L 4 RA 2474/01

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 RA 01458/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 RA 2474/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob der Kläger Anspruch auf Versichertenrente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit [EU] bzw. Berufsunfähigkeit [BU]) ab 01. Dezember 1998 hat.

Der am 1941 geborene Kläger hat seinen Angaben und den vorhandenen Unterlagen zufolge nach dem Mittelschulabschluss zunächst bis 31. März 1961 den Beruf des Kochs erlernt und diesen Beruf bis Ende Oktober 1965 hauptsächlich in der Schweiz ausgeübt. Ab November 1965 hat er bei der C. S. G. GmbH zunächst als Hilfsarbeiter gearbeitet, aber dann den Beruf des Chemiefacharbeiters erlernt und diese Ausbildung am 31. März 1969 mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. Er hat sich dann zum Industriemeister weitergebildet und in der Fachrichtung Chemie am 27. Mai 1971 die Prüfung bestanden. Er wurde von seiner Arbeitgeberfirma immer wieder befördert und hat seit 01. September 1995 die Stellung eines Planers erreicht, die er weiterhin innehat. Dabei handelt es sich nach seinen eigenen anamnestischen Angaben bei Facharzt für Orthopädie Dr. K. am 20. Januar 1999 um eine reine Bürotätigkeit am Bildschirm im Rahmen der Produktionsvorbereitung, die der Kläger nach der Arbeitgeberauskunft vom 14. Juli 2000 zu ungefähr 80 vom Hundert (v. H.) in sitzender Haltung ausübt. Dem Kläger ist durch Bescheid des Versorgungsamts (VA) Freiburg vom 12. Januar 1998 ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) wegen degenerativer WS-Veränderungen, WS-Syndroms, Schultergelenksleidens rechts, Gicht mit Gelenkveränderungen und Hüftdysplasie beidseits zuerkannt worden. Seit 14. September 1999 ist der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seinen am 28. Dezember 1998 gestellten Rentenantrag begründete der Kläger damit, dass er wegen er bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen, vor allem wegen eines Halswirbelsäulen-syndroms (HWS-Syndrom) nur noch zwei bis drei Stunden am Tag arbeiten könne. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch Facharzt für Orthopädie Dr. K., der in seinem Gutachten vom 01. Februar 1999 ein chronisches HWS-Syndrom bei altersentsprechenden degenerativen Veränderungen mit Einengung der Nervenaustrittslöcher, chronische Coccygodynie bei Verdacht auf alte Steißbeinfraktur, chronisches Lendenwirbelsäulensyndrom bei altersentsprechenden degenerativen Veränderungen diagnostizierte und den Verdacht auf ein Carpaltunnelsyndrom rechts äußerte. Eine Hüftdysplasie könne er nicht feststellen. Dr. K. hielt eine regelmäßige Tätigkeit im Sitzen über längere Zeit wegen der Veränderungen am Steißbein nicht mehr für möglich, jedoch eine regelmäßige Tätigkeit im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne schwere körperliche Arbeit vollschichtig für zumutbar. Die Beklagte holte noch die Arbeitgeberauskunft vom 12. Januar 1999 ein. Mit Bescheid vom 23. März 1999 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da der Kläger noch in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, jedoch nicht überwiegend sitzend, vollschichtig zu verrichten. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, das VA habe mit Bescheid vom 12. Januar 1998 seinen GdB wegen des WS-Syndroms mit degenerativen Veränderungen neu festgesetzt und es sei zu beachten, dass in seiner Familie mehrfach Erkrankungen an Morbus Bechterew vorgekommen seien. Auch seine Hüftdysplasie sei nicht berücksichtigt worden. Wegen des früher nicht entdeckten Steißbeinbruchs habe er beim Gehen und Stehen Beschwerden; außerdem sei er in seiner Hörfähigkeit durch ein Tinnitusleiden beeinträchtigt, insbesondere in seiner sozialen Kontaktfähigkeit, die gerade im Bürobereich wesentlich sei. Die Beklagte holte noch die Befundberichte der Fachärztin für Orthopädie, Sportmedizin und Chirotherapie Dr. H. vom 17. Juli 1999 und des Hals-, Nasen- und Ohrenarztes Dr. T. vom 21. September 1999 ein. Ferner veranlasste sie eine erneute Begutachtung durch den Orthopäden und Chirotherapeuten Dr. M., der in seinem Gutachten vom 17. Februar 2000 zu der Auffassung gelangte, der Kläger könne seine bisherige Arbeit, die nach seinen eigenen Angaben im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen erfolge, weiterhin vollschichtig ausüben. Hieran werde er durch die mäßige Osteochondrose und Spondylose der HWS mit Wurzelreizzuständen, die leichte bis mäßige Spondylose der Lendenwirbelsäule und Beschwerden wie bei Lumboischialgie sowie die Verspannung im Nackenbereich und Parästhesien der linken Hand nicht gehindert. Durch die Steißbeinbeschwerden seien Schmerzen bei längerem Sitzen glaubhaft. Die Widerspruchsstelle der Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2000 den Widerspruch des Klägers zurück, da der Kläger seinen Beruf als Industriemeister noch vollschichtig verrichten könne.

