L 12 AS 5423/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 4666/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5423/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Karlsruhe vom 5.10.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig sind Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II.

Die Antragsgegnerin (Ag.) zahlte dem Antragsteller (Ast.) bis zum 31.5.2007 Arbeitslosengeld II. Den Fortzahlungsantrag des Ast.s vom 6.6.2007 lehnte die Ag. mit Bescheiden vom 13.6.2007 und 16.7.2007 ab. Zur Begründung gab sie an, sein gewöhnlicher Aufenthaltsort liege nicht mehr im Bereich ihrer örtlichen Zuständigkeit nach § 36 SGB II.

Hiergegen legte der Ast. am 26.6.2007 Widerspruch ein. Er machte u. a. geltend, seit der Insolvenz seines Unternehmens habe er sich verschiedentlich auf dem örtlichen Arbeitsmarkt in K. beworben, allerdings ohne Erfolg. Er habe daher beschlossen, sich erneut selbstständig zu machen und in B. ein "Hotel- und Gaststätten-Portal" aufzubauen. Aus diesem Grund halte er sich "öfters und auch mal längere Zeit" in R. auf. Bisher sei es ihm leider nicht gelungen, in R. eine preiswerte Wohnung zu finden. Mangels eines Maklers müsse er für die Wohnungssuche selbst vor Ort sein, ebenso für die Kundensuche. Aus Kostengründen habe er nicht die Möglichkeit, jede Woche zwischen K. und R. hin und her zu fahren. Gleichwohl befinde sich der Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts weiterhin in K ...

Mit Bescheid vom 20.9.2007 wies die Ag. den Widerspruch mit der Begründung zurück gemäß § 36 SGB II sei für die Leistungen nach dem SGB II derjenige Träger örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Dies sei in der Regel der Ort seines Wohnsitzes, also gemäß § 30 Abs. 3 SGB I der Ort, an dem er eine Wohnung unter Umständen innehabe, die darauf schließen ließen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Sei hingegen ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht feststellbar, richte sich die örtliche Zuständigkeit danach, wo sich der Hilfebedürftige tatsächlich aufhalte. Vor diesem Hintergrund sei sie im vorliegenden Fall nicht örtlich zuständig. Zwar halte sich der Ast. möglicherweise ab und an in der Wohnung seiner Mutter in K. auf. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe er aber in B ...

Hiergegen hat der Ast. am 25.9.2007 vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage (S 5 AS 4665/07) erhoben und zugleich vorläufigen Rechtsschutz beantragt.

Mit Beschluss vom 5.10.2007 verpflichtete das SG die Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung dem Ast. vom 25.9.2007 bis 30.11.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im gesetzlichen Umfang zu bezahlen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, nach summarischer Prüfung sei ein Anspruch des Ast.s gegenüber der Ag. auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II überwiegend wahrscheinlich. Leistungen nach dem SGB II erhielten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Diese Voraussetzungen seien nach summarischer Prüfung erfüllt. Die Ag. könne dem - unstreitigen - Anspruch des Ast.s im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht entgegenhalten, sie sei für die Leistungen örtlich nicht zuständig. Für die Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II sei der Träger zuständig, in dessen Bezirk der Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe (§ 36 Satz 1 und 2 SGB II). Den gewöhnlichen Aufenthalt habe jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen ließen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweile (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB 1). Maßgeblich ist, an welchem Ort der Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse liege. Zwar könnten Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt auseinanderfallen; eine eigene Wohnung sei aber ein starkes Indiz für den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts. Der Wunsch des Hilfebedürftigen, seinen Aufenthalt an einem anderen Ort als dem bisherigen Aufenthaltsort zu nehmen, führe für sich genommen noch nicht zu einem Ende des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts.

Im vorliegenden Fall sei auch die Ag. bis zum 31.5.2007 davon ausgegangen, dass der Ast. seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Karlsruhe habe. Grundlage sei sein Wohnsitz in der Wohnung seiner Mutter in K. gewesen. Zwar halte sich der Ast. anscheinend wiederholt längere Zeit außerhalb K. auf. Soweit ersichtlich, habe er aber den Wohnraum in der Wohnung einer Mutter bisher nicht aufgegeben. Ebenso wenig bestünden Anhaltspunkte dafür, dass er an einem anderen Ort eine neue Wohnung angemietet habe. Angesichts dessen erscheint es nach summarischer Prüfung vertretbar, die Wohnung in K. weiterhin als Ausgangspunkt seiner persönlichen Lebensverhältnisse anzusehen, also als Indiz für seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Eine Verpflichtung der Ag. zur Gewährung von Leistungen ergäbe sich im übrigen auch aus § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I. Nach dieser Vorschrift habe der zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen zu erbringen, wenn ein Anspruch auf Sozialleistungen bestehe und zwischen mehreren Trägern die Leistungspflicht streitig sei. Für die Zeit ab dem 25.9.2007 bestehe darüber hinaus ein Anordnungsgrund. Das vorläufige Rechtsschutzverfahren bezwecke, drohenden Beeinträchtigungen des zu sichernden Hauptsacheanspruchs vorzubeugen. Darüber hinaus solle mit dem Eilverfahren die Verletzung von Rechten des Ast.s während des Interimszeitraums bis zur Hauptsacheentscheidung vermieden werden. Angesichts dessen sei ein wesentlicher Nachteil im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG anzunehmen, wenn bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung eine erhebliche, d. h. über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten oder sonstigen Rechten drohe oder die Gefahr des Verlustes des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Rechtes während des Interimszeitraums bis zur Hauptsacheentscheidung bestehe. Gemessen hieran erscheine der Erlass einer einstweiligen Anordnung im vorliegenden Fall für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht nötig. Denn die aktuelle Hilfebedürftigkeit ließe sich durch eine Nachzahlung von Arbeitslosengeld II nicht mehr beheben. Zudem bestünde ohne vorläufige Gewährung von Arbeitslosengeld II keine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung. Für die Zukunft sei die einstweilige Regelung auf einen engen Zeitraum zu begrenzen. Es erscheine gerechtfertigt, insoweit auf den regelmäßigen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) abzustellen. Dieser würde hier mit dem 30.11.2007 enden.

Gegen diesen Beschluss hat der Ast. Beschwerde eingelegt, welch nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorgelegt wurde. Er sei mit der Bewilligung erst ab 25.09.2007 nicht einverstanden. seit 1.06.2007 erfolgten keine Zahlungen von Seiten der Ag. mehr. Er habe deshalb wegen der in dieser Zeit angefallenen laufenden Kosten Rückstände die er noch bezahlen müsse. II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Vorraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend ausgeführt und den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnungen zu Recht abgelehnt. Der Senat nimmt insoweit darauf Bezug ( § 153 Abs. 2 SGG).

Leistung vor Beantragung des vorläufigen Rechtsschutzes kann der Ast. nicht erhalten, denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind. Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes. Deshalb ist die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche auf Geldleistungen für bereits vor Stellung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz abgelaufene Zeiträume erhoben werden (Keller in Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, § 86b Anm. 28 m.w.N.). Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht. Dies hat der Ast. aber nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved