L 9 R 5537/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 RA 978/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5537/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2004 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die Altersrente des Klägers ohne Berücksichtigung der Zeit vom 01. April 1960 bis 3. April 1960 als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung neu festzustellen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit streitig.

Der 1943 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 28.10.2002 die Gewährung von Altersrente nach Altersteilzeitarbeit und Vollendung des 60. Lebensjahres.

Mit Bescheid vom 16.12.2002 bewilligte die Beklagte Altersrente nach Altersteilzeit ab Februar 2003 unter Zugrundelegung von 52,4000 persönlichen Entgeltpunkten (EP) mit einem Rentenbetrag von monatlich 1.355,06 EUR bzw. einem Zahlbetrag von monatlich 1.250,72 EUR. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie u.a. die Zeiten vom 12.01.1960 bis zum 28.3.1960 und vom 09.10.1962 bis zum 30.06.1965 (=36 Monate) als Anrechnungszeiten wegen Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung, welche sie als beitragsfreie Zeiten mit 2,2500 EP bewertete, und die Zeit von April 1960 bis September 1962 als Monate mit Beiträgen für nachgewiesene berufliche Ausbildung, welche sie als beitragsgeminderte Zeiten zusätzlich mit 1,2045 EP bewertete.

Hiergegen legte der Kläger am 13.01.2003 Widerspruch ein.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens prüfte die Beklagte den Antrag vom 28.10.2002 auch als Antrag auf Gewährung einer Altersrente nach § 236a SGB VI und lehnte diesen mit Bescheid vom 03.09.2003 ab mit der Begründung, der Kläger sei bei Beginn der Altersrente weder als schwerbehinderter Mensch anerkannt noch berufs- oder erwerbsunfähig nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht. Den Widerspruch gegen diesen Bescheid nahm der Kläger am 12.12.2003 zurück.

Nachdem der Kläger eine Bescheinigung der Fachhochschule S. vom 21.03.2003 vorgelegt hatte, wonach Voraussetzung für den Beginn des am 09.10.1962 begonnenen Studiums eine vor Beginn des Studiums abzuleistende Vorpraxis von insgesamt 30 Monaten war und aus der Karteikarte des Klägers hervorgehe, dass er neben 24 Monaten Baupraxis eine sechsmonatige Büropraxis absolviert habe, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 01.10.2003 die Altersrente wegen Altersteilzeitarbeit des Klägers zum 01.11.2003 neu fest. Sie errechnete nunmehr 52,3487 EP und eine monatliche Rente in Höhe von 1.367,87 EUR sowie einen monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 1.262,55 EUR. Im Versicherungsverlauf berücksichtigte sie, abweichend vom Bescheid vom 16.12.2002 zusätzlich die Zeit vom 29.03.1960 bis zum 03.04.1960 als Überbrückungszeit. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte sie sodann lediglich noch die Zeiten vom 12.01.1960 bis zum 28.3.1960 und vom 09.10.1962 bis zum 31.05.1965 (=35 Monate) als Anrechnungszeiten wegen Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung, welche sie als beitragsfreie Zeiten mit 2,1875 EP bewertete, während sie die Zeit von April 1960 bis September 1962 weiterhin als beitragsgeminderte Zeiten zusätzlich mit 1,2045 EP bewertete. Durch die Berücksichtigung der Zeit vom 01.04.1960 bis zum 03.04.1960 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung wurde der Monat April 1960, der bereits mit Pflichtbeiträgen belegt war, auf die maximal zu bewertenden 36 Monate Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung angerechnet. Gleichzeitig wurde der Bescheid vom 16.12.2002 hinsichtlich der Rentenhöhe für die Zukunft ab 01.11.2003 nach § 45 SGB X zurückgenommen.

Der Bescheid wurde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahren.

