L 7 SO 3132/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 4405/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3132/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme ungedeckter Aufwendungen für die vollstationäre Unterbringung im Pflegeheim M. für die Zeit vom 12. November 2004 bis 30. Juni 2005.

Der am 1938 geborene Kläger erlitt im Juni 2004 einen schweren Apoplex, wurde auf Grund dessen seit dem 10. Juni 2004 in die Pflegestufe II eingestuft und erhielt von der Pflegekasse (Allgemeine Ortskrankenkasse Mittlerer Oberrhein, Karlsruhe) monatliche Pflegeleistungen in Höhe von 1.297,00 EUR. Von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg bezieht er eine Altersrente in Höhe von monatlich 1.033,12 EUR (Bescheid vom 08.03.2004), eine Witwerrente von monatlich 111,43 EUR (Bescheid vom 08.03.2004) sowie eine Betriebsrente der Firma F. F. C. , E. , von monatlich 143,68 EUR (alles Nettobeträge). Ab dem 11. Juni 2004 befand sich der Kläger zunächst in Kurzzeitpflege im Pflegeheim L.-U.-Stift , Bad W ... Am 14. Juni wurde für ihn beim Beklagten Antrag auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten gestellt. Mit Zustimmung des Beklagten erfolgte am 1. Juli 2004 die Verlegung des Klägers in vollstationäre Pflege in die Seniorenresidenz Ku. in K.-L ... Die Verlegung erfolgte auf Wunsch der Stiefkinder des Klägers. Diese hatten angegeben, mit der Pflege im L.-U.-Stift absolut nicht zufrieden zu sein. Zudem sei Bad W. schlecht erreichbar, in L. dagegen habe die Stieftochter des Klägers ein Frisörgeschäft, so dass sie ihn unter anderem in der Mittagspause besuchen könne.

Am 14. Dezember 2004 teilte der Stiefsohn, damals auch Betreuer des Klägers, dem Beklagten telefonisch mit, der Kläger sei am 12. November 2004 in das Pflegeheim M. in M. verlegt worden, da die Zustände im Ku. nicht mehr tragbar gewesen seien. Der Kläger sei dort misshandelt worden. Hierzu leitete der Beklagte weitere Ermittlungen ein. Der Pflegedienstleiter des Ku. , Herr O. , teilte mit, nicht der Kläger, sondern seine Angehörigen seien das Problem gewesen. Man habe diesen deshalb nahe gelegt, den Kläger ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist in ein anderes Pflegeheim zu verlegen, was die Angehörigen in Anspruch genommen hätten. Eine von den Angehörigen unterstellte Ruhigstellung des Klägers mit Medikamenten sei unbegründet. Der behandelnde Arzt Dr. G. habe die Medikation und Dosierung der Medikation mehrfach überprüft und für korrekt befunden. Eine zeitlich begrenzte Fixierung des Klägers im Rollstuhl zu seinem Schutz vor dem Herausfallen habe dieser ausdrücklich gewünscht und toleriert. Der Kläger sei durch seine Grunderkrankung (Demenz mit gereizt-aggressiven Zügen) für aggressive Wesenszüge bekannt. Eine Misshandlung sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt; hingegen habe der Kläger am 11. Juli 2004 eine Schwester des Ku. tätlich angegriffen. Trotz verbaler Aufforderung los zu lassen, habe der Kläger nicht reagiert. Nachdem auch sonstige Befreiungsversuche der Schwester fehlgeschlagen seien, habe diese dem Kläger drei Ohrfeigen gegeben. Nach der Stellungnahme des Amtes für Versorgung und Rehabilitation des Beklagten vom 30. Mai 2005 sei der Kläger bereits im L.-U.-Stift verhaltensauffällig gewesen. Aus medizinischer und pflegerischer Sicht sei eine Verlegung in das M. nicht erforderlich gewesen.

