L 9 R 2958/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 7212/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2958/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. April 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (Regelaltersrente).

Der nach den Versicherungsunterlagen der Beklagten am 05.01.1933 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Ausweislich des bei der Beklagten über ihn geführten Versicherungskontos entrichtete er in Griechenland für die Zeit vom 01.01.1955 bis 31.12.1959 Pflichtbeiträge nach dem System für die Landwirtschaft (OGA). Nach seinem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland war er vom 06.09.1960 bis 30.09.1967 versicherungspflichtig beschäftigt, bevor er nach Griechenland zurückkehrte und dort vom 01.01.1968 bis zum 31.12.1970 wiederum beim OGA pflichtversichert war. Vom 14.01.1971 bis zum 20.09.1974 war er erneut in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Danach kehrte er endgültig nach Griechenland zurück und legte weiter 23 Jahre (1975 bis 1997) Versicherungszeiten bei der OGA zurück.

Auf den Antrag des Klägers vom 07.06.1975 erstattete ihm die Beklagte mit Bescheid vom 20.10.1975 seine für den Zeitraum vom 06.09.1960 bis 20.09.1974 zum deutschen Rentenversicherungsträger entrichteten Beiträge.

Aufgrund einer vom Kläger und seiner Ehefrau übereinstimmend abgegebenen Erklärung vom 16.05.1990 wurden durch bestandskräftigen Bescheid vom 17.09.1993 dem Versicherungskonto des Klägers für das Kind T., geboren am 04.02.1967, Kindererziehungszeiten vom 01.03.1967 bis 16.08.1967 sowie Berücksichtigungszeiten vom 04.02.1967 bis 16.08.1967, 08.05.1971 bis 10.08.1971 und 04.01.1972 bis 20.01.1972 zugeordnet.

Am 06.07.2004 ging bei der Beklagten der beim griechischen Versicherungsträger OGA gestellte Altersrentenantrag des Klägers vom 09.07.1998 ein.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Rente wegen Alters mit Bescheid vom 15.07.2004 ab. Nach Artikel (Art.) 48 der EWG-Verordnung (VO) Nr. 1408/71 bestehe kein Anspruch auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung, weil die auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Zeiten weniger als zwölf Monate betrügen. In der deutschen Rentenversicherung sei nur die Zeit vom 01.03.1967 bis 16.08.1967, also nur sechs Monate auf die Wartezeit anrechenbare Zeiten nachgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 28.10.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart. Er stützte seinen geltend gemachten Anspruch auf Gewährung von Altersrente auf Berücksichtigungszeiten und Kindererziehungszeiten. Seit Juli 1998 beziehe er eine Rente vom griechischen Versicherungsträger OGA.

Mit Beschluss vom 13.12.2004 setzte das SG den Rechtsstreit bis zum Abschluss des Vorverfahrens aus.

Die Beklagte berücksichtigte die Klageerhebung zugleich als Widerspruch und erließ am 23.02.2005 einen Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde im wesentlichen - wie im angefochtenen Bescheid - ausgeführt, es bestehe nach Artikel 48 der EWG-VO 1408/71 kein Anspruch auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung, weil die auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Zeiten weniger als zwölf Monate betrügen. Die vom Kläger nachgewiesenen sechs Monate für Kindererziehungszeiten vom 01.03.1967 bis 16.08.1967 seien jedoch vom griechischen Versicherungsträger zu berücksichtigen.

Anschließend wurde das Klageverfahren vor dem SG fortgeführt. Der Kläger trug weiter vor, sein Sohn T. habe bis 30.09.1967 in K. und weiter in B. bis 31.08.1972 (in der Firma H. K. Spinnerei) gewohnt.

Auf Anfrage des SG wurde vom Bürgermeisteramt der Stadt B.-B. im Januar 2006 mitgeteilt, eine polizeiliche Meldung des Klägers oder seines Sohnes T. habe nicht ermittelt werden können, auch nicht im Ausländerzentralregister. Die Meldebehörde der Stadt K. teilte mit Schreiben vom 24.01. 2006 mit, T. sei dort von seiner Geburt bis 16.08.1967 in Köln gemeldet gewesen. Nach dem Melderegister sei der Wegzug am 16.08.1967 nach Griechenland erfolgt.

Mit Urteil vom 26.04.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe die für einen Anspruch auf Altersrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu erfüllende allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt; ein Leistungsanspruch nach deutschem Recht auf Gewährung einer Regelaltersrente bestehe daher nicht. Da er zudem weniger als ein Jahr rentenversicherungsrechtliche Zeiten nachweisen könne, scheide auch ein Anspruch gegen den Deutschen Rentenversicherungsträger nach Artikel 48 Abs. 1 der EWG-VO 1408/71 aus. Die Beklagte habe zu Recht Kindererziehungszeiten lediglich vom 01.03.1967 bis 16.08.1967 anerkannt, da der Sohn des Klägers nur bis zum 16.08.1967, dem Wegzug nach Griechenland, beim Einwohnermeldeamt der Stadt K. gemeldet gewesen sei. Weitere Zeiten der Erziehung des Sohnes im Bundesgebiet seien damit nicht nachgewiesen.

Gegen das am 31.05.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.06.2006 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt, mit der er sein Begehren auf Gewährung von Altersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für die Zeit ab Vollendung des 65. Lebensjahres weiterverfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.04.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom 09.07.1998 Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewähren.

