L 9 R 5342/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 1038/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5342/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1964 geborene Kläger hat von September 1980 bis Februar 1984 Maschinenschlosser gelernt und diesen Beruf bis April 1991 ausgeübt. Von Mai 1991 bis zum Motorradunfall am 21.4.1996, bei dem u. a. es zu einer zentralen Hüftgelenksfraktur rechts mit Schädigung des Nervus ischiadicus rechts kam, war er als LKW-Fahrer beschäftigt; seitdem hat der Kläger nicht mehr gearbeitet.

Am 6.5.1997 beantragte der Kläger nach Durchführung eines ersten Heilverfahrens vom 4.12.1996 bis 15.1.1997 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit. Nachdem die Beklagte dem Kläger auf Grund eines Leistungsfalls vom 21.4.1996 zunächst vom 1.11.1996 bis 31.10.1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit gewährt hatte, bewilligte sie ihm dann mit Bescheid vom 8.9.1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer. Beim Kläger sind seit dem 30.12.1997 ein Grad der Behinderung von 60 und das Merkzeichen G festgestellt. Am 7.9.1999 wurde eine zementfreie Hüftendoprothese rechts implantiert. Ein weiteres Heilverfahren wurde im Anschluss daran in den Fachkliniken H. vom 28.9. bis 26.10.1999 durchgeführt. Prof. Dr. H. führte im Schreiben vom 24.1.2000 an eine private Versicherung aus, die lumbalgieforme Beschwerdesymptomatik sei beim Abschluss des Heilverfahrens unverändert gewesen. Von orthopädischer Seite sei der Kläger nach Ablauf von etwa drei bis fünf postoperativen Monaten fähig, wieder leichte körperliche Arbeiten in überwiegend sitzender Position auszuüben. Der behandelnde Orthopäde Dr. H. teilte derselben Versicherung unter dem 14.4.2000 mit, es bestehe noch eine erhebliche posttraumatische Schmerzsymptomatik, welche noch eine regelmäßige Analgetikaeinnahme in hoher Dosierung notwendig mache. Es könne jedoch damit gerechnet werden, dass sich das Krankheitsbild in den nächsten Monaten bessere, weshalb empfohlen werden, jetzt berufsfördernde Maßnahmen einzuleiten.

Am 18.12.2000 beantragte der Kläger mit Antragsvordruck unter Hinweis auf eine erhebliche Schmerzsymptomatik, die ihn zwinge, Analgetika in hoher Dosierung einzunehmen, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte ließ den Kläger auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet begutachten.

Der Chirurg Dr. R. stellte beim Kläger im Gutachten vom 21.6.2001 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Restbeschwerden nach Totalendoprothesen-Implantation rechts nach ausgeprägter Coxarthrose nach Acetabulumfraktur (4/96), leichte Funktionseinschränkung 2. LWS-Beschwerden bei Fehlbelastung infolge Beinverkürzung rechts von 2 cm und bei muskulären Verspannungen 3. Nacken-Schulter-Arm-Beschwerden bei muskulären Verspannungen und wiederkehrendem Weichteilreiz im Bereich der Schultergelenke, keine wesentliche Funktionseinschränkung 4. Diskrete Einschränkung der Pronation am linken Arm nach Ulnarfraktur (4/96) 5. Restbeschwerden nach Schädigung des Nerven ischiadicus und obturatorius rechts (4/96). Eine Tätigkeit als Kraftfahrer sei dem Kläger nicht mehr zumutbar. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen könne er noch vollschichtig verrichten.

Der Nervenärztin Dr. S. gegenüber gab der Kläger am 9.7.2001 an, er befinde sich nicht in nervenärztlicher Behandlung. Er sei wegen der auch nach der Einsetzung des künstlichen Hüftgelenks fortdauernden Schmerzen enttäuscht und entmutigt. Er leide wegen der Schmerzen an Durchschlafstörungen und nehme zur Schmerzbekämpfung Tramal, Tramundin und Ibu-Präparate ein. Amitriptylin habe er wegen Nebenwirkungen abgesetzt. Dr. S. stellte beim Kläger im Gutachten vom 9.7.2001 folgende Diagnosen: 1. Gewohnheitsmäßiger Schmerzmittelgebrauch 2. Einfache Persönlichkeit mit verminderter Unfallverarbeitung ohne Rückwirkung auf das quantitative Leistungsvermögen 3. Psychische Fehlverarbeitung 4. Restbeschwerden nach Schädigung des Nerven ischiadicus und obturatorius beim Unfall 4/96. Sowohl nervenärztlicherseits als auch vom orthopädischen Gebiet her seien dem Kläger Arbeiten als Kraftfahrer und Maschinenschlosser nicht mehr zumutbar. Leichte Tätigkeiten ohne einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Klettern und Steigen könne der Kläger noch vollschichtig verrichten.