Mit Bescheid vom 31. März 2005 lehnte der Beklagte die Übernahme der Aufwendungen für den Aufenthalt des Klägers im Ku. wie auch im M. ab. Die monatlichen Heimkosten des Ku. von 2.482,79 EUR habe der Kläger durch eigene Einnahmen voll umfänglich abdecken können, er sei deshalb nicht sozialhilfebedürftig gewesen. Der Umzug in das M. sei weder aus medizinischer noch aus pflegerischer Sicht notwendig gewesen, weshalb eventuelle Mehrkosten durch den Heimwechsel nicht zu übernehmen seien. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2005 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 7. November 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, die Verlegung in das M. sei zum Schutz des Klägers wegen des Verdachts von Misshandlungen notwendig gewesen. Die Stiefkinder des Klägers hätten gegen die Pflegedienstleitung des Ku. strafrechtlich nicht vorgehen wollen, weil sie hierdurch weitere Repressalien für den Kläger befürchtet hätten. Die Ablehnung der Kostenübernahme für die Heimunterbringung im M. sei rechtswidrig. Die Unterbringung stelle keine Verlegung, sondern eine Erstunterbringung dar, weil der Kläger die Kosten für die Unterbringung im Ku. selbst getragen habe. Der Kläger habe bei Antragstellung bereits seit einem Monat in der Einrichtung gelebt. Ob Mehrkosten entstünden, lasse sich nur bei einem Kostenvergleich feststellen. Hier seien keine Kosten zu vergleichen, weil vor der Unterbringung in M. keine Kosten durch den Beklagten zu übernehmen gewesen seien. Darüber hinaus benenne der Beklagte in einer von ihm entwickelten und herausgegebenen Broschüre die einzelnen Pflegeeinrichtungen im Kreis Karlsruhe. In dieser Broschüre sei die Pflegeeinrichtung M. ausdrücklich erwähnt. Es handele sich also um eine Pflegeeinrichtung im Sinne des § 75 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), die von dem Beklagten anerkannt sei. Bei anerkannten Einrichtungen sei der Träger der Sozialhilfe aber verpflichtet, die Kosten zu übernehmen. Die Übernahme von Kosten für die Unterbringung im Ku. werde nicht weiter verfolgt, da der Kläger die insoweit entstandenen Kosten habe selbst aufbringen können.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. Juni 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Für die Zeit vom 12. November bis 14. Dezember 2004 scheitere der geltend gemachte Anspruch schon daran, dass der Beklagte keine Kenntnis von einem entsprechenden Bedarf des Klägers gehabt habe. Für die Folgezeit sei die ablehnende Entscheidung des Beklagten nach § 9 Abs. 2 SGB XII gerechtfertigt. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sei ein Kostenvergleich zwischen den gewünschten und anderen geeigneten, zumutbaren Hilfsangeboten vorzunehmen. Mit der Unterbringung des Klägers im Pflegeheim Ku. habe eine vollstationäre Unterbringungsmöglichkeit bestanden, die den objektiv erforderlichen Bedarf vollständig abgedeckt habe und deren Kosten der Kläger mit eigenen Einkünften habe decken können. Eine Verlegung in das M. sei weder aus medizinischen noch aus pflegerischen Gründen notwendig gewesen. Für eine Misshandlung des Klägers im Ku. bestehe auf Grund des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein Anhalt. Der Kläger habe sich bereits bei seiner Unterbringung im Pflegeheim L.-U.-Stift absolut verhaltensauffällig gezeigt und bei einer von ihm provozierten Schlägerei mit anderen Heimbewohnern einen Schlag ins Gesicht bekommen. Soweit ihm die Stationsschwester des Ku. im Juli 2004 einmalig drei Ohrfeigen versetzt habe, sei dies im Rahmen des Notwehrrechts gerechtfertigt gewesen. Gegen einen in dieser Beziehung gravierenden Vorfall spreche auch der Umstand, dass die Stiefkinder des Klägers gegen die Pflegedienstleitung des Ku. strafrechtlich nicht vorgegangen seien. Weitere Repressalien habe der Kläger schon deshalb nicht befürchten müssen, weil er kurzfristig in das M. verlegt worden sei. Die vorgetragenen besseren Besuchsmöglichkeiten der Stiefkinder seien nicht erwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 21. Juni 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung des Klägers. Mit Schreiben vom 31. Januar 2007 hat der jetzige Betreuer des Klägers Heimrechnungen übersandt, aus denen zu ersehen ist, dass der Kläger seit September 2005 in die Pflegestufe III eingestuft ist. Zur Begründung der Berufung wird vorgetragen, der damalige Betreuer des Klägers habe dem Beklagten auch die beabsichtigte Verlegung von Langensteinbach nach M. mitgeteilt. Darüber hinaus sei eine Mitteilung gar nicht erforderlich gewesen, denn als