegend bei allgemein-internistischen Erkrankungen ansetzen. Auch Prof. Dr. B. habe in seinem Gutachten nicht dargelegt, dass jährliche Maßnahmen dringend medizinisch indiziert seien. Er habe lediglich formuliert, jährliche Maßnahmen seien "sehr sinnvoll". Zudem habe er seine Äußerung dahingehend eingeschränkt, dass eine ambulante Rehabilitation ebenfalls in Betracht komme.
Die Klägerin hat am 07. Februar 2006 Berufung gegen den ihr am 25. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Klageverfahren und die Feststellungen des Prof. Dr. B. im Gutachten vom 11. November 2001. Das SG habe sich ohne hinreichende Begründung über die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Bi. vom September 2005 hinweggesetzt. Dieser habe sowohl eine dringende Rehabilitationsbedürftigkeit als auch eine Rehabilitationsfähigkeit bejaht und im Hinblick auf die Rehabilitationsprognose ausgeführt, sie habe von den bislang durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlungen stets nachhaltig profitiert. Die Auffassung des SG, die gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. B. aus dem Jahr 2001, auf deren Grundlage die bisherigen vorzeitigen stationären Rehabilitationen erfolgt seien, könne wegen Zeitablauf nicht mehr als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, überzeuge nicht. Die Klägerin hat auch eine Schilderung der für sie durchgeführten Pflegeleistungen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Das Gericht habe die Rahmenbedingungen eines Anspruchs auf eine stationäre Rehabilitation umfassend aufgearbeitet. Sie hat auch Gutachten des MDK vom 08. März 1995, 10. April 1997 und 16. Juli 1998 zur Frage der Pflegebedürftigkeit vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Bewilligung einer stationären medizinischen Rehabilitationsbehandlung entsprechend der Verordnung des Dr. Bi ...
1. Ein Anspruch der Klägerin auf medizinische Rehabilitationsleistungen ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte der Klägerin insbesondere nach dem Anerkenntnis vom 21. November 2001 in den Jahren 2002 bis 2004 jährlich durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahmen in Bad Waldsee bewilligt hat. Die Beklagte hat jeweils konkret über einzelne beantragte Rehabilitationsmaßnahmen entschieden. Eine Bindung für die Zukunft ist dadurch nicht eingetreten.
2. Die Klägerin hat wegen der bei ihr vorliegenden Erkrankungen und Behinderungen, die Prof. Dr. B. im Gutachten vom 11. November 2001 festgestellt hat, Anspruch auf Krankenbehandlung. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen. § 40 Abs. 1 SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378, in Kraft seit 01. April 2007, die hier anzuwenden ist bestimmt hierzu, dass die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, in wohnortnahen Einrichtungen erbringt, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenhausbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Reichen Leistungen der ambulanten Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB V vom 16. März 2004 (RehaRL) führen in § 7 Abs. 1 RehaRL weiter aus, dass Voraussetzung für die Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation das Vorliegen der medizinischen Indikation ist. Hierzu sind im Sinne eines vorläufigen rehabilitationsmedizinischen Assessments die Rehabilitationsbedürftigkeit (§ 8 RehaRL), die Rehabilitationsfähigkeit (§ 9 RehaRL) und eine positive Rehabilitationsprognose (§ 10 RehaRL) auf der Grundlage realistischer, für den Versicherten alltagsrelevanter Rehabilitationsziele abzuklären. Nach § 7 Abs. 2 RehaRL können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nur verordnet werden, wenn das innerhalb der Krankenbehandlung angestrebte Rehabilitationsziel voraussichtlich nicht durch Leistungen der kurativen Versorgung oder deren Kombination oder durch Leistungen der medizinischen Vorsorge nach §§ 23 und 24 SGB V erreicht werden kann. Gemäß § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V können Leistungen sowohl der ambulanten als auch der stationären medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Eine dringende Erforderlichkeit in diesem Sinne kann angenommen werden, wenn ohne die medizinische Rehabilitationsmaßnahme eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands droht. Daraus ergibt sich zunächst, dass eine Prognose zu stellen ist, dass ambulante Behandlungen nicht ausreichen, um die genannten Behandlungsziele zu erreichen. Weiter ist prognostisch festzustellen, dass Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation demgegenüber voraussichtlich zu einem Behandlungserfolg führen werden. Schließlich reicht die bloße Notwendigkeit solcher stationärer medizinischen Rehabilitation nicht aus, wenn - wie im Falle der Klägerin - innerhalb von vier Jahren vor der erneut beantragten Rehabilitation bereits eine ähnliche Maßnahme durchgeführt wurde. Über die bloße Notwendigkeit hinausgehend muss zusätzlich ein dringendes Bedürfnis für eine vorzeitige Inanspruchnahme der stationären Rehabilitation bestehen.
