L 6 R 5222/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1197/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 R 5222/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Die 1951 geborene Klägerin hat von Dezember 1967 bis Juni 1969 eine Ausbildung zur Verkäuferin ohne Abschluss durchlaufen. Anschließend war sie bis Juni 1975 zunächst als kaufmännische Angestellte und anschließend als Datentypistin tätig. Von Juni 1975 bis November 1989 war sie überwiegend Hausfrau und erzog ihren 1975 geborenen Sohn. Außerdem war sie in diesem Zeitraum teilweise als Kassiererin bei der Firma A. tätig (10/1978 bis 3/1983 und 3/1987 bis 11/1989). Nach einer kurzen Anstellung im Büro der Firma P. in H. war sie von Februar 1991 bis Januar 2003 als Büroangestellte in der Buchhaltung in dem Betrieb ihres Ehemannes im Transportgewerbe tätig. Die Beschäftigung endete wegen Insolvenz des Betriebes. Seitdem ist die Klägerin arbeitslos.

Vom 25.02. bis 17.03.2004 erfolgte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik B. R ... Behandelt wurden eine Gonarthrose rechts bei Zustand nach Arthroskopie 11/02 mit Meniskusteilresektion, Lumbalgien bei Osteochondrose L4/5 und L5/S1, ein arterieller Bluthochdruck sowie eine Adipositas Grad III (163 cm, 113 kg). Die Klägerin wurde für fähig gehalten, leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen, Gehen, ohne langes einseitiges Stehen oder Gehen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Klettern oder Steigen und ohne Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen vollschichtig zu verrichten. Unter Einhaltung dieser Einschränkungen könne auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Buchhalterin weiter verrichtet werden. Die Klägerin war nach dem Entlassungsbericht aus der Maßnahme mit dieser Beurteilung einverstanden.

Am 23.07.2004 stellte sie einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, sie könne wegen Schmerzen am Knie nach Knieoperationen 2002 und 2004 und Bandscheibenproblemen nicht länger sitzen bzw. stehen. Die Beklagte holte den Befundbericht der Allgemeinärztin E. vom 11.08.2004 ein. Diese berichtete, die Klägerin sei seit 1988 in orthopädischer Behandlung wegen Kreuzschmerzen. Seit ca. zwei Jahren seien akute Knieschmerzen rechts stärker als links hinzugekommen. Der Orthopäde Dr. L. übersandte auf Anforderung der Beklagten den Bericht über die Arthroskopie des rechten Kniegelenkes am 28.04.2004, bei der wiederum eine Innenmeniskusteilresektion vorgenommen wurde. Diagnostiziert wurden eine Innenmeniskusruptur und ein Knorpelschaden des Kniegelenkes. Nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 19.08.2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 03.09.2004 mit der Begründung ab, die Klägerin sei noch in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, auch im Bereich des linken Kniegelenkes sei eine Operation angeraten worden. Sie habe täglich Schmerzen und leide auch unter Schlafstörungen. Über den Unfalltod ihres Sohnes 1997 sei sie noch nicht hinweg. Sie legte das orthopädische Attest von Dr. U. vom 26.01.2004 vor, der die Auffassung vertrat, die Klägerin solle aus ärztlicher Sicht nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten. Der behandelnde Orthopäde Dr. L. übersandte auf Anforderung der Beklagten weitere Unterlagen, u. a. den kernspintomographischen Befund des linken Kniegelenkes vom 13.10.2004 (Läsion des Innenmeniskushinterhornes, degenerative Veränderungen des Außenmeniskusvorderhorns, Chondropathia patellae Grad III, laterale Facette bei Dysplasie). Die Beklagte holte dann das orthopädische Gutachten von Dr. L. vom 19.01.2005 ein. Dieser stellte die Diagnosen: Adipositas permagna, entzündliche Schultersteife rechts, Varusgonarthrose beidseits und vertrat die Auffassung, bei der Klägerin seien die orthopädischen Probleme im hohen Maße durch die Adipositas bedingt. Eine drastische Gewichtsreduktion zur Entlastung der Gelenke sei zu empfehlen. Leichte, der Vorbildung entsprechende Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, ohne Überkopfarbeit und ohne das Erfordernis des Ersteigens von Treppen, Leitern und Gerüsten sowie ohne die Notwendigkeit von Gehen auf unebenem Gelände könne die Klägerin sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 07.04.2005 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Zur Begründung führte sie aus, ihr quantitatives Leistungsvermögen sei auf drei bis sechs Stunden täglich herabgesunken. Sie leide unter ständigen Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates und müsse hoch dosierte Medikamente einnehmen. Seit April 2005 sei sie auch wegen Depressionen in neurologisch-psychiatrischer Behandlung.