Selbstzahler habe der Kläger seinen Aufenthalt selbst bestimmen können. Zum Zeitpunkt der erstmals erfolgten Mitteilung des Betreuers über die Unterbringung des Klägers in M. habe sich dieser bereits in der Einrichtung befunden, so dass über eine Verlegung nicht zu entscheiden gewesen sei, folglich auch nicht über Kosten in Zusammenhang mit einer ungenehmigten Verlegung. Es handele sich schon rein begrifflich für den Beklagten nicht um Mehrkosten, wenn vorher keine Kosten getragen werden mussten. Das Ermessen des Beklagten sei, nachdem der Kläger bereits als Selbstzahler seinen Wunsch auf Verbleib im M. zum Ausdruck gebracht habe, derart eingeschränkt, dass der Beklagte die Kosten übernehmen müsse. Die Mehrkosten seien angemessen; andernfalls dürfe der Beklagte die Einrichtung M. nicht in einer Werbebroschüre aufführen. Es könne nicht sein, einerseits das M. als geeignete und damit auch kostenmäßig tragfähige Einrichtung darzustellen, andererseits aber die Kosten als unangemessen anzusehen, wenn Zuzahlungen zu erbringen seien. Der Beklagte könne für seine Entscheidung nicht die Kosten des preisgünstigsten Heimes als Basis nehmen, an der die Kosten aller sonstigen Heime gemessen würden. Eine solche Vorgehensweise führe dazu, dass das Wahlrecht des Hilfebedürftigen de facto aufgehoben werde. Die Kosten des Hauses Ku. dürften daher nicht zu Vergleichszwecken herangezogen werden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. Juni 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 31. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2005 zu verurteilen, die ungedeckten Heimkosten für die stationäre Pflege im "M. " in M. vom 12. November 2004 bis 30. Juni 2005 zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte sei erst am 14. Dezember 2004 telefonisch vom damaligen Betreuer des Klägers über die Aufnahme des Klägers im M. informiert worden. Der Interpretation des Klägers, er sei Selbstzahler, weil aus der Gesprächsnotiz vom 14. Dezember 2004 hervorgehe, dass die Heimkosten voll umfänglich vom Konto des Heimbewohners abgebucht würden, könne nicht gefolgt werden. Zu dem Zeitpunkt sei ein Antrag auf Übernahme der Heimpflegekosten bereits gestellt und der Kläger nachweislich der bekannten Einkommensverhältnisse nicht in der Lage gewesen, die Pflegeheimkosten im M. voll umfänglich zu decken. Maßgebend sei jedoch, dass die ablehnende Entscheidung gemäß § 9 SGB XII erfolgt sei. Im Rahmen der stationären Hilfe zur Pflege sei die Heimauswahl unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu beurteilen, hierzu gehöre auch ein Kostenvergleich. Unerheblich sei dabei, ob es sich um eine Verlegung oder die Aufnahme in eine Ersteinrichtung handele. Vorliegend habe ein Heimwechsel von Ku. in das M. stattgefunden. Die Beurteilung der Mehrkosten rechtfertige durchaus einen Kostenvergleich zwischen dem gewünschten und anderen geeigneten Angeboten und somit auch dem Ku. Bezüglich des Hinweises auf die "Werbebroschüre" des Beklagten werde angeführt, dass allein die Auflistung der sich im Zuständigkeitsbereich des Beklagten befindlichen Pflegeeinrichtungen in einer Broschüre den Sozialhilfeträger im Einzelfall nicht zur Übernahme der entsprechenden Vergütung verpflichte. Die Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts nach § 9 SGB XII verpflichte den Sozialhilfeträger zu einem konkreten Kostenvergleich zwischen der vom Leistungsberechtigten gewünschten und der aus der Sicht des Sozialhilfeträgers konkret möglichen anderweitigen Leistung. Der Begriff der Mehrkosten beziehe sich auf den Differenzbetrag zwischen der vom Leistungsberechtigten gewünschten und der möglichen, ausreichenden und für ihn angemessenen anderweitigen Leistung, nicht, wie vom Kläger angenommen, auf den Betrag, der letztendlich vom Sozialhilfeträger zu tragen sei. Die im Rahmen des Mehrkostenvergleichs heranzuziehende Einrichtung Seniorenresidenz Ku. habe zum 1. Juli 2005 die sozialhilferechtlich anzuerkennenden Pflegesätze erhöht, bei Pflegestufe II von täglich 77,21 EUR auf 82,86 EUR, so dass sich ab Juli 2005 ein Anspruch des Klägers ergebe. Der Kläger werde insoweit klaglos gestellt, als der Beklagte den sozialhilferechtlichen Bedarf unter Berücksichtigung der angemessenen Aufwendungen analog der Pflegeeinrichtung Ku. in K. berücksichtige (zur Berechnung Schriftsatz des Beklagten vom 25. April 2007). Die Mehrkosten auf Grund der Höherstufung in die Pflegestufe III berücksichtige der Beklagte ab Kenntnisnahme, also ab Eingang der Stellungnahme des Klägers vom 31. Januar 2005 bei ihm am 6. Februar 2007.

