Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 KR 2453/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4530/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 8. August 2007 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin auf einstweilige Anordnung abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des gerichtlichen Eilverfahrens die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr zur Behandlung ihrer Fettstoffwechselstörung eine regelmäßige extrakorporale Lipid-Apherese (LDL-Apherese) zu gewähren.
Die am 24. April 1940 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Sie leidet u. a. an einer koronaren Dreigefäßerkrankung, einer Hypertonie, einem Diabetes mellitus IIb (insulinpflichtig), einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit vom Mehretagentyp beidseits und einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung. Als kardiovaskulärer Risikofaktor besteht neben dem Diabetes eine Hyperlipoproteinämie (a).
Im Februar 2007 suchte die Antragstellerin den Vertragsarzt Dr. L. auf. Dieser stellte eine massive Erhöhung des Lipid(a)-Wertes (345 mg/dl) fest und empfahl eine LDL-Apherese. Die Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) kam hingegen zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Lipid(a)-Erhöhung zwar um eine medizinische Indikation zur Durchführung der Apherese-Behandlung handle, diese aber gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durchgeführt und abgerechnet werden könne. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, einen Einzelantrag auf Kostenerstattung bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen.
Die Antragsgegnerin, der die KVBW das Ergebnis der Kommission mitgeteilt hatte, lehnte mit Bescheid vom 9. Mai 2007 ab, die Kosten für die beantragte Maßnahme zu übernehmen. Auf den Widerspruch der Antragstellerin holte die Antragsgegnerin eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK; Dr. B.) ein, wonach die Hyperlipoproteinämie (a) weder lebensbedrohlich sei noch regelmäßig tödlich verlaufe. Sie gelte als Risikofaktor für das Auftreten arteriosklerotischer Veränderungen, in deren Folge kardiovaskuläre Erkrankungen, periphere arterielle Verschlusskrankheiten, Apoplexien etc. aufträten. Es handle sich jedoch nur um einen der zahlreich vorhandenen kardiovaskulären Risikofaktoren. Entscheidend sei die positive Beeinflussung des gesamten Risikoprofils. Schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten der Hyperlipoproteinämie (a) seien begrenzt; medikamentös sei eine Senkung lediglich durch nikotinsäurehaltige Präparate nachgewiesen.
Über den Widerspruch hat die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden.
Die Antragstellerin hat am 13. Juli 2007 Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht Mannheim (SG) gestellt. Sie hat vorgetragen, dass allein die begehrte LDL-Apherese dem fortschreitenden Krankheitsverlauf der schweren koronaren Herzerkrankung entgegenwirke und nur so ihr Leben erhalten werden könne. Eine Behandlung mit Nikotinsäure scheide wegen der damit verbundenen Verschlechterung der Insulinsensitivität aus (so auch Bericht von Prof. Dr. R., Institut für Fettstoffwechsel und Hämorheologie, W.). Zwar habe der Bundesausschuss das Verfahren geprüft und nur für andere Indikationen zugelassen. Da die Krankheit aber selten sei, sei nicht auszuschließen, dass der Bundesausschuss die Anforderungen an die Evidenz der zu fordernden Wirksamkeit überspannt habe und daher ein Fall des Systemversagens vorliege. Die Behandlung solle wöchentlich durchgeführt werden und es entstünden Kosten von ca. 1.200 EUR pro Behandlung. Sie und ihr Ehemann seien Rentner und nicht in der Lage, die Kosten der Behandlung zu bezahlen, was die Antragstellerin eidesstattlich versichert hat.
