L 9 R 3629/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 978/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3629/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. September 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1953 geborene Klägerin arbeitete zunächst als Hausgehilfin und ab Mai 1969 mit Unterbrechungen bis Juni 1994 als Maschinenführerin. Vom 01.09.1994 bis 30.09.1995 absolvierte sie ein Praktikum und anschließend vom 01.10.1995 bis 30.09.1999 eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin. Ab dem 01.10.1999 arbeitete sie als Altenpflegerin in der Villa R. M., Heim für psychisch Kranke. Ab dem 03.01.2000 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung am 14.01.2000.

Am 26.04.2001 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Rehaklinik Ü. in I. vom 15.06.1998 über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 21.04.1998 bis 26.05.1998 bei. Darin werden die Diagnosen eines Diabetes mellitus Typ II B, medikamentös eingestellt, einer arteriellen Hypertonie, eines ausgeprägten psychophysischen Erschöpfungszustands bei Mehrfachbelastung sowie eines chronisch rezidivierenden funktionalen LWS-Syndroms genannt. Die Klägerin wurde als vollschichtig leistungsfähig für die Tätigkeit als Altenpflegerin in Ausbildung sowie für leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen.

Nach Beiziehung des Entlassungsberichts der AOK-Klinik S. vom 12.02.2001, auf den Bezug genommen wird, ließ die Beklagte die Klägerin auf internistischem und nervenärztlichem Gebiet gutachterlich untersuchen. Im internistischen Gutachten vom 06.09.2001 stellte Dr. G. die Diagnosen klimakterischer Beschwerden, eines tablettenpflichtigen Diabetes mellitus Typ II sowie einer endoreaktiven und somatisierten Depression. Auf internistischem Gebiet sei das Leistungsvermögen der Klägerin nicht eingeschränkt. Auch der nicht eingeschränkte Bewegungsapparat stehe einer vollschichtigen Tätigkeit nicht entgegen. Von internistischer bzw. somatischer Seite ergebe sich kein Grund für die Nichtausübung des Berufes als Altenpflegerin. Eine Leistungsminderung werde fast ausschließlich auf dem psychischen Sektor gesehen. Die Klägerin könne ihre bisherige Tätigkeit noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich ausüben.

Im nervenärztlichen Gutachten vom 10.09.2001 stellte Dr. S. die Diagnosen einer neurotischen Depression mit depressiven Stimmungsschwankungen und eines tablettenpflichtigen Diabetes mellitus, derzeit ohne Hinweis auf eine belangvolle Polyneuropathie. Allein aus nervenärztlicher Sicht seien leichte und mittelschwere Arbeiten, wie die zuletzt ausgeübte Arbeit als Altenpflegerin, vollschichtig zumutbar.

Mit Bescheid vom 02.10.2001 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den hiergegen am 23.10.2001 eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2002, auf den Bezug genommen wird, zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27.02.2002 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart unter Vorlage eines Attests des behandelnden Psychotherapeuten Dr. S. vom 10.04.2002. Darin wird angegeben, die Klägerin sei seit Januar 2002 in psychologischer Psychotherapie. Die Ursache ihrer Beschwerden sei, dass durch Konflikte bei der Arbeit frühere Konflikte aktualisiert worden seien. Deren therapeutische Aufarbeitung sei ein langwieriger Prozess, weshalb mit einer kurzfristigen Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei.

Weiter vorgelegt wurde ein Arztbrief der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. S. vom 06.05.2002. Darin werden die Diagnosen Dysthymia und somatoforme Funktionsstörungen genannt und weiter ausgeführt, die Klägerin sei belastet durch den Verlust ihrer Arbeit in einer Spinnerei 1992, einen Herzinfarkt ihres Mannes im gleichen Jahr, Tod der Eltern und des Großvaters, berufliche Schwierigkeiten im Rahmen einer Ausbildung zur Altenpflegerin sowie einer Mobbing-Situation am Arbeitsplatz. Ihr jetzt 80-jähriger Ehemann werde zunehmend pflegebedürftiger, sie könne ihn nicht mehr lange alleine lassen.

