S 10 R 507/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 507/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller keine – weiteren – außergericht-lichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Kostentragungspflicht für ein Vollstreckungsverfahren nach § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Mit einem im Erörterungstermin vom 11.06.2015 geschlossenen gerichtlichen Vergleich verpflichtete sich die Beklagte und Antragsgegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin), dem Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) unter Aufhebung des Beschei-des vom 24.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2015 die Regelaltersrente ab dem 01.01.2015 in der Weise zu berechnen, dass ein Abschlag aus dem Versorgungsausgleich der zweiten Scheidung erst zu dem Zeitpunkt vorgenommen wird, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung der Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wird. Gleichzeitig verpflichtete sich die Antragsgegnerin 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu übernehmen. Das Protokoll und die Verwaltungsakten wurden der Antragsgegnerin mit gerichtlicher Verfügung vom 26.06.2015 zugesandt.

Mit einem am 11.08.2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, gegen die Antragsgegnerin Zwangsmittel festzusetzen, da die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung zur Neubescheidung nicht nachgekommen sei. Die Antragsgegnerin übersandte dem Gericht den an den Antragsteller adressierten Bescheid vom 31.07.2015, mit dem die Regelaltersrente auf der Grundlage des gerichtlichen Vergleiches vom 11.06.2015 neu berechnet worden ist. Daraufhin erklärte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers das Zwangsmittelverfahren für erledigt und beantragte, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

II.

Über die Kostentragungspflicht war nach Rücknahme des Antrages auf Festsetzung von Zwangsmitteln in entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG und des § 788 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 198 SGG zu entscheiden (vgl. LSG NRW vom 23.03.1998 L 10 SVs 15/97; Meyer-Ladewig Kommentar zum SGG § 201 Rn. 4).

Danach ist über die Kostentragungspflicht im Rahmen des richterlichen Ermessens unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Vollstreckungsantrages zu berücksichtigen. Es können aber auch andere Gesichtspunkte wie die Veranlassung des Vollstreckungsverfahrens und die Verursachung unnötiger Kosten berücksichtigt werden (Meyer-Ladewig § 193 SGG Rn. 12 b).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze ist eine Kostenerstattungspflicht der Antragsgegnerin nicht zu begründen. Der Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln war zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses weder zulässig noch begründet. Die Antragsgegnerin hat zudem keine Veranlassung für die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens gegeben.

Die Zwangsvollstreckung ist zulässig, wenn die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Titel, Klausel, Zustellung) so¬wie die besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung für die jeweilige Vollstreckungsart vorliegen und keine allgemeinen Vollstreckungshindernisse bestehen. Vorliegend ging es um die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich, der nach § 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG einen Vollstreckungstitel darstellt. Da der Antragsteller geltend gemacht hat, dass die Antragsgegnerin ihrer in dem gerichtlichen Vergleich auferlegten Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, kommt grundsätzlich als Vollstreckungsmaßnahme die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 201 Abs. 1 SGG in Betracht. Die Vorschrift ist auf gerichtliche Vergleich anwendbar, die – wie vorliegend – auf die Erteilung eines Verwaltungsaktes gerichtet sind, mit dem die Höhe der Leistung festzusetzen ist (vgl. Jansen-Erkelenz Kommentar zum SGG § 201 Rn. 4; BSG vom 06.08.1999 B 4 RA 25/98 B).

Der Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln war bereits unzulässig, weil die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorlagen. Es fehlt an der nach § 724 ZPO in Verbindung mit § 198 SGG gebotenen Erteilung einer Vollstreckungsklausel. Erst die Vollstreckungsklausel macht einen Titel vollstreckbar. Gemäß § 198 SGG gilt für die Vollstreckung das 8. Buch der ZPO entsprechend, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Da im SGG nichts Abweichendes bestimmt ist, müssen nach § 198 in Verbindung mit §§ 724, 750 ZPO die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) gegeben sein (vgl. Bayerisches LSG Beschluss vom 14.05.2012 L 7 AS 196/12 B; LSG Thüringen Beschluss vom 10.06.2009 L 6 B 23/09 KR). Ohne eine vollstreckbare Ausfertigung liegen die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht vor, so dass der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung von Zwangsmitteln bereits aus diesem Grunde abzulehnen gewesen wäre.

