L 13 R 2639/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 859/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2639/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. März 2005 abgeändert. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1950 geborene Kläger erlernte in den der Zeit vom 20. April 1965 bis 20. April 1968 den Beruf des Schneiders und übte diesen in der Folge bis 4. Dezember 2000, zuletzt als selbständiger Änderungsschneider aus. Ab 5. Dezember war der Kläger arbeitsunfähig krank; ab 6. Dezember 2000 bezog er von der Allgemeinen Ortskrankenkasse S. Krankengeld. Am 27. Mai 2002 beantragte der Kläger, nachdem er zuvor ein auf seinen Antrag vom 25. April 2001 von der Beklagten bewilligtes stationäres Heilverfahren in der Klinik in E. absolviert hatte, Rente wegen Erwerbsminderung. Zur (weiteren) Aufklärung des medizinischen Sachverhalts ließ die Beklagte den Kläger von dem Arzt für Orthopädie Dipl.-Med. M. begutachten. Dieser führte in seinem Gutachten vom 18. August 2002 aus, der Kläger leide an einem vasomotirischen Kopfschmerz, an einer Somatisierungsstörung und an einer Varikosis des rechten Beines. Trotz dieser Erkrankungen sei der Kläger noch in der Lage, sowohl seinen zuletzt ausgeübten Beruf als auch sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich und länger auszuüben. Mit Bescheid vom 16. September 2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter Vorlage von Befundunterlagen seiner behandelnden Ärzte am 30. September 2002 Widerspruch. Er trug vor, das Gutachten werde insbesondere der im wesentlichen durch die Kopfschmerzen bedingten Schmerzerkrankung nicht gerecht. Nach Einholung einer prüfärztlichen Stellungnahme von Dipl.-Med. M., der an seiner sozialmedizinischen Beurteilung im Gutachten vom 18. August 2002 festhielt (Stellungnahme vom 13. Januar 2003), wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2003 zurück.

Mit seiner am 31. März 2003 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er halte den Sachverhalt weiterhin für aufklärungsbedürftig und die Einholung sachverständiger Zeugenaussagen seiner behandelnden Ärzte sowie erforderlichenfalls die Beauftragung eines nervenärztlichen Sachverständigen für geboten. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. (Stellungnahme vom 25. November 2004; Bl. 144 der Klageakte S 6 RJ 85/03) entgegengetreten. Ihres Erachtens könne der Kläger auch im zuletzt ausgeübten Beruf noch mindestens sechs Stunden täglich arbeiten. Darüber hinaus könne dieser auch auf eine Tätigkeit als Kontrolleur von Teilen auf Fehler und Fäden (Endkontrolle in der Bekleidungsindustrie) zumutbar verwiesen werden. Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Arzt für Allgemeinmedizin Dr. B., Arzt für Anästhesie B. und Dipl.-Psych. A. eingeholt. Alle drei haben der Einschätzung von Dipl.-Med. M. widersprochen und die Auffassung vertreten, der Kläger könne nur noch maximal (B.) bzw. weniger (Dr. B. und Dipl.-Psych. A.) als drei Stunden täglich arbeiten. In der Folge hat das SG von Amts wegen den Facharzt für psychotherapeutische Medizin, für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für innere Medizin Dr. G. und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Dr. H. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dr. G. hat ausgeführt, eine wesentliche quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens liege beim Kläger nicht vor. In qualitativer Hinsicht müsse der Kläger lediglich permanente Zwangshaltungen des Kopfes und des Nackens vermeiden. Demgegenüber hat Dr. H. die Auffassung vertreten, der Kläger sei wegen der starken Schmerzen nicht mehr erwerbsfähig. Mit Urteil vom 24. März 2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2003 verurteilt, dem Kläger unter Zugrundelegung eines am 27. Mai 2004 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. Juni 2004 auf Dauer zu gewähren. Im übrigen hat das SG die Klage abgewiesen. Die Kammer sei bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Klägers dem Gutachten von Dr. H. gefolgt. Dieser habe überzeugend dargelegt, dass der Kläger selbst leichte Arbeiten nicht mehr wenigstens drei Stunden täglich ausführen könne.

Gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 27. Juni 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. Juni 2005 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Das Gutachen von Dr. H. überzeuge nicht. Dieser habe seine Beurteilung nicht mit objektiven Befunden belegen können, sondern seine Einschätzung lediglich auf die Beschwerdeangaben des Klägers gestützt. Dessen Aussagen zur Häufigkeit der Kopfschmerzanfälle seien jedoch widersprüchlich und deshalb nicht geeignet, die Beurteilung des Sachverständigen zu tragen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Dieses habe seine Schmerzkrankheit mit täglichen schweren Kopfschmerzen angemessen gewürdigt.

Der Senat hat den Facharzt für Neurologie und Chefarzt der Klinik für Neurologie des Klinikums a. W. Dr. E. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 26. Januar 2006 ausgeführt, der Kläger leide an einer chronifizierten somatoformen Störung auf dem Boden einer chronischen psychosozialen Konfliktsituation. Die berufliche Leistungsfähigkeit werde durch dieses Krankheitsbild nicht beeinträchtigt. Zu vermeiden seien lediglich Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck, rasch wechselnde inhaltliche Arbeitsanforderungen und starke Anforderungen an die soziale Kompetenz.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakten der Beklagten (24 300850 H 034), die Klageakte des SG (S 6 RJ 859/03) und die Berufungsakte des Senats (L 13 R 2639/05) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Sie ist statthaft, da wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) und - weil unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt - auch im übrigen zulässig.

Die Berufung ist auch begründet; das SG hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Antrag des Klägers vom 27. Mai 2002 ablehnende Bescheid vom 16. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. März 2003. Dieser erweist sich in vollem Umfang als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat (auch) für die Zeit ab 1. Juni 2004 keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit besteht ebenfalls nicht.

Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.

Gemäß § 302b Abs. 1 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, der bereits am 31. Dezember 2000 bestanden hat, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Gewährung dieser Leistungen maßgebend waren. Dementsprechend bleiben §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.) anwendbar, wenn sich bei Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 ergibt (vgl. §§ 99 ff. SGB VI). Dies gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Rentenanspruch anerkannt wurde. Ergibt sich hingegen ein späterer Rentenbeginn, findet das neue Recht (§§ 43, 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung) Anwendung (vgl. hierzu Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 302b Rdnr. 3). Im Falle des Klägers richtet sich der Rentenanspruch nach neuem Recht. Selbst wenn man in Anwendung des § 116 Abs. 2 SGB VI den am 25. April 2001 gestellten Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in einen Rentenantrag umdeuten würde, könnte sich ein vor dem 1. Januar 2001 liegender Rentenbeginn nicht ergeben.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Der Kläger ist zur vollen Überzeugung des Senats noch in der Lage, sowohl eine Tätigkeit in seinem erlernten und zuletzt (versicherungspflichtig) ausgeübten Beruf als Schneider, als auch andere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die nicht mit hohem Zeitdruck verbunden sind, keine rasch wechselnde inhaltliche Arbeitsanforderungen und keine starken Anforderungen an die soziale Kompetenz stellen, mindestens sechs Stunden täglich zu verreichten. Er ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.

