L 13 AS 4534/07 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 1231/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4534/07 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 8. August 2007 aufgehoben und der Klägerin Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 2 AS 1231/07 ab dem 8. März 2007 ohne Ratenzahlung gewährt und Rechtsanwältin R. beigeordnet.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht Ulm (SG) nicht abgeholfen hat, ist in der Sache begründet, da das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt hat. Nach § 73a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die Bejahung einer Erfolgsaussicht ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage, § 114 Rdnr. 3). Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Philippi in Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 114 Rdnr. 19). Sind weitere Ermittlungen erforderlich, genügt es, wenn das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, die das Obsiegen ebenso wahrscheinlich erscheinen lässt wie ein Unterliegen (vgl. Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Mai 1998 - 7 S 3090/97 - in NVwZ 1998, 1098 m.w.N., veröffentlicht auch in Juris). Auch eine unklare Rechtslage kann die für die Bewilligung von PKH erforderliche Erfolgsaussicht rechtfertigen, z. B. wenn zu einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht vorliegt (Littmann in Hk-SGG, § 73a Rdnr. 11). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Klage noch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Bei dem mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 13. Dezember 2006 handelt es sich jedenfalls in der Gestalt, die dieser durch den Widerspruchsbescheid erhalten hat, um eine Ablehnung der beantragten Leistungsgewährung und nicht lediglich um eine im Ermessen der Behörde stehende Versagung bis zur Nachholung der Mitwirkung. Es ist offen, ob die angegriffene Ablehnungsentscheidung rechtswidrig ist, die Klägerin in ihren Rechten verletzt und sie einen Anspruch auf die von ihr begehrten Leistungen für die ersten sechs Monate ihrer stationären Unterbringung hat. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhalten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig und 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Offen ist insoweit zunächst, ob die Klägerin zu diesem Personenkreis gehört. Insbesondere, ob sie erwerbsfähig i.S.d. § 8 Abs. 1 SGB II ist. Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Weiterhin ist derzeit offen, ob und inwieweit sie im maßgeblichen Zeitraum vom 24. September 2006 bis 23. März 2007 hilfebedürftig i.S.d. § 9 SGB II war, wobei eine Hausgemeinschaft i.S.d. § 9 Abs. 5 SGB II in dieser Zeit nicht vorgelegen und ein Bedarf hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht bestanden haben dürfte. Hinreichende Erfolgsaussichten können hier auch nicht aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausgeschlossen werden. Nach dieser Bestimmung erhält Leistungen nach dem SGB II nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II erhält abweichend von Satz 1 Leistungen nach dem SGB II, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V -) untergebracht ist. Es dürfte sich beim Aufenthalt der Klägerin im Zentrum für Psychiatrie, B. S. um die Unterbringung in einer stationären Einrichtung § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II und gleichzeitig um einen Aufenthalt in einem Krankenhaus i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II handeln, so dass grundsätzlich auch eine Ausnahme vom Leistungsausschluss zugunsten der Klägerin in Betracht kommt. § 107 SGB V regelt neben dem Krankenhaus im engeren Sinne als Einrichtung der Krankenbehandlung und Geburtshilfe (vgl. Abs. 1) auch die Voraussetzungen, die an eine Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung im Sinne des SGB V zu stellen sind (Abs. 2). Nach dem Willen des Gesetzgebers sind letztere im Anwendungsbereich des § 7 Abs. 4 SGB II den Krankenhäusern gleichgestellt (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/1410 S. 20), was in der generellen Verweisung auf § 107 SGB V seinen Ausdruck findet. Während der Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt einen Leistungsanspruch nunmehr unabhängig von der Dauer der Inhaftierung ausschließt, lässt der Gesetzgeber beim Aufenthalt in einem Krankenhaus oder in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung eine Ausnahme zu, wenn der Aufenthalt voraussichtlich weniger als sechs Monate dauert. Die Dauer der stationären