Der Kläger legte am 30.10.2003 Widerspruch ein mit dem Antrag, die Überbrückungszeiten wegen schulischer Ausbildung vom 01.04.1960 bis 03.04.1960 zu löschen. Durch die Anrechnung dieser Zwischenzeit verkürze sich die bewertete Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung von 36 auf 35 Monate. Dadurch ergebe sich eine Verminderung der EP um 0,0625 EP bzw. 0,0513 EP nach Berücksichtigung des 18%igen Abschlags. Dies entspreche einer Kürzung der Rente um 1,34 EUR brutto bzw. 1,24 EUR netto. Die Berücksichtigung von Übergangszeiten stelle eine Umsetzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dar, um Nachteile von unvermeidbaren Zwischenzeiträumen zwischen verschiedenen Ausbildungsabschnitten zu vermeiden. Solche Nachteile träten jedoch nur dann auf, wenn eine Versicherungslücke von einem vollen Kalendermonat bestehe. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Zeit vom 12.01.1960 bis 28.03.1960 sei als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung anerkannt. Ab 04.04.1960 sei die Anerkennung der Zeit der beruflichen Ausbildung als Pflichtbeitragszeit erfolgt. Die Lücke vom 29.03.1960 bis 03.04.1960 sei als Überbrückungszeit gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) berücksichtigt worden, da nach dieser Vorschrift grundsätzlich alle Übergangszeiten zwischen Ausbildungen als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung anzuerkennen seien, wenn sie an eine Ausbildungsanrechnungszeit anschlössen und die nachfolgende Ausbildung u.a. eine Zeit der beruflichen Ausbildung darstelle. Vom Gesetzgeber sei hierbei keine Mindestdauer vorgegeben. Es gebe auch keine Regelung, wonach bei der Auslegung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften allgemein die für den Leistungsberechtigten günstigere Auslegung vorrangig sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 08.03.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe. Die von der Beklagten vorgenommene Anerkennung der Zeit vom 01.04.1960 bis 03.04.1960 als Überbrückungszeit wegen schulischer Ausbildung gehe auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 31.03.1992 zurück. Dieser Entscheidung habe die Überlegung zugrunde gelegen, dass Zeiten zwischen Ausbildungsabschnitten als Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung anzuerkennen seien, um rechtliche Nachteile durch unvermeidbare Zwischenräume zu vermeiden. Ein rechtlicher Nachteil entstehe dem Kläger vorliegend jedoch nicht. Für die Anwendung der Rechtsprechung auf diesen Fall fehle deshalb eine gesetzliche Grundlage.

Mit Urteil vom 29.10.2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung seiner Rente ohne Berücksichtigung des Zeitraums vom 01.04. bis zum 03.04.1960 als Anrechnungszeit wegen Schulausbildung (Überbrückungszeit). Grundsätzlich erfüllten nur solche Zeiten einer Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung den Tatbestand einer Anrechnungszeit im Sinne des SGB VI, die der "Ausbildung" dienten, in denen also Berufsausbildung tatsächlich erfolgt sei. Da die Ausbildung grundsätzlich durch die Abschlussprüfung beendet werde, sei vorliegend von einem Ende der eigentlichen Schulausbildung des Klägers am 28.03.1960 auszugehen. Bei dem streitbefangenen Zeitraum vom 29.03. bis 03.04.1960 handele es sich jedoch um eine - ausbildungslose - sogenannte unvermeidbare Zwischenzeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten. Das BSG habe diese in richterlicher Rechtsfortbildung den gesetzlich formulierten Ausbildungs-Anrechnungszeiten gleichgestellt und rechtlich der vorangegangenen Schulausbildung zugeordnet. Nach der Rechtsprechung des BSG setze die Anrechenbarkeit einer solchen Zeit voraus, dass es sich um Zwangspausen von längstens vier Monaten handle, die sich daraus ergeben, dass die staatliche bzw. gesellschaftliche Organisation von Ausbildungsgängen und -abschnitten einen zeitlich "nahtlosen" Übergang zwischen diesen von vornherein und für alle Ausbildungswilligen nicht zulasse. Es müsse sich somit um individuell "unverschuldete", generell unvermeidbare Zwangspausen handeln, die der Ausbildungsorganisation eigentümlich und für sie typisch seien und die im Wesentlichen auf (abstrakten) ausbildungsorganisatorischen Maßnahmen der Ausbildungsträger beruhten. Erforderlich sei weiter, dass diese Zwischenzeit von zwei Ausbildungsabschnitten umgeben sei, wovon der erste Abschnitt einen Anrechnungszeittatbestand im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI erfüllen müsse. Diesem müsse ein weiterer vom Ausbildungsziel her gesehen notwendiger Ausbildungsabschnitt folgen. Hierbei genüge es, dass dieser Abschnitt den Tatbestand irgendeiner rentenrechtlichen Zeit erfülle. Erforderlich sei aber, dass erst nach dessen Beendigung der Weg ins Berufsleben und damit die Aufnahme der angestrebten, regelmäßig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Berufstätigkeit eröffnet werde (BSG, Urteil vom 24.10.1996, SozR 3-2600 § 58 Nr. 8, Urteil vom 30.06.1997, 4 RA 73/96). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien sei der gesamte Zeitraum nach Ende der Schulausbildung des Klägers vom 29.03. bis 03.04.1960 als sogenannter "unvermeidlicher Zwischenzeitraum" in erweiternder Auslegung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI als Anrechnungszeit (Zeiten einer schulischen Ausbildung) anzuerkennen. Zutreffend sei zwar, dass vorliegend durch die Anrechnung als unvermeidliche Zwischenzeit für den Kläger kein versicherungsrechtlicher Nachteil vermieden, sondern im Gegenteil herbeigeführt werde, indem der Monat April 1960 sowohl als Anrechnungszeit als auch als Pflichtbeitragszeit anerkannt sei und damit einen der 36 anrechnungsfähigen Monate einer Schul- und Hochschulausbildung "verbrauche", ohne dass dem eine Erhöhung der Entgeltpunkte für April 1960 gegenüberstehe. Diese in Einzelfällen entstehende nachteilige Auswirkung könne jedoch nicht dazu führen, dass die unvermeidlichen Zwischenzeiten nur insoweit angerechnet würden, als die betreffenden Monate nicht bereits mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Eine nur teilweise Anrechnung unvermeidbarer Zwischenzeiten als Ausbildungszeiten sei nicht mit dem Argument für die erweiternde Auslegung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV zu vereinbaren, diese Zeiten seien Ausfluss der im Vordergrund stehenden ersten Anrechnungs-Ausbildungszeit, die das Ausbildungsziel und damit die Gesamtausbildung, auch die nichtschulische, maßgeblich präge (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 31.08.2000, SozR 3-2600 § 58 Nr. 14). Dies könne nur für den gesamten Zeitraum der Zwischenzeit gelten und nicht davon abhängig sein, ob der letzte Monat des Zeitraums gegebenenfalls auch mit Pflichtbeiträgen belegt sei. Auf die Anrechnung des Zeitraums vom 01.04. bis 03.04.1960 könne der Kläger auch nicht gemäß § 46 Abs. 1 SGB I wirksam verzichten, da ein solcher Verzicht nicht hinsichtlich einer Anerkennung von Anrechnungszeiten, die Teile des Rentenstammrechts seien, möglich sei.

