L 12 AS 3972/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 3835/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3972/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des SG Freiburg vom 30.07.2007 aufgehoben und der Antragsgegner verpflichtet bis zur Entscheidung in der Hauptsache dem Antragsteller den Zuschuss nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II zu gewähren und über den Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Der am 18.06.1988 geborene Ast. begann am 04.10.2006 eine 36-monatige Ausbildung zum Physiotherapeuten an der Lehranstalt für Krankengymnastik und Massage in E ... Das monatliche Schuldgeld beträgt 428,- EUR. Seit Beginn seiner Ausbildung wohnt der Ast. in einer 45 m2 großen Wohnung in E., wobei die Warmmiete 320,- EUR pro Monat beträgt. Der Ast. deckte seinen Unterhaltsbedarf zunächst durch Unterhaltszahlungen der Mutter. Zudem erhält er derzeit Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Höhe von monatlich 109,- EUR. Die Mutter des Ast.s wurde zum 31.05.2007 arbeitslos und erhält seitdem monatlich 1.262 EUR Arbeitslosengeld I. Das Kindergeld in Höhe von monatlich 154,- EUR erhält der Ast. weiterhin von seiner Mutter.

Am 30.05.2007 beantragte der Ast. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 06.06.2007 abgelehnt, da die Ausbildung des Ast.s im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei. Auch bestehe kein Zuschuss zu den Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 7 SGB II. Dagegen legte der Ast. mit Schreiben vom 11.06.2007 Widerspruch ein, über den bisher nicht entschieden wurde. Gegen den Ablehnungsbescheid vom 30.05.2007 beantragte der Ast. am 13.07.2007 einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Freiburg (SG). Seine Mutter könne ihn aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit nicht mehr unterstützen. Leistungen nach dem BAföG könne er maximal in Höhe von 412,- EUR bekommen. Über seinen Antrag auf Erhöhung der Leistungen nach dem BAföG sei zudem derzeit noch nicht entschieden worden. Selbst die Maximalzahlung von 412,- EUR würde zusammen mit dem Kindergeld nicht reichen, um die Ausbildungskosten, die Miete und die sonstigen Kosten des Lebensunterhalts zu bestreiten. Ohne zusätzliche Leistungen nach dem SGB II sei er gezwungen, die Ausbildung abzubrechen.

Mit Beschluss vom 30.07.2007 lehnte das SG die beantragte einstweilige Anordnung ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Ast. habe seinen Anspruch nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Nach § 7 Abs. 5 S.1 SGB II hätten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Ausbildung des Ast.s, der nicht bei seinen Eltern wohne, sei förderungsfähig nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 BAföG.

Es liege auch kein besonderer Härtefall im Sinne von § 7 Abs. 5 S.2 SGB II vor. Ein besonderer Härtefall könne dann angenommen werden, wenn Umstände vorlägen, die über mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II verbundenen Folgen, im Regelfall die Ausbildung nicht oder nur eingeschränkt fortsetzen zu können, deutlich hinausgingen. Ein Härtefall könne insbesondere dann gegeben sein, wenn der wesentliche Teil der Ausbildung bereits absolviert sei und der bevorstehende Abschluss (unverschuldet) an Mittellosigkeit zu scheitern drohe. Dabei müsse aber gerade der Abschluss der Ausbildung bevorstehen oder die Ausbildung zumindest fortgeschritten sein. Der Kläger habe dagegen erst gut ein Viertel seiner 36-monatigen Ausbildung absolviert. In diesem Fall könne noch nicht von einem fortgeschrittenen Stadium der Ausbildung gesprochen werden, bei dem es unzumutbar wäre, die Ausbildung abzubrechen. Ebenfalls sei es keine besondere Härte, wenn die Mutter des Ast.s aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit nicht mehr in der Lage sei, den Ast. finanziell zu unterstützen. Dem Ast. stehe aufgrund dieser Situation lediglich ein höherer Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG zu.

