Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 RA 2393/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2868/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund eines früheren Leistungsfalls.
Der 1945 geborene Kläger war zuletzt von Januar 1987 bis 18. Februar 1997 als Bankvorstand und Prokurist tätig. Vom 19.2.1997 bis 12.8.1999 bezog er Arbeitslosengeld und ab 13.8.1999 Krankengeld.
Am 11.8.1999 beantragte der Kläger formlos die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit, wobei er im Formantrag angab, dass er sich seit Juli 1999 wegen einer Spondylolisthesis, einer Depression, einer arteriellen Hypertonie und einer Hyperlipidämie für erwerbsunfähig bzw. berufsunfähig halte. Der Kläger legte eine Bescheinigung des Nervenarztes Dr. S. vom 12.11.1999 vor, der darin ausführte, der Kläger befinde sich seit dem 5.10.1999 in seiner ambulanten Behandlung. Zuvor habe er ihn konsiliarärztlich während des stationären Aufenthaltes in der Neurologischen Klinik des M.hospitals vom 27.7. bis 6.8.1999 gesehen. Auf Grund der seit 1995 anhaltenden chronischen beruflichen Überforderungssituation/Stresssituation sei es zu einem psychischen und somatischen Zusammenbruch gekommen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als leitende Führungskraft auszuüben. Die Beklagte zog Arztbriefe der Neurologischen Klinik des M.hospitals über den stationären Aufenthalt des Klägers bei und ließ diesen von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. begutachten. Diese stellte beim Kläger im Gutachten vom 21.12.1999 ein L 5/S1-Syndrom links, eine arterielle Hypertonie sowie eine reaktive Depression fest. Der Kläger könne noch vollschichtig als Bankvorstand tätig sein. Ein stationäres Heilverfahren in einer psychosomatischen Klinik werde empfohlen.
Mit Bescheid vom 15.2.2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger noch in der Lage sei, in seinem bisherigen Berufsbereich vollschichtig zu arbeiten.
Hiergegen legte der Kläger am 19.2.2000 Widerspruch ein. Vom 8.6. bis 29.6.2000 befand sich der Kläger zu einem Heilverfahren in der Klinik K. in P. a. C ... Die dortigen Ärzte stellten im Entlassungsbericht vom 3.7.2000 beim Kläger folgende Diagnosen: 1. Schwere reaktive Depression bei Zustand nach Arbeitsplatzkonflikt 2. Pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom bei Spondylolisthesis L5/S1 3. Arterielle Hypertonie 4. Hyperlipidämie 5. Adipositas. Als Bankvorstand sei der Kläger nur unter zwei Stunden täglich einsetzbar; sonstige Tätigkeiten könne er vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 10.10.2000 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 30.6.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund eines Leistungsfalles vom 2.7.1999. Mit Bescheid vom 7.2.2001 nahm die Beklagte eine Neuberechnung vor und gewährte dem Kläger Zuschüsse zum Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag.
Der Kläger begehrte unter Vorlage der Bescheinigungen von Dr. S. vom 12.11.1999 und Privatdozent Dr. L., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des M.hospitals S., vom 28.3.2001 die Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 27.12.1996 (letzter Arbeitstag - Kündigung).
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.9.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 10.10.2000 abgeholfen worden war. Zur Begründung führte sie aus, eine Vorverlegung des Zeitpunkts der Leistungsminderung lasse sich medizinisch nicht begründen. Maßgeblich sei der Eintritt der dauernden Arbeitsunfähigkeit am 2.7.1999, zumal sich der Kläger auch erst seit Juli 1999 in nervenärztlicher Behandlung befunden habe. Im Übrigen habe er im Rentenantrag selbst angegeben, dass er sich seit Juli 1999 für berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig halte.
Hiergegen erhob der Kläger am 9.10.2001 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn, mit der er die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1.8.1999 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 27.12.1996 weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen.
Der Arzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin Dr. H. erklärte unter dem 14.7.2002, der Kläger stehe seit 1991 in seiner hausärztlichen Behandlung. Bei ihm lägen eine schwere reaktive Depression bei Zustand nach Arbeitsplatzkonflikt, eine Spondylolisthese L5/S1, eine Wurzelreizung L 5, eine Einengung, ein Hypertonus sowie eine Hyperlipidämie vor. Die leistungsorientierte Persönlichkeitsstruktur des Klägers hätte ihn daran gehindert, sich rechtzeitig in medizinische Behandlung zu begeben. Zum Zeitpunkt der ersten Behandlung in seiner Praxis am 2.7.1999 seien die Erkrankungen schon weit fortgeschritten gewesen und hätten eine intensive Therapie erfordert. Auf Grund der Schwere der Erkrankungen und der notwendigen Zeit zur Pathogenese der Erkrankungen müsse rückwirkend von einer Berufsunfähigkeit als Bankvorstand ab dem 27.12.1996 ausgegangen werden.