Nach diesen Maßstäben ist es bereits fraglich, ob überhaupt die Notwendigkeit einer medizinischen Rehabilitation für ambulante Behandlungen nach § 40 Abs. 1 SGB V besteht. Prof. Dr. B. hat im Gutachten vom 14. November 2001 festgestellt, dass wegen der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen, insbesondere wegen der Folgen des Postpoliomyelitis-Syndroms, des Ausfalls der Rückenstreckmuskulatur, der erheblichen Teillähmungen an den Beinen, der schmerzhaften Einschränkung der Schulterbeweglichkeit in Folge der Schultergelenksarthrose und der Bewegungsbehinderung des linken Kniegelenks, eine Krankenbehandlung notwendig ist. Er hält krankengymnastische Behandlung und Behandlungen vor allem auch im Bewegungsbad sowie die passive Übung und Lymphdrainage für sinnvoll, zweckmäßig und notwendig. Ambulante Behandlungen seien nicht ausreichend. Es sollten jährlich einmal eine stationäre Heilbehandlung, gegebenenfalls aber auch eine ambulante Kur z.B. in Bad Waldsee, erfolgen. Auch Dr. Bi. sieht eine Behandlungsbedürftigkeit wegen zunehmender Schmerzen in der linken Schulter, nachlassender Kraft im linken Arm sowie einer Schwäche der Rücken- Arm- und Schultermuskulatur. Ziel sei die Kräftigung der Rumpf-, Schulter- und Beckenmuskulatur. Allerdings erscheint es dem Senat nicht zwingend, von der Notwendigkeit krankengymnastischer Behandlungen, von Bewegungsbädern und passiver Übungen auf die Notwendigkeit, solche Maßnahmen im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation durchzuführen, zu schließen. In der Tat zeigen sich erhebliche Zweifel an einem dauerhaften Erfolg solcher Maßnahmen, weil bei der Klägerin nach Angaben des Dr. Bi. seit dem Ende der letzten stationären medizinischen Rehabilitation am 23. August 2004 durchschnittlich fünf Behandlungsmaßnahmen pro Woche mit eben dieser Zielrichtung durchführt worden sind. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen davon ausgegangen werden könnte, dass eine noch intensivere Anwendung im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation einen dauerhafteren Behandlungserfolg erzielen werde. Insbesondere die Ergebnisse der in den zurückliegenden Jahren durchgeführten medizinischen Rehabilitationen sprechen gegen eine solche Prognose. Offensichtlich wurde eine dauerhafte Stabilisierung des Gesundheitszustands nicht erreicht. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Klägerin ebenso wie Dr. Bi., der dies durch seine Verordnung dokumentierte, die Notwendigkeit einer weiteren stationären medizinischen Rehabilitation bereits etwa fünf Monate nach Abschluss der letzten stationären Behandlungen sah.
Den Zweifeln des Senats an einer für die Klägerin positiven Rehabilitationsprognose brauchte indessen nicht weiter nachgegangen werden. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass ambulante Behandlungen nicht mehr ausreichten und eine erneute stationäre medizinische Rehabilitation notwendig wäre, um den Gesundheitszustand der Klägerin positiv zu beeinflussen, kann die Klägerin die von Dr. Bi. verordnete und von ihr beantragte Leistung nicht beanspruchen. Ihrem Anspruch steht entgegen, dass die Klägerin innerhalb von vier Jahren vor dem erneuten Leistungsantrag eine gleichartige Leistung bereits in Anspruch genommen hat. Sie hat in den Städtischen Reha-Kliniken Bad Waldsee eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 26. Juli bis 20. August 2004 durchgeführt. Ein dringender, über die bloße Notwendigkeit hinausgehender Handlungsbedarf im Sinne des § 40 Abs. 4 Satz 3 SGB V ist vor diesem Hintergrund nicht festzustellen. Dringend erforderlich sind vorzeitige Rehabilitationsleistungen dann, wenn andernfalls, d.h. bei Durchführung der Kur erst nach Ablauf der Wartezeit, erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären (Höfler in Kasseler Kommentar, § 40 SGB V Rdnr. 6). Solche drohenden gesundheitlichen Schäden oder erhebliche Nachteile für die Klägerin sind nicht festzustellen. Eine dringende Notwendigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus der Stellungnahme des Dr. Bi. gegenüber dem SG vom September 2005. Er begründet die aus seiner Sicht dringende Notwendigkeit mit dem Auftreten einer chronischen Darmerkrankung. Diese Einschätzung überzeugt nicht. Weder ist ersichtlich, welche Behandlungsmaßnahmen Dr. Bi. wegen dieser Darmerkrankung eingeleitet hatte und welche Ergebnisse diese Behandlungsmaßnahmen im Hinblick auf die Darmerkrankung hatten, noch ist nachvollziehbar, auf welche Art und Weise, mit welchem medizinisch-naturwissenschaftlichen Wirkungszusammenhang die von Dr. Bi. für notwendig gehaltenen krankengymnastischen Übungen, Bewegungsbäder und sonstigen Maßnahmen, die er als Behandlungsmethoden vorsieht, sich auf die chronische Darmerkrankung der Klägerin auswirken sollen. Ziel dieser Behandlungsmethoden ist vielmehr, wie Dr. Bi. beschrieben hat, eine Kräftigung der Muskulatur der Klägerin. Für die chronische Darmerkrankung spielen diese Behandlungsziele keine Rolle. Infolgedessen ist die von Dr. Bi. als Begründung für die Notwendigkeit einer vorzeitigen stationären medizinischen Rehabilitation genannte Darmerkrankung nicht geeignet, eine besondere Dringlichkeit zu rechtfertigen. Die besondere Dringlichkeit lässt sich insoweit auch nicht aufgrund der von der Klägerin erwähnten Lungenentzündung, wegen der eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war, herleiten. Sie kann auch nach der Beurteilung des Prof. Dr. B. nicht angenommen werden. Er hat in seinem Gutachten ausdrücklich dargelegt, dass eine jährliche Wiederholung sinnvoll sei. Eine dringende Notwendigkeit für eine jährliche Wiederholung hat aber auch er nicht gesehen. Diese ergibt sich auch nicht daraus, dass schon im Entlassungsbericht des Dr. M. vom 30. August 2004 zur Sicherung des mittel- und langfristigen Rehabilitationserfolgs auch weiterhin engmaschige Heilverfahren wie bisher jedes Jahr als dringend indiziert bezeichnet wurden.
Zusammenfassend bleibt deshalb festzuhalten, dass Gründe, die die vorzeitige Inanspruchnahme erneuter medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen vor Ablauf der vierjährigen Sperrfrist begründen könnten, entsprechend den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. W. in seinem Gutachten vom 11. Februar 2005 nicht ersichtlich sind. Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens war nicht geboten.
Die Berufung war zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung zu gewähren.
Die am 1920 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten versichert. Sie leidet an einem Postpoliomyelitis-Syndrom. Sie erhält von der Pflegekasse Leistungen der sozialen Pflegeversicherung seit 01. Januar 1997 nach der Pflegestufe I, seit 01. Juni 1998 nach der Pflegestufe II.
