L 9 AL 2724/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 3481/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AL 2724/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozial- gerichts Freiburg vom 28. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin Anspruch auf eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme in Form einer Umschulung hat.

Die 1966 geborene Klägerin ist gelernte Fremdsprachenkorrespondentin und war zuletzt vom 9.2.2000 bis 8.2.2002 als Sekretärin bei der T. Deutschland GmbH in F. beschäftigt. Anschließend bezog sie Arbeitslosengeld, zeitweise Arbeitslosenhilfe und ab 1.1.2005 Arbeitslosengeld II. Seit Oktober 2004 arbeitet die Klägerin 12 bis 14 Stunden wöchentlich als Leiterin einer Hausaufgabengruppe beim C.verband.

Mit Schreiben vom 11.6.2002 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf ärztliche Atteste, wonach eine Tätigkeit mit einseitiger Sitzposition wie Bildschirmarbeit bzw. Zwangshaltungen zu vermeiden seien, die Gewährung einer Umschulung. Die Arbeitsamtsärztin des Arbeitsamtes (nunmehr Arbeitsagentur) F. N. diagnostizierte bei der Klägerin im Gutachten vom 12.8.2002 folgende Gesundheitsstörungen: 1. Wiederkehrendes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei Fehlstatik der Wirbelsäule 2. Hinweis auf psychosomatische Reaktion bei psychophysischer Erschöpfung 3. Kniebeschwerden unklarer Ursache 4. Schwachsichtigkeit rechts mit gestörtem räumlichem Sehen. Eine überwiegend sitzende Bürotätigkeit erscheine weiter denkbar. Aufgrund des Hinweises auf eine psychosomatische Störung seien zunächst medizinische Maßnahmen empfohlen worden. Eine berufliche Rehabilitation erscheine daher nicht zwingend erforderlich.

Nachdem sich die Klägerin am 29.7.2002 bei der Arbeitsagentur F. arbeitslos gemeldet und ihr Begehren auf Umschulung aufrecht erhalten hatte, führte der dortige Arbeitsamtsarzt Dr. W. unter dem 13.2.2003 aus, nach dem Gutachten der Arbeitsagentur F. und den vorliegenden ärztlichen Attesten könne die Klägerin eine leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltungen und ohne lange einseitige Körperhaltung vollschichtig verrichten. In Anbetracht der Hinweise auf eine eingeschränkte psychische Belastbarkeit sollten zunächst Tätigkeiten mit hohen psychischen Belastungen (Nacht-, Wechselschicht, besonders hoher Zeitdruck) vermieden werden. Die Beklagte sah daraufhin den Antrag der Klägerin auf Umschulung als Antrag auf Förderung der beruflichen Weiterbildung an und nicht als Antrag auf Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben.

Mit Bescheid vom 17.3.2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung der Notwendigkeit einer Umschulung ab, da die Vermittlungsbemühungen im Ausbildungsberuf nicht ausgeschöpft seien. Bis zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung seien die Vermittlungsbemühungen zeitlich eingeschränkt gewesen, diese könnten nunmehr wieder uneingeschränkt aufgenommen werden. Die Vermittlung in Arbeit habe Vorrang vor Förderung einer Umschulung. Eine Umschulung sei mithin nicht notwendig.

Hiergegen legte die Klägerin am 7.4.2003 Widerspruch ein und trug vor, auf Grund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen sei es ihr nicht mehr möglich, ganztägig in ihrem Beruf als Sekretärin oder Fremdsprachenkorrespondentin zu arbeiten. Ihr sollte zumindest eine Qualifizierungsmaßnahme angeboten werden, um sie wieder im Arbeitsmarkt einzugliedern.

Am 15.4.2003 wurde der Klägerin die Beurteilung im arbeitsamtsärztlichen Gutachten bekannt gegeben und ihr mitgeteilt, dass kein Reha-Fall gegeben sei. Sie stellte dabei die Beurteilung in Frage und wollte Widerspruch einlegen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Notwendigkeit einer beruflichen Weiterbildung sei gegeben, wenn ohne eine Bildungsmaßnahme Vermittlungschancen in angemessener und absehbarer Zeit nicht bestünden. Die Qualifikation und Gefragtheit des Berufs der Klägerin in der Region, bedingt auch durch eine starke Fluktuation, lasse eine positive Beschäftigungsprognose zu. Demgegenüber lasse die Teilnahme an einer beruflichen Umschulung unter Berücksichtigung des allgemein schwierigen Arbeitsmarktes nicht erwarten, dass dadurch die Eingliederungschance der Klägerin erheblich verbessert würde. Es bestehe damit nicht die begründete Aussicht, dass nach der Umschulungsmaßnahme eher ein angemessener Dauerarbeitsplatz verschafft werden könnte.

