Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 2626/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2865/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27. April 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung einer Bandscheibenerkrankung seiner Wirbelsäule als Berufskrankheit hat.
Der 1954 geborene Kläger war von 1969 bis 1992 mit Unterbrechungen durch Wehrdienst und Arbeitslosigkeit bei verschiedenen Modehäusern als Verkäufer tätig. Von 1992 bis 1993 war er bei einer Tanzschule in R. und von 1993 bis 2000 bei einer Tanzschule in H. als Tanzlehrer beschäftigt. Nach eigenen Angaben vom 07.07.2005 im Erhebungsbogen der Beklagten waren die Tätigkeiten bis 1993 nicht wirbelsäulenbelastend. Seit 2000 erhielt der Kläger Krankengeld und danach Arbeitslosengeld und bezieht zwischenzeitlich Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der Kläger hatte bereits in einem durch Anzeige vom Juli 2000 aufgenommenen Feststellungsverfahren einen im Dezember 1998 diagnostizierten Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule sowie einen im Januar 2001 diagnostizierten Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule als Folgen eines Arbeitsunfalles geltendgemacht, da er als Tanzlehrer bei einer Rock n Roll-Tanzfigur heftige Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Lendenwirbelsäulenbereich verspürt habe. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich dieses Ereignisses wurde abgelehnt, da die geltendgemachten Beschwerden nicht ursächlich auf das Ereignis vom Dezember 1998 zurückzuführen seien (Ablehnungsbescheide der Beklagten vom 16.05.2001 i. d. F. des Widerspruchsbescheid zum 17.11.2002).
Im Juli 2005 machte der Kläger bei der Beklagten Verletzungen der Bandscheiben im Hals- und Lendenwirbelsäulebereich als Berufskrankheiten geltend. Er habe über mehrere Jahre aktiv Rock n Roll unterrichtet und dabei Lasten, d. h. in seinem Fall menschliche Körper bis zu 70 kg, über mehrere Stunden auf den Tag verteilt bei Trage- und Hebefiguren bewegt.
Die Beklagte veranlasste ergänzende Angaben zum beruflichen Werdegang des Klägers und der bei den verschiedenen Tätigkeiten aufgetretenen Wirbelsäulenbelastung, die er unter dem 07.07.2005 im übersandten Vordruck der Beklagten konkretisierte. Die Angaben des Klägers wurden in der arbeitsmedizinischen Stellungnahme der Abteilung Prävention der Beklagten vom 29.07.2005 ausgewertet. Danach habe sich unter Anwendung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) für die Zeit von 01.08.1993 bis 31.12.2001 eine Tagesbelastung von 2,9 x 10³ Nh ergeben, somit werde der Grenzwert von 5,5 x 10³ Nh nicht erreicht. Die Beurteilungsdosis pro Arbeitstag sei daher nicht zur Berechnung der Gesamtbelastungsdosis zu berücksichtigen. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers seine Angaben zu einer extremen Rumpfbeugehaltung, ungeachtet der nach dem MDD hierfür erforderlichen Rumpfbeugung unter niedrigerer Arbeitshöhe als 100 Zentimeter bzw. Rumpfbeugung um 90 Grad über mehrere Minuten pro Arbeitsvorgang, zu Grunde gelegt würden, ergebe sich eine Beurteilungsdosis von 4,5 x 10³ Nh pro Arbeitstag, was immer noch unterhalb des Grenzwertes liege.