Mit Bescheid vom 13.8.2001 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der bisher bezogenen Rente wegen Berufsunfähigkeit ab, weil eine volle Erwerbsminderung nicht vorliege. Den hiergegen am 27.8.2001 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.2.2002 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 1.3.2002 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit weiter verfolgte.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte des Klägers Dr. H., Arzt für Orthopädie, und Dr. R., Arzt für Allgemeinmedizin, schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 2.5. und 6.5.2002).

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG Dr. H. mit der gutachterlichen Untersuchung des Klägers. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 8.11.2002 folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Endgradiges Funktionsdefizit bei Zustand nach H-TEP rechts wegen posttraumatischer Coxarthrose nach operativ versorgter Acetabulumfraktur rechts vom 21.4.1996. Beinlängendifferenz rechts minus 2 cm 2. Rezidivierende Lumboischialgien rechts 3. Zustand nach Ischiadicus- und Obturatorius-Läsion rechts bei stattgehabter Acetabulumfraktur rechts mit verbleibender mäßiger Einschränkung motorischer und sensibler Funktionen rechts 4. Beginnendes Impingementsyndrom im linken Schultergelenk 5. Rezidivierende Zervikobrachialgien ohne wesentliches Funktionsdefizit 6. Psychische Fehlverarbeitung 7. Schmerzmittelübergebrauch. Leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit ab und zu aufzustehen und umherlaufen zu können, seien dem Kläger vollschichtig zumutbar. Nicht mehr möglich seien schwere und mittelschwere Arbeiten, Überkopfarbeiten, Arbeiten in nassen und kalten Räumen, auf Leitern und Gerüsten, dauerhaft im Stehen, Akkordarbeiten sowie Arbeiten unter Zeitdruck. In der ergänzenden Stellungnahme vom 21.2.2003 nahm Dr. H. zu Einwänden des Klägers Stellung und hielt an seiner Beurteilung fest.

Der Kläger machte unter Vorlage von Arztbriefen des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 8.6.2002 und der Schmerztherapeutin Dr. F. vom 9.9.2002 und vom 17.10.2002 geltend, er befinde sich seit geraumer Zeit in schmerztherapeutischer Behandlung. Mit der Frage der Folgen seiner Schmerzmittelabhängigkeit habe sich kein Gutachter auseinandergesetzt. Er legte Gutachten von Prof. Dr. W., Ärztlicher Leiter der Orthopädischen Universitätsklinik T., vom 14.4.2003 und von Prof. Dr. G., Direktor der Abteilung Neurologie der Universitätsklinik T., vom 26.6.2004 vor, die im Rechtsstreit des Klägers gegen eine private Versichtung erstattet worden waren. Während Prof. Dr. W. zu dem Ergebnis gelangte, der Kläger könne ohne weiteres eine 8-stündige Tätigkeit ohne Zwangshaltung, ohne Heben von Lasten über 15 kg und ohne Besteigen von Gerüsten und Leitern verrichten, führte Prof. Dr. G. aus, beim Kläger könne die Diagnose eines mittelgradigen depressiven Syndroms gestellt werden, weswegen der Kläger derzeit erwerbsunfähig sei. Die Beklagte legte dazu eine beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 15.9.2004 vor.