Hiergegen erhob die Klägerin unter Vorlage von ärztlichen Attesten der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S., F., vom 22.2. und 11.6.2002 und Dr. S.-B. vom 5.12.2002 am 3.11.2003 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg, mit der sie vortrug, die durch ihre dreizehnjährige Tätigkeit als Sekretärin ausgelösten Beschwerden sprächen aus medizini- scher Sicht für eine Umschulung. Außerdem würden sich ihre Chancen auf Wiedereingliederung ins Berufsleben durch eine Umschulung verbessern.

Durch Gerichtsbescheid vom 28.6.2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Verfahrensgegenstand sei vorliegend ausschließlich der Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung gem. §§ 77 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) III sowie der insoweit ablehnende Bescheid der Beklagten vom 17.3.2003 i. d. F. des Widerspruchsbescheids vom 8.10.2003. Auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid werde Bezug genommen. Erforderlich sei, dass die Weiterbildung zur beruflichen Eingliederung notwendig sei. Dies sei bei der Klägerin auf Grund der bereits überdurchschnittlich günstigen Beschäftigungsprognose in ihrem erlernten Beruf nicht der Fall. Das SG weise darauf hin, dass die Erklärungen der Klägerin als Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gem. §§ 97 SGB III anzusehen seien. Diesen Antrag habe die Beklagte anlässlich der persönlichen Vorsprache der Klägerin am 15.4.2003 abgelehnt. Die Mitteilung des so genannten "Reha-Nein", die sich aus dem Beratungsvermerk von diesem Tag ergebe, stelle nach Überzeugung des Gerichts einen Verwaltungsakt dar. Gegen diesen Bescheid habe die Klägerin bereits am 15.4.2003 sinngemäß Widerspruch eingelegt, über den die Beklagte bisher nicht entschieden habe.

Gegen den am 29.6.2004 als Übergabe-Einschreiben zur Post gegebenen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12.7.2004 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, sie sei seit dem 9.2.2002 arbeitslos. In ihrem Beruf habe sie keine Beschäftigung gefunden, sodass die Prognose in ihrem Beruf negativ sei. Aus medizinischer Sicht sei die Ausübung des Berufs einer Sekretärin nicht mehr möglich. Eine Umschulung sei dringend erforderlich, um sie wieder ins Berufsleben einzugliedern.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Juni 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihr Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung bzw. der Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und erwidert, einen eindeutigen Zielberuf, bei dem die Vermittlungsaussichten erheblich besser seien, habe die Klägerin nicht angegeben. Sie habe sich vielmehr mit dem Gedanken getragen, sich im Bereich der Erwachsenenbildung selbstständig zu machen, einen Beruf im Hotelfach oder als Reiseleiterin auszuüben.

Der Senat hat mit Beschluss vom 26.4.2006 die ARGE Landkreis B. H., von der die Klägerin seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II bezieht, zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene hat vorgetragen, zu keinem Zeitpunkt habe die Klägerin bei ihr konkret eine Umschulung i. S. v. § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. §§ 77 ff. SGB III begehrt. Vielmehr habe sie wiederholt erwähnt, sie bemühe sich seit längerem um eine Umschulung gem. §§ 97 ff. SGB III. Diesen Teil der Arbeitsvermittlung nehme die Beigeladene nicht wahr, sondern habe ihn an die Agentur für Arbeit Freiburg übertragen und die Klägerin mit ihrem Begehren dorthin verwiesen. Bezüglich der begehrten Umschulung schließe sich die Beigeladene dem bisherigen Vortrag der Beklagten an. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass gem. § 10 SGB II die Zumutbarkeitsgrenzen wesentlich weiter gefasst seien. Der Klägerin sei unter Berücksichtigung etwaiger gesundheitlicher Einschränkungen jede Arbeit zumutbar, unabhängig davon, ob sie ihrer Vorbildung entspreche oder geringerwertig sei. Bereits aus diesem Grunde werde keine Notwendigkeit einer Umschulung gem. § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. §§ 77 ff SGB III gesehen.

Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte am 27.7.2005 erklärt, zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides habe es im Arbeitsamtsbezirk F. 26 offene Stellen für Sekretärinnen und 274 Bewerber für derartige Stellen sowie 14 Bewerber um Stellen als Fremdsprachenkorrespondentinnen gegeben. Nunmehr gebe es eine offene Stelle für Korrespondenten und 12 für Sekretärinnen und 12 Bewerber um Korrespondenten- und 238 um Sekretärinnenstellen. Die Beklagte hat die Beratungsvermerke (BewA-Ausdrucke) und die ärztlichen Unterlagen vorgelegt. Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich gehört.