Der Diplompsychologe L. gab am 26.7.2002 an, er habe den Kläger während seines stationären Aufenthaltes in der Reha-Klinik K. vom 8.6. bis 29.6.2000 wegen einer reaktiven Depression behandelt. Zur Zeit seiner Behandlung sei der Kläger auf Grund der Depression nicht in der Lage gewesen, seine Tätigkeit als Bankvorstand auszuführen. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit für die Dauer des Aufenthalts in der Klinik könne er bestätigen.
Privatdozent Dr. L. führte unter dem 16.10.2002 aus, der Kläger habe sich vom 27.7. bis 6.8.1999 in seiner stationären Behandlung befunden. Darüber hinaus seien ambulante Vorstellungen am 9.8. und 16.12.1999, 3.3. und 31.3.2000 sowie zuletzt am 8.1.2001 erfolgt. Beim Kläger bestünden seit Mitte der 80er Jahre Rückenschmerzen im Lendenbereich. Ursächlich hierfür sei am ehesten eine röntgenologisch nachgewiesene Spondylolisthese LWK 5/SWK 1. Ferner liege beim Kläger eine schwerste arterielle Hypertonie vor, die medikamentös nur schwer zu beeinflussen sei. Von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets sei beim Kläger eine schwere Depression mit Somatisierung und Angst diagnostiziert worden. Von Seiten des neurologischen Fachgebiets sei - ausgehend von der letzten Untersuchung am 8.1.2001 - eine leichte körperliche Tätigkeiten möglich. Hervorzuheben sei jedoch, dass neben der Schmerzsymptomatik eine schwerste arterielle Bluthochdruck und eine schwere Depression mit Somatisierung und Angst vorlägen, die im Vordergrund stünden.
Dr. S. teilte am 18.11.2002 mit, der Kläger habe sich vom 5.10.1999 bis 11.01. 2000 insgesamt sieben Mal in seiner Behandlung befunden. Bei ihm handle es sich um eine chronische Depression, eine Erschöpfungsdepression, einen Zustand nach einem ernsthaften psychosozialen Konflikt (Kündigung als leitender Beamter) mit anschließender juristischer Auseinandersetzung und zuvor Mobbing von Seiten des Arbeitgebers. Auf Grund der chronifizierten Depression, der begleitenden Somatisierung und der nicht gebesserten Symptome sei aus seiner Sicht (Anfang Januar 2000) eine Aufnahme der Berufstätigkeit im alten Beruf nicht möglich gewesen. Die Minderung der Leistungsfähigkeit sei ab dem Austreten aus der alten Arbeitsstelle gegeben, da ab diesem Zeitpunkt eine akute seelische Dekompensation eingetreten sei.
Durch Urteil vom 5.6.2003 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen vermögen keinen Leistungsfall im Dezember 1996 zu begründen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 3.7.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.7.2003 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, aus den ärztlichen Beurteilungen von Dr. H. und Dr. S. ergebe sich, dass der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit mit der Aufgabe der Tätigkeit zum 27.12.1996 eingetreten sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Juni 2003 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2000, geändert durch den Bescheid vom 7. Februar 2001, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf Grund eines Leistungsfalles vom 27. Dezember 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Übergangsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, der Kläger habe Ende 1996 seine Arbeit auf Grund eines Arbeitsplatzkonfliktes aufgegeben. Erst im Oktober 1999 habe er sich in nervenärztliche Behandlung begeben. Wäre der Leidensdruck des Klägers schon vorher (ab Arbeitsaufgabe) so gravierend gewesen, hätte er sich wesentlich früher in psychiatrische Behandlung begeben. Im Heilverfahrensbericht vom Juni 2000 werde in der Anamnese beschrieben, dass die psychische Dekompensation im Juli 1999 eingetreten sei und eine stationäre Aufnahme erforderlich gemacht habe. Im Rentenantrag habe der Kläger selbst den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit im Juli 1999 angegeben, wobei er die Spondylolisthesis an erster Stelle und die Depressionen an zweiter Stelle genannt habe.