Das SG holte das orthopädische Gutachten von Dr. R. vom 03.08.2005 ein. Dieser diagnostizierte im Wesentlichen folgende Gesundheitsstörungen: Verschleißschäden an beiden Kniegelenken, muskulär statisches Halswirbelsäulensyndrom, leichtgradige Thorako-Lumbal-Skoliose, belastungsabhängige Reizzustände der Rotatorenmanschetten an beiden Schultergelenken ohne weitergehende Bewegungseinschränkung, Beinlängendifferenz mit geringgradigen Aufbraucherscheinungen des rechten Hüftgelenkes sowie Fersenbeschwerden beidseits. Leichte körperliche Tätigkeiten mit mittelschweren Belastungsspitzen, vornehmlich sitzend mit gelegentlich gehender und stehender Tätigkeit könne die Klägerin noch vollschichtig (acht Stunden täglich) verrichten. Es bestehe Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. L ...

Nachdem die Klägerin weitere Gesundheitsstörungen auf internistischem und nervenärztlichem Fachgebiet geltend gemacht hatte, befragte das SG die Allgemeinärztin E. als sachverständige Zeugin. Diese teilte unter dem 25.11.2005 mit, sie behandle die Klägerin ca. zwei bis drei Mal pro Quartal. Die gesundheitliche Problematik sei noch nicht komplett abgeklärt. Nach Aussage des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sei eine sechsstündige tägliche Arbeit nicht möglich. Außerdem berichtete der Internist Dr. K. unter dem 11.12.2005 als sachverständiger Zeuge über die Behandlung der Klägerin ab 11.07.2005 wegen des Bluthochdrucks sowie einer leichten Mitralklappeninsuffizienz. Seines Erachtens könne die Klägerin ohne Gefährdung ihrer Gesundheit noch eine leichte körperliche Tätigkeit ca. vier Stunden täglich verrichten, wobei nach jeder Arbeitsstunde eine mindestens 15-minütige Pause eingelegt werden solle.

Das SG holte dann das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. B. vom 26.07.2006 mit dem internistisch-arbeitsmedizinischen Zusatzgutachten von Dr. S. vom 20.05.2006 ein. Dr. S. diagnostizierte auf seinem Fachgebiet: Hypertonie, Neigung zu allergischem Asthma bronchiale, zur Zeit nicht nachweisbar, starke Übergewichtigkeit. Schwere körperliche Arbeiten sowie mittelschwere Arbeiten drei Stunden und länger arbeitstäglich könne die Klägerin nicht mehr verrichten. Leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit gewissen qualitativen Einschränkungen seien noch ca. acht Stunden täglich möglich. Dr. B. diagnostizierte eine mittel ausgeprägte, mehrdimensionale (ängstlich-dysthym-somatoforme) psychosomatische (neurotische) Störung. Diese Störung beeinträchtige das psycho-somato-soziale Wohlbefinden der Klägerin und zeige sich im körperlichen Bereich in Form nicht (hinreichend) organmedizinisch begründbarer körperlicher Beschwerden bzw. einer verstärkten Wahrnehmung der körperlich begründeten Beeinträchtigungen, im seelischen Bereich als Ängste und Verstimmung mit reduzierter Lebensfreude und im sozialen Bereich durch Schwierigkeiten in ihren sozialen Bezügen bzw. in ihrer allgemeinen Lebensbewältigung. Die Symptomatik sei mit einer relevanten Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in privaten und beruflichen Bereichen verbunden. Es ergebe sich daraus insbesondere eine leicht bis deutlich reduzierte Stress-Belastbarkeit. Die Klägerin solle daher nicht bei Tätigkeiten eingesetzt werden, die mit erhöhtem Stress verbunden seien (z. B. Wechselschicht, Nachtschicht, besonderer Zeitdruck einschließlich Akkord und Fließband, vermehrter Publikumsverkehr etc.). Wegen der Schwindelneigung seien außerdem Tätigkeiten in absturzgefährdenden Situationen z. B. auf Leitern oder Gerüsten zu vermeiden. Unter Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin auch weiterhin vollschichtig (ca. acht Stunden täglich) arbeiten. Sie besitze auch die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, um sich innerhalb von drei Monaten in eine neue Berufstätigkeit einzuarbeiten.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2006 - dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 25.09.2006 - wies das SG die Klage ab. Zur Begründung nahm es auf die Ausführungen von Dr. R., Dr. S. und Dr. B. Bezug.