Durch Urteil vom 7.10.2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Das SG stütze seine Überzeugung auf die Gutachten von Dr. R., Dr. H. und Dr. S. sowie die sachverständige Zeugenaussage von Dr. R. und das beigezogene Gutachten von Prof. Dr. W ... Der Beurteilung von Prof. Dr. G. folge das SG dagegen nicht, nachdem die Schilderung des Tagesablaufs und der täglichen Aktivitäten mit einer mittelgradigen oder gar schweren Depression nicht zu vereinbaren seien. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 29.10.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.11.2004 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und unter Vorlage ärztlicher Unterlagen vorgetragen, wegen der durch die Nervenschädigung verursachten Schmerzen sei er seit über acht Jahren auf die Einnahme starker Schmerzmittel angewiesen. Dadurch habe sich eine Schmerzmittelabhängigkeit eingestellt, die auch durch eine spezielle Schmerztherapie nicht habe behoben werden können. Jede Belastung des rechten Beines führe zum Brennen und äußerst starken Schmerzen. Die Schmerzmittel führten nur zu einer Dämpfung der Schmerzen, jedoch nicht zur Schmerzfreiheit. Er leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, starken Depressionen und einer Potenzstörung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 7. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm anstelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, zur Begründung werde auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 6.12.2005 Bezug genommen.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.

Dr. Fritz, Arzt für Anästhesie und Schmerztherapie, hat unter dem 29.9.2005 ausgeführt, der Kläger sei in ihrer Praxisklinik vom 28.8.2002 bis 2.8.2005 ein bis zwei Mal pro Quartal behandelt worden. Es lägen ein posttraumatisches, neuropathisches Schmerzsyndrom des rechten Beines sowie ein HWS-Syndrom rechts vor. Die Schmerzstärke sei unter Analgetika von 7/10 auf 2-3/10 in Ruhe und 4-5/10 unter Belastung zurückgegangen. Schmerzspitzen bis 8/10 zur Abendzeit träten dennoch auf. Da die Schmerzen unter Belastung zunähmen und als Belastung längeres Stehen, Laufen und Sitzen angegeben werde, sei unklar, ob eine leichte sitzende Tätigkeit vollschichtig zumutbar sei. Eine Einschränkung einer Tätigkeit durch Analgetika liege zur Zeit nicht vor, im allgemeinen höchstens bei Dosiserhöhungen.

Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat am 6.10.2005 angegeben, der Kläger sei nur am 28.5.2004 (gemeint: 28.5.2002) von ihm untersucht worden. Bei vergleichender Wertung der seinerzeit vorliegenden Vorbefunde (Fachkliniken H. vom 4.1.2000) mit dem Befund vom 28.5.2002 müsse davon ausgegangen werden, dass ischialgieforme Schmerzzustände rechts ohne wesentliche Änderung anhielten, weshalb mindestens bis zum damaligen Zeitpunkt eine regelmäßige Schmerzmedikation benötigt worden sei. Dagegen habe sich das Ausmaß der Bewegungsausfälle im Bereich des rechten Beines im Vergleich zu den Vorbefunden gebessert. Es sei seinerzeit empfohlen worden, die weitere Behandlung mit einem Facharzt für Schmerztherapie abzustimmen. Der zwischenzeitliche Verlauf sei nicht bekannt. Rückblickend sei allein nach dem damaligen Befund eine leichte überwiegend sitzende Tätigkeit auch unter Medikamenteneinnahme diskutabel gewesen; der heute mögliche zeitliche Umfang sei von ihm naturgemäß nicht einzuschätzen.

Der Arzt für Psychiatrie Dr. B. hat unter dem 26.10.2005 mitgeteilt, der Kläger habe sich seit dem 23.11.2001 in seiner ambulanten psychiatrischen Behandlung befunden. Er sei wegen einer leichten bis mittelgradigen depressiven Störung im Sinne einer Anpassungsstörung nach Unfall mit schwerer Verletzung in seine Behandlung gekommen. Er, Dr. B., habe ihm antidepressiv Thombran Tabs verordnet und ihm eine ambulante Verhaltenstherapie empfohlen, die der Kläger im Therapiezentrum G.-A.-Stiftung in S. mit 31 Einzelsitzungen durchgeführt habe. Durch die psychiatrische Behandlung und durch die Verhaltenstherapie sei es zu einer Besserung gekommen, wie er beim letzten Termin am 13.12.2003 festgestellt habe. Bei der erneuten Vorstellung am 15.9.2005 habe der Kläger über Schmerzen berichtet, weswegen er in einer ambulanten Schmerztherapie sei. Er habe auch wieder Schlafstörungen und Ärger mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners. Da er den Kläger am 15.9.2005 nur kurz gesehen habe, sei er nicht in der Lage, die weiteren Beweisfragen zu beantworten.

