L 7 R 233/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4570/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 233/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Dezember 2006 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 1950 in Italien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. 1963 kam sie in die Bundesrepublik Deutschland und war hier zuletzt ab 1990 als Maschinenarbeiterin in einer Kartonagenfabrik versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 6. Juli 2002 ist die Klägerin arbeitsunfähig krank. Nach dem Ende des Krankengeldbezugs unternahm sie ab November 2003 einen gescheiterten Arbeitsversuch und bezog sodann Arbeitslosengeld bis 12. Mai 2006. Derzeit ist die Klägerin arbeitslos ohne Leistungsbezug.

Am 3. März 2003 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht einer von 19. September bis 10. Oktober 2001 in Badenweiler durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. März 2003 ab, das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2003).

Am 19. Februar 2004 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte zog die vorhandenen ärztlichen Unterlagen bei und ließ die Klägerin durch den Orthopäden Dr. R. und die Internistin Dr. Sch. ambulant untersuchen und begutachten. Nachdem beide Gutachter von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen ausgingen, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 24. Juni 2004 ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. Oktober 2004).

Hiergegen richtet sich die am 4. November 2004 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wird ausgeführt, die Klägerin könne nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, was auch ihre behandelnden Ärzte bestätigten.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. Bä. (Hausarzt), Dr. Lö. (Orthopäde), Dr. Hu. (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. W. (Hautarzt) und Dr. K. (Facharzt für Neurologie und Psychiatrie) als sachverständige Zeugen. Zusätzlich hat das SG ein orthopädisches Gutachten bei Dr. J. eingeholt, in welchem dieser eine deutliche Fehlstatik der Wirbelsäule mit endgradiger Bewegungseinschränkung in allen Ebenen mit degenerativen Veränderungen und multiplen Bandscheibenvorwölbungen ohne Hinweise auf vorliegende Nervenwurzelreizungen, mäßige degenerative Hüftgelenksveränderungen bei ausreichender Beweglichkeit und endgradig leicht eingeschränkte Kniegelenksbeweglichkeit feststellt. Leichte Arbeiten ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, Heben und Tragen von Gegenständen über 10 kg, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, in der Hocke und im Knien oder in Nässe und Kälte seien der Klägerin noch vollschichtig zumutbar. Weiter hat das SG ein neurologisches Gutachten bei Prof. Dr. F. eingeholt, welcher ein chronisches Wirbelsäulenschmerzsyndrom aus neurologischer Sicht für nachvollziehbar hält, jedoch ebenfalls von einer vollschichtigen Belastbarkeit ausgeht (Gutachten vom 4. Juli 2005). Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG zusätzlich ein orthopädisches Gutachten bei Dr. Böhm sowie ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. Jacobi eingeholt. Beide Gutachter nehmen ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen bis maximal drei Stunden an, wobei Dr. Ja. vom Vorliegen einer schweren depressiven Episode und einer chronischen somatoformen Schmerzstörung ausgeht.

Mit Urteil vom 21. Dezember 2006 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2006 zu gewähren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihr am 10. Januar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 12. Januar 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung macht sie geltend, das Gutachten von Dr. Ja. überzeuge nicht, weshalb die darauf aufbauende erstinstanzliche Entscheidung fehlerhaft sei. Der im Gutachten beschriebene psychopathologische Befund rechtfertige die Annahme einer schweren Depression nicht. Dagegen spreche die nur leichte Verlangsamung der Denkabläufe, die lediglich leichte Antriebsminderung sowie die nur subdepressive Stimmung. Auch der - nicht sehr ausführlich erfragte bzw. wiedergegebene - Tagesablauf spreche gegen die Annnahme einer schwergradigen Depression; immerhin versorge die Klägerin noch den Zwei-Personen-Haushalt, kaufe ein, lese gerne und sehe fern. Auf das orthopädische Gutachten des Dr. Böhm sei das SG zwar nicht eingegangen, gleichwohl könne auch der Leistungsbeurteilung des Dr. Böhm nicht gefolgt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.Dezember 2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe bereits in erster Instanz dargelegt, was sie von den Privatmeinungen der Beklagten und ihrer "beratenden Ärzte" halte. Unerheblich sei, welche Ausführungen der Gutachter Prof. Dr. F. im Jahr 2005 gemacht habe. Dieser Sachverständige sei nicht einmal in der Lage gewesen, seinen Aufgaben gerecht zu werden und ein Gutachten zu erstellen, er habe ein psychiatrisches Zusatzgutachten für notwendig gehalten. Das maßgebliche Gutachten sei über ein Jahr später erstellt worden und daher entscheidend. Dr. Ja. habe - als Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie unzweifelhaft qualifiziert - aus eigener Anschauung das ausführliche Gutachten vom 21. Oktober 2006 erstellt, welches auch das SG überzeugt habe. Prof. Dr. Tä. habe sich mit der Klägerin nur ca. 5 Minuten unterhalten; wie er sich insoweit von der Klägerin ein Urteil gebildet habe, wisse die Klägerin nicht. Es erschließe sich auch nicht, wieso Prof. Dr. Tä. nur auf eine leichte depressive Störung komme. Im übrigen seien auf orthopädischem Gebiet der behandelnde Arzt Dr. Lö. und auch der vom Gericht bestellte Sachverständige Dr. Böhm davon ausgegangen, dass die Klägerin lediglich noch 3 Stunden bzw. 2 bis 3 Stunden einer Arbeit nachgehen könne.

