L 9 R 1498/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3763/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1498/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. März 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1947 geborene Kläger kam erstmals im Oktober 1963 in die Bundesrepublik Deutschland und dann im März 1971 auf Dauer. Er hat keine Lehre absolviert und wurde nach seinen Angaben als Maurer angelernt. Von 1963 bis 1966 war er nach seinen Angaben als Maurer, von 1971 bis 1973 als Fabrikarbeiter und von 1974 bis 1985 wieder als Maurer in Deutschland beschäftigt. Von Juni bis Oktober 1986 und im Februar/März 1987 sind weitere Pflichtbeiträge entrichtet worden. Im Jahr 1996 war er nochmals einen Monat als Maurer tätig. Im Übrigen war der Kläger von Ende 1985 an durchgehend arbeitslos, wobei er vom 23.1.2003 bis 31.5.2005 keine Leistungen der Arbeitsverwaltung bezogen hat.

Am 24.4.2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Vom 2.9. bis 23.9.2002 befand sich der Kläger zu einem Heilverfahren in der F.klinik B. B. Die dortigen Ärzte stellten im Entlassungsbericht vom 4.12.2002 folgende Diagnosen: • Pseudoradikuläres LWS-Syndrom bei NPP L 5/S1 und Protrusio L 4/5 • Pseudoradikuläres HWS-BWS-Syndrom bei Protrusionen C 3/4 und 6/7 • Beginnende Gonarthrose links • Verdacht auf Somatisierungsstörung. Auf Grund dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger als Maurer nur noch drei bis sechs Stunden tätig sein. Nicht mehr zumutbar seien häufige Arbeiten in gebückter Zwangshaltung der Wirbelsäule. Körperlich leichte Tätigkeiten könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 19.2.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.

Hiergegen legte der Kläger am 20.3.2003 Widerspruch ein und machte geltend, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Er legte ein ärztliches Attest des Internisten Dr. B. vom 24.3.2003 sowie Arztbriefe des Chirurgen H. vom 4.7. und 19.7.2002 sowie der Ärztin für Neurologie U.-R. vom 24.3.2003 vor. Die Beklagte holte Befundberichte bei dem Orthopäden Dr. M. vom 19.5.2003 und dem Internisten Dr. B. vom 6.5.2003 ein und ließ den Kläger auf nervenärztlichem und orthopädischem Gebiet begutachten.

Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Dr. K., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, gab der Kläger an, er lebe seit 1971 in Deutschland, habe zeitweilig in der Fabrik gearbeitet, als Montagearbeiter in S.-U., später bei der Firma D. Holzverarbeitung, überwiegend jedoch als Bauhilfsarbeiter, zuletzt in H. bei R ... Dr. K. führte im Gutachten vom 2.9.2003 aus, es ergäben sich weder Hinweise auf eine relevante spinale Schädigung noch Hinweise auf eine motorische Wurzelläsion und auch keine Hinweise auf eine neurologische Systemkrankheit oder eine zerebrale Mangeldurchblutung. Psychisch wirke der Kläger der Lage entsprechend kompensiert, ohne Zeichen einer Depression. Somit bestehe allenfalls der Verdacht auf eine Überlagerung der körperlichen Beschwerden durch eine Somatisierungsstörung. Eine relevante Einschränkung der Erwerbsfähigkeit resultiere daraus nicht. Folgende Diagnosen seien zu stellen: • Wurzelirritation S 1 rechts bei Bandscheibenschaden • Tinnitus ohne Gefäßstenose • Verdacht auf Somatisierung. Der Kläger sei als Bauarbeiter sechs Stunden und mehr einsetzbar und könne mittelschwere Tätigkeiten ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr verrichten.