Darüber hinaus sind die besonderen Voraussetzungen einer Zwangsvollstreckung nach § 201 SGG nicht erfüllt. Obwohl § 201 SGG keine Frist für die Einleitung der Vollstreckung enthält, wird allgemein angenommen, dass eine Vollstreckung nur bzw. erst dann zulässig ist, wenn eine Behörde die Verpflichtungen aus einem Titel ausdrücklich verweigert, sie nur unzureichend umsetzt oder grundlos säumig bleibt (vgl. Meyer-Ladewig § 201 SGG Rn. 3 m. w. N.). Die Antragsgegnerin hat weder erklärt oder zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sei, ihre Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich zu erfüllen, noch hat sie den Vergleich unzureichend umgesetzt. Die Antragsgegnerin ist auch nicht grundlos säumig geblieben. Eine Behörde kommt einer ihr auferlegten Verpflichtung erst dann nicht nach, wenn sie nicht innerhalb einer im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnten angemessenen Frist ihre Verpflichtung aus dem Titel erfüllt. Einem Vollstreckungsantrag nach unangemessen kurzer Zeit fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis (Bayerisches LSG Beschluss vom 08.11.2013 L 8 SO 176/13 B; Breitkreuz Kommentar zum SGG § 201 Rn. 4). Soweit für die Erteilung der titulierten Schuld die Erteilung eines Bescheides erforderlich ist, muss der Behörde eine angemessene Frist zur verwaltungstechnischen Umsetzung des Titels eingeräumt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Frist ist insbesondere zu berücksichtigen, dass noch umfangreiche Ermittlungen der Behörde erforderlich sein können, welche die Ausführung des Titels verzögern, ohne dass die Beklagte säumig wird (vgl. Hennig-Ruppelt Kommentar zum SGG § 201 Rn. 9; Jansen-Erkelenz Kommentar zum SGG § 201 Rn. 9).

Vorliegend begann der Lauf der angemessenen Frist mit dem Zugang des am 26.06.2015 übersandten gerichtlichen Protokolles. Zur Erfüllung der Verpflichtung der Antragsgegnerin aus dem gerichtlichen Vergleich waren weitere Ermittlungen der Antragsgegnerin zwingend notwendig. Es musste insbesondere ermittelt werden, ob die Ausgleichsberechtigte aus dem Versorgungsausgleich der zweiten Scheidung bereits eine Rente mit einem Zuschlag aus dem Versorgungsausgleich bezieht. Zudem war eine Neuberechnung der Rente vorzunehmen. Unter Berücksichtigung dieser notwendigen verwaltungstechnischen Umsetzung hat die Antragsgegnerin den Bescheid vom 31.07.2015 innerhalb einer angemessen Frist von fünf Wochen erteilt.

Der Antragsgegnerin waren auch aus Veranlassungsgesichtspunkten keine außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Antragsgegnerin aufgrund der im Gerichtsverfahren vorgelegten Vollmacht verpflichtet war, ihren Ausführungsbescheid nicht an den Antragsteller persönlich, sondern an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu übersenden. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers darauf hingewiesen hat, dass die Antragsgegnerin seine Zustellungsbevollmächtigung missachtet habe, ist zu berücksichtigen, dass die Prozessvollmacht grundsätzlich (nur) bis zur Beendigung eines Klageverfahrens wirkt und dass sich die in der dem Gericht vorgelegten Vollmacht enthaltene Befugnis, Zustellungen entgegenzunehmen, auf gerichtliche Zustellungen bezieht. Jedenfalls hätte es unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten vor Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens bei Gericht einer vorherigen Rückfrage des Prozessbevollmächtigten bei dem Antragsteller bzw. bei der Antragsgegnerin bedurft, ob die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich durch Erteilung eines Ausführungsbescheides nachgekommen ist. Im Rahmen der nach § 193 Abs. 1 SGG vorzunehmenden Ermessenentscheidung ist zu berücksichtigen, ob ein Antragsteller unnötige Kosten verursacht hat.
Rechtskraft
Aus
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