Mit Bescheid vom 31.08.2005 lehnte die Beklagte die Feststellung der Krankheitserscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule als Berufskrankheiten ab. Nach der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) zählten bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule dann zu den Berufskrankheiten, wenn sie durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Berufskrankheit Nr. 2108) oder durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter (Berufskrankheit Nr. 2109) oder durch langjährige, vorwiegend vertikaler Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Berufskrankheit Nr. 2110) verursacht worden seien. Zur Erfüllung des Merkmals der Langjährigkeit sei i. d. R. eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit von mindestens zehn Jahren erforderlich. Unabhängig von der nicht gegebenen Langjährigkeit sei der Kläger nach Überprüfung durch den Technischen Aufsichtsdienst bei der geltendgemachten Tätigkeit auch keiner Gefährdung im Sinne dieser Berufskrankheiten ausgesetzt gewesen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, denn er habe auch als Tanzlehrer Rock n Roll-Unterricht für Turnierpaare abgehalten, bei denen vermehrt Hebe- und Tragefiguren als bei Hobbytanzpaaren aufgetreten seien. Im übrigen sei er auch bereits vor 1992 als Tanzlehrer in weiteren Tanzschulen tätig gewesen. Hierzu hat der Kläger in den übersandten Erhebungsbogen unter dem 19.12.2005 weitere Angaben gemacht. Danach habe er von 1980 bis 1983 als Teilzeittanzlehrer an 150 Tagen im Jahr und von 1987 bis 1993 als Vollzeitkraft als Tanzlehrer gearbeitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2006, der dem Kläger nach Ermittlung seiner neuen Adresse mit Schreiben vom 21.06.2006 übersandt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf Grund der zuletzt gemachten Angaben zur beruflichen Tätigkeit könne auch keine Überschreitung der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD festgestellt werden.
Der Kläger hat am 19.07.2006 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben mit der Begründung, das sogenannte Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell werde herangezogen, um die Belastbarkeit der Wirbelsäule bei völlig anderen Berufsgruppen als der eines Rock n Roll-Tanzlehrers zu berechnen. Eine mit Artistenarbeit vergleichbare Belastung könne hierbei keine Beachtung finden. Durch die physikalisch auftretenden Kräfte bei den sich bewegenden Gewichten übersteige die Belastung seiner Wirbelsäule die Werte aus der vorgegebenen Richtlinie um ein Vielfaches.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 27.04.2007 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt, dass bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die geltendgemachten Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 nicht erfüllt seien. Das MDD basiere auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und sei eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Erfahrungstatsachen. Es stelle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein anerkennungsfähiges Berechnungsmodell dar und biete einen geeigneten Maßstab zur Konkretisierung und Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten. Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers das MDD nicht zur Anwendung gebracht werden könne, seien nicht ersichtlich. Nach den Berechnungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten erreiche der Kläger bereits nicht die als wirbelsäulenbelastend geltende Tagesdosis.
Gegen den dem Kläger am 10.05.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 29.05.2007 beim Sozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertiefend ausgeführt, die Beklagte gehe immer davon aus, er habe statische Lasten getragen. Demgegenüber habe er nicht nur getragen, sondern mit menschlichen Körpern mit einem Gewicht bis zu 70 kg agiert, hierbei seien Hebe-, Trage- und Fliehkräfte entstanden, die die vorgegebenen Richtlinien deutlich übersteigen würden. Das MDD sei auf seinen Fall nicht voll anwendbar. Für seinen Fall müssten den Umständen entsprechend die Bewertungsrichtlinien neu definiert werden, wenn bislang kein vergleichbarer Fall entschieden worden sei. Seine Erkrankung sei eindeutig durch die langjährige körperliche Belastung entstanden. Es müsse eine fallspezifische Überprüfung stattfinden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.04.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2006 aufzuheben und seine Bandscheibenerkrankungen der Wirbelsäule als Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und auf ihre angefochtenen Bescheide.