Der Ast. habe auch keinen Anspruch auf Zuschuss zu Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 7 SGB II, denn es lägen keine ungedeckten angemessenen Kosten der Unterkunft vor. Der Antragsgegner (Ag.) gehe nach den Berechnungen in der Verwaltungsakte von einer angemessenen Kaltmiete von 203,85 EUR und angemessenen Nebenkosten von 31,50 EUR aus, somit von angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 235,35 EUR. Für das Gericht lägen keine Anhaltspunkte vor, dass diese Berechnung unzutreffend sei. Der Ast. verfüge derzeit über ein Einkommen von insgesamt 263,- EUR (154,- EUR Kindergeld und 109,- EUR Leistungen nach dem BAföG). Dieser Betrag übersteige die angemessenen Kosten der Unterkunft, so dass keine ungedeckten Kosten vorlägen. Damit bestehe kein Anspruch nach § 22 Abs. 7 SGB II.

Gegen diesen Beschluss legte der Ast. Beschwerde eine, welche das SG nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte. Er wandte sich gegen die Verweigerung des Zuschusses nach § 22 Abs. 7 SGB II. Dieser dürfe nur in der Höhe des im BAföG enthaltenen Anteils für Unterkunft mit dem möglichen Anspruch nach § 22 Abs. 7 SGB II verrechnet werden. Weiter liege bei ihm eine besondere Härte im Sinne des § 7 Abs. 5 S.2 SGB II vor. Er müsse seine Ausbildung ohne den beantragten Zuschuss abbrechen. Er habe bereits erheblich in diese Ausbildung investiert, so habe bis Juli 2007 4280 EUR Schulgeld bezahlen müssen. Ohne diese Ausbildung wäre er sofort Alg II-Bezieher.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet. Der Ag. ist verpflichtet dem Ast. Leistungen nach 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II zu gewähren.

Das SG hat die rechtlichen Vorraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend ausgeführt. Der Senat nimmt insoweit darauf Bezug ( § 153 Abs. 2 SGG). Das SG hat jedoch zu Unrecht einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund verneint.

Es kann beim derzeitigen Verfahrenstand nicht davon ausgegangen werden, dass beim Ast. kein Härtefall im Sinne des § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zu § 26 BSHG zu dem damals möglichen Zuschuss zur Ausbildung im Rahmen der Sozialhilfe einen restriktive Auslegung vertreten. Dies war im BSHG vertretbar, da nach dem Gesetzeszweck die Sozialhilfe von den Lasten der Ausbildungsförderung möglichst freizuhalten war (BVerwGE 94, 224-229). Dieser Richtsatz kann aber so unter der Geltung des SGB II nicht mehr aufrechterhalten werden. Im SGB II gilt u.a. der Grundsatz des Förderns. Das SGB II wird stark von dem Gedanken des aktivierenden Sozialstaats geprägt (Spellbrink in Eicher/Spellbrink SGB II § 1 RdNr 1 m.w.N.). Dies schließt deshalb auch eine Beteiligung an der Ausbildungsförderung nicht in dem restriktiven Umfang wie bei der Sozialhilfe aus. Eines der vorrangigen Ziele des SGB II ist es, das aktive Bemühen eines Hilfebedürftigen um die Wiedereingliederung in Arbeit zu unterstützen. Aus diesem Grunde kann - auch in Anbetracht der bisherigen Rechtsprechung zum SGB II - nicht von der Aussichtslosigkeit des Begehrens des Ast.s in der Hauptsache ausgegangen werden. Bei dieser Konstellation kommt dem Anordnungsgrund die entscheidende Bedeutung zu. Im vorliegenden Fall bliebe dem Ast. nur der Abbruch des Maßnahme übrig. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache würde für diesen einen wesentlichen Nachteil bedeuten, dessen Folgen nur mit einem erheblichen Aufwand korrigiert werden könnten. Deshalb ist der Ag. im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, dem Ast. die Leistungen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II als Darlehen zu gewähren.

Unabhängig von der Frage des Vorliegens einer besonderen Härte nach§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II, hat der Ag. auch über einen Zuschuss nach § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II zu entscheiden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nur die erkennbaren Unterkunftskosten die im BAföG enthalten sind (etwa § 13 Abs. 3 BAföG) bei der Berechnung des Zuschusses berücksichtigt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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