Die Beklage hat nach entsprechendem Hinweis des Senats auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.01.2007 erklärt, sie anerkenne die Zeit vom 17.08.1967 bis zum 31.12.1967 als weitere Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit für das Kind T ...

Die Beklagte beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats, des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Kläger ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Rente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.01.2007 die Zeit vom 17.08.1967 bis zum 31.12.1967 ebenfalls als Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit für das Kind T. anerkannt hat. Daher war die Berufung zurückzuweisen.

Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt und die für eine Rentengewährung sowohl nach den Bestimmungen der VO 1408/71 EWG als auch nach den deutschen Gesetzen zu erfüllenden Voraussetzungen zutreffend benannt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Im Urteil des SG wurde zunächst zutreffend ausgeführt, dass aus den Pflichtbeiträgen, welche dem Kläger mit Bescheid vom 20.10.1975 erstattet wurden, keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden können. Berücksichtigungsfähige rentenrechtliche Zeiten im Sinn des § 54 Abs.1 SGB VI liegen insoweit nicht mehr vor. Der Kläger hat dagegen auch keine Einwendungen vorgebracht.

Aber auch die dem Kläger auf der Grundlage der übereinstimmenden Erklärung der Eheleute zuzuordnenden Kindererziehungszeiten für das am 04.02.1967 geborene Kind T. sind nicht von ausreichender Dauer, um einen Anspruch auf Altersrente gegen die Beklagte zu begründen.

Gemäß §§ 56 Abs. 1 und 249 Abs. 1 SGB VI wird eine Kindererziehungszeit für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind für die Höchstdauer von 12 Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt des Kindes (§56 Abs.5 SGB VI) berücksichtigt. Der Beginn dieser Fristen ist unabhängig davon, wann erstmals die Voraussetzungen für die Anrechnung der Kindererziehungszeit erfüllt waren (z. B. späterer Beginn der tatsächlichen Erziehung oder spätere Begründung der Elterneigenschaft). Die Kindererziehungszeit kann vorzeitig enden, wenn die Voraussetzungen für ihre Berücksichtigung entfallen.

Die Kindererziehungszeit wird gemäß § 56 Satz 2 Nr. 2 SGB VI angerechnet, wenn die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil vom 23.11.2000, C-135/99 und Urteil vom 07.02.2002, C-28/00) ist nach Art 13 Abs. 2 a VO 1408/71 EWG auf die Zeit der Erziehung eines Kindes in einem anderen Mitgliedsstaat deutsches Recht als Recht des Beschäftigungsstaates weiter anzuwenden, wenn zwischen den Versicherungszeiten, die der erziehende Elternteil aufgrund der Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt hat und den Erziehungszeiten im anderen Mitgliedstaat "eine hinreichende Verbindung" gegeben ist. Eine solche hinreichende Verbindung ist im Falle des Klägers, der während der Geburt des Kindes T. und der ersten sechs Monate der Erziehungszeit in der Bundesrepublik Deutschland in einem dem deutschen Recht unterliegenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand und der anschließenden Erziehungszeit in Griechenland gegeben. Allerdings endet die Anwendbarkeit deutschen Rechts gemäß Art 13 Abs. 2a VO 1408/71 EWG in dem Zeitpunkt, in dem im Mitgliedsstaat wieder ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis aufgenommen wird. Von diesem Zeitpunkt an gelten ausschließlich die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates. Mithin ist die Vorschrift des § 56 SGB VI unter Berücksichtigung des in Art 8a EG-Vertrag (jetzt Art 18 EG) verbürgten Rechts von Gemeinschaftsangehörigen, sich in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dahingehend auszulegen, dass der gewöhnliche Aufenthalt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft einem solchen im Inland gleichsteht, wenn der erziehende Elternteil keine Beschäftigung im Wohnsitzstaat ausübt (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.12.2005 -L 4 RA 74/01- juris.doc mit Anmerkung von Dankelmann in jurisPR-SozR 24/2006 Anm.4). Dies gilt im Hinblick auf Art 94 Abs. 2 VO 1408/71 EWG auch für die vor dem Beitritt Griechenlands zur EU zum 01.01.1981 zurückgelegten Sachverhalte (EuGH Urteil vom 07.02.2002 C-28/00).

Hieraus folgt, dass über die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Erziehung des Sohnes T. in der Zeit vom 01.03. bis 31.08.1967 hinaus die sodann in Griechenland fortgesetzte Erziehung bis zum 31.12.1967, d.h. um weitere 4 Monate als Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeit berücksichtigt werden muss, denn in diesem Zeitraum stand der Kläger in keinem ausschließlich den griechischen Rechtsvorschriften unterliegenden Beschäftigungsverhältnis. Dies war erst seit dem 01.01.1968 wieder der Fall. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 23. 01.2007 die weiteren Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten bis zum 31.12.1967 auch anerkannt.

Aber auch mit den dann insgesamt zehn Monaten Kindererziehungszeiten werden die für eine Leistungspflicht der Beklagten gemäß Art 48 Abs 1 VO 1408/71 EWG erforderlichen Versicherungszeiten von einem Jahr nicht erreicht. Auch besteht allein aufgrund dieser 10 Monate kein Leistungsanspruch nach deutschem Recht. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Daher war die Berufung des Klägers zurückzuweisen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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