Mit richterlicher Verfügung vom 16.07.2007 und im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 02.10.2007 sind die Beteiligten daraufhingewiesen worden, dass die vom Kläger umschriebene berufliche Tätigkeit bereits nicht den im Streit stehenden Tatbeständen der geltendgemachte Berufskrankheiten unterfallen könnte.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger kann mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage die Feststellung seiner Erkrankung als Berufskrankheit verfolgen (§ 55 Abs. 1 Nr.2 SGG). Das vom Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid unterstellte Begehren einer Leistungsklage allgemein auf Gewährung von Entschädigungsleistungen ist auch als Antrag auf ein Grundurteil nicht zulässig. Eine entsprechende Auslegung wäre vorliegend nicht sachdienlich, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.2004 - 2 B U 35/03 , SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; zuletzt auch 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - veröffentlicht in Juris) gegen einen nur die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnenden Bescheid des Versicherungsträgers die Leistungsklage unzulässig ist, zumal einem Grundurteil (§ 130 SGG) nur die in Betracht kommenden Geldleistungen zugänglich sind.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit.
Eine Berufskrankheit liegt nur dann vor, wenn die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität) und durch die schädigende Einwirkung die Krankheit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden ist (haftungsausfüllende Kausalität). Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch hier die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u.a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen, die Schädigung und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287; 58, 80, 83).
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der derzeit u.a. folgende als Berufskrankheiten anerkannte Krankheiten aufgeführt sind:
Nr. 2108 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Nr. 2109 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Nr. 2110 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Regelung in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist abschließend. Nur die dort aufgeführten Erkrankungen berechtigen zur Feststellung einer Berufskrankheit. Ausnahmsweise ist nach § 9 Abs. 2 SGB VII eine noch nicht in die Berufskrankheitenliste aufgenommene Erkrankung wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheitenliste nach § 9 Abs. 1 SGB VII erfüllt sind.
Diesen Regelungen nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII entnimmt der Senat, dass nicht jede Erkrankung, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht, als Berufskrankheit festzustellen oder zu entschädigen ist. Für die Entschädigung von Erkrankungen nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit hat dies das Bundessozialgericht in mehreren Entscheidungen bereits mehrfach festgestellt. Die Entschädigung für eine "Quasi-Berufskrankheit" nach § 9 Abs. 2 SGB VII soll nicht in der Art einer Generalklausel bewirken, dass jede wie auch immer durch die berufliche Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich verursachte Erkrankung, die nicht in der Berufskrankheitenliste enthalten ist, wie eine Berufskrankheit zu entschädigen ist. Vielmehr sollen nur Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die entweder ausdrücklich in der Anlage zur BKV bezeichnet sind oder nur deshalb noch nicht in der Anlage aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (vgl. u. a. BSG, Urt. vom 04.06.2002 - B 2 U 16/01 R - m. w. N., veröffentlicht in Juris).
In Anwendung dieser Grundsätze unterfällt die vom Kläger geltend gemachte Erkrankung bereits nicht der tatbestandlichen Umschreibung der im Streit befindlichen Berufskrankheiten.
Eine Exposition des Klägers durch vertikale Ganzkörperschwingungen im Sitzen im Sinne der Berufskrankheiten Nr. 2110 trifft auf die Tätigkeit des Klägers als Tanzlehrer von vornherein nicht zu. Risiken, die durch Anfahrtswege von oder zum Ort der versicherten Tätigkeit entstehen, sind nur in der Sondervorschrift des § 8 Abs. 2 SGB VII im Falle ihrer Realisation in einem Gesundheitsschaden als Wegeunfall versichert. Das Führen von Kraftfahrzeugen gehört dagegen nicht zum Kern der versicherten Tätigkeit eines Tanzlehrers.