Behandlung ist grundsätzlich im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu beurteilen. Dabei zu erwartende, nahtlos aneinander anschließende Zeiträume stationärer Unterbringung in verschiedenen Krankenhäusern bei der Ermittlung des Unterbringungsdauer sind zusammenzurechnen. Auch eine Person, die sich zunächst im Krankenhaus und im Anschluss daran in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung aufhält, ist vom Leistungsbezug erst dann ausgeschlossen ist, wenn der prognostizierte Aufenthaltszeitraum insgesamt sechs Monate übersteigt. Aufenthalte in Einrichtungen i.S.d. § 107 SGB V sind daher zu addieren sind. (BT-Drs. 16/1410, S. 20). Fraglich ist allerdings, ob die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II zugunsten des Hilfebedürftigen nur dann eingreift, wenn von vorneherein im Rahmen einer positiven Prognose absehbar ist, dass ein Aufenthalt von sechs Monaten nicht erreicht wird oder bereits dann, wenn keine positive Prognose, dass der Aufenthalt länger als sechs Monate dauern wird oder überhaupt keine bestimmte Prognose gestellt werden kann. Der Wortlaut des Gesetzes spricht für die Notwendigkeit einer positiven Prognose für einen kürzeren Aufenthalt; hingegen wird in der Gesetzbegründung dargelegt, dass eine Person keine Leistungen nach dem SGB II erhält, wenn von vorneherein absehbar ist, dass sich die betreffende Person für länger als sechs Monate in dem Krankenhaus aufhalten wird. Dann sei das SGB XII einschlägig. Der Ausschlusstatbestand greife dagegen erst nach sechs Monaten, wenn keine Prognoseentscheidung getroffen werden könne oder ein unter sechs Monaten dauernder Aufenthalt prognostiziert werde, so dass für die ersten sechs Monate das SGB II und danach das SGB XII einschlägig sei (BT-Drs. 16/1410, S. 20).

Von dieser Auslegung, zu der es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, hängt es im vorliegenden Fall ab, ob die Klägerin schon aufgrund des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II die von ihr begehrten Leistungen nicht erhalten kann. Dies ergibt sich aus Folgendem: Bei der Aufnahme der Klägerin im ZfP am 24. September 2006 konnte nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen nicht von vorneherein von einem Ende der Unterbringung der Klägerin in einer Einrichtung i.S.d. § 107 SGB V vor Ablauf von sechs Monaten ausgegangen werden. Nachdem die Klägerin am 24. September 2006 im Zentrum für Psychiatrie, B. S. aufgenommen worden war, teilte dieses am 6. November 2006 dem Beklagten auf dessen telefonische Anfrage mit, dass ein Entlassungstermin noch nicht absehbar sei. Am 1. Dezember 2006 wurde in einem Telefongespräch weiterhin erklärt, dass sich die Klägerin etwa vier Monate im Zentrum für Psychiatrie aufhalten und danach wahrscheinlich eine Entwöhnung in F. stattfinden werde. Ob dies insgesamt länger als sechs Monate dauern werde, könne nicht gesagt werden. Diese Aussagen ließen die Prognose eines Aufenthalts für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus nicht zu. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin ihren Hauptwohnsitz schon im Oktober 2006 in das Zentrum für Psychiatrie verlegt hatte und nichts dafür sprach, dass sie nach einem evtl. nur viermonatigen Aufenthalt dort und vor der wahrscheinlichen weiteren Unterbringung in einem Krankenhaus zum Zwecke der Entwöhnung zunächst in ihr Elternhaus zurückkehren würde, zumal sich aus dem Schreiben des ZfP an den Beklagten vom 30. November 2006 ergibt, dass sie therapeutisch unterstützt wurde, sich vom Elternhaus nicht nur finanziell, sondern auch emotional zu lösen und sie selbst in einem Schreiben vom 11. Dezember 2006 mitgeteilt hat, dass ein Zusammenleben mit den Eltern nicht mehr tragbar sei. Allerdings war damit auch nicht absehbar, dass die Klägerin voraussichtlich sechs Monate und länger stationär in einem Krankenhaus untergebracht sein würde. Letztlich ergeben sich auch aus der tatsächlichen Entwicklung keine Anhaltspunkte dafür, dass eine bestimmte Prognose am 26. Oktober gerechtfertigt gewesen wäre. Die Klägerin hat sich nach dem Abbruch der Therapie in der Reha-Klinik L. in Schallstadt für einige Tage zur Behandlung in ein Krankenhaus begeben. Danach ist sie am 11. März 2007 in das Zentrum für Psychiatrie B. S. zurückgekehrt, wo sie sich, wie aus der Beschwerdebegründung hervorgeht, allerdings auch am 10. September 2007 noch befand.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 des Sozialgerichtsgesetzes).
Rechtskraft
Aus
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