L 11 R 2221/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 2721/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2221/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Die am 07.12.1953 geborene Klägerin wurde ihren Angaben zufolge von August 1969 bis Dezember 1969 als Näherin angelernt. In der Folgezeit war sie mit Unterbrechungen durch Kindererziehung und Arbeitslosigkeit als Maschinenarbeiterin, Arbeiterin in der Motorenmontage und als Näherin beschäftigt. Nach einer Umschulungsmaßnahme zur Altenpflegehelferin von Oktober 1995 bis September 1996 arbeitete sie bis Februar 1997 in diesem Beruf und von August 1997 bis Januar 1999 als Kinderbetreuerin. Zuletzt übte sie von Januar bis April 2000 und von Januar bis Juli 2001 beitragspflichtige Beschäftigungen aus. Seither ist sie arbeitslos.

Nachdem sich die Klägerin im September 1999 einer Bandscheibenoperation (Hemilaminektomie LWK 3/4 und 4/5 links) unterziehen musste und vom 18.01. bis 08.02.2000 ein Heilverfahren in der S. Klinik absolvierte, aus dem sie arbeitsunfähig entlassen wurde (Diagnosen: 1. Lumbale Spinalkanalstenose LWK 4/5 und LWK 3/4, Z.n. Hemilaminektomie 08.09.1999; 2. Adipositas permagna; 3. Asthma bronchiale; Leistungsvermögen: Leichte Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen vollschichtig ohne Hebebelastungen über 5 bis 10 kg, Zwangshaltungen der Wirbelsäule und monotone Stehtätigkeiten), beantragte sie am 15.09.2000 bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Die Beklagte holte Befundberichte der Dres. H., S. vom Februar 2001 und des Orthopäden K. vom Januar 2001 sowie ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. F. ein. Dr. F. kam unter Berücksichtigung zahlreicher medizinischer Unterlagen (u.a. arbeitsamtsärztliches Gutachten von Dr. W. vom Dezember 2000, Arztbriefe der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. und der Sportklinik S., ärztliche Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. S.) zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestünden eine Angst und depressive Störungen gemischt, multiple chronische Schmerzen und ein Z.n. Hemilaminektomie LWK 3/4 und 4/5. Auf rein neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet sei die Klägerin in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Altenpflegehelferin vollschichtig leistungsfähig.

Hierauf und auf eine beratungsärztliche Stellungnahme gestützt, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.06.2001 den Rentenantrag ab, weil die Klägerin weder berufsunfähig noch erwerbsunfähig sei. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für die teilweise und die volle Erwerbsminderungsrente nach § 43 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung ab 01.01.2001 noch nicht vor.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und fügte Atteste des Facharztes für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. G. und des Orthopäden K., das arbeitsamtsärztliche Gutachten vom Dezember 2000, den Entlassungsbericht der Sportklinik S. vom April 2001 und eine Stellungnahme von Dr. S. bei. Die Beklagte veranlasste hierauf noch Begutachtungen der Klägerin auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet. Der Facharzt für Orthopädie Dr. A. diagnostizierte als Gesundheitsstörungen: 1. chronisches lumbales Schmerzsyndrom mit operativ bekannter Spinalkanalstenose mit rezidivierender Wurzelreizung, mit rezidivierender radikulärer Schmerzausstrahlung rechtes Bein; 2. chronisches Halswirbelsäulen (HWS)- und Brustwirbelsäulen (BWS)-Syndrom, radiologische Spondylosis deformans; 3. chronisches Impingement beide Schultergelenke (Z.n. arthroskopischer Revision linke Schulter); 4. Fersensporn und leichte degenerative Veränderungen linkes Sprunggelenk; 5. retropatellare Chondromalazie beidseits, beginnende degenerative Veränderungen mediales Kniegelenk; 6. Epicondylitis radialis beidseits ohne Bewegungseinschränkung. Aufgrund der Erkrankung der Wirbelsäule könne die Klägerin schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten nicht mehr verrichten. Mit diesen Einschränkungen seien ihr noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule vollschichtig zumutbar. Die Tätigkeit als Altenpflegehelferin sei nur noch unter drei Stunden möglich. Dr. H., Chefarzt des Krankenhauses V./E. und Oberarzt Dr. G. stellten zusammenfassend die Diagnosen eines medikamentös gut eingestellten Asthma bronchiale, einer erheblichen Adipositas, eines beginnenden Diabetes mellitus Typ II b, einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit und Otitis externa links, einer lumbalen Spinalkanalstenose L4/5 bei Zustand nach Hemilaminektomie 1999, einer Periatropathia humero scapularis links sowie einer Angst- und Depressivstörung gemischt. Insgesamt sei die Klägerin aus rein internistischer Sicht in der Lage, leichte bis mittelschwere frauentypische Tätigkeiten vollschichtig zu erbringen. Aufgrund des Asthma bronchiale sollte sie nicht zusätzlichen negativen Schadstoff- oder Witterungseinflüssen bezüglich der Atemluft ausgesetzt sein. Auch dürfe es sich um keinen Lärmarbeitsplatz handeln, wobei die Umgangssprache problemlos verstanden werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) mit der Begründung, sie sei nicht mehr in der Lage, nachhaltig und geordnet auf Dauer einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in nennenswertem Umfang nachzugehen, schon gar nicht einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in dem angelernten Beruf der Altenpflegerin. Die von der Beklagten zugrunde gelegten medizinischen Ergebnisse entsprächen nicht der Zusammenschau ihres Gesundheitszustandes. Die Klägerin legte weitere Arztunterlagen vor (Attest des Orthopäden K., Sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg - MDK -, OP-Bericht vom Januar 2002 - Arthroskopie, arthroskopische Innenmeniskusteilresektion -; Arztbrief des Internisten und Rheumatologen Dr. S.).

Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen.

Der Orthopäde K. erachtete die Klägerin als Altenpflegerin für berufsunfähig. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei unter Einbezug der neuen Diagnose des Fibromyalgiesyndroms nur noch unterhalbschichtig denkbar. Der Aussage waren weitere Arztunterlagen beigefügt, u.a. der Arztbrief des Dr. S. vom April 2002.

Dr. S. berichtete über Behandlungen der Klägerin seit April 2000 und teilte die erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mit. Zur Zeit bestehe eine anhaltende Schmerzstörung, die den gesamten Körper beinhalte. Auch die rezidivierende depressive Symptomatik schränke das Leistungsvermögen ein. Sie erachte die Klägerin für nicht mehr in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit ca. acht Stunden täglich zu verrichten. Aufgrund der psychischen Labilität sei auch eine untervollschichtige Leistungsfähigkeit in ihrem erlernten Beruf aus psychiatrisch/psychotherapeutischer Sicht nicht vorhanden. Ebenso wenig sei aufgrund des anhaltenden Schmerzsyndroms und der starken Neigung zu depressiven Einbrüchen eine vollschichtige Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben.

Der Allgemeinmediziner Dr. H. führte aus, die Klägerin könne keine acht Stunden täglich mehr arbeiten. Aus körperlicher Sicht bestehe eine halbschichtige Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten ohne Gewichtsbelastung, ohne erhöhten Zeitdruck, ohne häufiges Bücken und Vorbeugen, Einnahme von Wirbelsäulenzwangshaltungen und ohne häufige Überkopfarbeit. Zusätzlich leistungsmindernd müsse der depressive psychische Zustand der Klägerin bewertet werden.

Dr. G. beschrieb eine Einschränkung durch Hörminderung mit periodischen Verschlechterungen seit 1996. Gegen eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden keine Bedenken.

Als gerichtlicher Sachverständiger erstattete Dr. S. ein fachorthopädisches Gutachten. Dieser erhob ein rezidivierendes Cervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen und Fehlhaltung der HWS, eine Belastungsinsuffizienz der Lendenwirbelsäule (LWS) bei deutlicher skoliotischer Seitabweichung sowie Z.n. Bandscheiben-OP (Hemilaminektomie L4/L5) - ohne Anhaltspunkte für eine cervikale oder lumbale Wurzelreizsymptomatik -, eine reduzierte Belastungsfähigkeit beider Kniegelenke, rechts erheblich stärker als links, bei Varusgonarthrose rechts (Z.n. transarthroskopischer Innenmeniskektomie) und Knorpelschädigung der Rückfläche beider Kniescheiben (Chondropathia patellae), mäßige arthrotische Veränderungen am linken Sprunggelenk, einen chronifizierten Muskelansatzsehnenreizzustand (Chondropathia patellae) an beiden Ellenbogengelenken im Sinne eines sog. Tennisellenbogens, eine reduzierte Belastungsfähigkeit des linken Schultergelenks nach transarthroskopischer OP eines Impingement-Syndroms und einer Bursektomie sowie eine erhebliche Überlagerung des Beschwerdekomplexes infolge einer aktenkundigen Depression und somatoformen Schmerzstörung. Aufgrund der orthopädischen Diagnosen sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, eine Tätigkeit als Altenpflegerin auszuüben. Leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien jedoch vollschichtig möglich, wobei das Heben und Tragen schwerer Gegenstände über 10 kg, Arbeiten in lang anhaltend einseitiger und gebückter Körperhaltung, Überkopfarbeiten, kniende Tätigkeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und Tätigkeiten, die einen kraftvollen Einsatz der Arme voraussetzen, zu vermeiden seien. Die Tätigkeiten sollten wechselnd im Sitzen, Gehen und Stehen ausgeführt werden können, wobei die Klägerin beim längeren Sitzen auf einen verstellbaren bandscheibengerechten Arbeitsstuhl angewiesen sei.

Das SG erhob sodann weiteren Beweis durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. d. L ... Die Gutachterin führte aus, auf neurologischem Fachgebiet lägen keine Erkrankungen vor. Auf psychiatrischem Fachgebiet handle es sich in diagnostischer Hinsicht um eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen. Diese äußere sich durch affektive Störungen wie Stimmungsschwankungen, Besorgnis und Anspannung. Auch Schlafstörungen und Antriebsdefizite seien Teil dieser Störung. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer depressiven Störung im engeren Sinne hätten sich zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung ergeben, insbesondere kein Hinweis für das Vorliegen einer sogenannten endogenen Depression. Aus nervenärztlicher Sicht sei die Klägerin durchaus in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit regelmäßig acht Stunden täglich zu arbeiten. Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten sowie ständigem Gehen bzw. häufigem Wechsel zwischen Stehen und Gehen sollten nicht zugemutet werden, ebenso wenig auch Schicht-, Nachtarbeit, Akkordarbeit und eine besondere geistige Beanspruchung.