Auch das Tatbestandsmerkmal des Tragens schwerer Lasten, das sowohl im Tatbestand der Berufskrankheit Nr. 2109 wie auch der Berufskrankheit Nr. 2108 enthalten ist, ist nicht erfüllt. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vorbringen des Klägers, der die für wirbelsäulenbelastend gehaltenen Tätigkeitsmerkmale seiner Berufsausübung als Tanzlehrer damit umschreibt, dass er eine Tanzpartnerin in einem dynamischen Bewegungsablauf zur Präsentation verschiedener Tanzfiguren gehoben und getragen hat. Der durch Gesetz zur Bestimmung der Berufskrankheiten berufene Verordnungsgeber hat mit der Festlegung der einer Berufskrankheiten nach Nr. 2108 und 2109 unterfallenden Berufsgruppen solche Tätigkeiten erfasst, bei denen statische Lasten gehoben oder getragen werden. Durch Körperkraft zu bewegende Lasten sind danach zunächst zum Transport bestimmte Sachen. Grundlage für die Aufnahme der bandscheibenbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule durch Belastung in die Berufskrankheitenliste waren demnach auch Studien über die Fleischträger in Schlachthöfen, über Sackträger in Häfen zur Belastung der Halswirbelsäule oder auch Stahlbetonarbeiter im Hochbau zur Belastung der Lendenwirbelsäule. Soweit auch ausnahmsweise der Transport von Menschen als Heben und Tragen von Lasten im Sinne der genannten Berufskrankheiten allgemein anerkannt ist, betrifft dies Arbeitsbereiche im Gesundheitswesen, bei denen von Pflegekräften immobile Patienten vergleichbar dem Heben und Tragen von Sachen bewegt werden. Dynamische Hebe- und Tragevorgänge, bei denen sich auch besondere Fliehkräfte wie im Sport, beim Tanz oder bei der Akrobatik entwickeln, die entgegen der Auffassung des Klägers nicht immer belastungssteigernd, sondern auch entlastend wirken können, sind mit dieser Tatbestandsumschreibung daher nicht erfasst. Berufsgruppen, die diesen Bereichen zuzuordnen sind, sind auch im neuen Merkblatt zu den genannten bandscheibenbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule nicht aufgeführt (vgl. Merkbl. v. 01.09.2006, BArbBl. 10-2006, 30ff; Merkbl. v. 01.06.2005, BArbBl. 7-2005, 43ff, berichtigt BArbBl. 8/9-2005, 46). Würden solche hierzu gehören, wäre eine hinreichende Abgrenzung der geschützten Berufsgruppe auch nicht mehr möglich.
Ebenso verhält es sich mit dem Tatbestandsmerkmal einer langjährigen Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung. Berufsgruppen, bei denen es nur im Rahmen eines Gesamtbewegungsablaufs zu vorübergehenden Rumpfbeugungen kommt, unterfallen von vornherein nicht diesen Tätigkeitsmerkmalen. Unabhängig hiervon erfüllt nach der insoweit überzeugenden Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten die vom Kläger angegebene Rumpfbeugung im Rahmen einer Rock n Roll-Tanzeinlage nicht die besonderen arbeitsmedizinischen Bedingungen für eine wirbelsäulengefährdende Tätigkeit nach dem MDD, da weder eine Zwangshaltung durch die vorgegebene Höhe des Arbeitsbereichs noch eine zwanghafte längere Dauer der Rumpfbeugung um mindestens 90 Grad vorliegt.
Der Kläger gehört somit nicht zu den durch die Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 geschützten Berufsgruppen.
Ob daher das MDD auf den Kläger anwendbar ist, kann dahinstehen. Denn seine als Tanzlehrer ausgeübte Tätigkeit gehört bereits nicht zu den unter den genannten Berufskrankheiten versicherten Tätigkeiten, sodass eine Berechnung der Höhe der Exposition gegenüber wirbelsäulenschädigenden Tätigkeiten entfällt.
Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung einer Quasi-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist nicht Gegenstand des Verfahrens, denn hierüber hat die Beklagte nicht entschieden. Der angefochtene Bescheid ist nur zum Vorliegen der Berufskrankheiten nach den Nr. 2108 bis 2110 ergangen. Abgesehen davon hält der Senat die in der arbeitsmedizinischen-wissenschaftlichen Diskussion stehenden genannten Berufskrankheiten nicht für ergänzungsbedürftig aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dieser Frage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Feststellung einer Bandscheibenerkrankung seiner Wirbelsäule als Berufskrankheit hat.