Wegen der genannten Erkrankung waren zwischen der Klägerin und der Beklagten bereits in den Jahren 2000 und 2001 Klageverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) anhängig. Im Verfahren S 4 KR 2663/00 richtete sich die Klage auf die Versorgung mit einem so genannten Motomed-Ergometer zum Muskelaufbau. Das Verfahren S 4 KR 2006/01 hatte die Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitation zum Gegenstand. Beide Klagen wurden durch Beschluss verbunden. In dem verbundenen Verfahren wurde ein Gutachten von Prof. Dr. B., Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin, Sozialmedizin, eingeholt. In seinem Gutachten vom 14. November 2001 führte er aus, die Klägerin sei infolge eines Postpoliomyelitis–Syndroms gehunfähig. Die Rückenstreckmuskulatur sei ausgefallen. Es bestünden erhebliche Teillähmungen an den Beinen. Die Schulterbeweglichkeit sei bei fortgeschrittener Schultergelenksarthrose schmerzhaft eingeschränkt. Es bestehe eine schmerzhafte Bewegungsbehinderung des linken Kniegelenks bei Arthrosen neben der fortbestehenden Beinlähmungen. Zur Behandlung schlug er krankengymnastische Behandlung und Behandlungen vor allem auch im Bewegungsbad vor. Eine passive Übung und Lymphdrainage seien sinnvoll, zweckmäßig und notwendig. Ambulante Behandlung sei nicht ausreichend. Es sollte jährlich einmal eine stationäre Heilbehandlung, gegebenenfalls auch eine ambulante Kur, z. B. in Bad Waldsee erfolgen. Die Beklagte anerkannte (Schriftsatz vom 27. November 2001) die mit den Klagen geltend gemachten Ansprüche; sie bewilligte der Klägerin eine vierwöchige ambulante Rehabilitation in Bad Waldsee und übernahm die Kosten für einen Motomed-Ergometer in voller Höhe.
In der Folge führte die Klägerin, die bereits vom 01. bis 28. August 2000 und vom 30. Juli bis 27. August 2001 ambulante Badekuren durchgeführt hatte, jährlich stationäre medizinische Rehabilitationen auf Kosten der Beklagten durch. Solche Maßnahmen erfolgten vom 29. Juli bis 26. August 2002, vom 28. Juli bis 25. August 2003 und vom 26. Juli bis 23. August 2004 in Bad Waldsee.
Die Klägerin beantragte am 21. Januar 2005 erneut eine weitere stationäre medizinische Rehabilitation. Sie nahm Bezug auf eine am 21. Januar 2005 von Internist Dr. Bi. ausgestellte Verordnung. Dr. Bi. gab an, die Verordnung erfolge wegen zunehmender Schmerzen in der linken Schulter, nachlassender Kraft im linken Arm sowie einer Schwäche der Rücken-, Arm- und Schultermuskulatur. Ziel sei die Kräftigung der Rumpf-, Schulter- und Beckenmuskulatur. Dazu, ob diese Behandlung vor Ablauf von vier Jahren dringend erforderlich sei, machte der Arzt keine Angaben. Er empfahl eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Die Beklagte wandte sich an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. W. führte in seiner sozialmedizinischen Beratung vom 11. Februar 2005 zusammenfassend aus, ein wesentliches Rehabilitationspotenzial sei nicht vorhanden. Die vorausgegangenen jährlichen Maßnahmen hätten offensichtlich nicht den gewünschten anhaltenden Therapieerfolg gebracht. Sämtliche Erkrankungen seien langjährige chronische Leiden, weshalb die Klägerin Leistungen der Pflegeversicherung erhalte. Dringende medizinische Gründe für eine vorzeitige stationäre Rehabilitation lägen nicht vor. Mit Bescheid vom 15. Februar 2005 lehnte die Beklagte eine stationäre medizinische Rehabilitation ab. Die Voraussetzungen für eine solche erneute Behandlung vor Ablauf der vierjährigen Sperrfrist lägen nicht vor.