Mit Bescheid vom 28.9.2005 hat die Beklagte dem Kläger an Stelle der bisherigen Rente ab 1.11.2005 Altersruhegeld für schwerbehinderte Menschen gewährt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In dem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 15.12.2005 hat Dr. S. ausgeführt, bei der ersten ärztlichen Inanspruchnahme im Jahr 1999 hätten bereits eine chronifizierte schwere somatisierte Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen. Im Jahr 1999 sei es anamnestisch klar gewesen, dass es sich schon um einen chronischen, chronifizierten Zustand gehandelt habe, der weit früher begonnen habe. Das Trauma habe im Jahr 1996, dem Beginn des Arbeitsplatzkonfliktes und der massiven Mobbingkampagne gegen den Kläger gelegen. Die Feststellungen ergäben sich aus der psychiatrischen Anamnese, der wissenschaftlichen Kenntnis von Verläufen von Erkrankungen. Es hätten drei Fachärzte den Bezug hergestellt, Dr. S., Professor Dr. L. und die übrigen Fachärzte. Ab dem Eintritt des Traumas im Dezember 1996 bzw. früher in der Phase der Mobbingzeit habe aus nervenärztlicher Sicht ein Befund vorgelegen, der die Tätigkeit als Bankvorstand nur noch unter zwei Stunden täglich zugelassen habe.
Die Beklagte hat hierzu ärztliche Stellungnahmen des Beratungsarztes L. und des Nervenarztes S. vom 3. und 23.1.2006 vorgelegt. Letzterer hat ausgeführt, nach den vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass vermutlich im Zusammenhang mit den juristischen Auseinandersetzungen sowie dem insuffizienten "Alleinbehandlungsversuch" des Klägers mit daraus resultierender Nichtinanspruchnahme fachspezifischer Behandlungsmaßnahmen eine nachhaltige Leidensverschlimmerung in Bezug auf die psychischen Leiden eingetreten sei, die sich dann in der Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit und der vom Kläger in Anspruch genommenen Behandlungsintensivierung niedergeschlagen habe. Bis zum Eintritt des von der Beklagten festgestellten Leistungsfalls sei der Kläger in der Lage gewesen, ohne Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe dieser Belastungssituation standzuhalten. Das Gutachten von Dr. S. sei nicht geeignet, eine andere sozialmedizinische Leistungsbeurteilung als die bisher von der Beklagten angenommene nachvollziehbar und schlüssig zu begründen. Der Eintritt des Leistungsfalls im Dezember 1996 sei nicht ausreichend belegt und damit als Vermutung anzusehen.
Der Senat hat die Leistungsakten des Klägers von der Agentur für Arbeit B.-B. beigezogen. Unter dem 3.3.1997 hat der Kläger mit der Versicherung, dass seine Angaben zutreffen, er jegliche Änderungen unverzüglich anzeigen werde und er das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe, erklärt, dass seine Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeiten und Arbeitsstunden nicht eingeschränkt sei.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzinteresse auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente bzw. des Übergangsgeldes auf Grund eines Leistungsfalls vom 27.12.1996, obwohl kein früherer Rentenbeginn daraus resultieren würde, weil der Rentenbetrag in diesem Fall höher wäre als beim Versicherungsfall am 2.7.1999, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 15.6.2004 dargelegt hat.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Übergangsgeld auf Grund eines Leistungsfalles vom 27.12.1996 hat.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. § 38 Satz 2 ist anzuwenden. (2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Ist Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt, wird das Übergangsgeld von dem Zeitpunkt an erbracht, von dem an die Rente zu zahlen wäre (§ 25 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Der Senat vermag jedoch - ebenso wie das SG - nicht festzustellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers schon in der Zeit vom 27.12.1996 bis 1.7.1999 auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen bei der Tätigkeit als Bankvorstand bzw. bei zumutbaren Verweisungstätigkeiten herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen sowie der Angaben und des Verhaltens des Klägers.
Danach ist nicht feststellbar, dass die von Dr. S. diagnostizierte schwere Depressionen, die die Ursache für die Berufsunfähigkeit des Klägers ist, schon vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 2.7.1999 vorgelegen hat. Für den Eintritt des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit im Juli 1999 sprechen zunächst die eigenen Angaben des Klägers im förmlichen Rentenantrag, wo der Kläger selbst angegeben hat, dass er sich seit Juli 1999 wegen einer Spondylolisthesis, einer Depression, einer Hypertonie und einer Hyperlipidämie für erwerbsunfähig bzw. berufsunfähig halte und er seines Erachtens nur noch leichte Bürotätigkeiten maximal halbtags verrichten könne. Hierfür spricht auch, dass der Rentenantrag am 11.8.1999 gestellt wurde und beim Kläger ab 2.7.1999 von Dr. H. Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde. Gegen einen Eintritt des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit vor dem 2.7.1999 spricht weiter der Arbeitslosengeldbezug des Klägers vom 19.2.1997 bis 12.8.1999. In dem am 3.3.1997 unterschriebenen Antrag auf Arbeitslosengeld hat der Kläger in Kenntnis seiner Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, nämlich erklärt, dass seine Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeiten und Arbeitsstunden nicht eingeschränkt sei und er Änderungen unverzüglich mitteilen werde. Hätte der Kläger schon bei Beantragung des Arbeitslosengeldes bzw. während des Bezugs von Arbeitslosengeld die Auffassung vertreten, er könne nicht mehr als Bankvorstand arbeiten und lediglich leichte Bürotätigkeiten halbtags verrichten, wäre er verpflichtet gewesen, dies dem Arbeitsamt mitzuteilen. Dies hätte dann dazu geführt, dass er arbeitsamtsärztlich untersucht und ggf. vom Arbeitsamt aufgefordert worden wäre, Leistungen zur Rehabilitation bzw. Rente zu beantragen.