Der 1954 geborene Kläger war von 1969 bis 1992 mit Unterbrechungen durch Wehrdienst und Arbeitslosigkeit bei verschiedenen Modehäusern als Verkäufer tätig. Von 1992 bis 1993 war er bei einer Tanzschule in R. und von 1993 bis 2000 bei einer Tanzschule in H. als Tanzlehrer beschäftigt. Nach eigenen Angaben vom 07.07.2005 im Erhebungsbogen der Beklagten waren die Tätigkeiten bis 1993 nicht wirbelsäulenbelastend. Seit 2000 erhielt der Kläger Krankengeld und danach Arbeitslosengeld und bezieht zwischenzeitlich Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der Kläger hatte bereits in einem durch Anzeige vom Juli 2000 aufgenommenen Feststellungsverfahren einen im Dezember 1998 diagnostizierten Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule sowie einen im Januar 2001 diagnostizierten Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule als Folgen eines Arbeitsunfalles geltendgemacht, da er als Tanzlehrer bei einer Rock n Roll-Tanzfigur heftige Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Lendenwirbelsäulenbereich verspürt habe. Die Gewährung von Entschädigungsleistungen anlässlich dieses Ereignisses wurde abgelehnt, da die geltendgemachten Beschwerden nicht ursächlich auf das Ereignis vom Dezember 1998 zurückzuführen seien (Ablehnungsbescheide der Beklagten vom 16.05.2001 i. d. F. des Widerspruchsbescheid zum 17.11.2002).
Im Juli 2005 machte der Kläger bei der Beklagten Verletzungen der Bandscheiben im Hals- und Lendenwirbelsäulebereich als Berufskrankheiten geltend. Er habe über mehrere Jahre aktiv Rock n Roll unterrichtet und dabei Lasten, d. h. in seinem Fall menschliche Körper bis zu 70 kg, über mehrere Stunden auf den Tag verteilt bei Trage- und Hebefiguren bewegt.
Die Beklagte veranlasste ergänzende Angaben zum beruflichen Werdegang des Klägers und der bei den verschiedenen Tätigkeiten aufgetretenen Wirbelsäulenbelastung, die er unter dem 07.07.2005 im übersandten Vordruck der Beklagten konkretisierte. Die Angaben des Klägers wurden in der arbeitsmedizinischen Stellungnahme der Abteilung Prävention der Beklagten vom 29.07.2005 ausgewertet. Danach habe sich unter Anwendung des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) für die Zeit von 01.08.1993 bis 31.12.2001 eine Tagesbelastung von 2,9 x 10³ Nh ergeben, somit werde der Grenzwert von 5,5 x 10³ Nh nicht erreicht. Die Beurteilungsdosis pro Arbeitstag sei daher nicht zur Berechnung der Gesamtbelastungsdosis zu berücksichtigen. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers seine Angaben zu einer extremen Rumpfbeugehaltung, ungeachtet der nach dem MDD hierfür erforderlichen Rumpfbeugung unter niedrigerer Arbeitshöhe als 100 Zentimeter bzw. Rumpfbeugung um 90 Grad über mehrere Minuten pro Arbeitsvorgang, zu Grunde gelegt würden, ergebe sich eine Beurteilungsdosis von 4,5 x 10³ Nh pro Arbeitstag, was immer noch unterhalb des Grenzwertes liege.
