L 1 U 3262/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 4924/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3262/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger am 18. Oktober 2005 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat und ihm deshalb Leistungsansprüche gegen die Beklagte zustehen.

Am 18. Oktober 2005 führte der Kläger seinen Hund im Rahmen der Tätigkeit als Hundeführer auf einem grasbewachsenen Trainingsgelände. Am Ende der geraden Laufstrecke musste er mit seinem Hund einen Halbkreis von etwa einem Meter Durchmesser gehen und dabei das Tempo beschleunigen. Dabei hatte der Hund eng an seiner linken Seite zu bleiben. Während dieser Bewegung spürte der Kläger einen durchdringenden Schmerz und einen Riss im linken Knie. Dieses schwoll nach ca. 1 1/2 Stunden an. Am nächsten Tag konnte der Kläger das linke Bein nicht mehr belasten.

Mit Unfallanzeige vom 8. November 2005 teilte der Kläger mit Formularbogen seines Arbeitgebers (ohne Unterschrift) mit, er habe sich am 18. Oktober 2005 bei seiner Tätigkeit als Hundeführer das Knie verdreht. Er habe während der Hundeausbildung bei einer Kehrtwendung einen Riss und einen durchdringenden Schmerz im linken Knie verspürt. Nach ca. 1 ½ Stunden sei das Knie angeschwollen. Am nächsten Tag habe er nicht mehr laufen können.

Der behandelnde Arzt Dr. B. führte zunächst die Behandlung zu Lasten der Krankenkasse durch. Im Nachschaubericht des Dr. K. vom 10. Februar 2006 führte dieser aus, der Kläger habe sich am 9. Februar 2006 bei ihm vorgestellt, da seit dem Geschehen am 18. Oktober 2005 weiter Beschwerden bestünden. Zur Vorgeschichte habe der Kläger berichtet, dass bei ihm ein alter Knieschaden aus dem Jahr 1994 (Privatunfall) bekannt sei. Er beschrieb nach Röntgenaufnahmen des linken Knies eine erhebliche, weit fortgeschrittene Gonarthrose und veranlasste eine MRT-Untersuchung. Zusammenfassend führte er aus, die Gonarthrose sei nicht unfallbedingt und möglicherweise durch einen alten vorderen Kreuzbandschaden verursacht. Insofern habe das angeschuldigte Ereignis lediglich eine zeitlich begrenzte Verschlimmerung eines Vorschadens bewirkt. Im Befund der Kernspintomographie vom 16. Februar 2006 (Arzt für diagnostische Radiologie Dr. H.) beschrieb dieser den Befund zusammenfassend dergestalt, dass eine deutliche, lateral betonte Gonarthrose mit interartikulärer Chondropathie (Stadium IV), eine leicht lateralisierte Patella mit Retropatellararthrose und retropatellarer Chondropathie (Stadium III bis IV), eine weitgehende Mazeration des Innenmeniskus (Grad IV), eine deutliche Mazeration des Außenmeniskus betont im Hinterhornbereich mit Schrägriss (Grad III), ein deutlicher Gelenkerguss, Weichteilödem, eine partiell um die Semimembranosussehne geschlungene Bakerzyste, eine alte Ruptur des vorderen Kreuzbands und narbige Fibrosierungen im Hoffa´schen Fettkörper vorliege. Beschrieben wurde weiter ein elongiertes, partiell signalangehobenes hinteres Kreuzband bei fehlender Darstellung des vorderen Kreuzbandes. In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 2. März 2006 führte der Arzt für Chirurgie Dr. Sch. aus, die Untersuchung habe ausschließlich vorbestehende ältere Veränderungen gezeigt. Allenfalls die Signalanhebung im Weichteilgewebe könne als Ausdruck einer Zerrung interpretiert werden. Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis bei, in dem vom 15. April bis 9. Mai 1996 Arbeitsunfähigkeit wegen Meniskusrissen dokumentiert ist, vom 19. bis 28. Oktober 1995 findet sich die Diagnose einer beidseitigen primären Gonarthrose. Die Beklagte zog den Histologiebericht vom 18. April 1996 (schwerste Meniskusdegeneration mit partieller Nekrose und pseudozystischer Transformation sowie mit Zeichen einer frischen Ruptur und mit Veränderungen, die einer Calciumpyrophosphatatropathie zuzuordnen seien) nach Arthroskopie am 16. April 1996 (Diagnosen: alter Lappeneinriss am linken Innenmeniskushinterhorn mit erheblicher Arthrose vor allem des medialen Kompartiments) sowie den Operationsbericht vom 16. April 1996 und den Histologiebericht vom 17. März 2006 nach erneuter Arthroskopie (gering degenerativ verändertes Meniskusgewebe mit Calciumpyrophosphatarthropathie, Zeichen älterer Auffaserung mit Glättungserscheinungen am Meniskus, kein frischer Einriss) bei. Sie zog auch den Operationsbericht vom 15. März 2006 bei. Darin ist u.a. ausgeführt, dass sich im suprapatellaren Bereich keine Verletzungszeichen jedoch eine ausgeprägte Synovialitis fände. Auf der Rückfläche sowie im femoraler Gleitlager bestünden schwere Knorpeldefekte Chondropathie 4. Grades mit nahezu ganzem Knorpelverlust. Im medialen Recessus fänden sich nach Innenmeniskusteilresektion nur noch Reste des Innenmeniskus, die femorale Gleitfläche und das tibiale Lager zeige ausgedehnte Gonarthroseveränderungen mit nahezu vollständigem Knorpelverlust. Intercondylär sei das vordere Kreuzband nicht mehr erhalten. Das hintere Kreuzband sei stabil. Es finde sich eine ausgeprägte Schublade. Lateralseitig finde sich ein Außenmeniskuskorbhenkeleinriss bei ebenso schweren gonarthrotischen Veränderungen.

