L 12 R 5372/07 KO-A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 R 5372/07 KO-A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung der Antragstellerin anlässlich ihrer gutachterlichen Untersuchung am 15.10.2007 wird auf 238,02 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die in J. wohnhafte Antragstellerin hat sich in dem von ihr betriebenen Hauptsacheverfahren L 4 R 5336/06 am 15.10.2007 auf Anordnung des Gerichts um 11:00 Uhr bei dem Nervenarzt Dr. M. in W. zur Untersuchung und Begutachtung vorgestellt. Um 13:15 Uhr wurde sie von dem Gutachter entlassen.

Die Antragstellerin hat die Fahrt mit einem Mietwagen und einer Begleitperson zurückgelegt, wobei Reisebeginn 7:00 Uhr und Reiseende 18:00 Uhr gewesen sei. Die Antragstellerin ist nicht erwerbstätig und bezieht mit ihrem Lebensgefährten Leistungen nach dem SGB II. In ihrem Kostenantrag gab die Antragstellerin an, 506 km Fahrtstrecke zurückgelegt zu haben. Sie machte eine Entschädigung in Höhe von 344,72 Euro wie folgt geltend:

- Mietwagen 105,51 Euro - Treibstoff (Diesel) 42,51 Euro - Parkgebühr 5,00 Euro - Verzehrkosten 48,70 Euro - Begleitperson (11 x 13 Euro) 143,00 Euro

Hiervon wurden nur die Kosten für den Mietwagen und den Dieseltreibstoff durch Belege nachgewiesen.

Die Urkundsbeamtin des Landessozialgerichts setzte die Entschädigung wie folgt auf einen Gesamtbetrag von lediglich 151 Euro fest:

- Pkw (460 km à 0,25 Euro) 115 Euro - Freizeitausgleich (10 Stunden x 3 Euro) 30 Euro - Aufwand - Tagegeld 6 Euro

Hierbei verwies die Urkundsbeamtin darauf, dass die Kosten für eine Begleitperson vorab vom Gericht genehmigt oder vom Gutachter bestätigt werden müssten. Außerdem seien die Kosten insoweit nicht durch eine Quittung nachgewiesen worden.

Die Klägerin beantragte daraufhin die richterliche Festsetzung und vertrat hierbei die Ansicht, sie könne aus gesundheitlichen Gründen größere Strecken nicht alleine zurücklegen. Es sei auch nicht möglich, immer jemanden zu finden, der unentgeltlich einen ganzen Tag opfere. Ihr eigenes Auto sei nach Auskunft der Werkstatt derzeit nicht für längere Fahrten geeignet, weswegen sie einen Mietwagen genommen habe. Die Antragstellerin legte eine Quittung ihrer Begleitperson vor, wonach diese für die Fahrt von J. über P. nach W. von ihr am 15.10.2007 einen Betrag von 145 Euro erhalten hat.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen. Nach Auskunft des Gutachters Dr. M. liegen bei der Antragstellerin eine Erschöpfungsdepression und eine Polyneuropathie der unteren Extremitäten vor. Der Antragstellerin sei noch ein Weg zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem eigenen Auto im Rahmen von einer Stunde Dauer zumutbar. Die Antragstellerin könne jedoch regelmäßig nur noch 3 - 6 Stunden arbeiten und insbesondere auch keine Schichtarbeit mehr verrichten.

II.

Ist das persönliche Erscheinen eines Beteiligten angeordnet worden, so werden ihm auf Antrag nach § 191 SGG bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil die Heranziehung der Antragstellerin nach dem 30.6.2004 erfolgt ist (§ 25 Satz 1 JVEG).

Vorliegend entscheidet der Senat nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG, weil der Einzelrichter ihm die Sache übertragen hat.

Bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs werden nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG dem Zeugen oder zur Abgeltung der Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeugs 0,25 Euro für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte.

Die Antragstellerin hat indes kein eigenes Fahrzeug oder unentgeltlich überlassenes Fahrzeug benutzt, und sie hat auch nicht von öffentlichen Verkehrsmitteln Gebrauch gemacht. Dadurch sind auch Kosten entstanden, die über den Kosten der Benutzung eines eigenen Fahrzeugs oder der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln liegen.

Höhere als die in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG bezeichneten Fahrtkosten werden nach Abs. 3 der Vorschrift nur ersetzt, soweit dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden oder höhere Fahrtkosten wegen besonderer Umstände notwendig sind.