Der Eintritt eines Leistungsfalls am 27.12.1996 ist auch deswegen nicht nachgewiesen, weil sich der Kläger erst am 2.7.1999 in ärztliche Behandlung begeben hat, wie Dr. H. mitgeteilt hat. Der psychische Befund des Klägers, seine Aktivitäten und seine Tagesstruktur in der Zeit vom 27.12.1996 bis 1.7.1999 sind ärztlicherseits nicht dokumentiert, sodass es schon an Anknüpfungstatsachen fehlt, auf deren Basis eine nachvollziehbare und überzeugende Beurteilung abgegeben werden könnte. So hat der den Kläger langjährig seit 1991 behandelnde Hausarzt Dr. H. erklärt, dass die Erkrankungen des Klägers zum Zeitpunkt der ersten Behandlung am 2.7.1999 schon weit fortgeschritten gewesen seien und eine intensive Therapie erfordert hätten. Zu Recht hat die Beklagte ausgeführt, dass zur sozialmedizinischen Beurteilung der Leidensschwere bzw. des subjektiven Leidensdrucks die Inanspruchnahme der ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sei und dass die fehlende ärztliche Behandlung gegen eine schwere leistungsmindernde Symptomatik spreche. Nachvollziehbar erscheint deswegen die Schlussfolgerung des Nervenarztes S., dass vermutlich im Zusammenhang mit den juristischen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber sowie den insuffizienten "Alleinbehandlungsversuchen" des Klägers mit fehlender Inanspruchnahme fachspezifischer Behandlungsmaßnahmen eine nachhaltige Verschlimmerung des psychischen Leidens eingetreten ist, die dann zur Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit und zur Behandlungsintensivierung führte. Soweit Dr. H. die Ansicht vertritt, auf Grund der Schwere der Erkrankungen und der notwendigen Zeit zur Pathogenese der Erkrankungen müsse rückwirkend von einer Berufsunfähigkeit als Bankvorstand ab dem 27.12.1996 ausgegangen werden, vermag diese Beurteilung den Senat nicht zu überzeugen, zumal Dr. Hackenberg selbst den Kläger erst ab 2.7.1999 krankgeschrieben hat.
Der Beurteilung von Dr. S. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.11.2002 und dem Gutachten vom 15.12.2005 vermag sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen. Anamnestische Erhebungen, die ein aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers im Beruf als Bankvorstand belegen würden, vermag der Senat weder aus den Äußerungen von Professor Dr. L. noch von Dr. S. zu entnehmen. Im übrigen würde dies allein auch nicht ausreichen. Erforderlich wäre ein umfassend erhobener psychischer Befund sowie eine Ermittlung der Tagesstruktur und der Aktivitäten des Klägers in der streitigen Zeit. An alledem fehlt es jedoch. Der Umstand, dass die Kündigung vom 27.12.1996 für den Kläger sehr kränkend war, belegt - ohne entsprechende Untersuchungsbefunde - nicht, dass das Leistungsvermögen des Klägers von einem Tag zum anderen bzw. zum Kündigungstag von einem vollschichtige Leistungsvermögen als Bankvorstand auf ein unter zweistündiges Leistungsvermögen herabgesunken ist, wie Dr. S. meint. Im übrigen ist auch die von ihm gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Beginn des von ihm angenommenen Traumas (Kündigung) im Dezember 1996 unvereinbar. Denn nach ICD 10 (F 43.1) entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Der Beginn der Erkrankung folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Diese Definition widerspricht der Annahme von Dr. S., dass mit der Kündigung die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung zu stellen war. Darüber hinaus vermag der Senat in der Kündigung auch kein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß zu erkennen, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Abgesehen davon hat Dr. S. nicht berücksichtigt, dass sich der Kläger ursprünglich selbst erst ab Juli 1999 als erheblich leistungsgemindert angesehen hat und sich zuvor von Februar 1997 bis August 1999 als vermittelbar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat, da er ansonsten kein Arbeitslosengeld hätte beziehen können.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund eines früheren Leistungsfalls.
Der 1945 geborene Kläger war zuletzt von Januar 1987 bis 18. Februar 1997 als Bankvorstand und Prokurist tätig. Vom 19.2.1997 bis 12.8.1999 bezog er Arbeitslosengeld und ab 13.8.1999 Krankengeld.