Nach Einholung einer weiteren beratungsärztlichen Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 2006 die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 18. Oktober 2005 ab. Dazu führte sie u.a. aus, dass sämtliche Erkrankungen im Bereich der Menisken und Knorpel eindeutig degenerativer Art seien. Die Frage, ob die vordere Kreuzbandruptur am 18. Oktober 2005 eingetreten sei, lasse sich nicht mehr mit Sicherheit klären, sei jedoch aufgrund der Befunde und Schilderungen wahrscheinlich. Davon ausgehend sei dieser Kreuzbandriss aber nur bei Gelegenheit der versicherten Tätigkeit eingetreten und hätte jederzeit bei jedem anderen nicht vermeidbaren Anlass oder einer Körperbewegung zum Ausbruch kommen können. Es handle sich bei der am 18. Oktober 2005 vorgenommenen Bewegung um eine normale physiologische Bewegung ohne außergewöhnlich Umstände oder Einflüsse von außen. Diese Bewegung sei nicht geeignet, eine Verletzung, insbesondere einen kompletten Kreuzbandriss zu verursachen. Daher sei das Ereignis vom 18. Oktober 2005 als Gelegenheitsursache anzusehen.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und brachte vor, er habe sich bei der Ausübung seines Berufs verletzt und deshalb auch Anspruch auf Anerkennung des Geschehens als Arbeitsunfall.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 20. Oktober 2006 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben und vorgebracht, die rechtlich wesentliche Ursache sei in der versicherten Tätigkeit zu suchen. Es sei zu einer ruckartigen Beschleunigung in einer 180-Grad Kurve gekommen, so dass es auch zu einem Kreuzbandriss kommen könne. Unrichtig sei auch, dass die sonst festgestellten ausgeprägten degenerativen Veränderungen nicht auf das Ereignis vom 18. Oktober 2005 zurückgeführt werden könnten.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. Mai 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass das angeschuldigte Ereignis keinen Primärschaden wesentlich verursacht habe. Der vom Kläger beschriebene Vorgang sei nicht geeignet, einen vorderen Kreuzbandriss zu verursachen.