Gegen das am 08.11.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.12.2004 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, in der Zeit vom 01.04. bis 03.04.1960 habe er keinen der in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI aufgeführten Tatbestände erfüllt. Eine Berücksichtigung könne über die dort genannten Fallgruppen hinaus nur im Wege einer erweiternden Auslegung erfolgen. Eine solche sei vom BSG (BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 13 m.w.N.) vorgenommen worden, damit Versicherte durch unvermeidbare Zwischenzeiten zwischen zwei Ausbildungen keinen Nachteil erleiden sollten. Vorliegend fehle es an einem Nachteil durch die Nichtberücksichtigung der Zwischenzeit. Darüber hinaus sei der Bescheid vom 01.10.2003 auch verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Der Ursprungsbescheid vom 16.12.2002 sei für die erlassende Behörde bestandskräftig und nur nach Maßgabe der Vorschriften des § 45 SGB X abänderbar. Die danach erforderliche Interessenabwägung nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X sei nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Rente ohne Berücksichtigung der Zeit vom 01.04.1960 bis 03.04.1960 als Anrechnungszeit neu festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie trägt vor, der Ursprungsbescheid vom 16.12.2002 sei nicht bestandskräftig geworden, da der Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt habe und im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auch eine Anhörung erfolgt sei. Die Beklagte hat weiter vorgetragen, das Kalendermonatsprinzip könne auf die Übergangszeit-Anrechnungszeit nicht angewandt werden. Diese sei vielmehr tagegenau festzulegen. Die Übergangszeit zwischen Ausbildungsabschnitten sei - wie der Besuch einer Schule oder Fachschule/Hochschule selbst - ein "regulärer" Anrechnungszeittatbestand wegen schulischer Ausbildung im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Die Anerkennung von unvermeidlichen Zwischen- bzw. Übergangszeiten zwischen Ausbildungszeiten diene, wie die Anerkennung jedweden anderen Anrechnungszeittatbestandes im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a und 5 SGB VI, der "Lückenschließung". Unter Lücken seien hierbei sämtliche Tage oder Zeiträume zu verstehen, die nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt seien. Deren Dauer sei unbeachtlich. Eine Lücke werde insbesondere nicht dadurch beseitigt, dass in Anwendung von § 122 Abs. 1 SGB VI ein Kalendermonat, der nur zum Teil mit einer rentenrechtlichen Zeit belegt sei, als voller Monat zähle.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. §124 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Neuberechnung und Gewährung seiner Altersrente unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide ohne Berücksichtigung der Zeit vom 01.04.1960 bis 03.04.1960 als Anrechnungszeit.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides nur, soweit darin - in Abweichung von dem ursprünglichen Bescheid vom 16.12.2002 - die Zeit vom 01.04.1960 bis 03.04.1960 (neben der Zeit vom 29.03.1960 bis 31.03.1960) als Überbrückungszeit und daher als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung bei der Berechnung der Altersrente des Klägers berücksichtigt wird.

Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung des Gesetzes vom 21.03.2001 (BGBl. I 403) sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Hiervon werden allerdings gemäß § 74 Abs. 1 Satz 3 SGB VI im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung höchstens drei Jahre als bewertete Anrechnungszeiten berücksichtigt.