Am 02. März 2005 legte die Klägerin Widerspruch ein. Ein Rehabilitationspotenzial sei vorhanden. Die jährlichen Rehabilitationen hätten immer einen deutlichen Therapieeffekt (deutlich anhaltende Schmerzreduzierung und Stabilisierung) gebracht. Die Wiederholung sei wegen der Schwere der Erkrankung erforderlich. Ohne eine jährliche vorzeitige Kur könne die bei ihr noch vorhandene Beweglichkeit nicht erhalten werden; sonst drohe Bettlägerigkeit. Um einer Zunahme der Invalidität entgegenzusteuern, sei eine Aktivierung der Gelenke erforderlich, wie sie nur im Rahmen einer stationären Rehabilitation erfolgen könne. Prof. Dr. B. habe in seinem Gutachten vom November 2001 klargestellt, dass eine ambulante Behandlung an ihrem Wohnort allein nicht ausreiche. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 01. Juli 2005 Klage beim SG erhoben. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, aus dem Gutachten des Prof. Dr. B. ergebe sich nicht, dass eine jährliche stationäre Heilbehandlung medizinisch dringend indiziert sei. Er habe lediglich festgestellt, eine solche Maßnahme sei sinnvoll. Seitdem seien immerhin auch fast vier Jahre vergangen, sodass sich, da die Klägerin mittlerweile 85 Jahre alt sei, die Frage des Rehabilitationspotenzials stelle. Das SG hat Dr. Bi. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er gab in seiner Stellungnahme, am 21. September 2005 beim SG eingegangen, an, die medizinische Notwendigkeit für die erneute Kur vor Ablauf der gesetzlichen Wartefrist ergebe sich aus der Komplexität des Krankheitsbilds und aus der Tatsache, dass sich der Allgemeinzustand infolge einer neu entdeckten chronischen Darmentzündung (Colitis ulcerosa) weiter verschlechtert habe. Die Klägerin habe bisher stets von den Kurmaßnahmen profitiert. Kostspielige Krankenhausaufenthalte hätten vermieden werden können. Die Rehabilitationsziele hätten sich auf Funktionseinschränkungen, wie sie schon vor Durchführung der letzten stationären Rehabilitation im August 2004 bestanden hätten, bezogen. Diese hätten sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert. Die Klägerin habe in den letzten zwölf Monaten 96 Massagetherapien, 96 Lymphdrainagen und 96 Bewegungstherapien erhalten. Die laufende Anwendung sei für die Aufrechterhaltung des körperlichen Gleichgewichtszustands unabdingbar. Ferner hat das SG beigezogen: Entlassungsberichte der Städtischen Kurbetriebe Bad Waldsee vom 17. September 2002 (stationäre Behandlung vom 29. Juli bis 26. August 2002), der Städtischen Reha-Kliniken Bad Waldsee vom 30. August 2004 (stationäre Behandlung vom 26. Juli bis 20. August 2004) und Arztbrief des Dr. Kunz, Universitätsklinikum Tübingen (Orthopädische Klinik und Poliklinik), vom 15. Juli 2000.
Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2006 abgewiesen. Eine ausreichend günstige Rehabilitationsprognose sei nicht zu stellen. Der Arzt des MDK Dr. W. habe nachvollziehbar dargelegt, dass ein wesentliches Rehabilitationspotenzial nicht vorliege, da die vorausgegangenen jährlichen Maßnahmen offensichtlich nicht den gewünschten anhaltenden Therapieerfolg gebracht hätten. So sei der neue Antrag bereits fünf Monate nach Beendigung der letzten stationären Rehabilitationsbehandlung im August 2004 gestellt worden. Nach Angaben des Dr. Bi. seien in den letzten zwölf Monaten durchschnittlich wöchentlich über fünf Heilmittel ambulant erbracht worden. Es fehle deshalb auch an Rehabilitationsfähigkeit. Die Intensität der Heilmittelerbringung könne im Rahmen einer stationären Rehabilitation zwar noch gesteigert werden. Dies sei aber nicht realistisch. Auf das Gutachten des Prof. Dr. B. könne nicht zurückgegriffen werden. Der Zeitablauf rechtfertige es, von dessen damaliger Auffassung abzuweichen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass grundsätzlich ein Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation noch in Betracht käme, stünde einer Leistungsgewährung die noch nicht abgelaufene vierjährige Wartefrist entgegen. Eine dringende medizinische Notwendigkeit für eine vorzeitige Maßnahme könne nicht erkannt werden. Bei chronischen Krankheitsbildern könne von einer dringenden medizinischen Erforderlichkeit ausgegangen werden, wenn sich eine erhebliche Verschlechterung ergeben habe oder eine neue Erkrankung hinzugetreten sei. Beides sei nicht der Fall. Soweit Dr. Bi. auf eine neu hinzugetretene und dennoch chronische Darmerkrankung hinweise, könne daraus keine besondere Dringlichkeit hergeleitet werden. Die Rehabilitation solle auch nach seinen Angaben nicht vorwiegend bei allgemein-internistischen Erkrankungen ansetzen. Auch Prof. Dr. B. habe in seinem Gutachten nicht dargelegt, dass jährliche Maßnahmen dringend medizinisch indiziert seien. Er habe lediglich formuliert, jährliche Maßnahmen seien "sehr sinnvoll". Zudem habe er seine Äußerung dahingehend eingeschränkt, dass eine ambulante Rehabilitation ebenfalls in Betracht komme.