Mit Beschluss vom 8. August 2007 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 13. Juli 2007 vorläufig einmal wöchentlich eine LDL-Apherese zur Verfügung zu stellen bzw. die hierfür anfallenden Kosten zu übernehmen. Die Verpflichtung ende mit der rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid, spätestens jedoch am 31. März 2008. Im Übrigen ist der Antrag abgelehnt worden. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es sprächen überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die LDL-Apherese zumindest vorläufig erbringen müsse. Dem Lipid(a)-Wert komme eine besondere Bedeutung für die Erkrankungen der Antragstellerin zu. Schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten zur Begrenzung der Risikofaktoren für die Herz-Kreislauferkrankungen der Antragstellerin stünden nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BVR 347/98 - immunbiologische Therapie; veröffentlicht in SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) hinzuweisen, dessen Grundsätze auch auf wesentliche Risikofaktoren anzuwenden seien, ohne deren Behandlung ein lebensbedrohlicher Erkrankungsverlauf drohe.
Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 16. August 2007 zugestellten Beschluss am 5. September 2007 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die beantragte Therapie nicht von ihrer Leistungspflicht umfasst sei. Auch nach der Entscheidung des BVerfG vom 6. Dezember 2005 ergebe sich nichts anderes, denn die Hyperlipoproteinämie (a) sei weder lebensbedrohlich noch regelmäßig tödlich verlaufend und für die koronare Herzkrankheit sei die positive Beeinflussung des gesamten Risikoprofils entscheidend. Außerdem sei der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, da die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nicht bekannt seien.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 8. August 2007 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf einstweilige Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es sei ihr als "Hochrisikopatientin" nicht zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sie habe auch keinerlei Vermögen.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 hat die KVBW der Beklagten mitgeteilt, dass auch nach erneuter Überprüfung an dem bisherigen Ergebnis festgehalten werde, dass keine Indikation zur Apheresebehandlung im Sinne der BUB-Richtlinien gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig und begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt, da es der Antragstellerin ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Hier ist schon kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Apherese ist ein Verfahren der extrakorporalen Blutreinigung, bei dem das Blut in der Regel in seine zellulären und plasmatischen Komponenten (rote Blutzellen, weiße Blutzellen, Blutplättchen und Plasma) aufgetrennt wird und Komponenten bzw. Teile davon ggf. selektiv aus dem Blut entfernt werden.
Als Rechtsgrundlage für die genannte Behandlung kommen nur § 13 Abs. 3, § 27 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in Frage, weil es sich bei der Behandlung um eine solche der ambulanten Krankenbehandlung zuzuordnende Leistung handelt. Die Antragsgegnerin ist zwar nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der bei ihr versicherten Antragstellerin verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen wird oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (früher: Bundesausschuss) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R, für SozR vorgesehen).
Die hier begehrte ambulante LDL-Apherese kann als Sachleistung nicht erbracht werden, weil sie bis heute bei der Erkrankung der Antragstellerin vom Leistungsspektrum der GKV nicht erfasst wird. Sie ist eine neue Behandlungsmethode, weil sie als abrechnungsfähige ärztliche Leistung nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist. Auf Grund des Beschlusses des Bundesausschusses vom 24. März 2003 (BAnz. 2003 Nr. 123, S. 14486) können LDL-Apheresen zwar als Leistung der GKV zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Dies betrifft allerdings nur LDL-Apheresen bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in homozygoter Ausprägung und Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie, bei denen grundsätzlich mit einer über zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL - Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann (§ 3 Nr. 3.1 der Anlage A BUB-RL: Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden, a. a. O., jetzt in Anlage 1 zur Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung i. d. F. v. 17. Januar 2006, BAnz. 2006, Nr. 48, S. 1523). Die Antragstellerin leidet jedoch an einer Lipid (a)-Er¬höhung, die von der Empfehlung des Bundesausschusses nicht erfasst wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen zum so genannten "Systemversagen". Danach kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss/Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. In Fällen, in denen die im Gesetz vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist, muss nämlich die Möglichkeit bestehen, das Anwendungsverbot auf andere Weise zu überwinden. Ein solcher Systemmangel kann vorliegen, wenn das Verfahren vor dem Bundesausschuss von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 3/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 - neuropsychologische Therapie).