Am 11.8.1999 beantragte der Kläger formlos die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit, wobei er im Formantrag angab, dass er sich seit Juli 1999 wegen einer Spondylolisthesis, einer Depression, einer arteriellen Hypertonie und einer Hyperlipidämie für erwerbsunfähig bzw. berufsunfähig halte. Der Kläger legte eine Bescheinigung des Nervenarztes Dr. S. vom 12.11.1999 vor, der darin ausführte, der Kläger befinde sich seit dem 5.10.1999 in seiner ambulanten Behandlung. Zuvor habe er ihn konsiliarärztlich während des stationären Aufenthaltes in der Neurologischen Klinik des M.hospitals vom 27.7. bis 6.8.1999 gesehen. Auf Grund der seit 1995 anhaltenden chronischen beruflichen Überforderungssituation/Stresssituation sei es zu einem psychischen und somatischen Zusammenbruch gekommen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, seinen Beruf als leitende Führungskraft auszuüben. Die Beklagte zog Arztbriefe der Neurologischen Klinik des M.hospitals über den stationären Aufenthalt des Klägers bei und ließ diesen von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. begutachten. Diese stellte beim Kläger im Gutachten vom 21.12.1999 ein L 5/S1-Syndrom links, eine arterielle Hypertonie sowie eine reaktive Depression fest. Der Kläger könne noch vollschichtig als Bankvorstand tätig sein. Ein stationäres Heilverfahren in einer psychosomatischen Klinik werde empfohlen.
Mit Bescheid vom 15.2.2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger noch in der Lage sei, in seinem bisherigen Berufsbereich vollschichtig zu arbeiten.
Hiergegen legte der Kläger am 19.2.2000 Widerspruch ein. Vom 8.6. bis 29.6.2000 befand sich der Kläger zu einem Heilverfahren in der Klinik K. in P. a. C ... Die dortigen Ärzte stellten im Entlassungsbericht vom 3.7.2000 beim Kläger folgende Diagnosen: 1. Schwere reaktive Depression bei Zustand nach Arbeitsplatzkonflikt 2. Pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom bei Spondylolisthesis L5/S1 3. Arterielle Hypertonie 4. Hyperlipidämie 5. Adipositas. Als Bankvorstand sei der Kläger nur unter zwei Stunden täglich einsetzbar; sonstige Tätigkeiten könne er vollschichtig verrichten.
Mit Bescheid vom 10.10.2000 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 30.6.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund eines Leistungsfalles vom 2.7.1999. Mit Bescheid vom 7.2.2001 nahm die Beklagte eine Neuberechnung vor und gewährte dem Kläger Zuschüsse zum Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeitrag.
Der Kläger begehrte unter Vorlage der Bescheinigungen von Dr. S. vom 12.11.1999 und Privatdozent Dr. L., Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des M.hospitals S., vom 28.3.2001 die Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 27.12.1996 (letzter Arbeitstag - Kündigung).
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.9.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 10.10.2000 abgeholfen worden war. Zur Begründung führte sie aus, eine Vorverlegung des Zeitpunkts der Leistungsminderung lasse sich medizinisch nicht begründen. Maßgeblich sei der Eintritt der dauernden Arbeitsunfähigkeit am 2.7.1999, zumal sich der Kläger auch erst seit Juli 1999 in nervenärztlicher Behandlung befunden habe. Im Übrigen habe er im Rentenantrag selbst angegeben, dass er sich seit Juli 1999 für berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig halte.
Hiergegen erhob der Kläger am 9.10.2001 Klage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn, mit der er die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 1.8.1999 unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 27.12.1996 weiter verfolgte. Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen.
Der Arzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin Dr. H. erklärte unter dem 14.7.2002, der Kläger stehe seit 1991 in seiner hausärztlichen Behandlung. Bei ihm lägen eine schwere reaktive Depression bei Zustand nach Arbeitsplatzkonflikt, eine Spondylolisthese L5/S1, eine Wurzelreizung L 5, eine Einengung, ein Hypertonus sowie eine Hyperlipidämie vor. Die leistungsorientierte Persönlichkeitsstruktur des Klägers hätte ihn daran gehindert, sich rechtzeitig in medizinische Behandlung zu begeben. Zum Zeitpunkt der ersten Behandlung in seiner Praxis am 2.7.1999 seien die Erkrankungen schon weit fortgeschritten gewesen und hätten eine intensive Therapie erfordert. Auf Grund der Schwere der Erkrankungen und der notwendigen Zeit zur Pathogenese der Erkrankungen müsse rückwirkend von einer Berufsunfähigkeit als Bankvorstand ab dem 27.12.1996 ausgegangen werden.