Mit der am 04. Mai 2000 zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Rentenbegehren weiter und machte geltend, es sei nicht vom Beruf eines Industriemeisters, sondern von demjenigen des Planers auszugehen, der in die Tarifgruppe E 12 des für ihn maßgebenden Bundesentgelttarifvertrags für die chemische Industrie (BE) eingruppiert sei, was den obersten Facharbeitergruppen entspreche. Sein gesundheitliches Leistungsvermögen habe die Beklagte abweichend von dem Befundbericht der Dr. H. und dem Sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in L. vom 22. Februar 2000 beurteilt, das der Kläger in Kopie vorlegte. Ferner reichte der Kläger innerbetriebliche Stellenausschreibungen für Industriemeister und die an die Beklagte gerichtete eingehende Tätigkeitsbeschreibung durch seine Arbeitgeberfirma vom 14. Juli 2000 und Teile des BE ein. Die Beklagte trat der Klage entgegen; die Beurteilung durch die behandelnde Ärztin Dr. H. sei ihr bekannt. Falls der Kläger tatsächlich nicht mehr als Planer arbeiten könne, sei er zumutbar auf seine davor ausgeübte Tätigkeit als Industriemeister verweisbar. Das SG holte das Gutachten des Arztes für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie Dr. Dr. Sc. vom 11. Oktober 2000 ein, der mit gewissen qualitativen Einschränkungen eine vollschichtige Tätigkeit für zumutbar hielt. Insbesondere sei anzunehmen, dass der Kläger mit Hilfe eines Sitzringes nahezu beschwerdefrei sitzen könne. Mit Urteil vom 22. März 2001 wies das SG die Klage ab, da der Kläger nicht einmal die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wegen BU erfülle. Er sei vielmehr in der Lage, jedenfalls die ihm zumutbare Beschäftigung eines Industriemeisters auszuüben, die nicht ausschließlich im Sitzen zu verrichten sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. Mai 2001 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil verwiesen.