Der Kläger hat den Abschlussbericht des G.-A.-Stiftung Therapiezentrums vom 28.10.2003 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, im Verlaufe der Behandlung habe sich das Selbstwirksamkeitsempfinden des Klägers verbessert. Die dysthyme Symptomatik sei in den Hintergrund getreten. Im Zuge einer verbesserten Selbstfürsorge habe der Kläger Beeinträchtigungen durch die bestehende Schmerzsymptomatik etwas reduzieren können. Als einen die aktuelle Behandlung limitierenden Faktor sei sicherlich der laufende Rechtsstreit um Folgekosten und Entschädigung des Unfalls zu sehen.

Der Diplom-Psychologe H. vom G. A. Therapiezentrum hat am 6.3.2006 angegeben, dass der Kläger dort vom 3.12.2002 bis 28.10.2003 in Behandlung gewesen sei. Die Behandlung sei von seinem Kollegen Diplom-Psychologen S. durchgeführt worden, der seit Ende 2003 nicht mehr am Therapiezentrum arbeite. Gegenstand der Behandlung seien der Umgang mit der Schmerzsymptomatik und eine depressive Symptomatik gewesen. In beiden Bereichen seien im Behandlungszeitraum Fortschritte erzielt worden.

Die Beteiligten haben sich im Termin zur mündlichen Verhandlung am 10.10.2006 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne erneute mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne (erneute) mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Stelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit hat. Der Senat sieht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 23.5.2006 - B 13 RJ 38/05 R, JURIS.doc in Fortführung von BSG Urteil vom 17.2.2005 - B 13 RJ 31/04 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 3) in dem am 18.12.2000 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auch einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung, zumal der vom Kläger verwendete Vordruck noch keine Möglichkeit enthielt, ausdrücklich auch (vorsorglich) Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem am 1.1.2001 in Kraft tretenden Recht zu beantragen und die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden auch ausdrücklich die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt hat. In dieser Entscheidung der Beklagten ist auch die Ablehnung von Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach dem bis zum 31.12. 2000 geltenden Recht enthalten, sodass der Senat seiner Entscheidung zunächst - ebenso wie das SG - § 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.) zugrundegelegt. Allerdings ist - abweichend von der Rechtsauffassung des SG - zu beachten, dass die zum 1. Januar 2001 in Kraft getretenen §§ 43, 240, 241 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) nur dann keine Anwendung finden, wenn der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit spätestens im August 2000 eingetreten wäre. Nur dann käme nach Maßgabe des § 99 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 SGB VI unter Berücksichtigung des am 18.12.2000 gestellten Antrags die Gewährung einer - nicht befristeten - Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits ab 1.12.2000 in Betracht. Läge der am 18.12.2000 gestellte Antrag in dem Zeitraum bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vorliegend also ab September 2000), wäre Rentenbeginn der 1.1.2001, sodass dann das ab 1.1.2001 geltende Recht zur Anwendung käme (§ 300 Abs. 2, § 99 Abs. 1 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt des Versicherungsfalles die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a. F.). Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (bzw. ab 01. April 1999 monatlich 630,- Deutsche Mark) übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine selbständige Tätigkeit ausübt oder eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz und Satz 2 SGB VI a. F.).

Eine spätestens im August 2000 eingetretene dauernde Erwerbsunfähigkeit des Klägers, d. h. ein Absinken seiner Leistungsfähigkeit auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen auf nicht absehbare Zeit lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich aus der Gesamtwürdigung der von der Beklagten erhobenen Gutachten von Dr. R. vom 21.6.2001 und Dr. S. vom 9.7.2001, die im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, des vom SG auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 8.11.2002 nebst ergänzender Stellungnahme vom 21.2.2003 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. H. vom 2.5.2002, Dr. R. vom 6.5.2002, Dr. F. vom 29.9.2005, Dr. B. vom 6.10.2005 sowie Dr. B. vom 26.10.2005 und des Diplom-Psychologen H. vom 6.3.2006 sowie der vom Kläger vorgelegten Gutachten von Prof. Dr. W. und Professor Dr. G ...