Der Diplompsychologe L. gab am 26.7.2002 an, er habe den Kläger während seines stationären Aufenthaltes in der Reha-Klinik K. vom 8.6. bis 29.6.2000 wegen einer reaktiven Depression behandelt. Zur Zeit seiner Behandlung sei der Kläger auf Grund der Depression nicht in der Lage gewesen, seine Tätigkeit als Bankvorstand auszuführen. Eine Minderung der Leistungsfähigkeit für die Dauer des Aufenthalts in der Klinik könne er bestätigen.
Privatdozent Dr. L. führte unter dem 16.10.2002 aus, der Kläger habe sich vom 27.7. bis 6.8.1999 in seiner stationären Behandlung befunden. Darüber hinaus seien ambulante Vorstellungen am 9.8. und 16.12.1999, 3.3. und 31.3.2000 sowie zuletzt am 8.1.2001 erfolgt. Beim Kläger bestünden seit Mitte der 80er Jahre Rückenschmerzen im Lendenbereich. Ursächlich hierfür sei am ehesten eine röntgenologisch nachgewiesene Spondylolisthese LWK 5/SWK 1. Ferner liege beim Kläger eine schwerste arterielle Hypertonie vor, die medikamentös nur schwer zu beeinflussen sei. Von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets sei beim Kläger eine schwere Depression mit Somatisierung und Angst diagnostiziert worden. Von Seiten des neurologischen Fachgebiets sei - ausgehend von der letzten Untersuchung am 8.1.2001 - eine leichte körperliche Tätigkeiten möglich. Hervorzuheben sei jedoch, dass neben der Schmerzsymptomatik eine schwerste arterielle Bluthochdruck und eine schwere Depression mit Somatisierung und Angst vorlägen, die im Vordergrund stünden.
Dr. S. teilte am 18.11.2002 mit, der Kläger habe sich vom 5.10.1999 bis 11.01. 2000 insgesamt sieben Mal in seiner Behandlung befunden. Bei ihm handle es sich um eine chronische Depression, eine Erschöpfungsdepression, einen Zustand nach einem ernsthaften psychosozialen Konflikt (Kündigung als leitender Beamter) mit anschließender juristischer Auseinandersetzung und zuvor Mobbing von Seiten des Arbeitgebers. Auf Grund der chronifizierten Depression, der begleitenden Somatisierung und der nicht gebesserten Symptome sei aus seiner Sicht (Anfang Januar 2000) eine Aufnahme der Berufstätigkeit im alten Beruf nicht möglich gewesen. Die Minderung der Leistungsfähigkeit sei ab dem Austreten aus der alten Arbeitsstelle gegeben, da ab diesem Zeitpunkt eine akute seelische Dekompensation eingetreten sei.
Durch Urteil vom 5.6.2003 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen vermögen keinen Leistungsfall im Dezember 1996 zu begründen. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 3.7.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.7.2003 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, aus den ärztlichen Beurteilungen von Dr. H. und Dr. S. ergebe sich, dass der Leistungsfall der Berufsunfähigkeit mit der Aufgabe der Tätigkeit zum 27.12.1996 eingetreten sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 5. Juni 2003 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2000, geändert durch den Bescheid vom 7. Februar 2001, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. September 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf Grund eines Leistungsfalles vom 27. Dezember 1996 Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Übergangsgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, der Kläger habe Ende 1996 seine Arbeit auf Grund eines Arbeitsplatzkonfliktes aufgegeben. Erst im Oktober 1999 habe er sich in nervenärztliche Behandlung begeben. Wäre der Leidensdruck des Klägers schon vorher (ab Arbeitsaufgabe) so gravierend gewesen, hätte er sich wesentlich früher in psychiatrische Behandlung begeben. Im Heilverfahrensbericht vom Juni 2000 werde in der Anamnese beschrieben, dass die psychische Dekompensation im Juli 1999 eingetreten sei und eine stationäre Aufnahme erforderlich gemacht habe. Im Rentenantrag habe der Kläger selbst den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit im Juli 1999 angegeben, wobei er die Spondylolisthesis an erster Stelle und die Depressionen an zweiter Stelle genannt habe.
Mit Bescheid vom 28.9.2005 hat die Beklagte dem Kläger an Stelle der bisherigen Rente ab 1.11.2005 Altersruhegeld für schwerbehinderte Menschen gewährt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In dem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 15.12.2005 hat Dr. S. ausgeführt, bei der ersten ärztlichen Inanspruchnahme im Jahr 1999 hätten bereits eine chronifizierte schwere somatisierte Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen. Im Jahr 1999 sei es anamnestisch klar gewesen, dass es sich schon um einen chronischen, chronifizierten Zustand gehandelt habe, der weit früher begonnen habe. Das Trauma habe im Jahr 1996, dem Beginn des Arbeitsplatzkonfliktes und der massiven Mobbingkampagne gegen den Kläger gelegen. Die Feststellungen ergäben sich aus der psychiatrischen Anamnese, der wissenschaftlichen Kenntnis von Verläufen von Erkrankungen. Es hätten drei Fachärzte den Bezug hergestellt, Dr. S., Professor Dr. L. und die übrigen Fachärzte. Ab dem Eintritt des Traumas im Dezember 1996 bzw. früher in der Phase der Mobbingzeit habe aus nervenärztlicher Sicht ein Befund vorgelegen, der die Tätigkeit als Bankvorstand nur noch unter zwei Stunden täglich zugelassen habe.