Die Klägerin wandte dagegen unter Vorlage eines radiologischen Befundberichtes vom Oktober 2002 (MR LWS) und einer gutachterlichen Äußerung des arbeitsamtsärztlichen Dienstes ein, es sollte eine neue Gesamtbeurteilung erfolgen.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Dr. R. ein internistisch-rheumatologisches Gutachten. Dr. R. stellte ein schweres Fibromyalgie-Syndrom - DD somatoforme Schmerzstörung -, ein degeneratives Wirbelsäulen-Syndrom, einen Z.n. Operation einer Spinalkanalstenose der LWS und einen Z.n. Distorsion des linken Sprunggelenks fest. Die Klägerin sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten von drei Stunden täglich mit stündlichen Pausen von 15 Minuten ohne Zwangshaltungen, Heben von Lasten über 2 kg, Akkordarbeit, Publikumsverkehr, ohne besondere Anforderung an Konzentrationsfähigkeit, Stressbelastung und ohne Exposition von Nässe und Kälte zu verrichten. Der Beruf als Altenpflegerin sei nur mehr weniger als drei Stunden täglich zumutbar.

Ein weiteres Gutachten gemäß § 109 SGG wurde von dem Orthopäden Dr. F. erstattet. Dieser bestätigte auf orthopädischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen: 1. Vertebragenes lumbales Pseudoradikulärsyndrom bei Spinalkanalstenose und Hemilaminektomie 1999, 2. Gonarthrose beidseits, 3. Cervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen und Impingementsyndrom in beiden Schultern, 4. Fibromyalgie. Durch das auf rheumatologischem Fachgebiet festgestellte Fibromyalgiesyndrom finde eine Überlagerung der Beschwerdesymptomatik statt, so dass keine genaue Abgrenzung der ursächlichen Beschwerdepunkte möglich sei. Vermeiden müsse die Klägerin schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, das Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 10 kg, gebückte Tätigkeiten, kniende oder hockende Tätigkeiten, Nässe- und Kälteeinfluss, Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Tätigkeiten mit besonderer Beanspruchung der Feinmotorik. Damit sei eine Ausübung des Berufs einer Altenpflegerin grundsätzlich nicht mehr gegeben. Unter Beachtung der genannten Einschränkungen sei eine 3- bis unter 6-stündige leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar. Vorstellbar seien z.B. Arbeiten wie bei einer Sachbearbeiterin, Sortiertätigkeiten, Telefondienst und leichte Kontrollarbeiten.

Ebenfalls auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG holte das SG noch ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. B., Zentrum für Psychiatrie W., ein. Prof. Dr. B. legte zusammenfassend dar, er habe auf neurologischem Fachgebiet aktuell keine Defizite im Hinblick auf ein aktenmäßig bekanntes und röntgenologisch beschriebenes Wirbelsäulen-Syndrom gefunden, insbesondere keine sensiblen oder motorischen neurologischen Defizite. Aus dem leicht ausgeprägten Wirbelsäulen-Syndrom resultierten lediglich Leistungseinschränkungen dahingehend, dass der Klägerin nur leichte und vorübergehend mittelschwere körperliche Arbeiten zugemutet werden könnten, wobei Arbeiten mit häufigem Sich-Bücken, Sich-Drehen und Sich-Wenden, Arbeiten in häufiger Zwangshaltung, Arbeiten mit häufiger Über-Kopf-Haltung und Arbeiten in Kälte und Nässe zu vermeiden seien. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden aktuell keine relevanten objektivierbaren Krankheitssymptome. Vielmehr hätten sich lediglich in den anamnestischen Angaben der Klägerin Hinweise auf eine zeitweise bestehende negativ-getönte subjektive Befindlichkeit im Sinne einer Dysthymie gefunden, jedoch ohne daraus resultierende objektivierbare Krankheitssymptome. Insofern habe sich bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Untersuchung auch ein unauffälliger psychopathologischer Befund gefunden. Der Klägerin seien von daher Tätigkeiten im Rahmen eines vollen Arbeitstages zumutbar.

Die Klägerin legte hierzu Stellungnahmen des Orthopäden K. und der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vor.

In einer ergänzenden Stellungnahme verneinte Prof. Dr. B. neue Gesichtspunkte, die er nicht schon voll umfänglich in seinem Gutachten mitberücksichtigt hätte.