Der Kläger leidet, wie der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. E. überzeugend dargelegt hat, (nur) an einer chronifizierten somatoformen Störung auf dem Boden einer chronischen psychosozialen Konfliktsituation. Eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht bedingt dieses Krankheitsbild nicht. Dies hat Dr. E., im Ergebnis übereinstimmend mit Dipl.-Med. M. und Dr. G., aus den von ihm erhobenen Befunden nachvollziehbar geschlussfolgert. Eine organische Ursache für die vom Kläger geklagten Kopfschmerzen, hat der Sachverständige überzeugend ausgeschlossen, ebenso das Vorliegen einer genuinen psychiatrischen Erkrankung. Damit steht auch fest, dass weitere Krankheitsbilder, die Einfluss auf das berufliche Leistungsvermögen des Klägers haben könnten, nicht vorliegen. Angesichts dieses Umstands vermochte der Senat den abweichenden Beurteilungen der behandelnden Ärzte Dr. Besenfelder und Bechtold sowie des Dipl.-Psych. A. ebenso wenig zu folgen, wie dem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. H ... Befunde, die deren Einschätzung, das Leistungsvermögen des Klägers sei auch quantitativ eingeschränkt, rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Gerade auf nervenärztlichem Fachgebiet kann eine rentenberechtigende Einschränkung des beruflichen Restleistungsvermögens wegen regelmäßig fehlender objektivierbarer Befunde aber erst dann angenommen werden, wenn mit Sicherheit auszuschließen ist, dass die geschilderten und subjektiv empfundenen Beschwerden vorgetäuscht oder auch nur aggraviert werden oder mit zumutbarer Willensanstrengung überwunden werden können. Für eine solche Feststellung bieten die Aussagen der sachverständigen Zeugen und die Darlegungen von Dr. H. keine ausreichende Grundlage. Der Kläger hat gegenüber Gutachtern und behandelnden Ärzten wiederholt eine fast tägliche Frequenz der Kopfschmerzanfälle angegeben. Auch gegenüber dem Senat hat er vorgetragen, er leide seit sieben Jahren täglich unter "ganz starken Kopfschmerzen". Gleichwohl hat keiner der mit der Begutachtung des Klägers beauftragten Sachverständigen während der Begutachtungssituation Anhaltspunkte für einen aktuell auftretenden Schmerzanfall erkennen können. Selbst Dr. H. beschreibt in seinem Gutachten vom 24. Juni 2004, der Kläger habe während der gesamten Untersuchung nicht eigentlich schmerzgequält gewirkt. Die Einlassung des Klägers, er habe die Schmerzen vor der Begutachtung medikamentös behandelt, vermag diese Beobachtung, die sich im übrigen mit derjenigen von Dr. G. deckt, jedenfalls nicht umfassend zu erklären. Dies gilt um so mehr als Dr. E. sogar während einer dreitägigen stationären Begutachtung keine körperlichen oder psychoorganischen Beeinträchtigungen durch die angegebenen Kopfschmerzen feststellen konnte. Im Ergebnis bleiben deshalb zumindest Zweifel, ob sich die Beschwerdeintensität objektiv so darstellt, wie vom Kläger beschrieben. Bei diesem Sachverhalt taugen die subjektiven Beschwerdeangaben des Klägers nur eingeschränkt als Grundlage gutachterlicher Feststellungen. Dieser Gesichtspunkt findet in den Beurteilungen der behandelnden Ärzte und in derjenigen des Sachverständigen Dr. H. keine ausreichende Berücksichtigung.

Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; der Kläger ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Im Falle des Klägers bedarf es der Prüfung, ob und gegebenenfalls auf welche anderen Tätigkeiten er zumutbar verwiesen werden kann, nicht, denn er ist noch in der Lage seinen bisherigen Beruf weiterhin mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Wie oben eingehend begründet, liegt eine quantitative Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens nicht vor. In qualitativer Hinsicht sind - auch insoweit schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen von Dr. E. an- lediglich Tätigkeiten unter hohem Zeitdruck, rasch wechselnde inhaltliche Arbeitsanforderungen und starke Anforderungen an die soziale Kompetenz zu vermeiden. Diesen Funktionseinschränkungen kann bei einer Tätigkeit als Schneider ausreichend Rechnung getragen werden.

Eine Pflicht zur Benennung konkreter Verweisungstätigkeit ergibt sich auch nicht aus dem Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsminderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Bei den dargelegten, vom Kläger einzuhaltenden Funktionseinschränkungen handelt es sich nur um gewöhnlicher Einschränkungen, die den Rückschluss, dass entsprechende Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vorhanden sind, nicht zulässt (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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