Das LSG hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenfachärztlichen Gutachtens bei Prof. Dr. Tä ... In dem Gutachten vom 10. August 2007 wird eine leichte depressive Störung festgestellt, welche seit mindestens 2003 in im wesentlichen unveränderter Form bestehe. Leichte bis mittelschwere Arbeiten könne die Klägerin ohne Schichtarbeit und ohne Zeitdruck noch vollschichtig verrichten. Die nun erhobenen psychopathologischen Befunde unterschieden sich nur unwesentlich von den Befunden im Gutachten des Dr. Ja ... Aufgrund der subdepressiven Stimmungslage, der nur leichtgradigen Anspannung, der erhaltenen Schwingungsfähigkeit und der nur geringgradigen Verlangsamung gehe der Gutachter nur von einer leichten depressiven Störung aus, weshalb auch die Leistungseinschätzung differiere. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2007 hat Prof. Dr. Tä. eine im Hinblick auf Einwendungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeforderte ergänzende Stellungnahme abgegeben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte und die Reha-Akte der Beklagten, die Klageakte des SG sowie die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist auch begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrten Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Streitgegenstand ist vorliegend allein die geltend gemachte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, nicht dagegen jedoch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit. Denn einen entsprechenden Antrag hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - im Hinblick auf die ausgeübten ungelernten Tätigkeiten zu Recht - weder vor dem SG, noch vor dem Senat gestellt.

Maßgeblich für die beanspruchten Renten ist vorliegend das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch der Klägerin erst ab 1. September 2006 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI)). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2 a.a.O.). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGBVI) ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 1. Dezember 2007 gegeben, wenn die verminderte Erwerbsfähigkeit - wie von der Klägerin in der Anlage zum Rentenantrag geltend gemacht - bereits im Jahr 2000 eingetreten wäre; sie wären jedoch auch noch bei einem erst im August 2006 eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Klägerin indes keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, weil sie in der streitbefangenen Zeit ab September 2006 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI gewesen ist.

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin liegen vorwiegend auf orthopädischem, aber auch auf nervenärztlichem sowie daneben auf internistischem Gebiet. Auf orthopädischem Gebiet bestehen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden, Fehlhaltung (Kyphoskoliose), Zustand nach Bandscheibenprolaps im Segment L 5/S 1 bei sekundärer Spinalkanalstenose, leichte Einengung der Nervenaustrittskanäle in den Segmenten C 3/4 und C 5/6 ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, Schulter-Arm-Syndrom links bei beginnender Omarthrose mit Schulter-Eck-Gelenksarthrose mit endgradiger Funktionseinschränkung, latente Enthesiopathie an beiden Ellenbogengelenken ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen, Coxarthrose Grad I rechts, Grad II links, Gonarthrose beidseits mit Zustand nach Innenmeniskusteilresektion links, Knorpelschaden im Bereich der Kniegelenke, Senk-Spreizfuß und Hallux Valgus. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. R. , den gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. J. und Dr. Bö. sowie der Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. Lö ... Ferner besteht ein Carpaltunnelsyndrom (Arztbrief Dr. Dombert vom 4. März 2005), welches inzwischen links erfolgreich operiert wurde. Daneben leidet die Klägerin an einer leichten depressiven Störung, wie sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Tä. ergibt. Die von Dr. Ja. angenommene schwere depressive Episode mit chronischer somatoformer Schmerzstörung konnte durch die Untersuchung bei Prof. Dr. Tä. nicht bestätigt werden. Wie der beratungsärztliche Dienst der Beklagten, insbesondere Dr. Girbig in seiner Stellungnahme vom 27. November 2006, welche als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen zu würdigen ist, zutreffend ausgeführt hat, ist die von Dr. Jacobi gestellte Diagnose anhand der in seinem Gutachten beschriebenen Befunde nicht nachvollziehbar. Wie auch Prof. Dr. Tä. bestätigt und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 6. Dezember 2007 nochmals ausführlich darlegt, entspricht eine nur subdepressive Stimmungslage, nur leichtgradige Anspannung, erhaltene Schwingungsfähigkeit und nur geringgradige Verlangsamung nicht den Diagnosekriterien einer schweren depressiven Episode (vgl. auch Möller/Laux/Deister, Psychiatrie und Psychotherapie, 3. Aufl., Kap. 4.1). Hierbei wären eine deutlichere depressive Stimmungslage, reduzierte bis aufgehobene Schwingungsfähigkeit, stark verminderter Antrieb, deutliche Konzentrationsstörungen und eventuell formale Denkstörungen zu erwarten gewesen. Eine tiefergreifende depressive Störung ergibt sich auch nicht aus der Aussage von Dr. Hu. aus dem Jahr 2005. Damals berichtete Dr. Hu. lediglich von psychomotorischer Unruhe, gedrückter Stimmung und Affektlabilität. Ferner besteht bei der Klägerin Bluthochdruck, Übergewicht, eine Fettstoffwechselstörung, Nickelallergie sowie ein psoriasisförmiges Ekzem der Hände, wie sich aus den vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. B. und Dr. W. entnehmen lässt.

Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens von Prof. Dr. Tä. bestehen nicht. Der Gutachter kann bei der Ausarbeitung des Gutachtens Hilfskräfte heranziehen und von diesen unterstützt werden, solange er die Gesamtverantwortlichkeit für das Gutachten behält (vgl. BSG SozR 4-1750 § 407a Nr. 2; BSG, Beschluss vom 27. April 2006 - B 7a AL 242/05 B - (juris); Oberlandesgericht München, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - 1 U 3921/05 - OLGR München 2007, 208). Soweit er sich der Mitarbeit einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von ganz untergeordneter Bedeutung handelt (§ 407a Abs. 2 Zivilprozessordnung). Prof. Dr. Täschner hat angegeben, dass die Assistenzärztin im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G. an der Gutachtenerstellung beteiligt war und auch die Anamnese durchgeführt hat. Durch seine Unterschrift mit dem Vermerk "Aufgrund eigener Überprüfung und Urteilsbildung einverstanden" hat er die volle Verantwortung für das Gutachten übernommen. Damit kann der Senat das Gutachten von Prof. Dr. Tä. seiner Entscheidung zugrunde legen.