Mit Urteil vom 14.04.2005, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 02.05.2005, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es, gestützt auf die Gutachten von Dr. S., Dr. R. d. L. und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B., im wesentlichen aus, die Klägerin sei nach Überzeugung der Kammer noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten, wobei Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten sowie ständigem Gehen bzw. häufigem Wechsel zwischen Stehen und Gehen vermieden werden sollten. Gleiches gelte für Schicht- und Nachtarbeit sowie Akkordarbeit. Weiterhin sollten Arbeiten in lang anhaltender einseitiger und gebückter Körperhaltung, Überkopfarbeiten, kniende Tätigkeiten sowie Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten gemieden werden. Die von Dr. R. festgestellte Leistungseinschränkung sei für das Gericht nicht nachvollziehbar, da dem internistisch-rheumatologischen Gutachten keine gravierenden Funktionsstörungen zu entnehmen seien. Auch der Leistungsbeurteilung des Sachverständigen Dr. F. folge die Kammer nicht, da der Sachverständige bei der Leistungsbeurteilung nicht zwischen den auf seinem Fachgebiet und den auf anderen Fachgebieten vorliegenden Erkrankungen bzw. hieraus ableitbaren Funktionsstörungen differenziere. Er habe sich ohne nähere Begründung der Leistungsbeurteilung von Dr. R. angeschlossen. Die Klägerin sei nach ihrem bisherigen beruflichen Werdegang auf einfache Bürotätigkeiten verweisbar. Dies bedeute, dass auch die durch ein noch weitergehendes Absinken der körperlichen Leistungsfähigkeit gekennzeichneten Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit (§ 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI a.F.) nicht gegeben seien. Auch nach dem seit 01.01.2001 geltenden Recht bestehe kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Hiergegen richtet sich die am 01.06.2005 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie beruft sich zur Begründung auf die Beurteilungen des Dr. F. und von Dr. R ... Zum gleichen Ergebnis sei auch der Hausarzt, der Orthopäde K., gelangt. Sie werde danach übereinstimmend für nicht mehr fähig erachtet, ihren bisherigen Beruf als Altenpflegerin auszuüben. Darüber hinaus sei sie nicht mehr fähig, zumindest halbschichtig andere leichte körperliche Arbeiten auszuführen. Den Beurteilungen von Prof. Dr. B., Dr. R. d. L. und von Dr. S. könne nicht gefolgt werden. Dass sie unter einem Fibromyalgie-Syndrom leide, zeige der aktuelle ärztliche Befundbericht von Dr. S. vom Mai 2005. Auch seien ihre psychischen Beeinträchtigungen im Sinne einer chronifizierten Depression nicht ausreichend berücksichtigt worden. Ihr Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert. Zur Stützung ihres Begehrens hat die Klägerin einen Befundbericht des Internisten Dr. S. vom Mai 2005, eine Bescheinigung von Dr. S. und einen radiologischen Befundbericht vom Mai 2005 (MRT der LWS einschließlich ISG) vorgelegt und weiter darauf hingewiesen, dass sie sich am 31.05.2005 bei einem Sturz eine Achillessehnenruptur rechts zugezogen habe (Entlassungsbericht des Krankenhauses B. über die stationäre Behandlung vom 02.06. bis 11.06.2005).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. April 2005 sowie den Bescheid vom 05. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte erachtet die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt.

Der Orthopäde K. hat unter Beifügung weiterer Arztunterlagen über Behandlungen der Klägerin seit Juli 2004 berichtet und die erhobenen Befunde und Krankheitsäußerungen mitgeteilt. Aufgrund der bestehenden Krankheitsbilder mit Fibromyalgiesyndrom, Gonarthrose beidseits, Adipositas und chronifiziertem generalisierten Wirbelsäulensyndrom bei Z.n. Nukleotomie L4/5 und L5/S1 sowie fortgeschritten degenerativen Veränderungen der LWS bestehe keine Vermittelbarkeit der Klägerin auf dem Arbeitsmarkt mehr.

Dr. S. hat ausgeführt, durch die chronischen Schmerzen und die bestehende Depression im Sinne einer Dysthymia sei die psychische und körperliche Belastbarkeit der Klägerin erheblich eingeschränkt. Sie könne allenfalls leichte körperliche Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen halbtags ohne hohe Anforderungen an ihr Konzentrationsvermögen verrichten.

Dr. S. hat über zweimalige Behandlungen der Klägerin berichtet und eine zunehmende Schmerzsymptomatik im Bereich der LWS und des linken Kniegelenks sowie eine neu aufgetretene Achillodynie rechts beschrieben. Ebenso zeige sich eine Zunahme der Schmerzen des Fibromyalgiesyndroms. Bei der Klägerin sei von einem Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden/Tag auszugehen.

Der Senat hat Prof. Dr. H., Fachkliniken H., mit der Erstattung eines orthopädischen Gutachtens beauftragt. Prof. Dr. H. hat bei der Klägerin ein myofasziales Schmerzsyndrom im Sinne einer psychogenen Schmerzverarbeitungsstörung, eine monströse Adipositas, ein diskretes subakromiales Impingement links und eine mäßiggradige Schultereckgelenksarthrose rechts, ein intermittierendes lokales mittleres und unteres HWS-Syndrom, ein rezidivierendes lokales unteres LWS-Syndrom bei globaler Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule, eine Pericoxalgie beidseits, eine mittelschwere Varusgonarthrose rechts, initiale Varusgonarthrose links, mäßige Femoropatellararthrose beidseits sowie eine Senk-Spreizfußbildung beidseits, einen plantaren Fersensporn beidseits, dorsalen Fersensporn beidseits und eine mäßige Paratendinitis achillea rechts nach operativ versorgter Achillessehnenruptur diagnostiziert. Die Veränderungen vor allem der unteren Extremitäten, auch der Wirbelsäule, erlangten zusätzliche krankhafte Bedeutung durch das monströse Übergewicht der Klägerin. Allein durch eine drastische Reduktion des Körpergewichtes wäre die Belastungssituation im täglichen Leben erheblich verbessert. Für eine gleichmäßige Lastverteilung und auch Entlastung seien spezielle Schuhzurichtungen (Schuhaußenranderhöhung, spezielle Fußbettfertigung) erforderlich. Unter Würdigung der orthopädischen Gesamtsituation sei die Klägerin in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten, sie könne auch stundenweise mittelschwere Tätigkeiten ausführen. An qualitativen Einschränkungen seien zu beachten: keine länger andauernden Tätigkeiten in Überkopfhaltung der Arme, keine Arbeiten mit Heben und Tragen bzw. Bewegen von Lastgewichten über 10 kp, keine schweren körperlichen Tätigkeiten, Arbeiten unter Kälte-, Nässe- und Zuglufteinfluss, keine Tätigkeiten mit häufigen Kopfwende- und Seitneigebewegungen, mit längerer Wirbelsäulenbelastung wie Arbeiten in ausschließlich gehender und stehender bzw. in ausschließlich sitzender Körperhaltung, kein Gehen auf unebenem Gelände, keine Arbeiten in Rumpfanteklination oder mit häufigen Rumpfwendebewegungen, keine Arbeiten in Hock- oder Bückstellung, auf unebenem Gelände, mit Besteigen von Leitern und Gerüsten, mit häufigem Begehen von Treppen sowie keine Arbeiten in kniender Stellung. Die Tätigkeiten sollten in wechselnder Körperhaltung mit maximaler Geh- und Stehbelastung von etwa 50 % im Laufe eines Arbeitstages erfolgen. Einfache Wegstrecken von 1000 Metern könne die Klägerin durchaus mehrmals täglich zurücklegen. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Die Tätigkeit als Altenpflegerin sei der Klägerin nicht mehr vollschichtig, sondern allenfalls noch drei bis vier Stunden täglich zumutbar.