Gegen den ihm am 4. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. Juli 2007 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Mai 2007 sowie den Bescheid vom 29. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 18. Oktober 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm Entschädigung im gesetzlichen Umfang zu gewähren.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen, insbesondere trägt er vor, das angeschuldigte Ereignis sei in der Lage gewesen, eine Ruptur des vorderen Kreuzbands zu verursachen. Auch könne die fehlerhafte Behandlung durch Dr. B. nicht dazu führen, dass die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall unterbleibe. Lediglich altersentsprechende Verschleißerscheinungen seien auch nicht in der Lage, als Vorschäden eine Anerkennung von Unfallfolgen auszuschließen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Die Berichterstatterin des Verfahrens hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 24. September 2007 erörtert. U.a. wurde Frist zur Antragstellung nach § 109 SGG zum 10. Oktober 2007 (Eingang bei Gericht) gesetzt. Auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag wird im Übrigen verwiesen.

Am 15. Oktober 2007 hat der Kläger Antrag nach § 109 SGG gestellt, am 17. Oktober 2007 Dr. K. als Sachverständigen benannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Anspruch auf Verletztengeld besteht nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII u.a. dann, wenn Versicherte infolge des Arbeitsunfalls arbeitsunfähig sind.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.

Für die Anerkennung eines Ereignisse als Arbeitsunfall ist in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (zusammenfassend zuletzt BSG vom 30. Januar, 2007 - B 2 U 8/06 R, veröffentlicht in Juris, unter Verweis auf BSG, Urteile vom 12. April 2005 = BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 und BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 ; BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.).

Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit als Hundeführer und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls, dem Gehen mit dem Hund in einer bestimmten Formation auf dem Trainingsgelände, ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (stRspr BSG, zuletzt Urteil vom 12. April 2005 = BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14). Dies ist vorliegend der Fall.

Notwendig für die Anerkennung eines Geschehens als Arbeitsunfall ist weiter, dass das angeschuldigte Ereignis auch zu der als Unfallereignis zu bewertenden Einwirkung auf den Körper des Versicherten führt. Für das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII ist kein besonderes ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Diese Voraussetzung dient lediglich der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen sowie zur vorsätzlichen Selbstschädigung. Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, ist dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht (BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr. 6 S 20).

Vorliegend ist allerdings zweifelhaft, ob überhaupt ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorgelegen hat. Der Kläger ist hat beim forcierten Gehen einen stechenden Schmerz im Knie verspürt. Dieser Schmerzsensation ist kein Stolpern oder ein anderes äußeres Geschehen vorausgegangen, das äußerlich sichtbar war. Selbst wenn man annehmen will, dass die äußere Einwirkung selbst nicht sichtbar sein muss (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56) und sie somit auch in einer (unsichtbaren) Kraft liegen kann, die ein Versicherter aufbringen muss, um eine erhebliche Gegenkraft zu überwinden (sog. Steinmetzfall, BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15), liegen auch dafür keinerlei Anhaltspunkte vor. Der Kläger hat nicht vorgebracht, bei der Gehbewegung, in deren Zusammenhang er den Schmerz verspürt hat, eine besondere Gegenkraft aufgebracht bzw. überwunden zu haben, z.B. auf den bei sich geführten Hund, weil dieser eventuell nicht in der vorgegebenen Art und Weise eng am Bein laufen wollte. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Schmerzsensation in einem Moment eingetreten ist, als der Kläger einen Bogen mit ca. 1 m Durchmesser in forciertem Schritt gegangen ist. Auch dieser Bewegungsmoment bedingt keine erhebliche Krafteinwirkung. Vielmehr stellt sich das angeschuldigte Geschehen äußerlich als normale, wenn auch etwas forcierte Gehbewegung dar, während derer der Kläger eine Schmerzsensation im Knie verspürte. Daher scheidet bereits unter diesem Gesichtspunkt die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall aus.

Aber selbst wenn man unterstellen würde, dass eine äußere Einwirkung im Sinne des Unfallbegriffs vorgelegen hätte, wäre eine für den Kläger günstige Entscheidung ausgeschlossen.