Die Benutzung eines privaten Pkw war der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag, für dessen Unrichtigkeit insoweit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, nicht möglich. Die Fahrzeit mit der Deutschen Bahn von J. nach W. beträgt mindestens 4 Stunden und daher mindestens eine Stunde mehr als die Fahrzeit mit dem Auto. Berücksichtigt man hierbei weiterhin, dass bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ein mehrfaches Umsteigen erforderlich gewesen wäre und die Anschlussfahrten zum Abfahrtsbahnhof und vom Zielbahnhof zum Gutachter die Fahrt weiter über die Dauer einer Autofahrt verlängert hätten, erscheint es vorliegend ausnahmsweise angebracht, die Kosten des Mietwagens nach dem JVEG zu übernehmen. Hierbei ist auch zu beachten, dass die Antragstellerin sich bereits um 11:00 bei dem Gutachter für eine nervenärztliche Untersuchung vorzustellen hatte und es die Ergebnisse der Begutachtung möglicherweise negativ beeinflusst hätte, wenn die Klägerin gehetzt oder nach mehrfachem Umsteigen ermüdet bei dem Gutachter erschienen wäre.

Die andere Möglichkeit, am Vortag der Begutachtung anzureisen und ein Hotelzimmer zu buchen, hätte die Gesamtkosten noch weiter erhöht. Schließlich hat die Antragstellerin auch mit der Miete eines Audi A 3 keine unangemessene Wagenklasse oder jedenfalls mit 105,21 Euro nicht zu einem unangemessenen Tagessatz gemietet. Im Ergebnis kann daher nach § 5 Abs. 3 JVEG vorliegend wegen der Besonderheiten des Falles der Antragstellerin keine Begrenzung der Kosten nach den Kosten für die Benutzung eines eigenen Pkw vorgenommen werden, so dass insofern die geltend gemachten und durch Nachweise belegten Kosten für den Mietwagen und den Dieseltreibstoff zu übernehmen sind.

Nicht übernommen werden können indes nach § 19 Abs. 1 JVEG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG die für die Fahrt zum Gutachter geltend gemachten Parkgebühren in Höhe von 5 Euro, weil trotz entsprechenden Hinweises durch die Urkundsbeamtin hierzu kein Beleg vorgelegt worden ist.

Die Kosten für eine Begleitperson sind dem Gericht vor der Begutachtung nicht mitgeteilt worden, weshalb die Antragstellerin insoweit auf ihr eigenes Risiko für den Fall gehandelt hat, dass die Begleitung sich im Rahmen der Begutachtung nicht als erforderlich herausstellen sollte (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 27.09.2005 - L 6 SF 408/05 -). Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG können nur die Kosten einer objektiv erforderlichen Begleitperson übernommen werden. Nachdem oben bereits dargelegt worden ist, dass vorliegend die Benutzung eines Pkw für die Fahrt von J. nach W. sinnvoll war, erscheint angesichts der Feststellungen des Gutachters Dr. M. (Diagnose einer Erschöpfungsdepression und einer Polyneuropathie der unteren Extremitäten bei eingeschränkter Wegefähigkeit) die objektive Erforderlichkeit einer Begleitperson für die vorliegende einfache Fahrt von mindestens drei Stunden Dauer als ausreichend nachgewiesen.

Allerdings hat die Antragstellerin keinen Verdienstausfall ihrer Begleitperson im Sinne von § 22 JVEG angegeben oder gar nachgewiesen, so dass der Senat davon ausgeht, dass die Begleitperson ebenso wie die Antragstellerin keinen Verdienstausfall hatte. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Betrag von 11 Stunden x 13 Euro, den sie an die Begleitperson ausgezahlt hat, ist daher nicht nachvollziehbar. Ein eigenhändig festgesetzter Stundenlohn für eine Begleitperson könnte nach dem JVEG jedenfalls nicht übernommen werden. In Betracht kommt daher lediglich der allgemeine Nachteilsausgleich für Zeitversäumnis in Höhe von 3 Euro je Stunde, und zwar sowohl für die Antragstellerin als auch für ihre Begleitperson, der nach § 19 Abs. 2 JVEG auf 10 Stunden täglich pro Person begrenzt wird (10 Stunden x 3 Euro x 2 Personen).