Die Klägerin hat hierauf ein ärztliches Attest des Allgemeinmediziners Dr. S. vom März 2006, den Operationsbericht vom Juni 2005 (Achillessehnenruptur rechts), den Bescheid des Landratsamts L. vom März 2006 (der Grad der Behinderung beträgt 50), ein Schreiben der AOK L.-B. sowie einen ärztlichen Bericht des Dr. W., Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie, vom Juli 2006 vorgelegt (Diagnose: Fibromyalgie-Syndrom) vorgelegt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass mehrere Ärzte zu der Erkenntnis gekommen seien, dass bei ihr ein Fibromyalgiesyndrom gegeben sei und dies der Sachverständige Prof. Dr. H. nicht erkannt habe, sei die Einholung eines weiteren Gutachtens auf orthopädischem/rheumatologischem Fachgebiet erforderlich.

Der Senat hat den Entlassungsbericht der AOK-Klinik S. über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme der Klägerin vom 02.05 bis 23.05.2006 beigezogen (Reharelevante Diagnosen: degeneratives LWS-/HWS-Syndrom; Adipositas permagna; Nebendiagnosen: anamnestisch Fibromyalgiesyndrom, arterielle Hypertonie, Z.n. operativer Sanierung einer Achillessehnenruptur rechts 6/05, anamnestisch Depression, Gonarthrose beidseits).

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat Dr. T. ein fachorthopädisches Gutachten erstattet. Dr. T. hat folgende Gesundheitsstörungen genannt: somatoforme Schmerzstörung bei Depression, Fersensporn beidseits, chronische Reizzustände im Bereich des Ansatzes der Achillessehne rechts, Fehlstellung und verstärkte Gefügestörung der mittleren und unteren Halswirbelsäulenabschnitte mit anhaltendem muskulärem Reizsyndrom ohne Wurzelreizung, geringe periarthrotische Aufbraucherscheinungen sowie verstärkte Schultereckgelenksarthrose, rechts betont, mit periarthritischem Reizzustand und Funktionseinschränkung rechte Schulter, hohlrunder Rücken, statisch und muskulär ausreichend kompensiert, flach S-förmige Skoliose des Schweregrades I bei Bandscheibendegeneration mit Höhenminderung über 50 % mit reaktiver Spondylose und Spondylarthrose, Ausschluss einer Nervenwurzelschädigung, beginnend bis mittelgradige Gonarthrose beidseits, rechtsbetont, mit geringer Kapselreizung ohne Funktionseinschränkung und mittelgradige Großzehengrundgelenksarthrose beidseits mit geringer Funktionseinschränkung. Aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen sei die Klägerin nur noch in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 8 kg sowie ohne vermehrte Überkopfarbeit und ohne Treppen- und Leitersteigen vollschichtig auszuüben. Auffällig sei eine deutliche Schmerzverarbeitungsstörung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung auf dem Boden einer Depression. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit ergebe sich aus orthopädischer Sicht nicht.

Die Klägerin hat sodann den Entlassungsbericht des Rheumazentrums O. über die stationäre Behandlung vom 14.02. bis 28.02.2007 vorgelegt (Hauptdiagnose: Fibromyalgie mehrere Lokalisationen).

Der Senat hat schließlich noch ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten bei Prof. Dr. Dr. W. eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend dargelegt, bei der Klägerin handle es sich um eine somatoforme Schmerzstörung, ein chronisches LWS-Syndrom nach Hemilaminektomie LWK 3-5 1999 und eine depressive Störung unklarer Ausprägung. Auf neurologischem Fachgebiet fänden sich keine neurologischen Ausfälle. Die von der Klägerin berichteten Restbeschwerden im Sinne eines chronischen Rückenschmerzsyndroms nach operativer Versorgung einer Spinalkanalstenose bei ausgeprägter Adipositas erschienen nachvollziehbar. Die sonstigen von der Klägerin beklagten Beschwerden im Bereich der Gelenke seien bei bildgebend nachgewiesenen degenerativen Veränderungen teilweise ebenfalls nachvollziehbar. Überlagert würden die Beschwerden sicherlich durch die auf psychiatrischem Fachgebiet zu diagnostizierende somatoforme Schmerzstörung und eine depressive Störung. Das Ausmaß der depressiven Störung habe während der aktuellen Begutachtung jedoch nicht weiter exploriert werden können, da sich die Klägerin einer tiefergehenden Befragung entzogen habe. Auch eine Befragung des Ehemannes sei durch die Klägerin abgelehnt worden. Während der aktuellen Begutachtung habe nicht die Überzeugung gewonnen werden können, dass die Klägerin aufgrund der depressiven Störung für weniger als sechs Stunden täglich arbeitsfähig sei. Die Umstellungsfähigkeit sei möglicherweise durch die depressive Störung erschwert. Im Gegensatz zu der Einschätzung von Dr. S. bestehe nicht die Überzeugung, dass eine quantitative Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit vorliege. Die somatoforme Schmerzsymptomatik stehe nicht im Vordergrund. Auf psychiatrischem Fachgebiet sollte ein besonderer Zeitdruck vermieden werden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit in der hier anzuwendenden bis 31.12.2000 gültigen Fassung (§§ 300 Abs. 2, 302 b Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -) sind im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 12.10.2001 und im Urteil des SG zutreffend zitiert. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle der Klägerin nicht vor. Zwar hat sie - wie sich aus dem Versicherungsverlauf vom 20.11.2007 ergibt - die Wartezeit und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt; in Übereinstimmung mit dem SG kommt jedoch auch der Senat zu der Überzeugung, dass die Klägerin nicht berufs- oder gar erwerbsunfähig ist.