Nach Einholung einer Stellungnahme durch den Prüfarzt der Beklagten Dr. B. vom 24.07.2002 wurde Dr. P. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 14.10.2002 stellte Dr. P. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet die Diagnosen chronifizierter sozialer Anpassungsstörungen mit depressiven Verstimmungen sowie einer Selbstwertproblematik. Die Klägerin sei noch in der Lage, eine Tätigkeit als Altenpflegerin als auch sonstige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 28.02.2003 stellte Dr. S. die Diagnose einer zum Teil somatisierten, zum Teil endomorphen neurotischen Depression bei passiv-aggressiver Persönlichkeitsstörung. Wenn an die Klägerin in ihrem derzeitigen eingeschränkten Lebenskreis irgendwelche Anforderungen gestellt würden, reagiere sie mit Verschlimmerung der Symptome wie Schmerzen, vor allem im Rücken, dem Unterleib und beiden Schultern und Armen, Druck auf der Brust und unregelmäßigem Herzschlag. Darüber hinaus träten Übelkeit, Erbrechen und Verdauungsstörungen auf. Die Symptomatik verschlimmere sich, wenn die Klägerin etwas von außen Verordnetes tun müsse, egal von welcher Qualität. Die Klägerin sei nicht in der Lage, Tätigkeiten in ihrem bisherigen Beruf als Altenpflegerin vollschichtig auszuüben. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Klägerin nicht in der Lage, eine wirtschaftlich verwertbare Leistung zu erbringen.

Dieser Beurteilung traten die Prüfärzte Dr. B. und Dr. D. in der Stellungnahme vom 21.05.2003 entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.09.2003 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach der Beurteilung der Sachverständigen Dr. S., Dr. P. und Dr. G., denen das SG folge, sei die Klägerin noch in der Lage, ihre Tätigkeit als Altenpflegerin vollschichtig auszuüben.

Gegen den am 08.09.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10.09.2003 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, gegenüber der Begutachtung durch Dr. P. sei eine wesentliche Verschlechterung eingetreten. Die somatische, endomorphe, neurotische Depression bei passiv-aggressiver Persönlichkeitsstörung habe sich weiter verschlimmert, es liege ein chronischer Erschöpfungszustand vor.

Vom behandelnden Hausarzt Dr. H. wurden die aktuellen Befundberichte seit Januar 2003, auf die Bezug genommen wird, beigezogen. Danach nahm die Klägerin an einer vom Uni-Zentrum Naturheilkunde der Universitätsklinik Freiburg durchgeführten Behandlungsstudie zur Wirksamkeit von Fernheilung bei Patienten mit Chronic Fatigue Syndrom (CFS) mit oder ohne Multiple Chemical Sensitivity (MCS) teil. Dr. S., Sektion Komplementärmedizinische Evaluationsforschung am Universitätsklinikum der Universitätsklinik F., hat unter dem 04.03.2003 mitgeteilt, die Diagnose CFS sei anhand des ärztlichen Prüfbogens aufgrund der Ausschluss- und Einschlusskriterien gestellt worden. Eine Behandlung sei nicht durchgeführt worden.

Dr. S. hat die Psychotherapie-Fortführungsanträge vom 30.06.2003 und vom 11.05.2004 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die Symptomatik habe sich zunächst günstig entwickelt. Allerdings sei es durch die Erkrankung des Lebenspartners im Februar 2004 zu einer Krise gekommen. Die bisher erarbeiteten Ressourcen sollten von der Klägerin in einer analytischen Therapie nutzbar gemacht werden.

Der Senat hat daraufhin Prof. Dr. W., Direktor der Klinik für Neurologie und Neurologische Rehabilitation am Bezirkskrankenhaus G., mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Im Gutachten vom 24.08.2004 hat Prof. Dr. W. ausgeführt, bei der Klägerin bestehe seit Jahren eine Dysthymia, die sich in einer chronifizierten subdepressiven Stimmungslage äußere. Aktuell bestehe eine akute depressive Reaktion nach dem Tod des Ehemannes am 07.06.2004, einem schweren Autounfall am 29.06.2004 und der Einweisung ihres Lebensgefährten mit Demenz ins Altersheim. Aufgrund dieser akuten depressiven Reaktion sei die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage, irgendwelche Arbeiten in relevantem Umfang auszuüben. Nach Ausheilung der akuten depressiven Reaktion könne die Klägerin wieder zumutbare Arbeiten in der normalen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit verrichten. Hierzu sei eine stationäre psychiatrische Behandlung mit kombiniert psychotherapeutisch-psychopharmakologischem Ansatz erforderlich. Bis zu den Ereignissen im Juni 2004 sei seit Antragstellung keine wesentliche Änderung eingetreten.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 18.01.2005 hat sich die Beklagte verpflichtet, der Klägerin unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls am 29.06.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2005 zu gewähren und die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mit psychosomatischer Ausrichtung zu prüfen.

