L 12 AS 2212/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2630/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2212/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.03.2004 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.

Die 1962 geborene Klägerin zu Ziff. 1 ist geschieden und alleinerziehende Mutter der Kläger zu Ziff. 2 (geb. am 23.07.1988) und zu Ziff. 2 (geb. am 30.01.1991). In ihrem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 23.11.2004 gab sie Herrn D. P. (Pf.) als Partner in eheähnlicher Gemeinschaft seit 1998 an. Sie legte eine Einkommensbescheinigung von Pf. vor, wonach dieser im Oktober 2004 mit einem Bruttoarbeitsentgelt von 1.983,03 EUR ein Nettoarbeitsentgelt von 1.321,21 EUR erzielt hatte.

Mit Bescheid vom 10.12.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin zu Ziff. 1 als Vertreterin einer aus ihr und Pf. sowie den Klägern zu Ziff. 2 und 3 bestehenden Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.01.2005 in Höhe von 331,41 EUR und für die Zeit vom 01.02. bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 398,41 EUR; hierbei berücksichtigte sie neben dem Kindergeld und den Unterhaltsleistungen für die Kinder seitens des geschiedenen und getrennt lebenden Vaters ein monatliches Einkommen des Pf. in Höhe von 646,87 EUR. Die Bewilligung berücksichtigte nicht die Kosten der Unterkunft, für die der kommunale Träger zuständig sei.

Mit ihrem Widerspruch wendete die Klägerin zu Ziff. 1 sich gegen die Anrechnung des von Pf. erzielten Einkommens. Dieser sei nicht verpflichtet, für sie und ihre Kinder aufzukommen. Schließlich sei die Berechnung auch fehlerhaft, weil die Ausgaben für den Schulbus der Kinder nicht berücksichtigt worden seien. Pf. habe eigene Kinder, für die er monatlichen Unterhalt in Höhe von insgesamt 460,00 EUR leiste. Hierzu wurde eine Urkunde über die Festsetzung von Unterhalt für die Kinder Maria Pf. und Anne Pf. vom 04.02.1999 vorgelegt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2005 als unbegründet zurückgewiesen. Da die Klägerin zu Ziff. 1 nach eigenen Angaben in eheähnlicher Gemeinschaft lebe, sei das Einkommen von Pf. anzurechnen. Von dem Einkommen des Pf. seien die Unterhaltszahlungen bereits abgesetzt worden. Die von der Klägerin zu Ziff. 1 darüber hinaus geltend gemachten Sachkosten für die beiden eigenen Kinder seien bereits in der Regelleistung enthalten und könnten daher nicht extra abgesetzt werden.

Die Klägerin zu Ziff. 1 hat am 04.08.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben (S 6 AS 2630/05). Es werde bestritten, dass die Klägerin in ihren Anträgen Pf. als Partner in eheähnlicher Gemeinschaft angegeben habe. Vielmehr seien die Angaben seitens der Beklagten vorgegeben worden. Außerdem sei die Anrechnung des Einkommens des arbeitstätigen Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auch rechtswidrig. Da keine Unterhaltspflichten bestünden, könnten solche auch nicht in sozialrechtlicher Hinsicht fingiert werden.

Mit weiterem Bescheid vom 29.06.2005 bewilligte die Beklagte - erneut ohne Berücksichtigung der Unterkunftskosten - Arbeitslosengeld II in Höhe von 395,96 EUR für den Monat Juli 2005, in Höhe von 374,66 EUR für den Monat August 2005; für die Zeit vom September bis Dezember 2005 bewilligt die Beklagte keine Leistungen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2005 zurückgewiesen. Pf. erziele ein Bruttoeinkommen in Höhe von 1.983,33, EUR. Nach dem Abzug von Pauschbeträgen für Versicherung, für Werbungskosten sowie des Unterhalts für die beiden Töchter des Pf. (460,00 EUR) verbleibe ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 765,06 EUR, von welchem noch ein Freibetrag nach § 30 SGB II in Höhe von 115,74 EUR abzusetzen sei. Damit verbleibe ein anzusetzendes Erwerbseinkommen in Höhe von 649,32 EUR. Gemeinsam mit dem Kindergeld und den Unterhaltsleistungen, welche die Bedarfsgemeinschaft erhalte, mindere dies den Gesamtbedarf um monatlich 1.481,32 EUR. Der Zuschlag nach § 24 Abs. 3 SGB II betrage für die Klägerin zu Ziff. 1 213,00 EUR monatlich und sei bis zum 27.08.2005 befristet.