Die Klägerin hat am 07. Februar 2006 Berufung gegen den ihr am 25. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid eingelegt. Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Klageverfahren und die Feststellungen des Prof. Dr. B. im Gutachten vom 11. November 2001. Das SG habe sich ohne hinreichende Begründung über die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. Bi. vom September 2005 hinweggesetzt. Dieser habe sowohl eine dringende Rehabilitationsbedürftigkeit als auch eine Rehabilitationsfähigkeit bejaht und im Hinblick auf die Rehabilitationsprognose ausgeführt, sie habe von den bislang durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlungen stets nachhaltig profitiert. Die Auffassung des SG, die gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. B. aus dem Jahr 2001, auf deren Grundlage die bisherigen vorzeitigen stationären Rehabilitationen erfolgt seien, könne wegen Zeitablauf nicht mehr als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, überzeuge nicht. Die Klägerin hat auch eine Schilderung der für sie durchgeführten Pflegeleistungen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre medizinische Rehabilitationsbehandlung zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Das Gericht habe die Rahmenbedingungen eines Anspruchs auf eine stationäre Rehabilitation umfassend aufgearbeitet. Sie hat auch Gutachten des MDK vom 08. März 1995, 10. April 1997 und 16. Juli 1998 zur Frage der Pflegebedürftigkeit vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Bewilligung einer stationären medizinischen Rehabilitationsbehandlung entsprechend der Verordnung des Dr. Bi ...
1. Ein Anspruch der Klägerin auf medizinische Rehabilitationsleistungen ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass die Beklagte der Klägerin insbesondere nach dem Anerkenntnis vom 21. November 2001 in den Jahren 2002 bis 2004 jährlich durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahmen in Bad Waldsee bewilligt hat. Die Beklagte hat jeweils konkret über einzelne beantragte Rehabilitationsmaßnahmen entschieden. Eine Bindung für die Zukunft ist dadurch nicht eingetreten.
2. Die Klägerin hat wegen der bei ihr vorliegenden Erkrankungen und Behinderungen, die Prof. Dr. B. im Gutachten vom 11. November 2001 festgestellt hat, Anspruch auf Krankenbehandlung. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V umfasst der Krankenbehandlungsanspruch auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen. § 40 Abs. 1 SGB V in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378, in Kraft seit 01. April 2007, die hier anzuwenden ist bestimmt hierzu, dass die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, in wohnortnahen Einrichtungen erbringt, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenhausbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Reichen Leistungen der ambulanten Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SGB V vom 16. März 2004 (RehaRL) führen in § 7 Abs. 1 RehaRL weiter aus, dass Voraussetzung für die Verordnung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation das Vorliegen der medizinischen Indikation ist. Hierzu sind im Sinne eines vorläufigen rehabilitationsmedizinischen Assessments die Rehabilitationsbedürftigkeit (§ 8 RehaRL), die Rehabilitationsfähigkeit (§ 9 RehaRL) und eine positive Rehabilitationsprognose (§ 10 RehaRL) auf der Grundlage realistischer, für den Versicherten alltagsrelevanter Rehabilitationsziele abzuklären. Nach § 7 Abs. 2 RehaRL können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nur verordnet werden, wenn das innerhalb der Krankenbehandlung angestrebte Rehabilitationsziel voraussichtlich nicht durch Leistungen der kurativen Versorgung oder deren Kombination oder durch Leistungen der medizinischen Vorsorge nach §§ 23 und 24 