Die am 11. Juni 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung begründet der Kläger vor allem damit, das SG irre, wenn es ihn auf eine Beschäftigung als Industriemeister für verweisbar halte; auch die Beurteilung seines Restleistungsvermögens durch den Sachverständigen sei unzutreffend. Als Industriemeister sei er in demselben Umfang den schädlichen Einflüssen ausgesetzt wie als Planer. Außerdem habe sich sein Leistungsvermögen weiter verschlechtert. Es trete ein ständiges Einschlafgefühl im rechten Arm und in der rechten Hand auf, was mit erheblichen Schmerzen, vor allem im rechten Daumen verbunden sei. Durch Abquetschen der Armnerven komme es beim Drehen des Kopfes zu weiteren erheblichen Schmerzempfindungen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. März 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. April 2000 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01. Dezember 1998 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die frühere Berichterstatterin des Senats hat die Auskunft der Dr. H. vom 26. Februar 2002 eingeholt, der noch das bereits erwähnte Gutachten des MDK vom 22. Februar 2000 und der Arztbrief des Arztes für Radiologie Dr. B. vom 07. August 2001 in Kopie beigefügt ist. Ferner hat sie das Gutachten des Chefarztes der Orthopädischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Rheinfelden Prof. Dr. He. vom 15. August 2002 eingeholt, der im Wesentlichen die Beurteilung des Leistungsvermögens teilt, wie sie Dr. Dr. Sc. vorgenommen hat.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die von der Beklagten vorgelegten Akten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die entsprechend den Form- und Fristerfordernissen des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 23. März 1999 in der durch den Widerspruchsbescheid vom 17. April 2000 unveränderten Gestalt dem geltenden Recht entspricht und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Ihm steht keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu, da er weder berufs- noch erwerbsunfähig ist.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des vom Kläger erhobenen Anspruchs eingehend und zutreffend dargelegt und ist zu einer in sich schlüssigen und zutreffenden rechtlichen Beurteilung gelangt. Der Senat schließt sich deshalb dem angefochtenen Urteil an und verweist gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf dessen Begründung.

Ergänzend ist im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführten weiteren Ermittlungen noch auf Folgendes hinzuweisen: Der Kläger ist durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen zwar in der Ausübung seines bisherigen Berufs als Planer durchaus beeinträchtigt, kann diesen aber gleichwohl voll konkurrenzfähig vollschichtig ausüben, so dass es nicht entscheidend darauf ankommt, ob er auch eine sozial und nach dem erzielbaren Einkommen völlig gleichwertige Arbeit als Industriemeister leisten kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger an seinem konkreten Arbeitsplatz nur 37,5 Stunden in der Woche beschäftigt ist und dass es sich um eine Büroarbeit handelt, bei der er zwar zu ungefähr 80 v. H. der Arbeitszeit sitzend tätig sein muss, gleichwohl aber ohne weiteres in der Lage ist, in aller Regel nach seinem Willen aufzustehen und seiner Arbeit auch im Stehen oder Umhergehen nachzukommen; das wird auch durch die Arbeitgeberauskunft vom 14. Juli 2000 bestätigt. In einer leitenden Tätigkeit, wie er sie innehat, ist dies ohne nennenswerte Beeinträchtigung des Arbeitsergebnisses nach Qualität wie Quantität möglich. Das dabei auftretende Maß an Belastungen, auch durch gelegentlich auftretende Schmerzen, ist im Rahmen des altersentsprechend Zumutbaren zu sehen. Auch der vom Senat gehörte Sachverständige Prof. Dr. He. ist in seinem Gutachten zu keinem hiervon abweichenden Ergebnis gelangt. Vielmehr hat er die von Dr. Dr. Sc. im erstinstanzlichen Verfahren getroffene Beurteilung bestätigt. Diesen in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten schließt sich der Senat mit Überzeugung an, da die Sachverständigen in voller Kenntnis aller Umstände des Falles, auch der Beurteilung durch den MDK und der behandelnden Ärztin Dr. H., zu einem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt sind. Sie sind auch den vom Kläger geltend gemachten Beschwerden gründlich nachgegangen, wobei diese das altersentsprechende Ausmaß nicht überschreiten. Ist der Kläger sonach aber noch in der Lage, durch Fortsetzung seiner bisher ausgeübten körperlich leichten Tätigkeit sein bisheriges Arbeitseinkommen weiterhin zu erzielen, steht ihm nicht einmal Rente wegen BU zu. Erst recht hat er dann auch keinen Anspruch auf Rente wegen EU, die eine erheblich stärkere Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit voraussetzt. Somit konnte seine Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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