Unter Berücksichtigung der vom Sozialhilfeträger genehmigten Pflegesätze sei festzustellen, dass sich die Mehrkosten bei Pflegestufe II zum Zeitpunkt des Heimwechsels auf monatlich 332,18 EUR, mithin 31,05% beliefen und somit unverhältnismäßig hoch seien. Auch nach Erhöhung der sozialhilferechtlich anzuerkennenden Pflegesätze des Ku. am 1. Juli 2005 beliefen sich die Mehrkosten noch auf monatlich 160,31 EUR (12,91%). Die vom Kläger zum Vergleich vorgelegte Rechnung des Ku. von Dezember 2006 berücksichtige nicht die vom Sozialhilfeträger genehmigten Pflegesätze, sondern gehe von sogenannten Selbstzahlersätzen aus. Ausgehend von den sozialhilferechtlich genehmigten Pflegesätzen bei Pflegestufe III des Hauses Ku. in Höhe von täglich 98,71 EUR (Stand: Dezember 2006) abzüglich einer Rückvergütung wegen des Erhalts von Sondennahrung errechne sich ein Tagessatz in Höhe von 88,48 EUR. Im Vergleich hierzu entstünden im M. Aufwendungen wie folgt: Sozialhilferechtlich genehmigter Pflegesatz bei Pflegestufe III in Höhe von täglich 103,52 EUR abzüglich einer Rückvergütung wegen des Erhalts von Sondennahrung, somit ein Tagessatz in Höhe von 100,31 EUR. Die Differenz zwischen dem Haus Ku. und dem M. betrage demnach 359,87 EUR (28,57%).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Streitgegenstand ist die Übernahme der ungedeckten Heimkosten für den Zeitraum vom 12. November 2004 (Beginn der Unterbringung im M. ) bis 30. Juni 2005. Die Beteiligten haben insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22. November 2007 einen Verfahrensvergleich dahin gehend geschlossen, dass allein dieser Zeitraum der gerichtlichen Überprüfung unterliegen soll und für die Folgezeiträume eine rechtskräftige Entscheidung des Senats von den Beteiligten anerkannt wird.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstands 500,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat in der streitbefangenen Zeit keinen Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten für die Unterbringung im Pflegeheim M ...

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit vom 12. November bis 31. Dezember 2004 nach den Bestimmungen des BSHG und für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 nach dem SGB XII (Art. 68 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 70 Abs. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts im Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022).

Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Die Hilfe zur Pflege umfasst nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII unter anderem die stationäre Pflege. Eine entsprechende Regelung fand sich bis zum 31. Dezember 2004 in § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BSHG. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger auf Grund seiner gesundheitlichen Situation zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 61 SGB XII bzw. § 68 BSHG gehört. Grundsätzlich richten sich die Leistungen der Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 9 Abs. 1 SGB XII, § 3 Abs. 1 BSHG). Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wären (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 3 SGB XII, § 3 Abs. 2 BSHG).