SGB V erreicht werden kann. Gemäß § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V können Leistungen sowohl der ambulanten als auch der stationären medizinischen Rehabilitation nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich. Eine dringende Erforderlichkeit in diesem Sinne kann angenommen werden, wenn ohne die medizinische Rehabilitationsmaßnahme eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands droht. Daraus ergibt sich zunächst, dass eine Prognose zu stellen ist, dass ambulante Behandlungen nicht ausreichen, um die genannten Behandlungsziele zu erreichen. Weiter ist prognostisch festzustellen, dass Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation demgegenüber voraussichtlich zu einem Behandlungserfolg führen werden. Schließlich reicht die bloße Notwendigkeit solcher stationärer medizinischen Rehabilitation nicht aus, wenn - wie im Falle der Klägerin - innerhalb von vier Jahren vor der erneut beantragten Rehabilitation bereits eine ähnliche Maßnahme durchgeführt wurde. Über die bloße Notwendigkeit hinausgehend muss zusätzlich ein dringendes Bedürfnis für eine vorzeitige Inanspruchnahme der stationären Rehabilitation bestehen.
Nach diesen Maßstäben ist es bereits fraglich, ob überhaupt die Notwendigkeit einer medizinischen Rehabilitation für ambulante Behandlungen nach § 40 Abs. 1 SGB V besteht. Prof. Dr. B. hat im Gutachten vom 14. November 2001 festgestellt, dass wegen der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen, insbesondere wegen der Folgen des Postpoliomyelitis-Syndroms, des Ausfalls der Rückenstreckmuskulatur, der erheblichen Teillähmungen an den Beinen, der schmerzhaften Einschränkung der Schulterbeweglichkeit in Folge der Schultergelenksarthrose und der Bewegungsbehinderung des linken Kniegelenks, eine Krankenbehandlung notwendig ist. Er hält krankengymnastische Behandlung und Behandlungen vor allem auch im Bewegungsbad sowie die passive Übung und Lymphdrainage für sinnvoll, zweckmäßig und notwendig. Ambulante Behandlungen seien nicht ausreichend. Es sollten jährlich einmal eine stationäre Heilbehandlung, gegebenenfalls aber auch eine ambulante Kur z.B. in Bad Waldsee, erfolgen. Auch Dr. Bi. sieht eine Behandlungsbedürftigkeit wegen zunehmender Schmerzen in der linken Schulter, nachlassender Kraft im linken Arm sowie einer Schwäche der Rücken- Arm- und Schultermuskulatur. Ziel sei die Kräftigung der Rumpf-, Schulter- und Beckenmuskulatur. Allerdings erscheint es dem Senat nicht zwingend, von der Notwendigkeit krankengymnastischer Behandlungen, von Bewegungsbädern und passiver Übungen auf die Notwendigkeit, solche Maßnahmen im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation durchzuführen, zu schließen. In der Tat zeigen sich erhebliche Zweifel an einem dauerhaften Erfolg solcher Maßnahmen, weil bei der Klägerin nach Angaben des Dr. Bi. seit dem Ende der letzten stationären medizinischen Rehabilitation am 23. August 2004 durchschnittlich fünf Behandlungsmaßnahmen pro Woche mit eben dieser Zielrichtung durchführt worden sind. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen davon ausgegangen werden könnte, dass eine noch intensivere Anwendung im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation einen dauerhafteren Behandlungserfolg erzielen werde. Insbesondere die Ergebnisse der in den zurückliegenden Jahren durchgeführten medizinischen Rehabilitationen sprechen gegen eine solche Prognose. Offensichtlich wurde eine dauerhafte Stabilisierung des Gesundheitszustands nicht erreicht. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Klägerin ebenso wie Dr. Bi., der dies durch seine Verordnung dokumentierte, die Notwendigkeit einer weiteren stationären medizinischen Rehabilitation bereits etwa fünf Monate nach Abschluss der letzten stationären Behandlungen sah.