Mit Bescheid vom 31.08.2005 lehnte die Beklagte die Feststellung der Krankheitserscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule als Berufskrankheiten ab. Nach der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) zählten bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule dann zu den Berufskrankheiten, wenn sie durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Berufskrankheit Nr. 2108) oder durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter (Berufskrankheit Nr. 2109) oder durch langjährige, vorwiegend vertikaler Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Berufskrankheit Nr. 2110) verursacht worden seien. Zur Erfüllung des Merkmals der Langjährigkeit sei i. d. R. eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit von mindestens zehn Jahren erforderlich. Unabhängig von der nicht gegebenen Langjährigkeit sei der Kläger nach Überprüfung durch den Technischen Aufsichtsdienst bei der geltendgemachten Tätigkeit auch keiner Gefährdung im Sinne dieser Berufskrankheiten ausgesetzt gewesen.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, denn er habe auch als Tanzlehrer Rock n Roll-Unterricht für Turnierpaare abgehalten, bei denen vermehrt Hebe- und Tragefiguren als bei Hobbytanzpaaren aufgetreten seien. Im übrigen sei er auch bereits vor 1992 als Tanzlehrer in weiteren Tanzschulen tätig gewesen. Hierzu hat der Kläger in den übersandten Erhebungsbogen unter dem 19.12.2005 weitere Angaben gemacht. Danach habe er von 1980 bis 1983 als Teilzeittanzlehrer an 150 Tagen im Jahr und von 1987 bis 1993 als Vollzeitkraft als Tanzlehrer gearbeitet. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2006, der dem Kläger nach Ermittlung seiner neuen Adresse mit Schreiben vom 21.06.2006 übersandt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf Grund der zuletzt gemachten Angaben zur beruflichen Tätigkeit könne auch keine Überschreitung der Gesamtbelastungsdosis nach dem MDD festgestellt werden.
Der Kläger hat am 19.07.2006 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben mit der Begründung, das sogenannte Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell werde herangezogen, um die Belastbarkeit der Wirbelsäule bei völlig anderen Berufsgruppen als der eines Rock n Roll-Tanzlehrers zu berechnen. Eine mit Artistenarbeit vergleichbare Belastung könne hierbei keine Beachtung finden. Durch die physikalisch auftretenden Kräfte bei den sich bewegenden Gewichten übersteige die Belastung seiner Wirbelsäule die Werte aus der vorgegebenen Richtlinie um ein Vielfaches.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 27.04.2007 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt, dass bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die geltendgemachten Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 nicht erfüllt seien. Das MDD basiere auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und sei eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Erfahrungstatsachen. Es stelle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein anerkennungsfähiges Berechnungsmodell dar und biete einen geeigneten Maßstab zur Konkretisierung und Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheiten. Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers das MDD nicht zur Anwendung gebracht werden könne, seien nicht ersichtlich. Nach den Berechnungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten erreiche der Kläger bereits nicht die als wirbelsäulenbelastend geltende Tagesdosis.
Gegen den dem Kläger am 10.05.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 29.05.2007 beim Sozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertiefend ausgeführt, die Beklagte gehe immer davon aus, er habe statische Lasten getragen. Demgegenüber habe er nicht nur getragen, sondern mit menschlichen Körpern mit einem Gewicht bis zu 70 kg agiert, hierbei seien Hebe-, Trage- und Fliehkräfte entstanden, die die vorgegebenen Richtlinien deutlich übersteigen würden. Das MDD sei auf seinen Fall nicht voll anwendbar. Für seinen Fall müssten den Umständen entsprechend die Bewertungsrichtlinien neu definiert werden, wenn bislang kein vergleichbarer Fall entschieden worden sei. Seine Erkrankung sei eindeutig durch die langjährige körperliche Belastung entstanden. Es müsse eine fallspezifische Überprüfung stattfinden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 27.04.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.04.2006 aufzuheben und seine Bandscheibenerkrankungen der Wirbelsäule als Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und auf ihre angefochtenen Bescheide.