Zutreffend hat das SG entschieden, dass für die Zeit vor dem 14. Dezember 2004 schon deshalb kein Anspruch des Klägers geltend gemacht werden kann, weil der Beklagte keine Kenntnis von dem entsprechenden Bedarf hatte. Der Stiefsohn und damalige Betreuer des Klägers hat ausweislich des Aktenvermerks des Beklagten diesen erst am 14. Dezember 2004 in Kenntnis von der Verlegung des Klägers in die Einrichtung M. gesetzt. Soweit im Rahmen der Berufungsbegründung zunächst vorgetragen worden war, der Stiefsohn des Klägers habe den Beklagten vorab von der beabsichtigten Verlegung informiert, widerspricht dies dem sonstigen Vorbringen im Klageverfahren und ist nicht glaubhaft. Im Übrigen ist dieser Vortrag auch vom Kläger im Laufe des Berufungsverfahrens nicht aufrecht erhalten oder näher substantiiert worden. Die in § 18 Abs. 1 SGB XII bzw. § 5 Abs. 1 BSHG getroffenen Regelungen zum Einsetzen der Sozialhilfe beruhen darauf, dass Sozialhilfe eine auf die Gegenwart bezogene Leistung in dem Sinne ist, dass sie auf die Beseitigung einer aktuellen Notlage gerichtet ist. Für die Vergangenheit kann eine Notlage nicht mehr behoben werden, allenfalls ist es möglich, die betroffene Person so zu stellen, wie sie stünde, wenn der Träger der Sozialhilfe beim Entstehen der Notlage von dieser Kenntnis gehabt und mit den Leistungen eingesetzt hätte. Eine Verpflichtung zur Restitution trifft aber allgemein nur denjenigen, der zumindest pflichtwidrig unterlassen hat, rechtmäßig zu handeln. Für den Träger der Sozialhilfe bedeutet das, dass ihn für Zeiträume vor seiner Kenntnis der Notlage keine Leistungspflicht trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Februar 1984 - 5 C 22/83 - BVerwGE 69, 5; BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, 46 = FEVS 37, 177, 178; 45, 89, 92; 45, 138; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 5 C 26/92 - BVerwGE 96, 152 = FEVS 45, 408, 410). Da der Bedarf nach stationärer Unterbringung durch die nach dem Kenntnisstand des Beklagten vorliegende Unterbringung im Ku. gedeckt war und der Kläger nach den bekannten Einkommensverhältnissen die Kosten hierfür aus eigenen Mitteln aufbringen konnte, bestand vor der Mitteilung vom 14. Dezember 2004 nach dem Kenntnisstand des Beklagten keine Hilfebedürftigkeit. Damit lag keine Kenntnis von der Notlage vor, so dass eine Hilfegewährung vor diesem Zeitpunkt ausscheidet.

Ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten für die Unterbringung im M. in M. für die Zeit ab 14. Dezember 2004 besteht ebenfalls nicht, der Beklagte hat zu Recht die Übernahme dieser Kosten als unverhältnismäßige Mehrkosten abgelehnt. Soweit der Kläger im hier nicht mehr streitigen Zeitraum ab 1. Juli 2005 auch bei der vom Beklagten vergleichsweise herangezogenen hypothetischen Unterbringung im Ku. die anfallenden Heimkosten aus seinem Einkommen nicht hätte decken können, hat der Beklagte den Kläger mit Teilanerkenntnis vom 25. April 2007 klaglos gestellt; dieses Teilanerkenntnis hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angenommen.

Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. § 9 Abs. 2 SGB XII braucht der Träger der Sozialhilfe Wünschen nicht zu entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Nach dieser Vorschrift hat der Sozialhilfeträger einen Kostenvergleich zwischen der gewünschten Leistung und anderen geeigneten und zumutbaren Hilfeangeboten vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1993 - 5 C 41/91 - BVerwGE 94, 202, 209; BVerwG, Urteil vom 17. November 1994 - 5 C 13/92 - BVerwGE 97, 103). Dies gilt auch für Hilfe in Einrichtungen, für die ein Pflegesatz nach den in § 75 Abs. 2, 3 und 5 SGB XII genannten Grundsätzen vereinbart worden ist (BVerwG, Urteil vom 30. September 1993, a.a.O.). Als Vergleichsbasis dienen dabei diejenigen Hilfsmaßnahmen, die der Träger der Sozialhilfe zur Beseitigung der bestehenden sozialhilferechtlich relevanten Notlage treffen würde, wenn er den Hilfefall ohne Berücksichtigung der Wünsche des Leistungsberechtigten regeln könnte. Erforderlich ist daher ein Kostenvergleich, in dem die Kosten der gewünschten Hilfe den Kosten gegenüber gestellt werden, die durch die vom Sozialhilfeträger konkret angebotene Hilfe verursacht werden (BVerwG, Beschluss vom 6. August 1992 - 5 B 97.91 - Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 11; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Urteil vom 14.03.1997 - 6 S 775/95 - FEVS 48, 86; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 14. Juni 1984 - 4 B 272/83 - FEVS 34, 61). Der Gegenansicht, dass Durchschnittskosten für den Kostenvergleich heran zu ziehen seien, die üblicherweise für die fragliche Hilfsmaßnahme entstehen, ggf. bezogen auf einen größeren Bereich, etwa ein Bundesland (vgl. Roscher in LPK - SGB XII, 7. Aufl., § 9 Rdnr. 37; BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1982 - 5 C 85/80 - BVerwGE 65, 52 (zur alten Fassung des § 3 Abs. 2 BSHG)), vermag der Senat nicht zu folgen. Insoweit hat der VGH Baden-Württemberg in dem genannten Urteil vom 14. März 1997 bereits darauf hingewiesen, dass sich diese Ansicht schwerlich mit der Begründung des Bundesrates zu der von ihm vorgeschlagenen Neufassung des § 3 Abs. 2 BSHG, der die Bundesregierung zugestimmt hat (BT-Drucks. 10/347 S. 3 zu Nr. 21), in Einklang bringen lasse. Zu Satz 3 der Vorschrift heißt es dort (vgl. BT-Drucks. 10/335 Anlage 2 zu Nr. 21) u.a.: "Mit der Ersetzung der Worte "unvertretbare Mehrkosten" durch die Worte "unverhältnismäßige Mehrkosten" soll der Gesichtspunkt der kostengünstigeren Hilfegewährung stärker als bisher betont werden. Dem Sozialhilfeträger wird es dadurch ermöglicht, einen Kostenvergleich zwischen der gewünschten Leistung und der von ihm angebotenen Leistung zu ziehen". Es entspricht somit dem gesetzgeberischen Willen, bei dem erforderlichen Kostenvergleich die Kosten der gewünschten Hilfe den Kosten einer vom Sozialhilfeträger statt dessen konkret angebotenen Hilfe gegenüber zu stellen. Darüber hinaus erscheint es auch nicht sinnvoll, Einrichtungen in den Kostenvergleich einzubeziehen, welche schon auf Grund ihrer örtlichen Lage im Hinblick etwa auf den Wohnort von Angehörigen für die Unterbringung des Pflegebedürftigen überhaupt nicht in Betracht kommen. Ob den Kosten der Unterbringung im M. hier konkret diejenigen gegenüber gestellt werden können, welche bei Unterbringung im Ku. anfielen, mag im Hinblick auf die offensichtliche Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Angehörigen des Klägers und den Mitarbeitern des Ku. , welche zur Herausnahme des Klägers aus dem Heim ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist führte, zweifelhaft sein, kann aber letztlich dahinstehen. Selbst wenn dem Kläger eine Verweisung auf eine Unterbringung im Ku. im Hinblick auf die Vorgeschichte nicht zumutbar wäre, gibt es in näherer Umgebung zu seinen Stiefkindern mehrere andere Heime, die für die erforderliche stationäre Pflege des Klägers grundsätzlich im gleichen Maße geeignet sind wie das M ... Im Hinblick auf den Wohnort des Stiefsohns des Klägers in Mar. sowie den Wohnort der Stieftochter in E. kommen grundsätzlich jedenfalls neben der Unterbringung in M. oder K. die Heime in E. oder Mar. in Betracht. Wie sich aus der von der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung übergebenen Übersicht über die Pflegesätze im Landkreis Karlsruhe (Stand 1. August 2007) ergibt, gehört das M. zu den teuersten Einrichtungen mit einem Pflegesatz in Pflegestufe II von 93,87 EUR, während das günstigste Heim bei 64,51 EUR und das teuerste bei 94,77 EUR liegt. Der Senat geht nach aller Lebenswahrscheinlichkeit davon aus, dass die preisliche Staffelung in vergleichbarer Weise auch in den Vorjahren gegeben war, wie auch durch den Kostenvergleich zwischen Ku. und M. im hier streitigen Zeitraum belegt wird. Nach der vorgelegten Übersicht liegt das Ku. im mittleren Preissegment mit einem Pflegesatz von 82,86 EUR; günstiger sind die Pflegeeinrichtungen Sch. in E. mit 78,45 EUR, A.klinik in Mar. mit 70,31 EUR und F. in Mar. mit 72,61 EUR, etwas teurer die Einrichtungen A.-St.-Haus (89,74 EUR) und St.-Stift (87,68 EUR) in E. (alles aktuelle Pflegesätze Pflegestufe II). Damit ist ersichtlich, dass durchaus andere, kostengünstigere Alternativen neben der Unterbringung im M. vorhanden waren und sind.