Deswegen hat die Klägerin zu Ziff. 1 am 11.08.2005 eine weitere Klage beim SG erhoben (S 6 AS 2730/05). Das SG hat die beiden Klagen mit Beschluss vom 11.10.2005 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu dem Aktenzeichen S 6 AS 2630/05 verbunden.

Das SG hat in mündlicher Verhandlung vom 18.01.2007 Pf. als Zeugen vernommen. Er gab an, die Klägerin zu Ziff. 1 seit 1993 zu kennen, als er für ihren geschiedenen Mann gearbeitet habe. 1998 sei man dann in Gera zusammengezogen. Damals sei beabsichtigt gewesen, eine Familie zu gründen. Dies habe jedoch bis zum Zeitpunkt der Vernehmung nicht funktioniert. Die Klägerin sei jahrelang finanziell bessergestellt gewesen als er. Im August 2003 habe er eine Anstellung im Schwarzwald gefunden. Nach Antritt seiner Beschäftigung dort sei er ein dreiviertel Jahr von der Klägerin zu Ziff. 1 getrennt gewesen. Im Jahr 2004 habe er dann die Klägerin überredet, zu ihm nach Baden-Württemberg zu ziehen, da die Arbeitsmarktsituation dort besser sei und auch für die Kinder eine Lehrstelle zu finden sei. Mit den Kindern der Klägerin habe es dann jedoch im täglichen Zusammenleben zahlreiche Probleme gegeben. Er würde gern mit der Klägerin zu Ziff. 1 zusammenbleiben, eine Heirat sei jedoch erst möglich, wenn die Kinder auf eigenen Füßen stünden. Er zahle der Klägerin zu Ziff. 1 monatlich ca. 400,00 EUR für anteilige Mietkosten, Nebenkosten und Telefon. Im September 2006 seien sie gemeinsam in Urlaub gefahren, den er bezahlt habe. Dafür habe er dann einen Monat lang nicht seinen Beitrag von 400,00 EUR an die Klägerin zu Ziff. 1 gezahlt. Er sei zuständig für die technischen Dinge, die im Haushalt anfielen. Die Klägerin zu Ziff. 1 wasche dann dafür seine Wäsche.