Den Zweifeln des Senats an einer für die Klägerin positiven Rehabilitationsprognose brauchte indessen nicht weiter nachgegangen werden. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass ambulante Behandlungen nicht mehr ausreichten und eine erneute stationäre medizinische Rehabilitation notwendig wäre, um den Gesundheitszustand der Klägerin positiv zu beeinflussen, kann die Klägerin die von Dr. Bi. verordnete und von ihr beantragte Leistung nicht beanspruchen. Ihrem Anspruch steht entgegen, dass die Klägerin innerhalb von vier Jahren vor dem erneuten Leistungsantrag eine gleichartige Leistung bereits in Anspruch genommen hat. Sie hat in den Städtischen Reha-Kliniken Bad Waldsee eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 26. Juli bis 20. August 2004 durchgeführt. Ein dringender, über die bloße Notwendigkeit hinausgehender Handlungsbedarf im Sinne des § 40 Abs. 4 Satz 3 SGB V ist vor diesem Hintergrund nicht festzustellen. Dringend erforderlich sind vorzeitige Rehabilitationsleistungen dann, wenn andernfalls, d.h. bei Durchführung der Kur erst nach Ablauf der Wartezeit, erhebliche gesundheitliche Schäden oder Nachteile zu befürchten wären (Höfler in Kasseler Kommentar, § 40 SGB V Rdnr. 6). Solche drohenden gesundheitlichen Schäden oder erhebliche Nachteile für die Klägerin sind nicht festzustellen. Eine dringende Notwendigkeit ergibt sich insbesondere nicht aus der Stellungnahme des Dr. Bi. gegenüber dem SG vom September 2005. Er begründet die aus seiner Sicht dringende Notwendigkeit mit dem Auftreten einer chronischen Darmerkrankung. Diese Einschätzung überzeugt nicht. Weder ist ersichtlich, welche Behandlungsmaßnahmen Dr. Bi. wegen dieser Darmerkrankung eingeleitet hatte und welche Ergebnisse diese Behandlungsmaßnahmen im Hinblick auf die Darmerkrankung hatten, noch ist nachvollziehbar, auf welche Art und Weise, mit welchem medizinisch-naturwissenschaftlichen Wirkungszusammenhang die von Dr. Bi. für notwendig gehaltenen krankengymnastischen Übungen, Bewegungsbäder und sonstigen Maßnahmen, die er als Behandlungsmethoden vorsieht, sich auf die chronische Darmerkrankung der Klägerin auswirken sollen. Ziel dieser Behandlungsmethoden ist vielmehr, wie Dr. Bi. beschrieben hat, eine Kräftigung der Muskulatur der Klägerin. Für die chronische Darmerkrankung spielen diese Behandlungsziele keine Rolle. Infolgedessen ist die von Dr. Bi. als Begründung für die Notwendigkeit einer vorzeitigen stationären medizinischen Rehabilitation genannte Darmerkrankung nicht geeignet, eine besondere Dringlichkeit zu rechtfertigen. Die besondere Dringlichkeit lässt sich insoweit auch nicht aufgrund der von der Klägerin erwähnten Lungenentzündung, wegen der eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war, herleiten. Sie kann auch nach der Beurteilung des Prof. Dr. B. nicht angenommen werden. Er hat in seinem Gutachten ausdrücklich dargelegt, dass eine jährliche Wiederholung sinnvoll sei. Eine dringende Notwendigkeit für eine jährliche Wiederholung hat aber auch er nicht gesehen. Diese ergibt sich auch nicht daraus, dass schon im Entlassungsbericht des Dr. M. vom 30. August 2004 zur Sicherung des mittel- und langfristigen Rehabilitationserfolgs auch weiterhin engmaschige Heilverfahren wie bisher jedes Jahr als dringend indiziert bezeichnet wurden.
Zusammenfassend bleibt deshalb festzuhalten, dass Gründe, die die vorzeitige Inanspruchnahme erneuter medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen vor Ablauf der vierjährigen Sperrfrist begründen könnten, entsprechend den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Dr. W. in seinem Gutachten vom 11. Februar 2005 nicht ersichtlich sind. Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens war nicht geboten.
Die Berufung war zurückzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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