Die Beklagte hat hierzu ärztliche Stellungnahmen des Beratungsarztes L. und des Nervenarztes S. vom 3. und 23.1.2006 vorgelegt. Letzterer hat ausgeführt, nach den vorliegenden Unterlagen sei davon auszugehen, dass vermutlich im Zusammenhang mit den juristischen Auseinandersetzungen sowie dem insuffizienten "Alleinbehandlungsversuch" des Klägers mit daraus resultierender Nichtinanspruchnahme fachspezifischer Behandlungsmaßnahmen eine nachhaltige Leidensverschlimmerung in Bezug auf die psychischen Leiden eingetreten sei, die sich dann in der Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit und der vom Kläger in Anspruch genommenen Behandlungsintensivierung niedergeschlagen habe. Bis zum Eintritt des von der Beklagten festgestellten Leistungsfalls sei der Kläger in der Lage gewesen, ohne Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe dieser Belastungssituation standzuhalten. Das Gutachten von Dr. S. sei nicht geeignet, eine andere sozialmedizinische Leistungsbeurteilung als die bisher von der Beklagten angenommene nachvollziehbar und schlüssig zu begründen. Der Eintritt des Leistungsfalls im Dezember 1996 sei nicht ausreichend belegt und damit als Vermutung anzusehen.
Der Senat hat die Leistungsakten des Klägers von der Agentur für Arbeit B.-B. beigezogen. Unter dem 3.3.1997 hat der Kläger mit der Versicherung, dass seine Angaben zutreffen, er jegliche Änderungen unverzüglich anzeigen werde und er das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen habe, erklärt, dass seine Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeiten und Arbeitsstunden nicht eingeschränkt sei.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzinteresse auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente bzw. des Übergangsgeldes auf Grund eines Leistungsfalls vom 27.12.1996, obwohl kein früherer Rentenbeginn daraus resultieren würde, weil der Rentenbetrag in diesem Fall höher wäre als beim Versicherungsfall am 2.7.1999, wie die Beklagte im Schriftsatz vom 15.6.2004 dargelegt hat.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Übergangsgeld auf Grund eines Leistungsfalles vom 27.12.1996 hat.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. § 38 Satz 2 ist anzuwenden. (2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Ist Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt, wird das Übergangsgeld von dem Zeitpunkt an erbracht, von dem an die Rente zu zahlen wäre (§ 25 Abs. 2 SGB VI a.F.).
Der Senat vermag jedoch - ebenso wie das SG - nicht festzustellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers schon in der Zeit vom 27.12.1996 bis 1.7.1999 auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen bei der Tätigkeit als Bankvorstand bzw. bei zumutbaren Verweisungstätigkeiten herabgesunken ist. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat auf Grund einer Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen sowie der Angaben und des Verhaltens des Klägers.
Danach ist nicht feststellbar, dass die von Dr. S. diagnostizierte schwere Depressionen, die die Ursache für die Berufsunfähigkeit des Klägers ist, schon vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 2.7.1999 vorgelegen hat. Für den Eintritt des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit im Juli 1999 sprechen zunächst die eigenen Angaben des Klägers im förmlichen Rentenantrag, wo der Kläger selbst angegeben hat, dass er sich seit Juli 1999 wegen einer Spondylolisthesis, einer Depression, einer Hypertonie und einer Hyperlipidämie für erwerbsunfähig bzw. berufsunfähig halte und er seines Erachtens nur noch leichte Bürotätigkeiten maximal halbtags verrichten könne. Hierfür spricht auch, dass der Rentenantrag am 11.8.1999 gestellt wurde und beim Kläger ab 2.7.1999 von Dr. H. Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde. Gegen einen Eintritt des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit vor dem 2.7.1999 spricht weiter der Arbeitslosengeldbezug des Klägers vom 19.2.1997 bis 12.8.1999. In dem am 3.3.1997 unterschriebenen Antrag auf Arbeitslosengeld hat der Kläger in Kenntnis seiner Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, nämlich erklärt, dass seine Vermittlungsfähigkeit nach Tätigkeiten und Arbeitsstunden nicht eingeschränkt sei und er Änderungen unverzüglich mitteilen werde. Hätte der Kläger schon bei Beantragung des Arbeitslosengeldes bzw. während des Bezugs von Arbeitslosengeld die Auffassung vertreten, er könne nicht mehr als Bankvorstand arbeiten und lediglich leichte Bürotätigkeiten halbtags verrichten, wäre er verpflichtet gewesen, dies dem Arbeitsamt mitzuteilen. Dies hätte dann dazu geführt, dass er arbeitsamtsärztlich untersucht und ggf. vom Arbeitsamt aufgefordert worden wäre, Leistungen zur Rehabilitation bzw. Rente zu beantragen.