Anschließend hat das SG die Klagen mit Gerichtsbescheid vom 28.03.2007 als unbegründet abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass zwischen der Klägerin zu Ziff. 1 und dem Zeugen Pf. eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des SGB II vorliege, weswegen kein Anspruch auf Leistungsgewährung ohne Anrechnung von Einkommen des Pf. bestehe. Ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliege, sei anhand der hierzu aufgestellten Kriterien nach einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu beurteilen. Hierbei sei auch zu beachten, dass mit Wirkung vom 01.08.2006 in § 7 SGB II ein neuer Absatz 3 a eingefügt worden sei, in welchem ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, nach einem Zusammenleben von länger als einem Jahr nunmehr gesetzlich vermutet werde. Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und Hinweistatsachen des vorliegenden Falles stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass es sich bei der Klägerin zu Ziff. 1 und dem Zeugen Pf. um Partner in eheähnlicher Gemeinschaft im Sinne des SGB II handele. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin könne nicht von einer bloßen Haushaltsgemeinschaft bzw. Zweckgemeinschaft unter wirtschaftlichen Erwägungen ausgegangen werden. Von einer reinen Wohngemeinschaft sei nur auszugehen, wenn das Zusammenleben letztlich unabhängig von der konkreten Person in einer gemeinsamen Wohnung erfolge, um Kosten zu sparen. Dies sei jedoch gerade nicht der Fall. Gegen eine derartige bloße wirtschaftliche Zweckorientierung des Zusammenlebens spreche bereits die lange Dauer des Zusammenlebens und damit die eingetretene Verfestigung der Beziehung, selbst wenn diese zweimal durch Trennungsphasen unterbrochen worden sei. Da die Klägerin und Pf. bereits seit 1998 im Wesentlichen zusammenlebten, sei die von der Rechtsprechung in der Vergangenheit herangezogene Richtgröße eines Zusammenlebens von drei Jahren deutlich überschritten (unter Hinweis auf BSG SozR 3-4300 § 144 Nr. 10). Hinzu komme, dass in der Zeit quasi ein gemeinsamer Umzug aus Ostdeutschland in den Schwarzwald erfolgt sei. Das Zusammenziehen sei auch nach der Aussage des Pf. in der Absicht erfolgt, eine Familie zu werden.

Auch wenn es im Februar 2006 wegen Auseinandersetzungen aufgrund der Töchter erneut zu einer räumlichen Trennung gekommen sei, habe stets die Hoffnung bestanden, dass die Situation sich bessere und die Klägerin zu Ziff. 1 und Pf. zusammenbleiben würden. Ein besonderes für das Vorliegen eines eheähnlichen Einstandswillen sprechendes Indiz sei auch die Tatsache, dass eine gemeinsame Lebensversicherung abgeschlossen worden sei, in die beide eingezahlt hätten. Auch die Ausgestaltung des Mietverhältnisses bzw. die Art des räumlichen Zusammenlebens spreche für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft. So bestünden keine getrennten Lebensbereiche in der Wohnung. Gleiches gelte für die Tatsache der gemeinsam verbrachten Urlaube. Schließlich spreche nicht zuletzt auch das Verhalten der Klägerin zu Ziff. 1 bei der Abgabe ihres Antrags für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. All diese Hinweistatsachen ließen insgesamt nur den Rückschluss zu, dass zwischen der Klägerin zu Ziff. 1 und Pf. eine tiefer gehende Verbindung mit entsprechendem Verantwortungsgefühl bestehe. Demgegenüber bestünden keine Indizien von derartigem Gewicht, welche die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft erschüttern könnten. Der Gerichtsbescheid ist der Bevollmächtigten der Klägerin zu Ziff. 1 am 02.04.2007 zugestellt worden.

Die Bevollmächtigte der Klägerin zu Ziff. 1 hat am 02.05.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Das SG habe sich mit den klägerseitig vorgetragenen Umständen nicht ausreichend auseinandergesetzt. So hätten die Kinder aufgrund ihres eigenen Einkommens durch Kindergeld und Unterhaltszahlungen ihren Bedarf aus eigenen Mitteln bestreiten können, weswegen sie bis zum 30.11.2005 nicht Teil der Bedarfsgemeinschaft gewesen seien. Darüber hinaus habe aber die Beklagte das überschießende Einkommen der Kinder der Klägerin zu Ziff. 1 der Bedarfsgemeinschaft zugerechnet, was eine Umgehung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II darstelle. Bereits aus diesen Gesichtspunkten seien die Bescheide der Beklagten fehlerhaft. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe außerdem auch bereits bei ihrer Antragstellung angegeben, dass sie alleinerziehend sei. Deswegen stehe ihr ein Alleinerziehendenzuschlag nach § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu. Das SG habe hierbei nicht berücksichtigt, dass der Zeuge Pf. selbst angegeben habe, sich aus der Erziehung der Kinder herauszuhalten. Schließlich habe das Gericht auch unzutreffend eine eheähnliche Gemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen Pf. angenommen. Die Klägerin zu Ziff. 1 sei erst 12 Monate nach dem Kläger in den Schwarzwald umgezogen. Dies habe nicht zum Aufleben einer ggf. zuvor bestehenden eheähnlichen Gemeinschaft geführt. Der Zeuge Pf. habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Parteien eine strikte Trennung im Rahmen der Haushaltsführung durchführten. Die Angabe der Klägerin zu Ziff. 1 einer eheähnlichen Gemeinschaft in dem Antrag beruhe darauf, dass die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten bei der Antragsentgegennahme behauptet habe, diese Angabe sei zu machen, da der Antrag sonst nicht bearbeitet würde. Schließlich könne von einem Laien bei der Abgabe des Antrags auch nicht verlangt werden, dass ihm die jeweiligen Begrifflichkeiten hinlänglich bekannt seien.