Erforderlich zur Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall ist nämlich weiter, dass ein Unfallerstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen ist. Der erstbehandelnde Dr. B. hatte keinen Durchgangsarztbericht erstellt, da er ausschließlich ältere degenerative Veränderungen festgestellt hat. Dem entsprechend ist auch die Behandlung über die Krankenkasse abgerechnet worden. Auch Dr. K. hat in seinem Nachschaubericht vom 10. Februar 2006 ausgeführt, dass eine Gonarthrose besteht, die nicht auf das angeschuldigte Geschehen zurückgeführt werden kann, sondern möglicherweise durch einen alten vorderen Kreuzbandschaden bedingt ist. Ein Gesundheitserstschaden ist in diesem Bericht somit nicht festgestellt. Auch im Bericht über die Kernspintomographie des linken Kniegelenks vom 16. Februar 2006 könnte allenfalls die Signalanhebung im hinteren Kreuzband, worauf auch der Beratungsarzt Dr. Sch. hingewiesen hat, als Zeichen einer stattgehabten Zerrung interpretiert werden.

Soweit die Beklagte in den angefochtenen Entscheidungen ausgeführt hat, dass auch vermutet werden könnte, dass die vordere Kreuzbandruptur durch das Geschehen am 18. Oktober 2005 verursacht worden ist, ist nach Auffassung des Senats bereits zweifelhaft, ob der vom Kläger beschriebene Bewegungsablauf überhaupt geeignet gewesen war, eine vordere Kreuzbandruptur zu verursachen. Geeignete Verletzungsmechanismen stellen neben direkten Einwirkungen (z.B. Sturz auf eine Bordsteinkante), die vorliegend nicht in Betracht kommen, indirekte Einwirkungen durch eine plötzliche kraftvolle Überstreckung bei Einwärtsdrehung des Unterschenkels und hoher kinetischer Energie oder eine plötzliche passive Überstreckung des Kniegelenks dar (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 Nr. 8.10.4.2.2). Selbst wenn das vom Kläger noch im Verwaltungsverfahren, nicht aber im Termin zur Erörterung des Sachverhalts, beschriebene Drehmoment des Oberkörpers unterstellt wird, fehlt es an einer plötzlichen Überstreckung bei Einwärtsdrehung des Unterschenkels, da dies in der Regel nur bei festgestelltem Unterschenkel in Betracht kommt.

Doch selbst wenn man unterstellte, eine äußerliche Einwirkung auf den Körper hätte vorgelegen und diese hätte einen Gesundheitserstschaden verursacht, käme eine Anerkennung des Geschehens als Arbeitsunfall nicht in Betracht, da der Riss des vorderen Kreuzbands nicht durch das angeschuldigte Ereignis wesentlich verursacht worden wäre.

Zur Beurteilung des Zusammenhangs zwischen der mit der versicherten Tätigkeit im sachlichen Zusammenhang stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis hat das BSG in seiner Entscheidung vom 12. April 2005 (BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 14) noch ohne Verwendung des erst in der Entscheidung vom 9. Mai 2006 (B 2 U 1/05 R - RdNr. 10, vorgesehen für BSGE und SozR) eingeführten Begriffs der Unfallkausalität ausgeführt, dass für diesen Zusammenhang die Theorie der wesentlichen Bedingung gilt. Danach können, aufbauend auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (stRspr: BSGE 1, 72; 1, 150; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13; zuletzt zusammenfassend BSG vom 9. Mai 2006, aaO). Typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität näherer Erörterung bedarf, sind z.B. die Fälle einer möglichen inneren Ursache.

Wie den aktenkundigen ärztlichen Befundberichten zu entnehmen ist, liegen beim Kläger im Bereich des linken Knies erhebliche degenerative Vorschäden vor. Im Bericht des Kreiskrankenhauses C. vom 19. Juni 1996 wird ein erheblicher Lappeneinriss am linken Innenmeniskus-Hinterhorn mit erheblicher Arthrose vor allem des medialen Kompartiments beschrieben. Im Operationsbericht vom 16. April 1996 wird von einem akuten Kniegelenkserguss ohne Trauma berichtet, ebenso von chronischen Kniegelenksbeschwerden links bei Gonarthrose. Im Operationsbericht vom 15. März 2006 werden medial schwere Knorpeldefekte Chondropathie 4. Grades mit nahezu ganzem Knorpelverlust, intercondylär ein nicht mehr vorhandenes vorderes Kreuzband beschrieben.