Ein solches Systemversagen lässt sich hier nicht feststellen. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlungsmethode in den Leistungskatalog der GKV hätte aufgenommen werden müssen. Immerhin hat sich der Bundesausschuss mit der LDL-Apherese befasst und hat das in §§ 5, 6 des Beschlusses vom 24. März 2003 geregelte Begutachtungsverfahren durch eine besonders zusammengesetzte Kommission bei den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehen, die Behandlung aber auf bestimmte Diagnosen begrenzt, wozu die vorliegende Hyperlipoproteinämie (a) gerade nicht gehört. Für diese sah er Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit als nicht ausreichend wissenschaftlich belegt an. Die Methode wurde vielmehr (noch) dem Stand der experimentellen Anwendungen zugeordnet, die ausschließlich in kontrollierten klinischen Studien durchgeführt werden sollten, um Nutzen und Risiken der Anwendung wissenschaftlich zu evaluieren (so Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, DÄrztBl. 2003, A 2033). Schließlich hat der Gemeinsame Bundesausschuss am 24. Mai 2006 beschlossen, erneut über die Apheresebehandlung bei Erhöhung der Werte des Lipoproteins (a) zu beraten (vgl. BAnz. Nr. 111 vom 17. Juni 2006, S. 4466). Die seitdem vergangene Zeit ist zu kurz, um an ein Systemversagen denken zu können.
Ein Anspruch auf die ambulante Anwendung der LDL-Apherese im Falle der Antragstellerin kann auch nicht darauf gestützt werden, dass ihre Erkrankung so beschaffen ist, dass sie weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann. In einem solchen Fall hat der Bundesausschuss/Gemeinsame Bundesausschuss keine Befugnis, in seinen Richtlinien generalisierend zur Qualität der Behandlung Stellung zu nehmen, weil die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 SGB V vorgeschriebenen Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt nur Methoden erfasst, die bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewendet werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 1 - Visudyne)
Die Erkrankung der Antragstellerin ist aber nicht so einzigartig, dass sie als Einzelfall medizinisch nicht erforschbar wäre. Dies würde voraussetzen, dass generelle wissenschaftliche Aussagen zur Therapie der Krankheit infolge der geringen Zahl an Patienten so gut wie ausgeschlossen wären. Bei geschätzten 160 bis 320 Krankheitsfällen in Deutschland sind zumindest deutschland- oder europaweite Multicenterstudien möglich (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2007, L 9 KR 407/01; ebenso der von der Antragstellerin vorgelegte Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 24. Mai 2006, L 4 B 50/05 KR ER). Gegen eine Seltenheit spricht auch die bereits erwähnte erneute Befassung des Gemeinsamen Bundesausschuss mit der Apherese bei Lipid (a)-Erhöhung.
Zu Gunsten der Antragstellerin folgt auch nichts aus dem Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005. Danach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Um eine derartige Konstellation geht es bei der Behandlung der Antragstellerin aber nicht.
Die Hyperlipoproteinämie (a) ist keine Erkrankung, die - wie vom BVerfG für die Erweiterung des herkömmlichen gesetzlichen Leistungskatalogs gefordert - als "lebensbedrohlich" oder gar "regelmäßig tödlich verlaufend" einzuschätzen ist. Dies folgt schon aus dem von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachten des MDK und Gegenteiliges wird auch von der Antragstellerin nicht behauptet. Zwar spricht vieles dafür, dass die Hyperlipoproteinämie (a) das Risiko für ein Entstehen oder Fortschreiten einer koronaren Herzerkrankung erhöht (so auch LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.), welche in der Tat lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Bei der Antragstellerin besteht eine solche koronare Herzerkrankung. Die Hyperlipoproteinämie (a) stellt jedoch nur einen Risikofaktor für die (hier: Verschlechterung der) koronare(n) Herzerkrankung dar und hierbei auch nur einen unter mehreren. Die Rechtsgedanken der Entscheidung des BVerfG auf Faktoren auszudehnen, die das Risiko für eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit erhöhen, wie es der Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 24. Mai 2006 (a.a.O.) vornimmt, ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Das BSG hat es vielmehr abgelehnt, die vom BVerfG aufgestellten Kriterien auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, in denen der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen den Leistungsumfang der GKV durch Schaffung besonderer Verfahren und mit besonderem Sachverstand ausgestatteter Institutionen bewusst begrenzt hat (BSG, Urteil vom 26. September 2006, a.a.O.). Auch davon, dass im Hinblick auf die koronare Herzerkrankung die Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind - eine weitere Voraussetzung nach der genannten Entscheidung des BVerfG -, kann nicht ausgegangen werden. So hat der Kardiologe Dr. L. im Arztbrief vom 6. Februar 2007 keinen Hinweis auf eine Progression der koronaren Herzerkrankung gesehen, die linksventrikuläre Funktion als gut bezeichnet und den Einsatz eines ACE-Hemmer-Präparats mit Beginn der halben Dosis empfohlen. Offen lassen kann der Senat die Frage, ob die Behandlungsmöglichkeiten auch deswegen noch nicht ausgeschöpft sind, weil die LDL-Apherese auch teilstationär angeboten wird und dort die Leistungspflicht innerhalb der GKV nach anderen, eine Gewährung der LDL-Apherese tendenziell eher ermöglichenden Kriterien zu bestimmen ist (hierzu: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2007, L 9 KR 1168/05).
