L 12 AL 2939/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AL 3866/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2939/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 9.5.2007 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Streitig ist die Minderung des Arbeitslosengeldes des Klägers wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.

Der am 22.2.1961 geborene Kläger war vom 1.8.1992 bis 30.6.2005 als technischer Angestellter bei der Firma A.-S. beschäftigt. Die Kündigung des Arbeitgebers erfolgte am 9.12.2004 zum 30.6.2005. Bei der Kündigung wurde der Kläger auf die unverzügliche Arbeitsuchendmeldung hingewiesen.

Am 28.12.2004 sprach der Kläger bei der Beklagten vor. Er müsse sich arbeitsuchend melden, weil er gekündigt worden sei. Er wolle jedoch keinen Bewerberbogen ausfüllen und er suche definitiv keine Arbeit und wolle keine Vermittlungsvorschläge.

Am 30.6.2005 meldete sich der Kläger zum 1.7.2005 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Mit Bescheid vom 7.7.2005 bewilligte die Beklagte Alg ab 1.7.2005 in Höhe von 43,09 EUR täglich. Mit Bescheid gleichen Datums stellte die Beklagte fest, der Anspruch auf Alg mindere sich wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung um 1500 EUR. Den Widerspruch des Klägers mit der Begründung, er habe sich bereits am 28.12.2004 arbeitsuchend gemeldet, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2005 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 24.11.2005 beim Sozialgericht H. (SG) Klage erhoben. Das SG hat mit Beschluss vom 3.4.2007 Termin zur Erörterung des Sachverhalts auf den 24.4.2007 bestimmt. Der Kläger hat darauf mit Schreiben vom 19.4.2007 mitgeteilt, er werde am 24.4.2007 wegen eines gleichzeitigen Termins am Landessozialgerichts nicht erscheinen, für einen eventuellen neuen Termin beantrage er einen Kostenvorschuss in Höhe von 20 EUR oder eine Fahrkarte für öffentliche Verkehrsmittel. Das SG hat dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 23.4.2007 mitgeteilt, der Termin zur Erörterung des Sachverhalts sei aufgehoben. Es hat den Kläger darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Ein Gerichtsbescheid werde nicht vor dem 27.4.2007 ergehen, der Kläger erhalte Gelegenheit, sich zuvor zur Sache und zur Verfahrensweise zu äußern.

Durch Gerichtsbescheid vom 9.5.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die von der Beklagten vorgenommene Minderung des Alg sei rechtmäßig. Der Kläger habe sich nicht unverzüglich bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet. Er habe zwar am 28.12.2004 persönlich vorgesprochen, dabei habe es sich jedoch um keine Arbeitsuchendmeldung gehandelt. Schon nach dem Wortlaut des Begriffes müsse der Arbeitslose eine Arbeit suchen. Der Kläger habe hier ausdrücklich erklärt, dass er keine Arbeit suche. Erstmals bei seiner Antragstellung auf Alg am 30.6.2005 habe er erstmals erklärt, dass er sich arbeitslos und arbeitsuchend melde. Dies sei jedoch nicht unverzüglich, sondern über ein halbes Jahr später erfolgt. Der angefochtene Bescheid sei damit rechtmäßig.

Gegen diesen am 15.5.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.6.2007 Berufung eingelegt. Er bringt vor, es sei unzutreffend, dass er am 28.12.2004 keinen Bewerberbogen habe ausfüllen wollen. Richtig sei, dass die Beklagte sich geweigert habe, den Bewerberbogen entgegenzunehmen. Im übrigen sei ihm der Inhalt des in den Akten befindlichen Gesprächsprotokolls nicht bekannt. Es sei ihm nicht möglich, diese Entscheidungsgründe nachzuvollziehen.

Der Kläger stellt sinngemäß den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgericht H. vom 9.5.2007 und den Bescheid der Beklagten vom 7.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere ist in diesem Verfahren die Streitwertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (500 Euro) erreicht, weil hier um die Minderung des Anspruchs auf Alg um insgesamt 1500 Euro gestritten wird.