Der Orthopäde Dr. K. stellte beim Kläger im Gutachten vom 11.9.2003 folgende (Haupt-) Diagnosen: • Wiederkehrende LWS-Beschwerden bei beginnenden Aufbraucherscheinungen und Bandscheibenvorfall im Segment L 5/S 1 mit Nervenwurzeleinengung sowie Nervenwurzelreizzeichen entsprechend Dermatom S 1 rechts • Beginnende Aufbraucherscheinungen beider Kniegelenke mit mäßiger Bandinstabilität und linksseitiger Bakerzyste bei freier Kniegelenksbeweglichkeit beidseits • Beginnende Aufbraucherscheinungen der Langfingermittelgelenke der rechten Hand mit geringer endgradiger Bewegungseinschränkung. Als angelernter Maurer sei der Kläger nicht mehr einsetzbar. Schwere und mittelschwere Tätigkeiten seien dem Kläger nicht mehr zumutbar. Leichte Tätigkeiten ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, ohne häufiges Knien und/oder Hocken, ohne volle Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand bezüglich Grob- und Feinmotorik könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.11. 2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 12.12.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgte.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers (Orthopäde Dr. M., Internisten Dr. B. und Dr. G.-F.) schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 8.3., 12.3. und 22.3.2004), holte eine Auskunft beim letzten Arbeitgeber des Klägers, der Firma K. Bau, sowie ein orthopädisches Gutachten ein.

Die Firma K. Bau erklärte am 25.3.2004, der Kläger sei bei ihr vom 1.7. bis 1.8.1996 mit Maurerarbeiten beschäftigt gewesen. Er sei in die Lohngruppe für Maurer (DM 22,- pro Stunde) eingruppiert gewesen. Über die Qualifikation der Tätigkeit des Klägers könne auf Grund der kurzen Beschäftigungsdauer kein Urteil abgegeben werden.

Eine ergänzende Anfrage des SG vom 28.6.2004 zu seiner beruflichen Qualifikation ließ der Kläger unbeantwortet.

Der Orthopäde und Rheumatologe Dr. H. stellte im Gutachten vom 24.11.2004 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: • Deutlich aggravierende Somatisierungsstörung • Lumbale und zervikale Diskosen ohne Radikulopathie • Bakerzyste linke Kniekehle bei initialer Gonarthrose beidseits, retropatellar betont • Zustand nach Endgliedteilamputation am 3. und 4. Finger der linken Hand • Aggravierte Periarthritis humeroscapularis links. Auf Grund dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger nur leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Zwangshaltungen und häufigem Bücken verrichten. Auszuschließen seien das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, häufiges Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an gefährdenden Maschinen, in Zugluft, Kälte und Nässe, mit Nachtschicht, Akkord- und Fließbandarbeiten. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Mit Urteil vom 24.3.2005 wies das SG die Klage - gestützt auf die Gutachten von Dr. H., Dr. K. und Dr. K. - ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das am 8.4.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.4.2005 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, da bei ihm atypische Leistungseinschränkungen vorlägen, sei die Beklagte verpflichtet, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Auch berufe er sich auf seinen Berufschutz als Maurer, da er als Maurer gearbeitet habe. Hierzu hat der Kläger Versicherungsnachweise und weitere Unterlagen seiner früheren Arbeitgeber vorgelegt, aus denen sich folgende Beschäftigungsverhältnisse als Bauwerker, Maurer und Betonarbeiter bei folgenden Bauunternehmungen ergeben: 15.3. bis 23.7.1971 Fa. M. R. 8.5. bis 25.7.1973 Fa. G. N. 31.7. bis 13.9.1973 Fa. A. L R. 15.5. bis 31.5.1974 Fa. G. R. 27.6. bis 31.12.1974 Fa. K. M. 18.12. bis 31.12.1975 Fa. K. M. 1.1. bis 21.1.1976 Fa. K. M. 13.3. bis 24.4.1978 Fa. J. R. 26.4. bis 31.12.1978 Fa. N. L. 1.1. bis 19.09.1979 Fa. N. L. 1.1. bis 31.10.1983 Fa. B. K. 10.5.1984 bis 31.5.1985 Fa. W. S. E. 12.9. bis 26.11.1985 Fa. R. R. 1.7. bis 1.8. 1996 Fa. K. Bau H.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. März 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. November 2003 aufzuheben und ihm ab 1. April 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, höchst hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat ärztliche Stellungnahmen von Medizinaldirektorin Dr. N. vom 2. und 8.12.2005, 7.2. und 22.3.2006 sowie von Dr. W. vom 27.4.2006 vorgelegt.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat Dr. R., Ärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Diese hat im Gutachten vom 9.11.2005 beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: • Chronisches myofasziales Schmerzsyndrom mit Verdacht auf schwere Somatisierungsstörung • NPP L 4/5 und L 5/S 1 mit Spinalkanalstenose L 3 bis 5 und Wurzelkompression S 1 • Gonarthrose beidseits • Verdacht auf Asthma bronchiale • Degeneratives HWS-Syndrom • Beginnende Fingerpolyarthrose. Der Kläger sei in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben von Lasten unter zwei kg, ohne Zwangshaltungen, ohne häufiges Bücken und Treppensteigen, ohne Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit, ohne extreme Temperaturbeeinflussungen, ohne Einwirkung von Staub und Gasen aus internistischer und orthopädischer Sicht in Vollzeit zu verrichten. Aus internistisch-rheumatischer Sicht seien die Tätigkeiten nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich möglich, da das chronische Schmerzsyndrom auf Grund der Chronifizierung und Therapieresistenz die Leistungsfähigkeit entsprechend einschränke. Nach zwei Stunden brauche der Kläger Pausen von 15 bis 30 Minuten, es müsse sich um Tätigkeiten ohne Belastung der Wirbelsäule handeln.