Vom 16.05.2005 bis 13.06.2005 befand sich die Klägerin in der Reha-Klinik G., einer Fachklinik für Psychosomatik, Psychotherapeutische und Innere Medizin. Im Entlassungsbericht vom 21.06.2005 werden als Diagnosen genannt: Mittelgradige depressive Episode, zur Zeit remittiert, Dysthymia, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Diabetes mellitus Typ 2 ohne Hinweis für diabetische Folgeschäden, essentielle Hypertonie Stadium 1. Die behandelnden Ärzte führten im weiteren aus, bereits bei Aufnahme habe die Klägerin keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nur auf äußeren Druck in das Rehabilitationsverfahren gekommen sei, da ihr dies zur Auflage gemacht worden sei, um dauerhaft Rente zu bekommen. Es sei deshalb sehr schwierig gewesen, ein tragfähiges Vertrauensverhältnis zur Klägerin aufzubauen. Sie habe bei allen therapeutischen Angeboten demonstrativ ihre Beschwerden in den Vordergrund gestellt. Außerhalb der Klinik sei sie in völlig anderem Erscheinungsbild aufgetreten, habe sich gefällig zu kleiden und aktiv soziale Kontakte zu gestalten gewusst. Die 1999 erlebte Mobbingsituation an ihrem Arbeitsplatz als Altenpflegerin habe die Klägerin als tiefe Kränkung erlebt, da sie gegen den Widerstand ihres damaligen Mannes diese Ausbildung trotz aller Widrigkeiten mit guten Noten abgeschlossen habe. Da ihr auf beruflicher Ebene die Anerkennung vorenthalten geblieben sei, habe sie diese jetzt in Form einer Rente eingefordert. Den Tod ihres Mannes im Jahr 2004 habe sie eher entlastend erlebt, den Verlust ihres Liebhabers, der infolge einer Demenz gestorben sei, habe sie als schweren Verlust erlebt. In hohem Maße diskrepant seien die dem Therapeutenteam gegenüber präsentierten physischen und psychischen Einschränkungen und die objektiv fassbaren sowie die außerhalb des Klinikkontextes von Mitpatienten und zufällig anwesenden Klinikmitarbeitern erlebten Aktivitäten. Nach einer mittelgradigen depressiven Episode im Jahr 2004 nach Tod des Ehemannes und des Liebhabers bestehe zum jetzigen Zeitpunkt allenfalls eine depressive Anpassungsstörung infolge der Nichtgewährung der Rente. Die Klägerin selbst formuliere dies folgendermaßen: "Mir geht es sowohl psychisch als auch körperlich erst dann besser, wenn mir die Rente gewährt wird, auch die Diabetes-Einstellung wird sich erst bessern, wenn ich finanzielle Sicherheit habe." Die Klägerin könne die Tätigkeit als Altenpflegerin noch drei bis unter sechs Stunden täglich ausüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten ohne Nachtschicht und erhöhte Anforderungen an das Konzentrations-, Umstellungs- und Reaktionsvermögen. Zu vermeiden seien auch Tätigkeiten mit Selbst- oder Fremdgefährdung.

Dieser Beurteilung trat die Klägerin mit dem Vortrag entgegen, ihr Gesundheitszustand habe sich gegenüber der Begutachtung durch Prof. Dr. W. durch den Tod ihres Lebensgefährten im Januar 2005 nochmals erheblich verschlechtert.

Der Senat hat daraufhin Prof. Dr. W. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt, wobei er es der Beurteilung des Sachverständigen überlassen hat, das Gutachten nach Aktenlage oder nach - weiterer - ambulanter Untersuchung der Klägerin zu erstatten.

Im neurologisch-psychiatrischen Gutachten nach Aktenlage vom 05.01.2006 hat Prof. Dr. W. ausgeführt, eine über eine Dysthymie hinausgehende psychiatrische Erkrankung liege nicht mehr vor. Offensichtlich hätten für die Klägerin bei der Aufnahme in die Rehaklinik Glotterbad die akut-depressiven Beschwerden nach dem Tod des Lebensgefährten im Januar 2005 nicht mehr im Vordergrund gestanden. Entscheidend seien die Benachteiligung durch die Mutter, die Mobbingsituation am Arbeitsplatz, die schwierige eheliche Situation in den letzten zehn Jahren sowie die unklare Situation bezüglich des Rentenantrages gewesen. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, dass bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Rehaklinik G. die im Vorgutachten beschriebene akute depressive Reaktion nicht mehr bestanden habe. Die bloße Trauerreaktion wegen des Verlustes eines geliebten Menschen sei eine normale menschliche Reaktion und könne für sich genommen noch nicht als Depression mit Krankheitswert gewertet werden. Auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet bestünden keine Funktionsstörungen mehr, die der Ausübung leichter bis mittelschwerer Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entgegenstünden. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit Akkord- und Fließbandarbeiten. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen sei auch die bisherige Tätigkeit als Altenpflegerin vollschichtig möglich.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. September 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. September 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist auch in dem im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragten eingeschränkten Umfang nicht begründet. Unter Berücksichtigung des von der Beklagten am 18.01.2005 im Wege des Vergleichs abgegebenen Teilanerkenntnisses, der Klägerin unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls am 29.06.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.01.2005 bis 31.08.2005 zu gewähren, sind das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden, da die Klägerin darüber hinaus keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat, insbesondere nicht, wie von ihr zuletzt beantragt, ab 01.09.2005.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats ab 01. 09.2005 nicht mehr erwerbsgemindert.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich - mit Ausnahme der Zeit vom 29.06.2004 bis zum 31.08.2005 - zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten auf internistischem (Gutachten Dr. G. vom 06.09.2001) und nervenärztlichem Gebiet (Gutachten Dr. S. vom 10.09.2001), die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, des im Klageverfahren eingeholten nervenärztlichen Gutachtens von Dr. P. vom 24.07.2002, den im Berufungsverfahren von Prof. Dr. W. am 24.08.2004 und 05.01.2006 erstatteten nervenärztlichen Gutachten sowie dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik G. vom 21.06.2005.