Auch wenn der Klägerin ihr bisheriger Beruf als Altenpflegerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr vollschichtig zumutbar ist, steht ihr Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu, weil sie nach ihrem beruflichen Werdegang und unter Berücksichtigung der einjährigen Ausbildung zur Altenpflegerin nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema (BSGE 55, 45 = SozR 2200 § 1246 Nr. 107; BSGE 57, 291 = SozR 2200 § 1246 Nr. 126; BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 2 und Nr. 41) der Gruppe mit dem Leitberuf der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren zuzuordnen und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (unausgebildete Angestellte) verweisbar ist. Auf diesem ist die Klägerin nach dem vorliegenden und feststellbaren medizinischen Sachverhalt trotz der somatoformen Schmerzstörung und der depressiven Störung noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen und damit z.B. einfache Bürotätigkeiten, wie sie in der Vergütungsgruppe IX BAT definiert sind, vollschichtig zu verrichten. Dies hat das SG im angefochtenen Urteil ausführlich begründet. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an und nimmt deshalb insoweit auf die Entscheidungsgründe Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren und die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung führen zu keinem anderen Ergebnis.

Bei der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens der Klägerin stützt sich der Senat auf die schlüssigen und überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen Dr. S., Dr. R. d. L., Prof. Dr. B., Prof. Dr. H. und Prof. Dr. Dr. W., ferner auf die urkundsbeweislich verwertbaren Gutachten von Dr. F., Dr. A. und von Dres. H./G ...

Auf internem Fachgebiet sind rentenrelevante Beeinträchtigungen nicht dokumentiert. Die von Dres H./G. insoweit erhobenen Gesundheitsstörungen (medikamentös gut eingestelltes Asthma bronchiale, Adipositas, beginnender Diabetes mellitus Typ II b) hindern die Klägerin nicht, leichte Tätigkeiten ohne Gefährdung durch negative Schadstoff- oder Witterungseinflüsse vollschichtig zu verrichten. Eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis ist bei der Klägerin nicht nachgewiesen. Die Hörminderung steht ebenfalls nicht entgegen, wie sich aus dem Gutachten der Dres H./G. und der Aussage von Dr. G. ergibt. Insoweit sind lediglich Lärmarbeitsplätze zu vermeiden.

Auf orthopädischem Fachgebiet stehen nach den Feststellungen von Prof. Dr. H. ein rezidivierendes lokales unteres LWS-Syndrom bei globaler Fehlstatik der Rumpfwirbelsäule, eine mittelschwere Varusgonarthrose rechts, initiale Varusgonarthrose links und mäßige Femoropatellararthrose beidseits sowie die Beschwerdebilder von Seiten der Füße nach operativ versorgter Achillessehnenruptur 2005 im Vordergrund. Hierdurch und insbesondere auch durch das Übergewicht der Klägerin ist die Belastbarkeit der Rumpfwirbelsäule eingeschränkt. Die fassbaren degenerativen Veränderungen der LWS gehen über das Lebensalter der Klägerin hinaus und die fehlstatischen Veränderungen erlangen durch die Adipositas der Klägerin zusätzliche krankhafte Bedeutung. Die LWS-Funktion zeigte sich jedoch lediglich bezüglich der Anteklinationsentfaltung mäßiggradig beeinträchtigt, auch fanden sich keine neurologischen Defizite. Im Bereich der Kniegelenke waren ebenfalls deutliche Verschleißerscheinungen nachweisbar, wobei aber klinisch bei freier Beweglichkeit kein Reizzustand auffällig war. Es bestand eine Druckdolenz medial, vor allem rechts, und ein Patellaanpress- und -verschiebeschmerz beidseits. Die Beweglichkeit der Sprunggelenke war frei; die klinische Untersuchung des Prof. Dr. H. ergab aber rechts noch mäßiggradig verdicktes paraachilläres Gleitgewebe und mäßiggradige Druckdolenzen bei plantarem und dorsalem Fersensporn beidseits. Die Klägerin bedarf deshalb einer speziellen Schuhversorgung. Auch die Veränderungen im Bereich der unteren Extremitäten werden durch das erhebliche Übergewicht der Klägerin verstärkt. Die darüber hinaus beklagten Beschwerden im Bereich beider Schultergelenke konnten von Prof. Dr. H. in dem angegebenen Umfang nicht objektiviert werden. Bei völlig freier Gelenkfunktion und fehlendem entzündlichen Prozess fanden sich radiologisch nur mäßiggradige degenerative Veränderungen des Schultereckgelenks und sonographisch eine mäßiggradige degenerative Verdickung der subakromialen Bursa links und Ausdünnung der Rotatorenmanschette im Seitenvergleich zu rechts. Auch im Bereich der HWS ließen sich bei weitgehend freier Beweglichkeit und nur geringgradigen Veränderungen keine radikulären Störungen erheben. Desgleichen waren die Hüftgelenke frei beweglich bei unauffälligem radiologischen Befund. Insgesamt bedingen die orthopädischen Gesundheitsstörungen im Anschluss an Prof. Dr. H. zwar die im Tatbestand genannten qualitativen Einschränkungen, jedoch keine quantitative Leistungsminderung. Auch ist die Klägerin in der Lage, einfache Wegstrecken von 1000 Meter mehrfach am Tag zurückzulegen. Der Senat hat keine Veranlassung, diese sozialmedizinischen Schlussfolgerungen in Zweifel zu ziehen, zumal sie im wesentlichen mit den Beurteilungen von Dr. A. und Dr. S. übereinstimmen, nachvollziehbar sind und im Einklang mit den erhobenen Befunden stehen. Dieses vollschichtige Leistungsvermögen aus orthopädischer Sicht ist auch von Dr. T. bestätigt worden. Ebenso attestiert Dr. T. der Klägerin eine Wegefähigkeit von viermal täglich 500 Meter innerhalb von 20 Minuten. Die abweichende Beurteilung des behandelnden Orthopäden K. ist damit widerlegt.