Der Senat hat Arztbriefe der Neurologin U.-R. vom 24.3. und 24.9.2004, 5.10.2005 sowie 24.2.2006 beigezogen. Der Kläger hat Arztbriefe des Orthopäden Dr. B. vom 6.3. und 19.7.2006, der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Drs. B./B./K. vom 17.11.2005, des Röntgen-Instituts Dr. V. vom 28.9.1999, 16.5.2003 und 7.7.2006 vorgelegt.

Der Senat hat Professor Dr. Dr. W. mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 19.10.2006 beim Kläger einen alten Nervenwurzelschaden S 1 rechts bei Bandscheibenvorfall im Segment LWK 5/SWK 1 1996 sowie eine Hypästhesie des 1. und 2. Fingers rechts seit 1991 diagnostiziert. Eine Depression und eine Somatisierungsstörung hat er ausgeschlossen. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig verrichten. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.2.2007 hat der Kläger Arztbriefe des Orthopäden Dr. B. vom 9.2.2007 und des Radiologen Dr. V. vom 14.2.2007 vorgelegt. Außerdem wurde der Vermerk über ein Telefongespräch der Berichterstatterin mit dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers W. S. vom 25.1.2007 verlesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die an eine Rentengewährung geknüpften Voraussetzungen zutreffend benannt und das Beweisergebnis frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Hierbei ist es ausführlich auf die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen eingegangen; auch hat es überzeugend begründet, weshalb es den Beurteilungen des Drs. H., K. und K. gefolgt ist. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG uneingeschränkt an und sieht deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab. Ergänzend ist auszuführen, dass auch der Senat zu der Überzeugung gelangt ist, dass eine Erwerbsminderung des Klägers, d. h. ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich derzeit noch nicht vorliegt. Dies ergibt sich im wesentlichen aus der Gesamtwürdigung des Entlassungsberichts der F.klinik vom 4.12.2002, der Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 2.9.2003, des Orthopäden Dr. K. vom 11.9.2003, des Orthopäden und Rheumatologen Dr. H. vom 24.11.2004, der Internistin und Rheumatologin Dr. R. vom 9.11.2005 sowie von Professor Dr. Dr. W. vom 19.10.2006. Danach leidet der Kläger im wesentlichen unter folgenden, seine berufliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen: • Rezidivierende LWS-Beschwerden bei Bandscheibenvorfall LWK 5/SWK 1 1996 • Degeneratives HWS-Syndrom • Bakerzyste linke Kniekehle bei beginnender Gonarthrose beidseits, retropatellar betont • Hypästhesie des 1. und 2. Fingers der rechten Hand seit 1991 • Zustand nach Endgliedteilamputation am 3. und 4. Finger der linken Hand. Auf Grund der im wesentlichen auf orthopädischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen kann der Kläger keine schweren Arbeiten mehr verrichten. Vermeiden muss er Tätigkeiten mit Zwangshaltungen, häufigem Bücken und Treppensteigen, auf Leitern und Gerüsten, an gefährdenden Maschinen, in Zugluft, Kälte und Nässe, mit Nachtschicht sowie Akkord- und Fließbandarbeiten. Der Kläger ist jedoch nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr als täglich zu verrichten. Bei den gutachterlichen Untersuchungen befand sich der Kläger jeweils in gutem Allgemeinzustand und normalem Ernährungszustand (175 cm, 72 kg). Das Lasèquezeichen war negativ, die Reflexe waren seitengleich auslösbar. An der rechten Hand war das Oberflächenempfinden des 1. und 2. Fingers (seit 1991) leichtgradig gemindert; an der linken Hand fanden sich reizlose Endgliedstümpfe der Finger 3 und 4. Die Gelenke an den oberen Extremitäten waren frei beweglich. Der Händedruck des Klägers war schwach, obwohl die Handmuskulatur kräftig ausgeprägt war. Bei der gutachterlichen Untersuchung durch Professor Dr. Dr. W. fiel auf, dass bei den Einzelkraftprüfungen an den Händen nur ein Kraftgrad von 3 von 5 erreicht wurde, während der Kläger - z. B. beim Anziehen der Hose - kraftvoller zugreifen konnte. Wegen Hypästhesie an den Fingern 1 und 2 rechts sowie wegen der Endgliedteilamputation am 3. und 4. Finger