Der Eintritt eines Leistungsfalls am 27.12.1996 ist auch deswegen nicht nachgewiesen, weil sich der Kläger erst am 2.7.1999 in ärztliche Behandlung begeben hat, wie Dr. H. mitgeteilt hat. Der psychische Befund des Klägers, seine Aktivitäten und seine Tagesstruktur in der Zeit vom 27.12.1996 bis 1.7.1999 sind ärztlicherseits nicht dokumentiert, sodass es schon an Anknüpfungstatsachen fehlt, auf deren Basis eine nachvollziehbare und überzeugende Beurteilung abgegeben werden könnte. So hat der den Kläger langjährig seit 1991 behandelnde Hausarzt Dr. H. erklärt, dass die Erkrankungen des Klägers zum Zeitpunkt der ersten Behandlung am 2.7.1999 schon weit fortgeschritten gewesen seien und eine intensive Therapie erfordert hätten. Zu Recht hat die Beklagte ausgeführt, dass zur sozialmedizinischen Beurteilung der Leidensschwere bzw. des subjektiven Leidensdrucks die Inanspruchnahme der ambulanten und stationären Behandlungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sei und dass die fehlende ärztliche Behandlung gegen eine schwere leistungsmindernde Symptomatik spreche. Nachvollziehbar erscheint deswegen die Schlussfolgerung des Nervenarztes S., dass vermutlich im Zusammenhang mit den juristischen Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber sowie den insuffizienten "Alleinbehandlungsversuchen" des Klägers mit fehlender Inanspruchnahme fachspezifischer Behandlungsmaßnahmen eine nachhaltige Verschlimmerung des psychischen Leidens eingetreten ist, die dann zur Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit und zur Behandlungsintensivierung führte. Soweit Dr. H. die Ansicht vertritt, auf Grund der Schwere der Erkrankungen und der notwendigen Zeit zur Pathogenese der Erkrankungen müsse rückwirkend von einer Berufsunfähigkeit als Bankvorstand ab dem 27.12.1996 ausgegangen werden, vermag diese Beurteilung den Senat nicht zu überzeugen, zumal Dr. Hackenberg selbst den Kläger erst ab 2.7.1999 krankgeschrieben hat.
Der Beurteilung von Dr. S. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 18.11.2002 und dem Gutachten vom 15.12.2005 vermag sich der Senat ebenfalls nicht anzuschließen. Anamnestische Erhebungen, die ein aufgehobenes Leistungsvermögen des Klägers im Beruf als Bankvorstand belegen würden, vermag der Senat weder aus den Äußerungen von Professor Dr. L. noch von Dr. S. zu entnehmen. Im übrigen würde dies allein auch nicht ausreichen. Erforderlich wäre ein umfassend erhobener psychischer Befund sowie eine Ermittlung der Tagesstruktur und der Aktivitäten des Klägers in der streitigen Zeit. An alledem fehlt es jedoch. Der Umstand, dass die Kündigung vom 27.12.1996 für den Kläger sehr kränkend war, belegt - ohne entsprechende Untersuchungsbefunde - nicht, dass das Leistungsvermögen des Klägers von einem Tag zum anderen bzw. zum Kündigungstag von einem vollschichtige Leistungsvermögen als Bankvorstand auf ein unter zweistündiges Leistungsvermögen herabgesunken ist, wie Dr. S. meint. Im übrigen ist auch die von ihm gestellte Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Beginn des von ihm angenommenen Traumas (Kündigung) im Dezember 1996 unvereinbar. Denn nach ICD 10 (F 43.1) entsteht eine posttraumatische Belastungsstörung als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Der Beginn der Erkrankung folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Diese Definition widerspricht der Annahme von Dr. S., dass mit der Kündigung die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung zu stellen war. Darüber hinaus vermag der Senat in der Kündigung auch kein belastendes Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß zu erkennen, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Abgesehen davon hat Dr. S. nicht berücksichtigt, dass sich der Kläger ursprünglich selbst erst ab Juli 1999 als erheblich leistungsgemindert angesehen hat und sich zuvor von Februar 1997 bis August 1999 als vermittelbar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat, da er ansonsten kein Arbeitslosengeld hätte beziehen können.
Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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