Schließlich ist auch die periphere arterielle Verschlusskrankheit vom Mehretagentyp beidseits keine lebensbedrohliche oder gar regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung und zwar weder allgemein noch im konkreten Fall der Antragstellerin, wo der behandelnde Arzt Dr. H. in den seinen Berichten vom 31. Januar 2007 einen akuten Handlungsbedarf nicht gesehen hat.
Ob ein Anordnungsgrund besteht, kann bei dieser Sachlage offen gelassen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten beider Instanzen sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des gerichtlichen Eilverfahrens die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr zur Behandlung ihrer Fettstoffwechselstörung eine regelmäßige extrakorporale Lipid-Apherese (LDL-Apherese) zu gewähren.
Die am 24. April 1940 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Sie leidet u. a. an einer koronaren Dreigefäßerkrankung, einer Hypertonie, einem Diabetes mellitus IIb (insulinpflichtig), einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit vom Mehretagentyp beidseits und einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung. Als kardiovaskulärer Risikofaktor besteht neben dem Diabetes eine Hyperlipoproteinämie (a).
Im Februar 2007 suchte die Antragstellerin den Vertragsarzt Dr. L. auf. Dieser stellte eine massive Erhöhung des Lipid(a)-Wertes (345 mg/dl) fest und empfahl eine LDL-Apherese. Die Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) kam hingegen zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Lipid(a)-Erhöhung zwar um eine medizinische Indikation zur Durchführung der Apherese-Behandlung handle, diese aber gemäß den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durchgeführt und abgerechnet werden könne. Es bestehe lediglich die Möglichkeit, einen Einzelantrag auf Kostenerstattung bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen.
Die Antragsgegnerin, der die KVBW das Ergebnis der Kommission mitgeteilt hatte, lehnte mit Bescheid vom 9. Mai 2007 ab, die Kosten für die beantragte Maßnahme zu übernehmen. Auf den Widerspruch der Antragstellerin holte die Antragsgegnerin eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK; Dr. B.) ein, wonach die Hyperlipoproteinämie (a) weder lebensbedrohlich sei noch regelmäßig tödlich verlaufe. Sie gelte als Risikofaktor für das Auftreten arteriosklerotischer Veränderungen, in deren Folge kardiovaskuläre Erkrankungen, periphere arterielle Verschlusskrankheiten, Apoplexien etc. aufträten. Es handle sich jedoch nur um einen der zahlreich vorhandenen kardiovaskulären Risikofaktoren. Entscheidend sei die positive Beeinflussung des gesamten Risikoprofils. Schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten der Hyperlipoproteinämie (a) seien begrenzt; medikamentös sei eine Senkung lediglich durch nikotinsäurehaltige Präparate nachgewiesen.
Über den Widerspruch hat die Antragsgegnerin bisher nicht entschieden.