Die Berufung ist auch im Sinne der Zurückverweisung begründet. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Dies ist hier der Fall. Das SG hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

Nach § 62 SGG ist den Beteiligten vor jeder Entscheidung rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich geschehen. Dieser Anspruch auf rechtliches Gehör ist ein prozessuales Grundrecht (Art. 103 GG). Diesen Anspruch hat das SG bei Erlass des Gerichtsbescheids verletzt. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Diese vorherige Anhörung ist nur dann ordnungsgemäß durchgeführt, wenn eine angemessene Frist zur Stellungnahme (zur Sache und/oder zur Verfahrensweise) eingeräumt wird. Im Regelfall ist eine Frist von zwei Wochen ab dem Zugang der Mitteilung unter Ausschluss von Postlaufzeiten einzuräumen (BSG SozR 4 -1500 § 62 Nr. 1).

Im vorliegenden Fall hat das SG dem Kläger mit Schreiben vom 23.4.2007 Gelegenheit zur Stellungnahme zur Sache und zur beabsichtigten Verfahrensweise gegebenen bis zum 26.4.2007 (einschließlich). Der Kläger hatte also, worauf er selbst hingewiesen hat, nur höchstens zwei Tage Zeit, sich abschließend zu äußern. Diese zu kurze Frist verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör und dies stellt einen Verfahrensmangel dar. Dieser Verfahrensmangel wäre nur dann nicht wesentlich, wenn der Kläger zuvor auf eine weitere Äußerung oder auf eine mündliche Verhandlung verzichtet hätte. Dies hat er jedoch gerade nicht getan. Er hat vielmehr auf die Anberaumung eines Termins zur Erörterung der Sache mitgeteilt, er könne an diesem Termin nicht erscheinen, für einen eventuellen neuen Termin beantrage er einen Kostenvorschuss. Der Kläger hat damit gerade nicht auf weiteres Vorbringen oder auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, sondern durchaus geäußert, dass er einem (weiteren) Verhandlungstermin entgegensieht.

Nun steht die Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Gerichtsbescheids wegen des wesentlichen Verfahrensmangels im Ermessen des Senats. Er ist nicht zur Zurückverweisung verpflichtet, hat vielmehr zu beachten, dass die Zurückverweisung die Ausnahme sein soll (siehe dazu Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Aufl., Anm. 5 zu § 159). Hier ist abzuwägen zwischen dem Interesse der Beteiligten an einer Sachentscheidung und der Prozessökonomie einerseits und dem Verlust des Klägers einer Instanz andererseits. Der Kläger hat hier den Verfahrensmangel selbst gerügt und zu erkennen gegeben, dass er eine mündliche Verhandlung wünsche. Dass der Kläger auch darauf hingewiesen hat, dass das Verfahren bereits über ein Jahr unbearbeitet beim SG gelegen habe, zeigt, dass er nicht damit einverstanden war, jetzt ohne ausreichende Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme mit einer Entscheidung überzogen zu werden. In dieser Situation hat die Prozessökonomie zurückzustehen hinter dem Interesse des Klägers, nicht ohne Not eine Instanz zu verlieren. Der Senat sieht es damit als gerechtfertigt an, das Verfahren unter Aufhebung des Gerichtsbescheids an das SG zurückzuverweisen. Das SG wird dem Kläger eine mindestens zweiwöchige Frist zur Stellungnahme zur Sache und zur Verfahrensweise einräumen müssen, falls es eine erneute Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt. Falls der Kläger jedoch auf einer mündlichen Verhandlung besteht, weil er die Gründe für seine Klage noch mündlich vorbringen will, wird das SG dies abzuwägen haben.

Über den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheids entscheidet der Senat nicht.

Eine Kostenentscheidung hat hier nicht zu ergehen. Sie bleibt der Entscheidung des SG vorbehalten, wobei das SG auch über die Kosten dieses Verfahrens zu entscheiden hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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