Die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen bewirken keine Einschränkung ihres Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugenden Beurteilung der Rentengutachter Dr. Sch. und Dr. R. , deren Gutachten im Wege des Urkundsbeweises zu verwerten sind und der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Fe. , Dr. J. und Prof. Dr. Tä. an, welche sämtlich zeitliche Leistungseinschränkungen verneint haben. Lediglich die gemäß § 109 SGG bestellten gerichtlichen Sachverständigen Dr. Bö. und Dr. Ja. sowie der behandelnde Orthopäde Dr. Lö. gehen von zeitlichen Leistungseinschränkungen aus. Der Beurteilung von Dr. Ja. kann allerdings schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die von ihm angenommene gravierende Diagnose einer schweren depressiven Episode nach den vom Senat getroffenen Feststellungen nicht zutreffend ist und darüber hinaus auch im Widerspruch zu seiner eigenen Befunderhebung steht, wie bereits oben ausgeführt. Mit der bestehenden leichten depressiven Störung sind zwar durchaus auch Beeinträchtigungen verbunden, wie Prof. Dr. Tä. ausführlich darstellt, diese bedingen jedoch keine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht. Diese Beurteilung lässt sich auch mit den eigenen Angaben der Klägerin etwa zum Tagesablauf in Übereinstimmung bringen. Insoweit ist den Ausführungen von Dr. Gi. vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten zuzustimmen, dass die Symptomatik einer schwergradigen depressiven Episode kaum noch häusliche und soziale Aktivitäten zuließe, beispielweise würde ein derartiger Patient nicht mehr gerne lesen. Schließlich vermögen auch die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Bö. zur Annahme eines zeitlich auf zwei bis drei Stunden eingeschränkten Leistungsvermögens nicht zu überzeugen. Als Gründe für die Annahme eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens nennt Dr. Bö. zum einen das Fortschreiten der Verschleißerscheinungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, am linken Schultergelenk, Beckengürtel, Hüft- und Kniegelenken, die noch nicht austherapierten Erkrankungen an den Ellenbogengelenken sowie am rechten Unterarm mit Handgelenk und zum anderen die "noch nicht ausreichend diagnostizierte, geschweige denn behandelte psychosomatische Erkrankung". Gravierende Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund der Verschleißerscheinungen sind insoweit jedoch nicht ersichtlich, insbesondere liegen keine motorischen Ausfälle vor, eine Beeinträchtigung von Nervenwurzeln ist nicht gegeben. Wie Dr. Schlicht vom beratungsärztlichen Dienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 24. November 2006 zutreffend ausgeführt hat, ist das Vorliegen radiologisch sichtbarer Einengungen von Wirbelaustrittslöchern ohne Relevanz, so lange - wie hier - keinerlei neurologische Auffälligkeiten bestehen. Auch in dem Gutachten von Dr. J. werden keine erheblichen Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt. Dieses geht zwar zeitlich dem Gutachten von Dr. Bö. vor, nachdem eine deutliche Verschlechterungen des Gesundheitszustandes im genannten Zeitraum jedoch nicht vorliegt, kann dieses nach wie vor herangezogen werden. Zu den nicht ohne weiteres nachvollziehbaren Angaben der Bewegungsausmaße im Gutachten von Dr. Bö. (etwa im Bereich des Schultergelenkes Abduktion von 130 Grad und Anteversion von 110 Grad) wird auf die Ausführungen von Dr. Schl. Bezug genommen, der angesichts der unphysiologischen Angaben von einer Verwechslung von Auswärts- Einwärtsdrehung ausgeht und zudem zu Recht anmerkt, dass kontrastierend zu der Einschränkung der linken Schulter ein zügiges Entkleiden und keinerlei Schonung des linken Armes angegeben wurde. Eine Einschränkung in zeitlicher Hinsicht lässt sich hieraus keinesfalls ableiten, lediglich qualitative Beeinträchtigungen. Soweit der behandelnden Orthopäde Dr. Lö. von einem unter dreistündigen Leistungsvermögen ausgeht, überzeugt dies den Senat ebenfalls nicht. Dr. Lö. stellt allein auf eine "Polymorbidität" ab. Angesichts der zahlreichen ausführlichen Gutachten kann daher aus dieser nicht weiter begründeten Stellungnahme keine weitergehende Einschränkung hergeleitet werden.

Hinsichtlich des zu beachtenden positiven und negativen Leistungsbildes würdigt der Senat die schlüssigen ärztlichen Äußerungen dahingehend, dass die Klägerin jedenfalls körperliche leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Ausgeschlossen sind schwere und überwiegend mittelschwere Tätigkeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Heben und Tragen von Gegenständen über 10 kg, Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten in der Hocke oder im Knien, auf unebenem Boden sowie unter ungünstigen Witterungseinflüssen (Nässe und Kälte). Ebenfalls nicht mehr zumutbar sind Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht sowie unter besonderem Zeitdruck. Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) besteht unter Würdigung der ärztlichen Ausführungen ebenso wenig wie eine rentenrechtlich relevante Einschränkungen der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10).

Vorliegend besteht auch keine Pflicht, ausnahmsweise eine Verweisungstätigkeit für die Klägerin zu benennen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Derartige letztgenannten beiden Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ebenso wenig stellt das bei der Klägerin zu beachtende positive und negative Leistungsbild eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)). Eine Vielzahl der bei der Klägerin zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z.B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen; sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32). Körperlich leichte Arbeiten werden nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein im Übrigen noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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