Das bei der Klägerin auffällige Schmerzsyndrom, welches von Dr. R. und Dr. S. als Fibromyalgie-Syndrom, von Dr. S. als anhaltende Schmerzstörung, von Prof. Dr. H. als myofasziales Schmerzsyndrom im Sinne einer psychogenen Schmerzverarbeitungsstörung und von Dr. T. als somatoforme Schmerzstörung bei Depression bezeichnet wurde, ist zuletzt durch Prof. Dr. Dr. W. eingehend gewürdigt worden. Dabei ist die genaue diagnostische Einordnung des Schmerzgeschehens für die Beurteilung des Leistungsvermögens von nachrangiger Bedeutung. Maßgebend ist vielmehr die Symptomatik mit den daraus resultierenden funktionellen Beeinträchtigungen und die Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Insoweit hat Prof. Dr. Dr. W. für den Senat überzeugend und nachvollziehbar herausgearbeitet, dass sich bei der Klägerin in der neurologischen Untersuchung bis auf ein multilokuläres Schmerzsyndrom kein relevanter Befund zeigte. Insbesondere konnten keine Lähmungen oder sensiblen Störungen objektiviert werden. Auch Prof. Dr. Dr. W. hat die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung gestellt. Im übrigen differiert aber die diagnostische Einschätzung von psychischen Erscheinungen. Während Dr. F. eine Angst und depressive Störungen gemischt erhob, sprach Dr. R. d. L. von einer Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen. Prof. Dr. B. bezeichnete den psychopathologischen Befund als unauffällig und fand lediglich in den anamnestischen Angaben der Klägerin Hinweise auf eine zeitweise bestehende negativ getönte subjektive Befindlichkeit im Sinne einer Dysthymie. Dr. S. beschrieb eine rezidivierende depressive Symptomatik. Prof. Dr. Dr. W. konnte nach sorgfältiger Analyse des psychopathologischen Befundes und Auswertung der Testpsychologie ebenfalls Hinweise auf eine depressive Störung finden. So fiel bei der Befragung der Klägerin eine niedergedrückte Stimmung mit reduziertem Antrieb und geminderter Schwingungsfähigkeit auf. Die Klägerin zeigte sich indessen nach den Darlegungen von Prof. Dr. Dr. W. während der Befragung sehr verschlossen und verweigerte eine tiefergehende Befragung. Eine psychische Störung wurde nicht zugegeben, vielmehr war die Klägerin auf ihre vielseitigen körperlichen Symptome und die damit verbundenen Einschränkungen fixiert. Auch eine Befragung des Ehemannes lehnte die Klägerin ab. Dem Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. war somit auch in der Gesamtschau von Exploration, Untersuchung und Verhaltensbeobachtung eine Quantifizierung der depressiven Symptomatik mit Evaluation der daraus bedingten Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit während der aktuellen Begutachtung nicht ausreichend möglich. Neben der somatoformen Schmerzsymptomatik ist ein Teil der beklagten Rückenschmerzsymptomatik bei Zustand nach Hemilaminektomie und ausgeprägter Adipositas zudem organisch begründet und gutachterlich auch nachvollziehbar.

Eine psychisch bedingte Störung kann aber (nur) dann zur Gewährung einer Rente führen, wenn feststeht, dass sie tatsächlich vorliegt, der Betroffene sie aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe gleich oder doch bald - innerhalb eines halben Jahres - nicht überwinden kann, und wenn die Störung die Erwerbsfähigkeit in dem in den §§ 43, 44 SGB VI vorausgesetzten Umfang mindert (BSG SozR Nr. 38 zu § 1246 RVO; BSGE 21, 189 = SozR Nr. 39 zu § 1246 RVO; BSG SozR Nr. 76 zu § 1246 RVO). Den Rentenbewerber trifft für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit die objektive Beweislast (BSGE 21, 189).