Für die erforderlichen Mahlzeiten während der Reise kann nach § 6 JVEG i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe c Einkommensteuergesetz (EStG) nur ein Betrag von 6 Euro je Person übernommen werden, weil die Abwesenheit am Tag der Untersuchung weniger als 14 Stunden betrug. Die Antragstellerin hat zwar insoweit keinerlei Belege eingereicht, doch kann die vom Gesetz angenommene Pauschale als vermuteter Mehraufwand auch ohne Beleg entschädigt werden. Da keine Belege vorgelegt worden sind, ist nicht zu entscheiden, ob bei Vorlage der entsprechenden Rechnungen ein höherer Betrag hätte übernommen werden können. Die Übernahme der vollen Kosten dürfte indes bereits deswegen ausscheiden, weil durch die Verpflegung auf der Reise sonstige Unterhaltskosten, die zu Hause ebenso angefallen wären, erspart worden sind.

Nicht beantragt, aber ebenfalls zu entschädigen sind nach § 21 JVEG die bei der Haushaltsführung entstandenen Nachteile, und zwar in Höhe von 12 Euro je Stunde. Zwar gilt bei der Entschädigung nach dem JVEG grundsätzlich das Antragsprinzip, wonach nicht zu entschädigen ist, was nicht beantragt worden ist. Insofern sind jedoch auch konkludente Anträge zu berücksichtigen: Die Antragstellerin hat sich ausdrücklich gegen die ihrer Meinung nach zu niedrige Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin gewehrt. Ausdrücklich hat sie auf den Zeitverlust ihrer Begleitperson hingewiesen, die ihre Zeit nicht ohne weiteres für einen ganzen Tag zur Verfügung habe stellen können. Im Kern ist daher von der Antragstellerin auch beantragt worden, den Zeitverlust höher oder jedenfalls so hoch wie möglich zu entschädigen, wobei man von der Antragstellerin als Nichtjuristin nicht die Benennung des entsprechenden Fachbegriffs für die Entschädigung nach dem JVEG verlangen kann. Bei der Abwesenheit der Antragstellerin von 7:00 bis 18:00 Uhr ist auch ohne weiteres davon auszugehen, dass die Haushaltsführung der Antragstellerin hierdurch Nachteile erlitten hat.

Die Antragstellerin lebt mit ihrem Lebensgefährten zusammen. Bei Haushaltsvorständen erscheint nach der Rechtsprechung des Kostensenats in der Regel bei einem Zwei-Personen-Haushalt – sofern keine anderen Anhaltspunkte vorliegen – eine Begrenzung der Entschädigung nach § 21 JVEG auf 4 Stunden ( x 12 Euro) als angemessen (Beschluss vom 10.06.2005 - L 12 R 1271/05 KO-B -).

Soweit eine Haushaltsentschädigung nach § 21 JVEG gewährt wird, ist der Nachteilsausgleich nach § 20 JVEG ausgeschlossen. Da die Antragstellerin über die Haushaltsentschädigung nach § 21 JVEG mit 48 Euro einen höheren Betrag erhält als über den allgemeinen Nachteilsausgleich (hier wären nur 10 x 3 Euro möglich, siehe oben), ist nicht auf die Problematik einzugehen, dass über den vorrangigen § 21 JVEG gegebenenfalls ein niedrigerer Betrag zu erstatten wäre als nach § 20 JVEG.

Der Antragstellerin kann im Übrigen nicht kostenmindernd entgegen gehalten werden, dass ihr im selben Haushalt lebender Lebensgefährte ebenfalls arbeitslos ist und daher einen Teil der Haushaltsführung zu übernehmen habe. Bei Eheleuten und den bei ihnen bestehenden gegenseitigen Unterhaltspflichten aus § 1360 BGB ist es unzulässig, im Kostenfestsetzungsverfahren in eine in der Partnerschaft vereinbarte Regelung über die Haushaltsführung einzugreifen (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 24. Aufl. 2007, Rz. 21.2). Nach der Auffassung des Senats kann im Falle von eheähnlichen Lebensgemeinschaften im Rahmen der Entscheidung über eine Entschädigung nach § 191 SGG nichts anderes gelten.

Insgesamt ist die Antragstellerin danach wie folgt zu entschädigen:

- Mietwagen, § 5 Abs. 3 JVEG 105,51 Euro - Treibstoff (Diesel), § 5 Abs. 3 JVEG 42,51 Euro - Verzehrkosten, § 6 JVEG 12,00 Euro - Zeitversäumnis, § 20 JVEG (Begleitperson) 30,00 Euro - Haushaltsnachteile, § 21 JVEG 48,00 Euro Summe 238,02 Euro

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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