Eine ausgeprägte depressive Reaktion lag bei der Klägerin Mitte des Jahres 2004 aufgrund aktueller lebensgeschichtlicher Ereignisse vor, nachdem sie einen Verkehrsunfall erlitten hatte, der Ehemann verstorben und der Lebenspartner in ein Heim eingewiesen worden war. Aufgrund des zum damaligen Zeitpunkt eingeschränkten Leistungsvermögens hat die Beklagte auch Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2005 und eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme bewilligt.

Nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme im Juni 2005 leidet die Klägerin, wie bereits vor der Verschlechterung Mitte des Jahres 2004, an einer Dysthymie und einer somatoformen Schmerzstörung. Daneben bestehen ein Diabetes mellitus Typ II b ohne Hinweis auf diabetische Folgeschäden, ein chronisch rezidivierendes funktionales LWS-Syndrom sowie eine essentielle Hypertonie. Die Klägerin kann deshalb kein schweren körperlichen Arbeiten mehr verrichten. Auszuschließen sind auch Tätigkeiten in Nachtschicht, mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrations-, Umstellungs- und Reaktionsvermögen sowie Akkord- und Fließbandarbeit. Wegen der Gefahr von Hypoglykämien nach Einleitung einer Insulintherapie sind auch Tätigkeiten mit Selbst- oder Fremdgefährdung zu vermeiden. Unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen kann die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im Bewegungswechsel mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Sie ist insbesondere noch in der Lage, die Tätigkeit als Altenpflegerin in diesem zeitlichen Umfang auszuüben. Diese wird zwar häufig in Wechselschicht verrichtet. Eine Tätigkeit mit Früh- und Spätschicht kann die Klägerin jedoch noch ausüben, lediglich Nachtschicht ist ihr nicht mehr zumutbar. Insoweit folgt der Senat der Beurteilung von Prof. Dr. W. in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 05.01.2006, der auf im Entlassungsbericht der Reha-Klinik G. vorsichtig als "ambivalente Motivationslage" beschriebenen demonstrative Tendenzen in der Beschwerdedarstellung der Klägerin hinweist.

Hierbei ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Altenpflegerin nicht aus gesundheitlichen Gründen beendet hat. Nach ihren Angaben gegenüber Prof. Dr. W. handelte es sich hierbei um eine Tätigkeit in einem Heim für psychisch Kranke. Dort habe sie 30 Personen zu betreuen gehabt, die vorwiegend an Depressionen und manisch-depressiver Krankheit gelitten hätten. Sie habe ihren Arbeitsplatz wegen Mobbings verloren. Danach hat die Klägerin in einer für Altenpfleger nicht typischen Einrichtung gearbeitet. Gegen die Aufnahme einer Tätigkeit in einem anderen Altersheim lassen sich hieraus keine Einschränkungen herleiten.

Der abweichenden Beurteilung von Dr. S. im Gutachten vom 28.02.2003 vermag sich der Senat nicht anzuschließen, zumal dieser im Psychotherapie-Fortführungsantrag vom 30.06.2003 eine Rückentwicklung der Symptomatik beschrieben hat und die im Antrag vom 11.05.2004 genannte Krise von Prof. Dr. W. in hinreichendem Maße berücksichtigt wurde.

Die Klägerin ist somit nach Auslaufen der bis zum 31.08.2005 gewährten Erwerbsminderungsrente nicht mehr erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen unter sechs Stunden arbeitstäglich für eine Tätigkeit als Altenpflegerin begründet. Da die Klägerin noch in der Lage ist, die erlernte Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, hat sie auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach Maßgabe des § 240 SGB VI.

Der Klägerin ist somit ab 01.09.2005 keine Rente mehr zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.).

Die Berufung konnte demnach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der während des Berufungsverfahrens eingetretenen vorübergehenden Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin hat die Beklagte durch die Gewährung einer Zeitrente und einer stationären Rehabilitationsmaßnahme alsbald Rechnung getragen. Dies steht einer - auch teilweisen - Kostenerstattung entgegen (Hennig/Knittel, SGG § 193 Rn. 31).

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
Saved