Für die Abwägung zwischen dem angeschuldigten forcierten Gehen und den erheblichen degenerativen Vorschäden als innerer Ursache für einen Riss des vorderen Kreuzbandes ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung von Folgendem auszugehen (vgl. BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R): Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen und damit keine Ursache im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte. Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das vom Kläger beschriebene Geschehen, nämlich ein forciertes Gehen in einem Halbkreis von ca. 1 m Durchmesser, als alltäglich vorkommendes Ereignis anzusehen, das beispielsweise vergleichbar dem Moment ist, in dem man während eines Fußwegs in einer schnellen Bewegung umkehrt, weil man etwas vergessen hat. Dieser alltägliche Bewegungsmoment hätte - die naturwissenschaftliche Ursächlichkeit insoweit ebenso wie den Schadenseintritt unterstellt - beim Kläger genügt, einen Schaden im Bereich des vorderen Kreuzbandes zu verursachen. Diese Ursache wäre damit als Gelegenheitsursache anzusehen und damit nicht wesentlich für den entstandenen Schaden.

In welchem Umfang Entschädigungsansprüche des Klägers bestehen, konnte offen bleiben, da schon der Nachweis eines versicherten Arbeitsunfalls nicht geführt ist.

Weitere Ermittlungen des Senats waren deshalb von Amts wegen nicht geboten und auch nicht durch den Antrag nach § 109 SGG, der mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2007 ohne Benennung eines konkreten Arztes und mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2007 (Eingang bei Gericht am 17. Oktober 2007) unter Benennung von Dr. K. als zu beauftragendem Sachverständigen gestellt worden ist, veranlasst.

Gemäß § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Von grober Nachlässigkeit ist auszugehen, wenn jede zur ordnungsgemäßen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen worden ist, wenn gerade nicht getan wird, was jedem einleuchten muss. Danach ist von einem sachkundigen Prozessbevollmächtigten zu verlangen, dass er den Antrag nach § 109 SGG in angemessener Frist stellt, wenn das Gericht zu erkennen gibt, dass es keine weiteren Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen durchzuführen beabsichtigt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 109 SGG Rz. 11 mwN).

Der Bevollmächtigten des Klägers wurde im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 24. September 2007 mitgeteilt, dass das Gericht keine weiteren Beweiserhebungen von Amts wegen beabsichtigt. Gleichzeitig wurde Frist zur Antragstellung nach § 109 SGG unter Benennung eines zur Gutachtenserstellung geeigneten und bereiten Arztes bis 10. Oktober 2007 gestellt. Innerhalb der Frist ist kein Antrag nach § 109 SGG bei Gericht eingegangen. Vielmehr hat die Bevollmächtigte am unter dem 24. September 2007 (Eingang bei Gericht am 1. Oktober 2007) noch zur Sache vorgetragen, ohne einen Antrag nach § 109 SGG auch nur anzukündigen. Angesichts der Erörterung der Sach- und Rechtslage am 24. September 2007 hätte sich die Bevollmächtigte des Klägers aber im Klaren darüber sein müssen, dass bei Eingang eines unvollständigen Antrags nach dem 10. Oktober 2007 Ermittlungen nach § 109 SGG nicht in Betracht kommen. Von grober Nachlässigkeit ist deshalb auszugehen. Auch hätte sich durch die Zulassung des Antrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögert, da am 10. Oktober 2007 der Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung am 19. November 2007 geladen worden ist.

Nur ergänzend weist der Senat deshalb darauf hin, dass der Antrag nach § 109 SGG, wäre er denn vollständig innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist eingegangen, auch deshalb hätte abgelehnt werden können, weil es auf die von der Klägerbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat konkretisierte, unter Beweis gestellte Tatsache, nämlich dass der vordere Kreuzbandschaden durch das angeschuldigte Ereignis verursacht worden ist, nicht ankommt. Denn sie kann, wie oben ausgeführt, als wahr unterstellt werden, ohne dass eine andere Entscheidung hätte getroffen werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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