Mit richterlicher Verfügung vom 16.07.2007 und im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 02.10.2007 sind die Beteiligten daraufhingewiesen worden, dass die vom Kläger umschriebene berufliche Tätigkeit bereits nicht den im Streit stehenden Tatbeständen der geltendgemachte Berufskrankheiten unterfallen könnte.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts beigezogen. Auf diese Unterlagen und die vor dem Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger kann mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage die Feststellung seiner Erkrankung als Berufskrankheit verfolgen (§ 55 Abs. 1 Nr.2 SGG). Das vom Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid unterstellte Begehren einer Leistungsklage allgemein auf Gewährung von Entschädigungsleistungen ist auch als Antrag auf ein Grundurteil nicht zulässig. Eine entsprechende Auslegung wäre vorliegend nicht sachdienlich, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.2004 - 2 B U 35/03 , SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; zuletzt auch 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - veröffentlicht in Juris) gegen einen nur die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnenden Bescheid des Versicherungsträgers die Leistungsklage unzulässig ist, zumal einem Grundurteil (§ 130 SGG) nur die in Betracht kommenden Geldleistungen zugänglich sind.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit.
Eine Berufskrankheit liegt nur dann vor, wenn die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität) und durch die schädigende Einwirkung die Krankheit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden ist (haftungsausfüllende Kausalität). Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch hier die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u.a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen, die Schädigung und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287; 58, 80, 83).
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund dieser Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII hat die Bundesregierung die BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der derzeit u.a. folgende als Berufskrankheiten anerkannte Krankheiten aufgeführt sind:
Nr. 2108 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Nr. 2109 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Nr. 2110 Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Regelung in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ist abschließend. Nur die dort aufgeführten Erkrankungen berechtigen zur Feststellung einer Berufskrankheit. Ausnahmsweise ist nach § 9 Abs. 2 SGB VII eine noch nicht in die Berufskrankheitenliste aufgenommene Erkrankung wie eine Berufskrankheit zu entschädigen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheitenliste nach § 9 Abs. 1 SGB VII erfüllt sind.
Diesen Regelungen nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VII entnimmt der Senat, dass nicht jede Erkrankung, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht, als Berufskrankheit festzustellen oder zu entschädigen ist. Für die Entschädigung von Erkrankungen nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit hat dies das Bundessozialgericht in mehreren Entscheidungen bereits mehrfach festgestellt. Die Entschädigung für eine "Quasi-Berufskrankheit" nach § 9 Abs. 2 SGB VII soll nicht in der Art einer Generalklausel bewirken, dass jede wie auch immer durch die berufliche Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich verursachte Erkrankung, die nicht in der Berufskrankheitenliste enthalten ist, wie eine Berufskrankheit zu entschädigen ist. Vielmehr sollen nur Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die entweder ausdrücklich in der Anlage zur BKV bezeichnet sind oder nur deshalb noch nicht in der Anlage aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen durch ihre Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (vgl. u. a. BSG, Urt. vom 04.06.2002 - B 2 U 16/01 R - m. w. N., veröffentlicht in Juris).
In Anwendung dieser Grundsätze unterfällt die vom Kläger geltend gemachte Erkrankung bereits nicht der tatbestandlichen Umschreibung der im Streit befindlichen Berufskrankheiten.
Eine Exposition des Klägers durch vertikale Ganzkörperschwingungen im Sitzen im Sinne der Berufskrankheiten Nr. 2110 trifft auf die Tätigkeit des Klägers als Tanzlehrer von vornherein nicht zu. Risiken, die durch Anfahrtswege von oder zum Ort der versicherten Tätigkeit entstehen, sind nur in der Sondervorschrift des § 8 Abs. 2 SGB VII im Falle ihrer Realisation in einem Gesundheitsschaden als Wegeunfall versichert. Das Führen von Kraftfahrzeugen gehört dagegen nicht zum Kern der versicherten Tätigkeit eines Tanzlehrers.
