L 13 AL 3755/07 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2472/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3755/07 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 145 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegte statthafte und zulässige Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Ulm ist unbegründet, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Zunächst ist festzustellen, dass, nachdem das Sozialgericht die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, die Berufung der Zulassung auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts bedarf (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG), denn der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt bei der erhobenen isolierten Anfechtungsklage 500 EUR nicht. Mit der Anfechtung des Aufhebungsbescheids vom 11. April 2006 (Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006) will der Kläger erreichen, dass ihm Arbeitslosengeld für die Zeit vom 3. April bis 19. April 2006 in Höhe von kalendertäglich 26,05 EUR weitergezahlt wird; der Beschwerdewert beläuft sich also für 17 Tage auf lediglich 442,85 EUR und erreicht damit den gesetzlichen Beschwerdewert nicht. Es liegt deshalb auch nicht der Fall des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG vor, wonach die Berufung nicht beschränkt ist, wenn sie wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Berufung ist nicht zuzulassen. § 144 Abs. 2 SGG verpflichtet zur Zulassung der Berufung, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Zulassungsgrundes zu § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit BSGE 2, 129, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr. 16). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie bereits entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4 S. 5; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 S. 2). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7). Klärungsbedürftige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind hier nicht zu beantworten. Nach dem der seit 1. Dezember 2005 im Leistungsbezug stehende Kläger durchgehend vom 20. Februar bis 3. April 2006 arbeitsunfähig erkrankt war, hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 11. April 2006 die Bewilligungsentscheidung ab 3. April 2006 aufgehoben. Verwaltungsverfahrensrechtlich verpflichtet § 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Beklagte zur Aufhebung eines vor ihr erlassenen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung für die Vergangenheit, sofern nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten und die Voraussetzungen eines Tatbestandes, der nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 SGB X die vergangenheitsbezogene Aufhebung erlaubt, erfüllt sind. Weder in Bezug auf den Eintritt einer wesentlichen Änderung noch in Bezug auf die Aufhebungsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 SGB X werden klärungsbedürftige Rechtsfragen aufgeworfen. Dass bei einer während des Bezugs von Arbeitslosengeld eintretenden Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung ein Anspruch auf Arbeitslosengeld im Sinn einer Leistungsfortzahlung lediglich für die Dauer von sechs Wochen besteht, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, nämlich aus § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als sechs Wochen, besteht kein Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld, sondern auf Krankengeld gegenüber der Krankenkasse. Deshalb hat der Kläger auch für den 3. April 2006 Krankengeld erhalten. Insoweit ist geklärt, dass mit § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Dauer von sechs Wochen ein Wechsel des Sozialversicherungsträgers vermieden werden soll (vgl. BSG, Urteil vom 7. Februar 2002 - B 7 AL 28/01 R in DBlR 4753a SGB III/§ 126; Urteil vom 20. Februar 2002 - B 11 AL 59/01 R - in DBlR 4744a, AFG/§ 105b m.w.N.). Gleichzeitig führt eine mehr als sechswöchige krankheitsbedingte Unterbrechung der Verfügbarkeit und damit der Arbeitslosigkeit dazu, dass nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGG III die Arbeitslosmeldung erlischt, Arbeitslosengeld also erst wieder geleistet werden kann, wenn der Arbeitslose sich erneut arbeitslos gemeldet hat. Abgesehen davon, dass das Sozialgericht entsprechend der im Klageverfahren fortgesetzten Beschränkung der Anfechtung auf den Aufhebungsbescheid nicht über die Rechtmäßigkeit der Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab der erneuten Arbeitslosmeldung am 20. April 2006 entschieden hat, sind auch in Bezug auf § 122 Abs. 2 Nr. 1 SGB III keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen ersichtlich. Dass diese Vorschrift auch bei einer krankheitsbedingten Unterbrechung der Arbeitslosigkeit anwendbar ist, ist in der Rechtsprechung und Literatur geklärt (vgl. BSGE 93, 209, 211; BSG SozR 4-4300 § 122 Nr. 3; Steinmeyer in Gagel, SGB III mit SGB II, § 122 Rz. 43 und Brand in Niesel, SGB III, § 122 Rz. 7). Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich auch nicht, soweit es um die Anwendbarkeit von § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 SGB X geht. Das Sozialgericht hat die vergangenheitsbezogene Aufhebung dem Bescheid folgend am Prüfungsmaßstab des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X gemessen. Ob das zutreffend war oder ob nicht vielmehr § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X eine Aufhebung trägt, hat der Senat in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Denn auch in Bezug auf den vom Sozialgericht herangezogenen § 48 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X stellen sich keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Die Frage, ob das Verhalten des Klägers grob fahrlässig war, ist eine Tatfrage und keine Rechtsfrage. Auch die nach Beschlussfassung im Schriftsatz vom gleichen Tag gemachten Ausführungen des Klägers vermögen hieran nicht zu ändern.

Das Sozialgericht ist auch nicht von einer Entscheidung der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abgewichen (vgl. dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr. 61). Schließlich ist auch nicht der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG erfüllt. Zwar hat der Kläger einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel geltend gemacht. Dieser liegt jedoch nicht vor. Die Rüge des Klägers, das Sozialgericht habe für seine Feststellung, ihm sei ein Merkblatt ausgehändigt worden, seine sich aus § 103 SGG ergebende Pflicht der Sachaufklärung dadurch verletzt, dass es unterlassen habe, den zuständigen Sachbearbeiter zu vernehmen oder den Kläger anzuhören, greift nicht durch. Angesichts dessen, dass der Kläger im Antrag auf Arbeitslosengeld am 1. Dezember 2005 unterschriftlich versichert hat, das Merkblatt 1 erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben, dieser Vorgang aber vom Kläger weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren substantiiert bestritten wurde, hat es sich für das Sozialgericht nicht aufdrängen müssen, in der vom Kläger aufgezeigten Richtung zu ermitteln, zumal auch kein Beweisantrag gestellt wurde; abgesehen davon stellt die Anhörung des Klägers nach dem SGG kein Beweismittel dar.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts vom 11. April 2006 wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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