der linken Hand scheiden Arbeiten aus, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände bezüglich Feinmotorik und grober Kraft erfordern. Die von Dr. H. diagnostizierte Somatisierungsstörung bzw. das von Dr. R. diagnostizierte chronische myofasziale Schmerzsyndrom mit Verdacht auf schwere Somatisierungsstörung konnte von Professor Dr. Dr. W., Chefarzt der Neurologischen Klinik des Bezirkskrankenhauses G. und Arzt für Neurologie und Psychiatrie, nicht bestätigt werden. Auf neurologischem Gebiet liegt lediglich ein alter Nervenwurzelschaden S1 rechts vor, der zu keiner funktionell relevanten Beinlähmung führt. Der Kläger präsentierte sich bei der gutachterlichen Untersuchung temperamentvoll, eloquent und gepflegt und vertrat sein Anliegen selbstbewusst. Es bestanden bei der Untersuchung durch Professor Dr. Dr. W. - wie auch bei den Untersuchungen durch Dr. K. und Dr. R. - deutliche Diskrepanzen zwischen den geringgradigen objektiven Befunden und den geklagten Beschwerden. Der Umstand, dass der Kläger keine Schmerzmittel mehr einnimmt, nicht über Schlafstörungen geklagt hat und in der Lage ist, seine Freizeit zu gestalten und Kontakte zu unterhalten, spricht auch dagegen, dass die berufliche Leistungsfähigkeit durch die Schmerzen gravierend eingeschränkt ist. So liest der Kläger gern Romane, macht viel Gymnastik, geht ins Schwimmbad zum Wasser treten, hat intensiven Kontakt zu früheren Arbeitskollegen, die er regelmäßig trifft. Er war im Jahr 2005 in der Lage, sich mit dem Flugzeug nach Süditalien zu begeben, um seine Geschwister zu besuchen. Soweit Dr. R. den Kläger wegen des chronischen Schmerzsyndrom nicht mehr für in der Lage hält, mindestens sechs Stunden zu arbeiten, folgt der Senat ihrer Beurteilung nicht, zumal sie selbst ausführt, dass es nicht in ihr Fachgebiet fällt zu beurteilen, ob der Kläger in der Lage ist, den Schmerz zu überwinden und körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Die für die Beurteilung von Schmerzen zuständigen Neurologen und Psychiater Dr. K. und Professor Dr. Dr. W. kommen - wie oben dargelegt - zu dem den Senat überzeugenden und nachvollziehbaren Ergebnis, dass der Kläger körperlich leichte Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Die Tatsache, dass beim Kläger seit Ende Januar 2007 wieder verstärkt Schmerzen im Bereich der LWS aufgetreten sind, die der ambulanten Behandlung bedürfen, ändert nichts an dieser Beurteilung, da damit noch keine volle oder teilweise Erwerbsminderung auf nicht absehbare Zeit iSd § 43 Abs. 2 Satz 2 bzw. Abs. 1 Satz 2 SGB VI eingetreten ist. Zusammenfassend ist der Kläger unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihm diagnostizierter Gesundheitsstörungen nach alledem noch in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Der Kläger ist somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Dem Kläger ist somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für ihn zuständige Arbeitsagentur einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, wie Dr. K., Dr. R. und Professor Dr. Dr. W. ausdrücklich bestätigt haben. Auch benötigt der Kläger wegen der Schmerzen keine betriebsunüblichen Pausen, wie Prof. Dr. Dr. W. dargelegt hat. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So sind die dem Kläger noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten, Zwangshaltungen, häufigem Bücken und Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an gefährdenden Maschinen, in Zugluft, Kälte und Nässe verbunden. Der Ausschluss an Arbeiten mit Nachtschicht, Akkord- und Fließbandarbeiten sowie von Feinarbeiten mit der rechten Hand bzw. mit grober Kraft führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die dem Kläger noch zumutbaren Arbeiten (Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) zu ebener Erde in normaltemperierten Räumen in Normalarbeitszeit verrichtet werden und keine besondere Anforderungen an die Feinmotorik und die grobe Kraft der Hände stellen. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbaren Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 1, 2 u. 4).

Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit kommt vorliegend nicht in Betracht. Nach Aktenlage ist der Kläger aufgrund seines beruflichen Werdeganges nach dem von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSGE 43, 243 [246]; 59, 249 ff.; 62, 74 ff.), dem sich der Senat anschließt, als allenfalls angelernter Arbeiter einzustufen. Eine dreijährige Lehre als Maurer mit erfolgreicher Abschlussprüfung hat der Kläger nicht absolviert. Nach seinen eigenen Angaben wurde er als Maurer lediglich angelernt; dementsprechend hat er gegenüber Dr. K. (Gutachten vom 2.9.2003) selbst angegeben, er sei überwiegend als Bauhilfsarbeiter, zuletzt in H. bei R. beschäftigt gewesen. Die Firma K. Bau, bei der der Kläger zuletzt im Jahr 1996 vom 1.7. bis 1.8.1996 beschäftigt war, vermochte angesichts der kurzen Beschäftigungsdauer keine Angaben über die Qualität der Tätigkeit des Klägers zu machen. Da der Kläger zuvor letztmalig im Jahr 1985 gearbeitet hat und überwiegend nur kurzfristig beschäftigt war, fehlen sämtliche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger über die theoretischen und praktischen Kenntnisse eines gelernten Maurers mit Abschlussprüfung verfügt hat. W. S., in dessen Firma der Kläger vom 10.5.1984 bis 31.5.1985 beschäftigt war, hat am 25.1.2007 erklärt, der Kläger habe über Kenntnisse als Maurer verfügt, er sei kein Hilfsarbeiter gewesen. Nach den vielen Jahren könne er aber nicht mehr sagen, ob der Kläger über die theoretischen und praktischen Kenntnisse eines gelernten Maurers verfügt habe. Unterlagen über die Beschäftigung des Klägers seien nicht mehr vorhanden. Angesichts dessen sieht der Senat keine Notwendigkeit, weitere Ermittlungen zum Berufschutz des Klägers durchzuführen, zumal die sonstigen Beschäftigungsverhältnisse noch weiter zurückliegen und überwiegend kurzfristig waren. Selbst wenn man den Kläger als angelernten Arbeiter des oberen Bereichs (Anlernzeit ein bis zwei Jahre) einstufen würde, wäre er nämlich auf die Tätigkeit eines Pförtners verweisbar. Hierbei handelt es sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, die überwiegend im Sitzen bzw. in wechselnder Körperhaltung verrichtet werden kann. Wenn der Kläger dagegen als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs (Anlernzeit drei Monate bis ein Jahr) einzustufen wäre, wofür auch die Vielzahl der kurzfristigen Arbeitsverhältnisses sprechen, wäre er auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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