Der Kläger leidet nach den auf den oben genannten ärztlichen Unterlagen beruhenden Feststellung des Senats unter folgenden Gesundheitsstörungen: 1. Endgradiges Funktionsdefizit bei Zustand nach H-TEP rechts wegen posttraumatischer Coxarthrose nach operativ versorgter Acetabulumfraktur rechts vom 21.4.1996. Beinverkürzung rechts 2 cm 2. Rezidivierende Lumboischialgien rechts 3. Nacken-Schulter-Arm-Beschwerden ohne wesentliche Funktionseinschränkung 4. Restbeschwerden der Schädigung des Nerven ischiadicus und obturatorius rechts bei Unfall vom 21.4.1996 5. Psychische Fehlverarbeitung des Unfalls bzw. Anpassungsstörung 6. Posttraumatisches Schmerzsyndrom. Die auf chirurgisch-orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet liegenden Gesundheitsstörungen schränken das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht nicht ein. Dies ergibt sich für den Senat aus den Gutachten von Dr. R., Dr. S., Dr. H. und Professor Dr. W. sowie der sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. R ... Das eine zeitliche Leistungseinschränkung bejahende Gutachten von Prof. Dr. G. vermag den Senat angesichts des darin geschilderten psychischen Befundes nicht zu überzeugen.

Die beim Kläger auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führen nach den übereinstimmenden und den Senat überzeugenden Beurteilungen der den Kläger begutachtenden Orthopäden Dr. R., Dr. H. und Professor Dr. W. lediglich zu qualitativen, nicht aber zur quantitativen Leistungseinschränkungen. Nicht mehr möglich sind dem Kläger schwere und mittelschwere Tätigkeiten sowie Arbeiten mit häufigem Bücken, Klettern und Steigen, mit besonderem Zeitdruck (z. B. Akkord) sowie mit Überkopfarbeiten. Der Kläger ist jedoch nicht gehindert, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung bzw. überwiegend im Sitzen vollschichtig zu verrichten. Dies galt auch bereits zu Beginn des Jahres 2000, wie der Senat der Stellungnahme von Prof. Dr. H. vom 24.1.2000 entnimmt. Aus orthopädischer Sicht führte die Implantation der Hüftgelenksendoprothese am 7.9.1999 zu Einschränkungen auch für körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen in den ersten drei bis fünf postoperativen Monaten, danach aber nicht mehr.

Die Restbeschwerden nach Schädigung des Nerven ischiadicus und obturatorius rechts bzw. das posttraumatische Schmerzsyndrom sowie die psychische Fehlverarbeitung des Unfalls bzw. die Anpassungsstörung hinderten den Kläger ebenfalls nicht an der Ausübung einer vollschichtigen körperlich leichten Tätigkeit mit den oben genannten qualitativen Einschränkungen. Dies ergibt sich für den Senat aus den Gutachten von Dr. S. sowie den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B., Dr. F., Dr. B. und Diplom-Psychologen H. sowie dem von Prof. Dr. G. wiedergegebenen Befund.