Die Antragstellerin hat am 13. Juli 2007 Antrag auf einstweilige Anordnung beim Sozialgericht Mannheim (SG) gestellt. Sie hat vorgetragen, dass allein die begehrte LDL-Apherese dem fortschreitenden Krankheitsverlauf der schweren koronaren Herzerkrankung entgegenwirke und nur so ihr Leben erhalten werden könne. Eine Behandlung mit Nikotinsäure scheide wegen der damit verbundenen Verschlechterung der Insulinsensitivität aus (so auch Bericht von Prof. Dr. R., Institut für Fettstoffwechsel und Hämorheologie, W.). Zwar habe der Bundesausschuss das Verfahren geprüft und nur für andere Indikationen zugelassen. Da die Krankheit aber selten sei, sei nicht auszuschließen, dass der Bundesausschuss die Anforderungen an die Evidenz der zu fordernden Wirksamkeit überspannt habe und daher ein Fall des Systemversagens vorliege. Die Behandlung solle wöchentlich durchgeführt werden und es entstünden Kosten von ca. 1.200 EUR pro Behandlung. Sie und ihr Ehemann seien Rentner und nicht in der Lage, die Kosten der Behandlung zu bezahlen, was die Antragstellerin eidesstattlich versichert hat.
Mit Beschluss vom 8. August 2007 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 13. Juli 2007 vorläufig einmal wöchentlich eine LDL-Apherese zur Verfügung zu stellen bzw. die hierfür anfallenden Kosten zu übernehmen. Die Verpflichtung ende mit der rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid, spätestens jedoch am 31. März 2008. Im Übrigen ist der Antrag abgelehnt worden. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es sprächen überwiegende Gesichtspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die LDL-Apherese zumindest vorläufig erbringen müsse. Dem Lipid(a)-Wert komme eine besondere Bedeutung für die Erkrankungen der Antragstellerin zu. Schulmedizinische Behandlungsmöglichkeiten zur Begrenzung der Risikofaktoren für die Herz-Kreislauferkrankungen der Antragstellerin stünden nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 (1 BVR 347/98 - immunbiologische Therapie; veröffentlicht in SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) hinzuweisen, dessen Grundsätze auch auf wesentliche Risikofaktoren anzuwenden seien, ohne deren Behandlung ein lebensbedrohlicher Erkrankungsverlauf drohe.
Die Antragsgegnerin hat gegen den ihr am 16. August 2007 zugestellten Beschluss am 5. September 2007 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass die beantragte Therapie nicht von ihrer Leistungspflicht umfasst sei. Auch nach der Entscheidung des BVerfG vom 6. Dezember 2005 ergebe sich nichts anderes, denn die Hyperlipoproteinämie (a) sei weder lebensbedrohlich noch regelmäßig tödlich verlaufend und für die koronare Herzkrankheit sei die positive Beeinflussung des gesamten Risikoprofils entscheidend. Außerdem sei der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, da die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nicht bekannt seien.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 8. August 2007 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf einstweilige Anordnung abzulehnen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es sei ihr als "Hochrisikopatientin" nicht zuzumuten, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sie habe auch keinerlei Vermögen.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2007 hat die KVBW der Beklagten mitgeteilt, dass auch nach erneuter Überprüfung an dem bisherigen Ergebnis festgehalten werde, dass keine Indikation zur Apheresebehandlung im Sinne der BUB-Richtlinien gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Antragsgegnerin, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
II.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig und begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt, da es der Antragstellerin ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
Hier ist schon kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Apherese ist ein Verfahren der extrakorporalen Blutreinigung, bei dem das Blut in der Regel in seine zellulären und plasmatischen Komponenten (rote Blutzellen, weiße Blutzellen, Blutplättchen und Plasma) aufgetrennt wird und Komponenten bzw. Teile davon ggf. selektiv aus dem Blut entfernt werden.