Die Klägerin hat hiergegen am 17.10.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei in laufender orthopädischer Behandlung. Vor allem im Bereich des linken Kniegelenkes und der Hüfte sei eine Verschlechterung eingetreten. Auf dem Arbeitsmarkt gebe es allgemein auch keine Schonarbeitsplätze, die auf die von Dr. B. beschriebenen Funktionseinschränkungen zugeschnitten seien. Sie hat weiter darauf hingewiesen, dass die Agentur für Arbeit ihre Leistungsfähigkeit für so stark eingeschränkt halte, dass sie nur noch weniger als 15 Stunden in der Woche arbeiten könne. Ab Mai 2006 habe sich ihr Leistungsvermögen wegen der Befunde auf psychiatrischem Fachgebiet weiter verschlechtert, wie sich aus dem Attest von Dr. H. vom 08.05.2006 ergebe.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19.09.2006 sowie den Bescheid vom 03.09.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.03.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.06.2006 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Beurteilung der Sachverständigen für zutreffend. Die von diesen beschriebenen Einschränkungen würden keinesfalls einem so genannten "Schonarbeitsplatz" entsprechen. Sie seien vielmehr an einem Büroarbeitsplatz erfüllt.

Der Senat hat von der Bundesagentur für Arbeit die dort vorliegenden medizinischen Unterlagen über die Klägerin beigezogen. Darunter befanden sich insbesondere die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 18.10.2005, 23.03.2006 und 07.04.2006, der Bericht des Psychiaters Dr. H. vom 08.05.2006 sowie die gutachterliche Äußerung von Medizinaldirektor V. vom 16.05.2006. Nach dem Gutachten des MDK vom 07.04.2006 war die Klägerin seit 14.04.2005 arbeitsunfähig. Als Hauptdiagnose wird eine depressive Episode genannt. Bei laufendem Sozialgerichtsverfahren wird die Auffassung vertreten, die Klägerin sei auf Dauer arbeitsunfähig. Die berufsbezogene Leistungsfähigkeit sei dauerhaft durch eine mittelgradige depressive Störung limitiert. Weiter wird ausgeführt, die Klägerin sei nicht immobil und auch nicht schwer depressiv. Sie könne an allen Stellen ihr Anliegen zielgerichtet vertreten. Teilweise komme es zu ultimativen Forderungen an die Rentenversicherung. Dr. H. berichtet über eine rezidivierende depressive Störung, die medikamentös behandelt werde. Dadurch habe sich eine gewisse Stabilisierung gezeigt. Beim letzten Termin sei eine gewisse Verschlechterung festzustellen gewesen. Er halte die Leistungsfähigkeit der Klägerin für deutlich reduziert. Es sei wahrscheinlich, dass es zu einer Rente komme.

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit sei lediglich nach Aktenlage anhand der MDK-Gutachten erstellt worden. Diese Gutachten seien zeitlich vor dem Gutachten von Dr. B. erstellt worden. Da dieses Gutachten aktueller sei, bleibe sie bei ihrem Standpunkt.

Die Klägerin hat noch das ärztliche Attest von Dr. H. vom 03.04.2007 vorgelegt. Dieser vertritt darin die Auffassung, die Klägerin könne wegen der rezidivierenden depressiven Störung sowie einer autonomen somatoformen Schmerzstörung nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Außerdem hat sie das Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin E. vom 06.08.2007 vorgelegt. Darin werden die Diagnosen Lumboischialgie, Osteoporose, Intercostalneuralgie, mittelschwere Depression sowie somatoforme Schmerzstörung genannt. Die Leistungsfähigkeit wird mit "unter 3 Stunden" eingeschätzt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat und die angefochtenen Bescheide daher rechtmäßig sind.