Der Orthopäde Dr. F. hat am 28.8.2006 angegeben, er habe die Klägerin vom 4.3. bis 22.3.2005 behandelt. Sie habe über Nacken-Schulter-Beschwerden und Schmerzen im linken Schultergelenk geklagt. Er habe ein rezidivierendes Zervikalsyndrom und eine Periarthropathia humeroscapularis links diagnostiziert. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er nicht ausgestellt.

Der Orthopäde Dr. K. hat am 20.6.2006 mitgeteilt, er habe die Klägerin einmal am 13.11.2002 untersucht und eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule veranlasst; über das Ergebnis sei er nicht informiert worden.

Die Ärztin Dr. S.-B. hat am 1.9.2006 erklärt, sie habe die Klägerin in der Zeit vom 8.10. bis 13.12.2002 viermal behandelt (8.10.: Akute Virusinfektion, 11.11.: Akutes Wirbelsäulensyndrom, 4.12.: Akutes Lendenwirbelsäulensyndrom und 13.12.: Kontrolle LWS-Syndrom). Sie habe die Klägerin vom 11.11. bis 15.11.2002 wegen eines akuten Wirbelsäulen-Syndroms krankgeschrieben; die Arbeitsunfähigkeit habe sich auf sämtliche Tätigkeiten bezogen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, der Beigeladenen, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden, da die Klägerin weder Anspruch auf Förderung von beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen noch auf Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben hat.

Ausgehend von dem von der Klägerin (sinngemäß) gestellten Antrag im SG-Verfahren handelt es sich um eine kombinierte Anfechtung- und Leistungsklage. Da auf die begehrte Leistung jedoch kein Rechtsanspruch besteht, da diese im Ermessen der Beklagten bzw. Beigeladenen steht,

ist die richtige Klageart die Aufhebungs- und Verpflichtungsklage gem. § 54 Abs. 1 SGG. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Klage ist bei beiden Klagearten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 54 Rdnr. 34 mit weiteren Nachweisen).

Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann die Agentur für Arbeit als Leistungen zur Eingliederung in Arbeit alle im Dritten Kapitel, im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels, im Fünften Kapitel, im Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten Kapitels und die in den §§ 417, 421g, 421i, 421k und 421m des Dritten Buches geregelten Leistungen erbringen. Für Eingliederungsleistungen an erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige nach diesem Buch gelten die §§ 97 bis 99, 100, § 109 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Dritten Buches entsprechend (Satz 2). Soweit dieses Buch für die einzelnen Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 keine abweichenden Voraussetzungen regelt, gelten diejenigen des Dritten Buches.

Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 77 Abs. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn 1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Arbeitsagentur erfolgt ist und 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Die Beklagte hat in der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht zu Unrecht die Notwendigkeit einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme verneint.

Die Notwendigkeit einer Förderung der beruflichen Weiterbildung ist gegeben, wenn keine alternative Eingliederungsmaßnahme zur Verfügung steht (vgl. BSG SozR 4100 § 44 Nr. 33). Als alternative Eingliederungsmaßnahme kommt insbesondere die Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung des ersten Arbeitsmarktes in Betracht (vgl. Niewald in Gagel, SGB III, Stand Juni 2006 § 77 Rdnr. 22 u. 23). Die Beklagte hat zu Recht ausgeführt, dass die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor der Förderung einer Umschulung hat und dass angesichts des allgemein schwierigen Arbeitsmarktes die Teilnahme an einer beruflichen Umschulung nicht erwarten lässt, dass dadurch die Eingliederungschance der Klägerin erheblich verbessert und die begründete Aussicht bestehen würde, dass der Klägerin infolge der Maßnahme ein angemessener

Dauerarbeitsplatz verschafft werden könnte. Diese Beurteilung überzeugt den Senat, zumal schon nicht ersichtlich ist, in welchen Beruf, in dem die Vermittlungschancen günstiger wären als bei der Tätigkeit als Sekretärin/Fremdsprachenkorrespondentin, die Klägerin umschulen wollte bzw. will. Hinzukommt, dass die Klägerin in dem angestrebten Umschulungsberuf keine Berufserfahrung aufweisen würde, was dagegen bei der Tätigkeit als Sekretärin/Fremdsprachenkorrespondentin der Fall ist, sodass auch dieser Umstand dagegen spricht, dass sich die Vermittlungschancen der Klägerin durch eine Umschulung verbessern würden. Da schon die Tatbestands-Voraussetzungen für eine Förderung der beruflichen Weiterbildung nicht vorliegen, hat die Beklagte zutreffend die Gewährung von Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung abgelehnt.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Zwar hat die Beklagte hierüber in den angefochtenen Bescheiden keine Ausführungen gemacht. Entgegen der Ansicht des SG ist das Begehren der Klägerin jedoch unter sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (vgl. BSG SozR 4-4300 § 77 Nr. 2).

Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 97 Abs. 1 SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen (Abs. 2 Satz 1).

Behinderte i. S. v. § 97 SGB III i. V. m. § 19 SGB III sind Menschen, deren Aussichten am Arbeitsleben teilzuhaben oder weiter teilzuhaben, wegen Art oder Schwere ihrer Behinderung i. S. v. § 2 Abs. 1 des Neunten Buches nicht nur vorübergehend wesentlich gemindert sind und die deshalb Hilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigen, einschließlich lernbehinderter Menschen. Behinderten Menschen stehen Menschen gleich, denen eine Behinderung mit den in Abs. 1 genannten Folgen droht (Abs. 2). Dies bedeutet, dass die Behinderung berufliche Auswirkungen haben muss, die von einigem Gewicht sind (vgl. Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 16 Rdnr. 98 m. w. N.; BSGE 28, 18, 20 = SozR Nr. 4 zu § 1236 RVO; BSG SozR 4100 § 57 Nr. 2 S. 6 f.). Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung sind nur dann erforderlich, wenn der Behinderte in seiner beruflichen Wettbewerbsfähigkeit erkennbar eingeschränkt ist. Die Erforderlichkeit von Leistungen zur beruflichen Eingliederung ist deshalb zu verneinen, wenn der Behinderte ohne weiteres selbst eine zumutbare und geeignete Arbeitsstelle finden kann. In einem solchen Fall dürften die Leistungsvoraussetzungen auch schon deshalb zu verneinen sein, weil immer eine behinderungsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit von einem gewissen Gewicht, also eine wesentliche Minderung vorliegen oder zumindest drohen muss (Lauterbach in Gagel, SGB III, a. a. O. § 97 Rdnr. 17).

Die Klägerin ist schon nicht Behinderte i. S. v. § 19 SGB III, da bei ihr keine Behinderung i. S. v. § 2 Abs. 1 des Neunten Buches vorliegt oder droht und insbesondere keine Behinderung, die wesentliche Auswirkungen auf das Erwerbsleben hat.

Bei der Klägerin liegen zwar ein rezidivierendes Zervikal- und ein rezidivierendes Lumbalsyndrom vor. Diese Gesundheitsstörungen hindern die Klägerin jedoch nicht, als Sekretärin bzw. Fremdsprachenkorrespondentin vollschichtig zu arbeiten bzw. leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung vollschichtig zu verrichten. Unterbleiben sollten lediglich Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Lasten, im Knien, mit monotonen Zwangshaltungen, mit besonderem Zeitdruck, mit Nacht- und Wechselschicht sowie mit Überkopfarbeiten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund der übereinstimmenden Beurteilungen der Ärzte der Reha-Klinik H. in B. W. im Entlassungsbericht vom 18.10.2001, der Arbeitsamtsärztin N. in den Gutachten vom 16.4. und 12.8.2002 und des Arbeitsamtsarztes Dr. W. vom 13.2.2003. Der Umstand, dass die Klägerin in der Zeit von August 2002 bis Juni 2006 lediglich im November/Dezember 2002 wegen akuter Wirbelsäulen-Syndrome von Dr. S.-B. und vom Orthopäden Dr. K.t (einmalige Untersuchung am 13.11.2002) und im März 2005 vom Orthopäden Dr. F. wegen eines rezidivierenden Zervikalsyndroms und einer Periarthropathia humeroscapularis links behandelt wurde, die keine Arbeitsunfähigkeit bedingten, belegt, dass gravierende Gesundheitsstörungen oder gar Behinderungen, die sich wesentlich auf das Erwerbsleben auswirken könnten, nicht vorliegen. Aus den Attesten von Dr. S. vom 22.2.2002 und Dr. S.-B. vom 5.12.2002 sind keine Befunde zu entnehmen, die eine vollschichtige Tätigkeit als Sekretärin/Korrespondentin oder sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen ausschließen würden.

Da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten Leistungen hat, kann auch dahinstehen, ob die Beklagte oder die Beigeladene leistungspflichtig wäre.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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