Als Rechtsgrundlage für die genannte Behandlung kommen nur § 13 Abs. 3, § 27 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in Frage, weil es sich bei der Behandlung um eine solche der ambulanten Krankenbehandlung zuzuordnende Leistung handelt. Die Antragsgegnerin ist zwar nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der bei ihr versicherten Antragstellerin verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen wird oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (früher: Bundesausschuss) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i. V. m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw.) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 1 KR 24/06 R, für SozR vorgesehen).
Die hier begehrte ambulante LDL-Apherese kann als Sachleistung nicht erbracht werden, weil sie bis heute bei der Erkrankung der Antragstellerin vom Leistungsspektrum der GKV nicht erfasst wird. Sie ist eine neue Behandlungsmethode, weil sie als abrechnungsfähige ärztliche Leistung nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist. Auf Grund des Beschlusses des Bundesausschusses vom 24. März 2003 (BAnz. 2003 Nr. 123, S. 14486) können LDL-Apheresen zwar als Leistung der GKV zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Dies betrifft allerdings nur LDL-Apheresen bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in homozygoter Ausprägung und Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie, bei denen grundsätzlich mit einer über zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL - Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann (§ 3 Nr. 3.1 der Anlage A BUB-RL: Anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden, a. a. O., jetzt in Anlage 1 zur Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung i. d. F. v. 17. Januar 2006, BAnz. 2006, Nr. 48, S. 1523). Die Antragstellerin leidet jedoch an einer Lipid (a)-Er¬höhung, die von der Empfehlung des Bundesausschusses nicht erfasst wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen zum so genannten "Systemversagen". Danach kann ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss/Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. In Fällen, in denen die im Gesetz vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist, muss nämlich die Möglichkeit bestehen, das Anwendungsverbot auf andere Weise zu überwinden. Ein solcher Systemmangel kann vorliegen, wenn das Verfahren vor dem Bundesausschuss von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß betrieben wurde und dies auf eine willkürliche oder sachfremde Untätigkeit bzw. Verfahrensverzögerung zurückzuführen ist (BSG, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 3/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 - neuropsychologische Therapie).
Ein solches Systemversagen lässt sich hier nicht feststellen. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlungsmethode in den Leistungskatalog der GKV hätte aufgenommen werden müssen. Immerhin hat sich der Bundesausschuss mit der LDL-Apherese befasst und hat das in §§ 5, 6 des Beschlusses vom 24. März 2003 geregelte Begutachtungsverfahren durch eine besonders zusammengesetzte Kommission bei den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgesehen, die Behandlung aber auf bestimmte Diagnosen begrenzt, wozu die vorliegende Hyperlipoproteinämie (a) gerade nicht gehört. Für diese sah er Nutzen, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit als nicht ausreichend wissenschaftlich belegt an. Die Methode wurde vielmehr (noch) dem Stand der experimentellen Anwendungen zugeordnet, die ausschließlich in kontrollierten klinischen Studien durchgeführt werden sollten, um Nutzen und Risiken der Anwendung wissenschaftlich zu evaluieren (so Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, DÄrztBl. 2003, A 2033). Schließlich hat der Gemeinsame Bundesausschuss am 24. Mai 2006 beschlossen, erneut über die Apheresebehandlung bei Erhöhung der Werte des Lipoproteins (a) zu beraten (vgl. BAnz. Nr. 111 vom 17. Juni 2006, S. 4466). Die seitdem vergangene Zeit ist zu kurz, um an ein Systemversagen denken zu können.