Danach bestand zwar im Jahr 2000 auch nach der Durchführung des Heilverfahrens in den Fachkliniken H. im September/Oktober 1999 eine erhebliche posttraumatische Schmerzsymptomatik, die eine regelmäßige Analgetikaeinnahme in hoher Dosierung erforderte, wie der Mitteilung von Dr. Hegelmaier vom 14.4.2000 entnommen werden kann. Den gewohnheitsmäßigen Schmerzmittelgebrauch stellte auch Dr. S. am 9.7.2001 fest, wobei der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen wegen der von Dr. Saul gleichzeitig diagnostizierten psychischen Fehlverarbeitung der Folgen des Unfalls noch keine nervenärztliche Hilfe in Anspruch genommen hatte. Vielmehr stellte er sich Dr. B. erstmals am 23.11.2001 vor, wobei dieser Arzt beim Kläger während der im wesentlichen bis zum 10.12.2003 dauernden Behandlung eine leichte bis mittelgradige depressive Störung im Sinne einer Anpassungsstörung diagnostizierte und psychiatrisch behandelt. Durch die psychiatrische Behandlung und die von Dr. B. empfohlene Verhaltenstherapie ist es zu einer Besserung gekommen, wie Dr. B. und Diplom-Psychologe H. übereinstimmend erklärt haben. Diese Besserung wird auch dadurch belegt, dass der Kläger seit 10.12.2003 nicht mehr in psychiatrischer Behandlung steht (zuletzt nur in viertel- bzw. halbjährlichen Abständen) und keine Antidepressiva mehr einnimmt. Die in der Gemeinschaftspraxis von Dr. F., Dr. T., Dr. F. u. a. vom 28.8.2002 bis zum 2.8.2005 durchgeführte Schmerzbehandlung, bei der der Kläger lediglich ein bis zwei Mal pro Quartal erscheinen musste, hat zu Beginn zu einer erheblichen Besserung (vgl. Arztbrief von Dr. Fischer vom 9.9.2002) und später dazu geführt, dass die Schmerzstärke unter Analgetika von 7/10 auf 2-3/10 in Ruhe und 4-5/10 unter Belastung zurückgegangen ist, auch wenn zur Abendzeit noch Schmerzspitzen auftreten. Die Einnahme der Analgetika hat zu keinen Tätigkeitseinschränkungen geführt, wie der Senat der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. F. entnimmt. Gegen gravierende Leistungseinschränkungen durch die Anpassungsstörung bzw. das Schmerzsyndrom sprechen auch die von Dr. S. und Professor Dr. G. erhobene Tagesstruktur und das Aktivitätsverhalten des Klägers, wie Dr. G. zutreffend ausführt. So ist der Kläger noch in der Lage, allein eine Wohnung zu bewohnen, leichte Haus- und Gartenarbeiten durchzuführen und Einkäufe zu erledigen. Außerdem geht er dreimal wöchentlich ins Fitnessstudio, fährt Fahrrad und Auto, geht zum Schwimmen, kümmert sich um seinen Hund und liest gern. Angesichts dessen fehlen sämtliche Befunde, die auf eine schwerergradige Depression, die im übrigen behandlungsbedürftig und behandlungsfähig wäre, hindeuten würden. Der Senat sah deswegen ebenso wie das SG keine Notwendigkeit, von Amts wegen ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen. Auch bestand keine Veranlassung, den Eingang des vom Landgericht Stuttgart durch Beweisbeschluss vom 03.01.2006 in Auftrag gegebenen Gutachtens von Prof. Dr. F. im Haftpflichtprozess abzuwarten. Der Kläger ist somit nicht erwerbsunfähig, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein nur noch untervollschichtiges Leistungsvermögen begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsunfähigkeit bei vollschichtig leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für vollschichtig leistungsfähige Angelernte des unteren Bereichs sowie Ungelernte geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch die im Zweiten Gesetz zur Änderung des SGB VI vom 02. Mai 1996 (BGBl. I S. 659) vorgenommene Ergänzung des § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. klargestellt hat, dass nicht erwerbsunfähig ist, wer eine vollschichtige Tätigkeit ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Dem Kläger ist somit keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit anstelle der gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob das für ihn zuständige Arbeitsamt einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Vollzeitarbeitskräfte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). Ausgehend hiervon sind keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar. Auch benötigt der Kläger keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte. Darüber hinaus liegt keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den vorhandenen Einschränkungen handelt es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeiten bereits hinreichend Rechnung getragen wird. So sind körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen nicht mit Heben und Tragen schwerer Lasten, häufigem Bücken, Klettern oder Steigen, Überkopfarbeiten sowie dauerndem Stehen verbunden. Der Ausschluss von Arbeiten mit besonderem Zeitdruck sowie unter Akkord führt zu keiner Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, da die dem Kläger noch zumutbaren Arbeiten (z. B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier-, Etikettier- und Klebearbeiten) überwiegend zu ebener Erde in sitzender bzw. wechselnder verrichtet werden und nicht mit besonderen Zeitdruck und Akkord verbunden sind. Schließlich ist eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht erkennbar. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem ab 1.1.2001 geltenden Recht, da er noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden.

Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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