Die Herabsetzung der anrechenbaren EP von 52,400 EP auf 52,3487 EP im angefochtenen Bescheid ist darin begründet, dass die Beklagte den Monat Juni 1965, in welchem sich der Kläger ebenfalls in Ausbildung befand, aufgrund der Berücksichtigung des Monats April 1960 als Zeit einer Schulausbildung wegen der maximal zu bewertenden 36 Monate Anrechnungszeiten schulischer Ausbildung, im Gegensatz zur Anrechnung im Bescheid vom 16.12.2002, nicht mehr als schulische Ausbildung bewertete.

Eine Rechtsgrundlage für die streitige Neufeststellung der Rente des Klägers besteht jedoch nicht. So hat die Beklagte zwar zutreffend darauf verwiesen, dass die Anrechnungsfähigkeit von Zeiten nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI nicht deshalb entfällt, weil in den betreffenden Monaten bereits eine Pflichtbeitragszeit vorliegt. Sind Kalendermonate sowohl mit Beitragszeiten als auch mit Anrechnungszeiten (einer Zurechnungszeit oder Ersatzzeiten) belegt, handelt es sich um beitragsgeminderte Zeiten nach der Legaldefinition in § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB VI.

Im vorliegenden Fall ist der Monat April 1960 als Monat mit einem Beitrag für nachgewiesene berufliche Ausbildung bereits im Bescheid vom 16.12.2002 nach Maßgabe des § 54 Abs. 3 Satz 2 SGB VI als beitragsgeminderte Zeit bewertet worden. Ebenso geschah dies im angefochtenen Bescheid.

Neben der beruflichen Ausbildung befand sich der Kläger im April 1960 tatsächlich nicht in schulischer Ausbildung, da seine Schulausbildung am 28.03.1960 geendet hatte. Der Zeitraum vom 01.04.1960 bis 03.04.1960 gilt auch nicht als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung, weil kein so genannter Überbrückungstatbestand vorliegt.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat über die in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI normierten Fallgruppen hinaus auch solche Zeiten als Anrechnungszeiten gewertet, die zwischen zwei rentenrechtlich erheblichen Ausbildungsabschnitten liegen, generell unvermeidbar und organisationsbedingt typisch sind und dementsprechend häufig vorkommen und ferner nicht länger als vier Monate andauern; dies gilt für die Zeit zwischen Schulabschluss und Beginn eines Hochschul- oder Fachschulstudiums sowie für die sich an den Schulbesuch nicht nahtlos anschließende versicherungspflichtige Lehre bzw. für das an den Fachschulbesuch nicht nahtlos anschließende versicherungspflichtige Praktikum (BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 13 m.w.N.) Die richterrechtliche Rechtsfortbildung beruht auf der Überlegung, dass Versicherte, die eine vom Gesetzgeber vorgesehene typisierte Ausbildung aus von ihnen nicht zu vertretenden organisationsbedingten Gründen ungewollt und unvermeidbar nicht zügig fortsetzen und dementsprechend erst später eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen können, in dem entsprechenden zeitlichen Rahmen keinen rentenversicherungsrechtlichen Nachteil erleiden sollen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.02.2005, B 4 RA 26/04 R m.w.N.).

Im vorliegenden Fall liegt nach der Auffassung des Senats bei einem zeitlichen Abstand von sechs Tagen (29.03. bis 03.04.1960) zwischen der Beendigung der Schulzeit und dem Beginn der Lehre ein nahtloser Übergang zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten vor, der auch zu keinen rentenrechtlichen Nachteilen führt, wie sich aus der Berechnung der Rente des Klägers im ursprünglichen Bescheid vom 16.12.2002 ergibt. Vielmehr wurde der Monat März 1960 als beitragsfreier und der Monat April 1960 als beitragsgeminderter Monat berücksichtigt. Die Auffassung der Beklagten, dass jegliche zeitliche Lücke zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (also auch ein Wochenende bei Beendigung des ersten Abschnitts am Freitag und Beginn des zweiten Abschnitts am darauf folgenden Montag - vgl das Fallbeispiel auf Bl 36 LSG-Akte) einen anerkennungsfähigen Anrechnungszeittatbestand "Übergangszeit-Ausbildungsanrechnungszeit" darstellt, vermag den Senat angesichts des Zwecks der richterrechtlichen Fortbildung, unvermeidbare rentenschädliche Zwischenzeiten zu überbrücken, nicht zu überzeugen.

Auf die Berufung des Klägers war deshalb das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 2004 aufzuheben und der Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Altersrente des Klägers ohne Berücksichtigung der Zeit vom 01.04.1960 bis 03.04.1960 als Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung neu festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Ein Grund, die Revision zuzulassen, liegt angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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