Das SG hat die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen - voller oder teilweiser - Erwerbsminderung nach den §§ 43 und 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) zutreffend wiedergegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.

Ebenso wie das SG kommt der Senat nach nochmaliger Würdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage ist, körperlich leichte Tätigkeiten in ihrem bisherigen Berufsfeld sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne der §§ 43, 240 SGB VI.

Die berufliche Leistungsfähigkeit der Kläger ist allerdings durch die bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen beeinträchtigt, wobei insbesondere die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet zu berücksichtigen sind. Aufgrund des orthopädischen Gutachtens von Dr. R. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin unter Verschleißerscheinungen an beiden Kniegelenken sowie unter Wirbelsäulenbeschwerden bei leichtgradiger Thorako-Lumbal-Skoliose und degenerativen Aufbrauchserscheinungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule leidet. Durch das bestehende Übergewicht werden die Knie- und Wirbelsäulenbeschwerden naturgemäß ungünstig beeinflusst. Die Klägerin kann daher weder schwere noch durchgehend mittelschwere Tätigkeiten verrichten und muss ausschließlich stehende, ausschließlich gehende Tätigkeiten sowie Treppensteigen, das Besteigen von Leitern und Gerüsten und Tätigkeiten auf unebenem Boden möglichst vermeiden. Ferner sind wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen zu vermeiden. Gehäufte Überkopfarbeiten kann sie ebenfalls nicht verrichten, da sie auch unter belastungsabhängigen Reizzuständen an beiden Schultergelenken - allerdings ohne weitergehende Bewegungseinschränkung - leidet. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen, gelegentlich im Gehen oder Stehen ohne Zwangshaltungen kann sie dagegen aus orthopädischer Sicht nach der überzeugenden Beurteilung von Dr. R. noch vollschichtig - und damit jedenfalls mindestens 6 Stunden täglich - verrichten.

Dieses Leistungsvermögen wird durch die Befunde auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nicht weiter herabgesetzt. Dr. B. kommt nach einer ausführlichen Exploration einschließlich testpsychologischer Untersuchung zu der den Senat überzeugenden Einschätzung, dass die Klägerin an einer psychischen Störung leidet, die jedoch nicht so schwerwiegend ist, dass die Klägerin bei zumutbarer Willensanstrengung nicht mehr in der Lage wäre, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Diese Beurteilung wird von Dr. B. ausführlich anhand der eigenen Angaben der Klägerin begründet. Er verkennt dabei nicht, dass bei der Klägerin eine mittelgradig ausgeprägte psychosomatische Störung, bei der auch die Bezeichnung als somatoforme Schmerzstörung vertretbar wäre, vorliegt. Er verkennt auch nicht, dass die Störung bereits seit mehreren Jahren besteht und insofern trotz der bisherigen therapeutischen Bemühungen chronifiziert ist. Andererseits führt er überzeugend aus, dass sich eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin im beruflichen Bereich vor allem deshalb nicht begründen lässt, weil die Klägerin bei der Gestaltung ihrer Freizeit bzw. ihres Alltages nicht spezifisch auffällig ist. Sie versorgt ihren 2-Personen-Haushalt im Wesentlichen allein und geht üblicherweise 4 bis 5-mal pro Tag mit dem Hund spazieren. Die durchgeführte Behandlung hat nach den eigenen Angaben der Klägerin gegenüber Dr. B. auch durchaus einen positiven Effekt auf die Erkrankung. Dies spricht ebenfalls gegen eine dauerhafte quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin durch die nervenärztlichen Befunde. Die psychischen Beschwerden führen allerdings zu einer gewissen Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit bzw. der Konzentrationsfähigkeit und der Stressbelastbarkeit. Dem kann nach den Ausführungen von Dr. B. dadurch Rechnung getragen werden, dass die Klägerin nicht bei Tätigkeiten eingesetzt wird, die mit erhöhtem Stress verbunden sind (Wechselschicht, Nachtschicht, besonderer Zeitdruck einschließlich Akkord und Fließband, vermehrter Publikumsverkehr). Dr. B. hat bei seinen Ausführungen auch das internistisch-arbeitsmedizinische Gutachten von Dr. S. berücksichtigt und eine aus ganzheitlicher Sicht überzeugende Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin abgegeben.

Der Beurteilung der behandelnden Ärzte Dr. U. und Dr. H., dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten, war dagegen nicht zu folgen. Diese Auffassung ist durch die überzeugenden Ausführungen der gerichtlichen Gutachter Dr. R., Dr. S. und Dr. B. widerlegt. Auch eine Einschränkung der täglichen Arbeitszeit auf 4 Stunden, wie sie von Dr. K. für erforderlich gehalten wird, lässt sich mit den vorliegenden Befunden nicht begründen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren zusätzlich beigezogenen medizinischen Unterlagen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Gutachten des MDK und die gutachterliche Stellungnahme von Medizinaldirektor V. vor der Untersuchung durch Dr. B. erstattet wurden. Dr. E. vertrat in seinem Gutachten für den MDK vom 07.04.2006 die Auffassung, es bestehe eine Arbeitsunfähigkeit auf Dauer. Dies steht in gewissem Gegensatz zu der eigenen, auf der Auswertung zahlreicher Befundunterlagen beruhenden Beurteilung von Dr. E., der ausgeführt hat, die Klägerin sei nicht immobil und auch nicht schwer depressiv. Dr. H. spricht in seinem Befundbericht vom 08.05.2006 von einer depressiven Episode, die sich unter Medikamenteneinnahme gebessert habe. Soweit Dr. H. über eine gewisse Verschlechterung der depressiven Symptome beim letzten Termin berichtete, dürfte dies darauf zurückzuführen sein, dass die Klägerin die verschriebenen Medikamente nicht eingenommen hat. Dies ergibt sich nach dem Gutachten von Dr. S. aus der Analyse der Laborwerte, wonach die verschriebene Substanz Amitriptylin trotz der von der Klägerin angegebenen Einnahme am Untersuchungstag im Blutserum nicht einmal in Spuren nachweisbar war. Der Befundbericht von Dr. H. vom 08.05.2006 ist inhaltlich identisch mit dem Befundbericht vom 14.07.2006, der Dr. B. bei der Abfassung seines Gutachtens vorlag. Weder aus dem Attest von Dr. H. vom 08.05.2006 noch aus dem Gutachten von Dr. B. ergibt sich die von der Klägerin geltend gemachte Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes im Mai 2006. Dr. H. beschreibt einen wechselhaften Verlauf der Depression. Bei der Untersuchung durch Dr. B. am 17.07.2006 gab die Klägerin an, ihre Schmerzen hätten 1985 begonnen und seien seit dem Tod ihres Sohnes 1997 täglich vorhanden. Falls eine deutliche Verschlechterung im Mai 2006 eingetreten wäre, hätte dies die Klägerin bei der ausführlichen Exploration sicherlich angegeben.

Mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen ist die Klägerin in der Lage, eine ihrer bisherigen Tätigkeit als Angestellte im Bereich der Buchhaltung entsprechende Tätigkeit mindestens 6 Stunden täglich unter betriebsüblichen Bedingungen zu verrichten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen sie bei einer überwiegend sitzenden Tätigkeit, bei der sie die Möglichkeit hat, die Körperhaltung gelegentlich zu wechseln, zusätzliche, im Arbeitszeitgesetz nicht vorgesehene Pausen benötigen würde. Dies haben Dr. R. und Dr. B. in ihren Gutachten schlüssig dargelegt. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich bei den in Frage kommenden Arbeitsplätzen um Schonarbeitsplätze handelte, die an Betriebsfremde nicht vergeben würden. Ein Fall, in dem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) trotz eines mindestens 6-stündigen Leistungsvermögens von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auszugehen und eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen ist, liegt daher nach Überzeugung des Senats nicht vor (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI, Rdnr. 37 ff.)

Das Gehvermögen der Klägerin ist auch nicht so weit eingeschränkt, dass die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des BSG von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes wegen fehlender Wegefähigkeit auszugehen ist, vorliegen würden. Nach dem Ergebnis der orthopädischen Begutachtung kann die Klägerin trotz der Verschleißerscheinungen der Kniegelenke bei Zustand nach zweimaliger Arthroskopie rechts noch vier mal täglich mehr als 500m Gehstrecke zurücklegen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10).

Weitere Ermittlungen waren nicht erforderlich, da sich aus den von der Klägerin vorgelegten Attesten keine neuen Befunde ergeben. Dr. H. beschreibt auch keine Verschlechterung der psychischen Störung.

Aus den genannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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