Auch das Tatbestandsmerkmal des Tragens schwerer Lasten, das sowohl im Tatbestand der Berufskrankheit Nr. 2109 wie auch der Berufskrankheit Nr. 2108 enthalten ist, ist nicht erfüllt. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vorbringen des Klägers, der die für wirbelsäulenbelastend gehaltenen Tätigkeitsmerkmale seiner Berufsausübung als Tanzlehrer damit umschreibt, dass er eine Tanzpartnerin in einem dynamischen Bewegungsablauf zur Präsentation verschiedener Tanzfiguren gehoben und getragen hat. Der durch Gesetz zur Bestimmung der Berufskrankheiten berufene Verordnungsgeber hat mit der Festlegung der einer Berufskrankheiten nach Nr. 2108 und 2109 unterfallenden Berufsgruppen solche Tätigkeiten erfasst, bei denen statische Lasten gehoben oder getragen werden. Durch Körperkraft zu bewegende Lasten sind danach zunächst zum Transport bestimmte Sachen. Grundlage für die Aufnahme der bandscheibenbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule durch Belastung in die Berufskrankheitenliste waren demnach auch Studien über die Fleischträger in Schlachthöfen, über Sackträger in Häfen zur Belastung der Halswirbelsäule oder auch Stahlbetonarbeiter im Hochbau zur Belastung der Lendenwirbelsäule. Soweit auch ausnahmsweise der Transport von Menschen als Heben und Tragen von Lasten im Sinne der genannten Berufskrankheiten allgemein anerkannt ist, betrifft dies Arbeitsbereiche im Gesundheitswesen, bei denen von Pflegekräften immobile Patienten vergleichbar dem Heben und Tragen von Sachen bewegt werden. Dynamische Hebe- und Tragevorgänge, bei denen sich auch besondere Fliehkräfte wie im Sport, beim Tanz oder bei der Akrobatik entwickeln, die entgegen der Auffassung des Klägers nicht immer belastungssteigernd, sondern auch entlastend wirken können, sind mit dieser Tatbestandsumschreibung daher nicht erfasst. Berufsgruppen, die diesen Bereichen zuzuordnen sind, sind auch im neuen Merkblatt zu den genannten bandscheibenbedingten Erkrankungen der Wirbelsäule nicht aufgeführt (vgl. Merkbl. v. 01.09.2006, BArbBl. 10-2006, 30ff; Merkbl. v. 01.06.2005, BArbBl. 7-2005, 43ff, berichtigt BArbBl. 8/9-2005, 46). Würden solche hierzu gehören, wäre eine hinreichende Abgrenzung der geschützten Berufsgruppe auch nicht mehr möglich.
Ebenso verhält es sich mit dem Tatbestandsmerkmal einer langjährigen Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung. Berufsgruppen, bei denen es nur im Rahmen eines Gesamtbewegungsablaufs zu vorübergehenden Rumpfbeugungen kommt, unterfallen von vornherein nicht diesen Tätigkeitsmerkmalen. Unabhängig hiervon erfüllt nach der insoweit überzeugenden Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten die vom Kläger angegebene Rumpfbeugung im Rahmen einer Rock n Roll-Tanzeinlage nicht die besonderen arbeitsmedizinischen Bedingungen für eine wirbelsäulengefährdende Tätigkeit nach dem MDD, da weder eine Zwangshaltung durch die vorgegebene Höhe des Arbeitsbereichs noch eine zwanghafte längere Dauer der Rumpfbeugung um mindestens 90 Grad vorliegt.
Der Kläger gehört somit nicht zu den durch die Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 geschützten Berufsgruppen.
Ob daher das MDD auf den Kläger anwendbar ist, kann dahinstehen. Denn seine als Tanzlehrer ausgeübte Tätigkeit gehört bereits nicht zu den unter den genannten Berufskrankheiten versicherten Tätigkeiten, sodass eine Berechnung der Höhe der Exposition gegenüber wirbelsäulenschädigenden Tätigkeiten entfällt.
Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung einer Quasi-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII ist nicht Gegenstand des Verfahrens, denn hierüber hat die Beklagte nicht entschieden. Der angefochtene Bescheid ist nur zum Vorliegen der Berufskrankheiten nach den Nr. 2108 bis 2110 ergangen. Abgesehen davon hält der Senat die in der arbeitsmedizinischen-wissenschaftlichen Diskussion stehenden genannten Berufskrankheiten nicht für ergänzungsbedürftig aufgrund neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu dieser Frage.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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