Davon ausgehend ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens für den Senat nicht feststellbar, dass das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin durch eine psychische Erkrankung in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist. Prof. Dr. Dr. W. vermag zwar nicht auszuschließen, dass bei der Klägerin eine schwerwiegende depressive Störung vorliegt, die zu einer wesentlichen Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit führt. Der Sachverständige konnte sich indes aufgrund der mangelnden Kooperation der Klägerin während der Begutachtung nicht davon überzeugen, dass diese depressive Störung ein rentenrelevantes Ausmaß erreicht, das heißt, dass hierdurch eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens vorliegt. Dieser medizinische Tatbestand ist durch die Beurteilung der behandelnden Ärztin Dr. S. insbesondere auch angesichts der gutachtlichen Äußerungen von Dr. F., Dr. R. d. L. und von Prof. Dr. B. nicht widerlegt. Insoweit kann aufgrund der psychischen Symptomatik im Anschluss an Prof. Dr. Dr. W. lediglich von einer qualitativen Einschränkung (Ausschluss von besonderem Zeitdruck) ausgegangen werden.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Gutachten von Dr. R. und Dr. F. berufen. Dr. R. postuliert zwar aufgrund des Fibromyalgiesyndroms eine zeitliche Leistungseinschränkung der Klägerin auf halbschichtig. Allein die Diagnose "Fibromyalgie-Syndrom" lässt keinen Rückschluss auf die Auswirkungen auf das Leistungsvermögen zu. Es ist vielmehr im Einzelfall festzustellen, inwieweit die Schmerzen und die funktionellen Störungen eine regelmäßige berufliche Tätigkeit und in welchem Umfang zulassen. Zu Recht weist das SG darauf hin, dass dem Gutachten von Dr. R. keine gravierenden Funktionseinschränkungen zu entnehmen sind. Die bekannten degenerativen Veränderungen am Stütz- und Bewegungsapparat ohne neurologische Ausfälle sind zuletzt von Prof. Dr. H., Dr. T. sowie von Prof. Dr. Dr. W. bei der Beurteilung des Leistungsvermögens hinreichend berücksichtigt worden. Zum psychischen Befund enthält das Gutachten von Dr. R. bereits aus fachlicher Sicht keine aussagekräftigen Feststellungen. Dr. R. stützt ihre Beurteilung im wesentlichen auf die von der Klägerin dargestellte subjektive Leistungsfähigkeit. Sie übernimmt damit gewissermaßen das von der Klägerin selbst bestimmte Leistungsvermögen. Dies kann indes nicht Grundlage einer Leistungsbeurteilung im Rahmen eines Rentenverfahrens sein, zumal von Prof. Dr. Dr. W. deutlich gemacht wurde, dass die somatoforme Schmerzstörung nicht im Vordergrund steht.

Der von Dr. F. in seinem Gutachten festgehaltene orthopädische Befund, der nicht über die von Prof. Dr. H. beschriebenen Gesundheitsstörungen hinausgeht, rechtfertigt keine zeitliche Leistungslimitierung auf drei bis unter sechs Stunden. Dr. F. begründet die von ihm angenommene Einschränkung des Leistungsvermögens letztlich mit einer Verschlechterung der Fibromyalgie, d.h. einer überlagernden Schmerzsymptomatik, die aber nach insoweit übereinstimmender nervenfachärztlicher Beurteilung keine rentenrelevante zeitliche Leistungsminderung bedingt.

Für den Senat steht hiernach fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kp in wechselnder Körperhaltung mit maximaler Geh- und Stehbelastung von etwa 50 % im Laufe eines Arbeitstages vollschichtig zu verrichten. Vermeiden muss sie länger andauernde Tätigkeiten in Überkopfhaltung der Arme, schwere körperliche Tätigkeiten, Kälte-, Nässe- und Zuglufteinfluss, Tätigkeiten mit häufigen Kopfwende- und Seitneigebewegungen, Arbeiten mit längerer Wirbelsäulenbelastung wie Arbeiten in ausschließlich gehender und stehender bzw. in ausschließlich sitzender Körperhaltung, Arbeiten auf unebenem Gelände, in Rumpfanteklination oder mit häufigen Rumpfwendebewegungen, in Hock- oder Bückstellung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, häufiges Treppensteigen, Arbeiten in kniender Stellung, negative Schadstoff- oder Witterungseinflüsse bezüglich der Atemluft, Lärmeinwirkungen sowie besonderen Zeitdruck.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht der Klägerin keine konkrete Berufstätigkeit genannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen der Klägerin erlaubt ihr noch die vom SG beschriebenen einfachen Bürotätigkeiten, wie sie in der Vergütungsgruppe IX BAT definiert sind. Ob und inwieweit die Umstellungsfähigkeit der Klägerin möglicherweise durch die depressive Störung erschwert ist, lässt sich aufgrund der mangelnden Kooperation der Klägerin und des deshalb nicht feststellbaren Ausmaßes der depressiven Störung ebenfalls nicht hinreichend verifizieren.

Schließlich ist der Klägerin auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Dieser Katalog ist nach den Entscheidungen des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 abschließend. Im Falle der Klägerin ist keiner dieser Fälle gegeben.

Die Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung einer Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 - GS 1/95). Das Risiko, dass die Klägerin keinen für sie geeigneten Arbeitsplatz findet, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 41 und vom 21.07.1992 - 4 RA 13/91 -).

Die Klägerin ist aus den dargelegten Gründen nicht erwerbsunfähig.

Angesichts dessen besteht - ungeachtet der Frage, ob diese Bestimmung vorliegend überhaupt Anwendung findet - auch kein Anspruch auf Gewährung von Versichertenrente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung im Sinne von § 43 SGB VI i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000, gültig ab dem 01.01.2001, denn erwerbsgemindert ist nicht, wer - wie die Klägerin - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein kann (§ 43 Abs. 2 SGB VI n.F.).

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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