Bei einem Vergleich der Kosten der Heimunterbringung ist auch das Einkommen des Klägers mit einzubeziehen. Dies bedeutet, dass von den für den Sozialhilfeträger verbleibenden Nettoaufwendungen auszugehen ist. Für die Feststellung, ob eine Hilfegewährung entsprechend dem Wunsch des Hilfeempfängers "unverhältnismäßige Mehrkosten" erfordert, kann es grundsätzlich nur darauf ankommen, welche Kosten in welcher Höhe der Träger der Sozialhilfe jeweils tatsächlich bei den gegenüber zu stellenden Alternativen der Bedarfsdeckung übernehmen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1987 - 5 C 10.85 - FEVS 36, 353; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15. März 1997, a.a.O., m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich Folgendes: Bei Aufnahme des Klägers in die Einrichtung M. beliefen sich die Mehraufwendungen gegenüber dem Ku. auf 247,67 EUR monatlich. Die Unterbringung im Ku. hätte der Kläger aus seinem Einkommen vollständig finanzieren können, die teurere Unterbringung im M. jedoch nicht vollständig, so dass ein Hilfebedarf in Höhe von 247,67 EUR verblieben wäre. Der in der Berechnung des Beklagten zugrunde gelegte Betrag in Höhe von 332,18 EUR stellt dagegen die Differenz zwischen den Kosten der beiden Pflegeheime dar, berücksichtigt jedoch nicht das Einkommen des Klägers. Maßgebend sind jedoch, wie oben ausgeführt, die Nettomehraufwendungen des Sozialhilfeträgers. Betrachtet man die sonstigen in Betracht kommenden Pflegeheime, ist ersichtlich, dass durch die Unterbringung im M. jedenfalls Mehrkosten entstehen, die nicht nur einen Bagatellbetrag ausmachen, welcher im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mehrkosten im Hinblick auf die Bedeutung des Wunsch- und Wahlrechts des Hilfebedürftigen grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hätte.

Der Mehrkostenvorbehalt erschöpft sich indes nicht in einem rein rechnerischen Kostenvergleich, sondern verlangt auch eine wertende Betrachtungsweise, bei der das Gewicht der vom Hilfeempfänger gewünschten Gestaltung der Hilfe im Hinblick auf seine individuelle Notsituation zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 1994, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 18. August 2003 - 5 B 14/03 - (juris)). Insoweit spielt hier eine Rolle, dass zwar subjektiv nachvollziehbare Gründe des Klägers vorhanden sein mögen, die gegen eine Unterbringung im Ku. sprechen. Dagegen gibt es keine ersichtlichen Gründe oder Vorteile für den Kläger bei einer Unterbringung im M. gegenüber den sonstigen genannten Heimen, welche im Hinblick auf Besuchsmöglichkeiten der Stiefkinder des Klägers in gleicher Weise in Betracht kommen. Angesichts der objektiv nicht ersichtlichen Vorteile für den Kläger bei der Unterbringung im M. sind die nicht nur ganz geringfügigen Mehrkosten unverhältnismäßig. Es ist daher nicht gerechtfertigt, diese dem Sozialhilfeträger aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG ) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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