Ein Anspruch auf die ambulante Anwendung der LDL-Apherese im Falle der Antragstellerin kann auch nicht darauf gestützt werden, dass ihre Erkrankung so beschaffen ist, dass sie weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann. In einem solchen Fall hat der Bundesausschuss/Gemeinsame Bundesausschuss keine Befugnis, in seinen Richtlinien generalisierend zur Qualität der Behandlung Stellung zu nehmen, weil die Sperrwirkung des in § 135 Abs. 1 SGB V vorgeschriebenen Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt nur Methoden erfasst, die bei einem bestimmten Krankheitsbild systematisch angewendet werden (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 1 - Visudyne)
Die Erkrankung der Antragstellerin ist aber nicht so einzigartig, dass sie als Einzelfall medizinisch nicht erforschbar wäre. Dies würde voraussetzen, dass generelle wissenschaftliche Aussagen zur Therapie der Krankheit infolge der geringen Zahl an Patienten so gut wie ausgeschlossen wären. Bei geschätzten 160 bis 320 Krankheitsfällen in Deutschland sind zumindest deutschland- oder europaweite Multicenterstudien möglich (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2007, L 9 KR 407/01; ebenso der von der Antragstellerin vorgelegte Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 24. Mai 2006, L 4 B 50/05 KR ER). Gegen eine Seltenheit spricht auch die bereits erwähnte erneute Befassung des Gemeinsamen Bundesausschuss mit der Apherese bei Lipid (a)-Erhöhung.
Zu Gunsten der Antragstellerin folgt auch nichts aus dem Beschluss des BVerfG vom 6. Dezember 2005. Danach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Um eine derartige Konstellation geht es bei der Behandlung der Antragstellerin aber nicht.
Die Hyperlipoproteinämie (a) ist keine Erkrankung, die - wie vom BVerfG für die Erweiterung des herkömmlichen gesetzlichen Leistungskatalogs gefordert - als "lebensbedrohlich" oder gar "regelmäßig tödlich verlaufend" einzuschätzen ist. Dies folgt schon aus dem von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachten des MDK und Gegenteiliges wird auch von der Antragstellerin nicht behauptet. Zwar spricht vieles dafür, dass die Hyperlipoproteinämie (a) das Risiko für ein Entstehen oder Fortschreiten einer koronaren Herzerkrankung erhöht (so auch LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.), welche in der Tat lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Bei der Antragstellerin besteht eine solche koronare Herzerkrankung. Die Hyperlipoproteinämie (a) stellt jedoch nur einen Risikofaktor für die (hier: Verschlechterung der) koronare(n) Herzerkrankung dar und hierbei auch nur einen unter mehreren. Die Rechtsgedanken der Entscheidung des BVerfG auf Faktoren auszudehnen, die das Risiko für eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Krankheit erhöhen, wie es der Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 24. Mai 2006 (a.a.O.) vornimmt, ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Das BSG hat es vielmehr abgelehnt, die vom BVerfG aufgestellten Kriterien auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, in denen der Gesetzgeber aus wohl erwogenen Gründen den Leistungsumfang der GKV durch Schaffung besonderer Verfahren und mit besonderem Sachverstand ausgestatteter Institutionen bewusst begrenzt hat (BSG, Urteil vom 26. September 2006, a.a.O.). Auch davon, dass im Hinblick auf die koronare Herzerkrankung die Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind - eine weitere Voraussetzung nach der genannten Entscheidung des BVerfG -, kann nicht ausgegangen werden. So hat der Kardiologe Dr. L. im Arztbrief vom 6. Februar 2007 keinen Hinweis auf eine Progression der koronaren Herzerkrankung gesehen, die linksventrikuläre Funktion als gut bezeichnet und den Einsatz eines ACE-Hemmer-Präparats mit Beginn der halben Dosis empfohlen. Offen lassen kann der Senat die Frage, ob die Behandlungsmöglichkeiten auch deswegen noch nicht ausgeschöpft sind, weil die LDL-Apherese auch teilstationär angeboten wird und dort die Leistungspflicht innerhalb der GKV nach anderen, eine Gewährung der LDL-Apherese tendenziell eher ermöglichenden Kriterien zu bestimmen ist (hierzu: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2007, L 9 KR 1168/05).
Schließlich ist auch die periphere arterielle Verschlusskrankheit vom Mehretagentyp beidseits keine lebensbedrohliche oder gar regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung und zwar weder allgemein noch im konkreten Fall der Antragstellerin, wo der behandelnde Arzt Dr. H. in den seinen Berichten vom 31. Januar 2007 einen akuten Handlungsbedarf nicht gesehen hat.
Ob ein Anordnungsgrund besteht, kann bei dieser Sachlage offen gelassen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
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