Die Kläger beantragen, teils sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.03.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen unter Abänderung des Bescheides vom 10.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 29.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2005 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung von Einkommen des Zeugen Pf. in gesetzlicher Höhe und unter Berücksichtigung eines Alleinerziehendenzuschlags zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtsmäßig. Die Angaben des Zeugen des Pf. in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hätten bestätigt, dass von einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen sei. Es könne auch nicht mit Erfolg vorgetragen werden, dass die Klägerin zu Ziff. 1 zu falschen Angaben im Antrag gedrängt worden sei. Sie hätte innerhalb mehrerer Auswahlfelder die Möglichkeit gehabt, die Begriffe ledig, verheiratet, eheähnliche Gemeinschaft, eingetragene Lebenspartnerschaft, dauernd getrennt lebend, geschieden, oder verwitwet anzukreuzen. Diese Begriffe seien für jedermann verständlich und lösten gerade keine besondere Aufklärungspflicht der Beklagten hierzu aus. Die Klägerin zu Ziff. 1 habe angegeben geschieden zu sein und in einer eheähnlichen Gemeinschaft zu leben. Die Richtigkeit habe sie mit ihrer Unterschrift bestätigt. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende stehe der Klägerin zu Ziff. 1 nicht zu, da sie aufgrund der Gemeinschaft mit dem Zeugen Pf. keine alleinstehende Person sei. Schließlich sei auch in der Zeit vom 01.01. bis zum 30.11.2005 trotz der Einkünfte der Kinder der Klägerin zu Ziff. 1 zu Recht von einer gemeinsamen Bedarfsgemeinschaft ausgegangen worden.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden und ausführlichen Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen, denen der Senat sich ausdrücklich anschließt.

Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:

Das Aktivrubrum war dahingehend zu korrigieren, dass die Kläger 1. bis 3. als gemeinsame Kläger gegen die streitgegenständlichen Bescheide anzusehen sind. Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II, für die die Klägerin zu 1. nach § 38 SGB II als die leibliche Mutter und gesetzliche Vertreterin die Berechtigung besaß, Leistungen zu verlangen. Im Hinblick auf die besonderen Probleme, die mit der Bedarfsgemeinschaft des SGB II verbunden sind, ist zudem hinsichtlich der subjektiven Klagehäufung eine großzügige Auslegung für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 erforderlich. Für eine gesetzliche Prozessstandschaft ist kein Raum und bei den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich auch nicht um Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB, weil sie nicht berechtigt sind, als Gläubiger aller Forderungen die gesamten Leistungen an sich zu verlangen; vielmehr ist jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Inhaber eigener Ansprüche. Unhaltbar ist auch die Annahme einer Prozessstandschaft in Verbindung mit einer Gesamtgläubigerschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R -). Für eine Übergangszeit bis 30.6.2007 sind daher Anträge im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sowie Urteile, die eine Bedarfsgemeinschaft betreffen, großzügig auszulegen; im Zweifel ist von Anträgen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder, vertreten durch eines der Mitglieder, und von Entscheidungen über die Ansprüche aller Mitglieder auszugehen (vgl. BSG, Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -). Hieran ändert sich nichts durch die am 23.07.2006 eingetretene Volljährigkeit des Sohnes Ricardo der Klägerin außer dem Umstand, dass die Klägerin seit diesem Zeitpunkt nicht mehr die gesetzliche Vertreterin des Klägers zu Ziff. 2 ist.

Streitgegenstand ist vorliegend allein die Höhe von Leistungen nach dem SGB II für das Jahr 2005 aufgrund des Bescheides vom 10.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2005 sowie aufgrund des Bescheides vom 29.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.07.2005. Leistungen wurden mit dem Bescheid vom 29.06.2005 " für den Bewilligungsabschnitt "vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005" abgelehnt und somit ab September 2005 nicht mehr gewährt. Eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Wurden die Leistungen jedoch ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R -). Vorliegend liegt eine zeitliche Begrenzung der Ablehnung auf den Zeitraum vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005 vor, weswegen Ansprüche für die Zeit ab 2006 vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

Die Anträge der Bevollmächtigten sind dahingehend auszulegen, dass nicht die Aufhebung, sondern die Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide begehrt wird, weil die angegriffenen Bescheide zum Teil begünstigenden Charakter haben.

Das SG hat zu Recht für den streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2005, in dem die Kläger zu Ziff. 2 und 3 noch minderjährig waren, eine Bedarfsgemeinschaft zwischen den Klägern und dem Zeugen Pf. angenommen. Daher war das Einkommen der Kläger zu Ziff. 2 und 3 bei der Berechnung des Bedarfs der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen; ferner war die Zahlung eines Alleinerziehendenzuschlags deswegen ausgeschlossen.

Eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II liegt bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nur vor, wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen bestehen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (sog. Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft; vgl. BVerfGE 87, 234 zu dieser Frage im Rahmen der Einkommensanrechnung bei der Gewährung von Arbeitslosenhilfe). Aufgrund einer zutreffenden Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere der Zeugenaussage des Pf., ist das SG zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass zwischen der Klägerin zu Ziff. 1 und dem Pf. eine eheähnliche Lebensgemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Neben der langen Dauer des Zusammenlebens, dem gemeinsam erfolgten Umzug und dem gemeinsam verbrachten Urlaub ist hierbei insbesondere auf den vom Pf. ausdrücklich genannten Heiratswunsch hinzuweisen. Es ist kaum anzunehmen, dass der Pf., den nach eigener Aussage bisher nur äußere Umstände (nämlich das schwierige Zusammenleben mit den Kindern der Klägerin zu Ziff. 1) an der Ehelichung der Klägerin zu Ziff. 1 gehindert haben, keinen Einstandswillen für diese besitzt. Zumindest könnte es nicht mehr als konventionelle Brautwerbung bezeichnet werden, wenn der Pf. der Klägerin zu Ziff. 1 seinen latenten Heiratswunsch entgegenhielte und hierbei gleichzeitig signalisierte, dies beinhalte keineswegs die Aufrechterhaltung oder Begründung einer Einstandsgemeinschaft.

Hiervon ausgehend hat die Beklagte die Leistungen an die Kläger vom 01.01.2005 bis zum 31.08.2005 in zutreffender Höhe unter Berücksichtigung des Einkommens des Pf. gewährt und vom 01.09.2005 bis zum 31.12.2005 zu Recht die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II abgelehnt. Die Ablehnung der Leistung ab dem 01.09.2005 beruht darauf, dass die Kläger ab diesem Zeitpunkt einen Bedarf unterhalb des anzurechnenden Einkommens ihrer Bedarfsgemeinschaft haben, weil der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II an die Klägerin zu Ziff. 1 im Monat September 2005 erstmalig nicht mehr zu zahlen war. Insofern wird auf die ausführliche Berechnung der Leistungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved