L 8 R 5030/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3079/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 5030/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat.

Der 1967 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1983 bis 15.07.1985 in der DDR eine Ausbildung zum Backwarenfacharbeiter, die er erfolgreich abschloss. Danach war er als Teigmacher/Ofenführer, Brigadier in einer Bäckerei und von 1990 bis 1992 als Lehrausbilder im Bäckerhandwerk beschäftigt. Von 1992 bis 1997 arbeitete er als sogenannter Ofenführer in einer Konditorei. Anschließend war er bis zu seiner wegen Krankheit erfolgten Kündigung zum 31.10.2000 als stellvertretender Schichtleiter und zuletzt als Leitender Ofenführer in einer Konditorei in C. beschäftigt. Ab 22.01.1999 war er arbeitsunfähig erkrankt; bis 04.03.1999 erhielt er Lohnfortzahlung vom seinem Arbeitgeber und vom 05.03.1999 bis 21.07.2000 bezog er - mit Ausnahme der Zeit des Bezuges von Übergangsgeld - von seiner Krankenkasse Krankengeld; anschließend erhielt der Kläger bis 24.01.2001 Arbeitslosengeld.

Am 22.01.1999 hatte der Kläger bei einem privaten Skiunfall eine Distorsion des linken Handgelenks erlitten, die am 20.04.1999 eine Operation (Revidierung des Gelenks und partielle Entfernung des geschädigten Discus ulnaris) notwendig machte. Vom 31.08.1999 bis 21.09.1999 unterzog sich der Kläger einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik H. in R., aus der er mit den Diagnosen Bewegungsschmerz und Funktionseinschränkung (Supinationsstörung) linkes Handgelenk bei Zustand nach Diskus-Teilentfernung linkes Radioulnargelenk nach Distorsion 04/99 sowie Rundrücken, Haltungsschwäche und Untergewicht als arbeitsunfähig entlassen wurde. Zwar hätten die Beschwerden des Klägers im Bereich des linken Handgelenks gelindert und die Beweglichkeit verbessert werden können. Falls aber eine stufenweise Wiedereingliederung am jetzigen Arbeitsplatz nicht möglich sei, sollten die Möglichkeiten einer Umsetzung im Betrieb geprüft werden. Am 10.12.1999 wurde der Kläger erneut an der linken Hand operiert.

Vom 29.05. bis 09.06.2000 wurde im Berufsförderungswerk Brandenburg eine Berufsfindung und Arbeitserprobung für den Kläger durchgeführt. In der sozialmedizinischen Beurteilung von Dr. L. vom 30.05.2000 heißt es, aufgrund der belastungsabhängigen Bewegungseinschränkungen im Bereich des linken Handgelenks sei der Einsatz im erlernten Beruf und in den zuletzt ausgeübten Tätigkeiten nicht mehr opportun. Im Interesse der besseren Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt sei deshalb eine berufliche Neuorientierung zu empfehlen. Im Ergebnisbericht des Berufsförderungswerks Brandenburg vom 19.06.2000 ist zusammenfassend ausgeführt, während der praktischen Erprobung im kaufmännisch-verwaltenden Bereich, in dem der Leistungsschwerpunkt des Klägers liege, habe er sein sehr gutes Leistungsvermögen unter Beweis stellen können. Im Abschlussgespräch habe sich der Kläger geäußert, dass er sich aller Wahrscheinlichkeit nach für eine Ausbildung zum Industriekaufmann entscheiden werde.

Am 21.07.2000 stellte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt Brandenburg (LVA) einen Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit und gab an, er habe ständige Schmerzen im Bereich der linken Hand und ferner bestehe eine Bewegungseinschränkung und seien Rotationsbewegungen nicht möglich. Er halte sich daher für berufsunfähig. Bürotätigkeiten, die dieser Einschränkung gerecht würden, könnte er noch acht Stunden täglich ausüben. Nach Einholung der prüfärztlichen Stellungnahme der Internistin Dr. F. vom 19.09.2000, die ein unter zweistündiges Leistungsvermögen für die Tätigkeiten als Bäcker und Ofenführer annahm, aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die Anlerntätigkeit als Industriekaufmann bejahte, lehnte die LVA den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 11.10.2000 ab und begründete dies damit, zwar könne der Kläger nicht mehr als Ofenführer arbeiten, eine Tätigkeit, die unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs zumutbar sei, könne er jedoch noch vollschichtig ausüben.

Dagegen legte der Kläger am 08.11.2000 Widerspruch ein und machte geltend, er könne seinen erlernten Beruf als Bäcker aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien nicht in vollem Umfang berücksichtigt worden.

Auf seinen Antrag vom 15.10.1999 bewilligte die LVA dem Kläger mit Bescheid vom 13.12.2000 eine Ausbildung für den Beruf des Industriekaufmanns als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation, die vom 25.01.2001 bis 21.01.2003 im Berufsförderungswerk Bad Wildbad durchgeführt werde. In dieser Zeit bezog der Kläger von der LVA Übergangsgeld.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2002 wies die LVA den Widerspruch des Klägers gegen den ablehnenden Rentenbescheid vom 11.10.2000 zurück. Der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig da er zwar im Hinblick auf seinen beruflichen Werdegang Facharbeiter sei, er aus medizinischer Sicht aber körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten, die ihm nach seinem bisherigen Arbeitsleben zuzumuten seien, uneingeschränkt in allen Haltungsarten bei Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichten könne. Wegen der erheblichen Einschränkungen des Leistungsvermögens des Klägers gehe sie hinsichtlich einer Verweisungstätigkeit von einem verschlossenen Arbeitsmarkt aus und nehme vom 22.01.1999 bis zum Ende der berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation vorerst Berufsunfähigkeit an. Ein Anspruch auf Rente bestehe jedoch nicht, da der Kläger im Hinblick auf die ihm mit Bescheid vom 13.12.2000 bewilligte berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation Anspruch auf Übergangsgeld habe und ein solcher für die Dauer dieser Maßnahme auch anerkannt worden sei.

Mit Schreiben vom 05.02.2004 teilte der Kläger der LVA mit, er habe am 21.01.2003 seine Umschulung beendet und sei seither arbeitslos. Er bitte nun - wie im Schreiben vom 09.01.2002 und auch im Widerspruchsbescheid vom 28.02.2002 mitgeteilt - um abschließende Entscheidung über seinen Rentenantrag vom 21.07.2000. Nach Einholung der Auskünfte des Berufsförderungswerks Bad Wildbad vom 20.04.2004 und des Chirurgen P. vom 22.04.2004 beauftragte die LVA den Orthopäden Dr. K., St., mit der Erstattung eines Gutachtens. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers diagnostizierte der Gutachter am 23.06.2004 eine Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Handgelenks bei Zustand nach Operation nach Karpandji im Bereich des linken Unterarmes und gelangte zu der Beurteilung, die Belastbarkeit des linken Handgelenks sei auf Dauer herabgesetzt. Die Tätigkeit des Bäckers sei dem Kläger nicht mehr zumutbar. Geeignete körperliche Tätigkeiten auch im zuletzt erlernten Beruf des Industriekaufmannes könne er ganztags ausüben. Daraufhin lehnte die LVA den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11.08.2004 ab.

Dagegen legte der Kläger am 23.08.2004 Widerspruch ein und brachte vor, es seien nicht alle Umstände zutreffend berücksichtigt worden. Auch liege nicht nur eine Bewegungseinschränkung seines linken Handgelenks vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2004 wies die LVA den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger sei weder berufs- noch gar erwerbsunfähig. Zwar könne er nicht mehr als Bäcker arbeiten, körperlich leichte Arbeiten seien ihm jedoch bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen, insbesondere bei Vermeidung einer wesentlichen Beanspruchung der Hand- und Fingergeschicklichkeit links, noch vollschichtig zumutbar. Dazu gehöre auch die Tätigkeit eines Industriekaufmannes (Umschulungsberuf).

Am 20.12.2004 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG), mit der er einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit geltend machte. Zur Begründung brachte er unter Hinweis auf die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen vor, durch die dauerhafte Beeinträchtigung des linken Handgelenks und des linken Unterarms sei seine Erwerbsfähigkeit erheblich gemindert. Auch bei einfachen Bürotätigkeiten am PC verspüre er heftige Schmerzen im linken Handgelenk, sodass er dieses ab und zu kühlen müsse, um die Schmerzen zu mindern. Im Umschulungsberuf des Industriekaufmanns habe er bislang zu keiner Zeit gearbeitet. Vielmehr sei er über mehr als zwei Jahre arbeitslos gewesen. Er habe Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil weder die Bundesagentur für Arbeit noch der Rentenversicherungsträger ihm binnen eines Jahres nach Rentenantragstellung einen entsprechenden Arbeitsplatz hätten vermitteln können.

Das SG hörte den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. D., den Handchirurgen Dr. L. und den Chirurgen P. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. D. gab am 28.06.2005 an, über ein Krankheitsgeschehen im Bereich des linken Handgelenks sei ihm nichts bekannt. Der Kläger habe sich im Wesentlichen wegen Oberbauchbeschwerden vorgestellt; vom 02.03. bis 04.03.2005 sei er wegen eines Wirbelsäulenschadens krank geschrieben worden. Dr. L. teilte mit, der Kläger habe ihn lediglich am 30.09.2003 konsultiert. Den im Gutachten von Dr. K. vom 22.06.2004 niedergelegten Befunden und dessen Leistungsbeurteilung schließe er sich an. Am 26.07.2005 gab der Chirurg P. an, der Kläger sei von ihm in der Zeit vom 19.08. bis 30.09.2003 behandelt worden. Er stimme mit den Befunden im Gutachten von Dr. K. und dessen Leistungsbeurteilung überein.

Mit Urteil vom 19.10.2005 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Unstreitig könne er seinen bisherigen Beruf als Bäcker bzw. Ofenführer nicht mehr ausüben. Er genieße zwar den Berufsschutz eines Facharbeiters, könne aber auf seinen Umschulungsberuf des Industriekaufmanns verwiesen werden. Diese Tätigkeit sei dem Kläger als Rechtshänder auch gesundheitlich und sozial zumutbar. Im Übrigen bestehe für die Zeit vom Zeitpunkt der Renten- bzw. Rehaantragstellung bis zum Abschluss der Umschulung wegen des vorrangigen Anspruchs auf Übergangsgeld ohnehin kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 25.10.2005 zugestellt.

Dagegen hat der Kläger am 24.11.2005 Berufung eingelegt, mit der er weiterhin einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit geltend macht. Er bringt unter Hinweis auf seinen bisherigen beruflichen Werdegang und das von ihm insoweit vorgelegte Arbeitszeugnis der C. Backstuben GmbH vor, er sei als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter und nicht nur als bloßer Facharbeiter einzustufen. Er sei zuletzt stellvertretender Schichtführer in einer Konditorei mit regelmäßiger eigenständiger Übernahme der Aufgaben eines Schichtleiters und zudem in der Zeit zwischen 1998 und 1999 lehrlingsverantwortlicher Ofenführer in dieser Konditorei gewesen. Zudem habe er seit Beendigung der Umschulung zu keiner Zeit als Industriekaufmann gearbeitet. In der Zeit vom 01.03. bis 31.07.2005 sei er lediglich als reine Bürokraft beschäftigt gewesen. Erst zum 01.06.2006 habe er eine Neuanstellung gefunden, jedoch wiederum nicht genau als Industriekaufmann, aber in einer zumindest ähnlichen Position. Da ihm jedenfalls bis 01.06.2006 kein entsprechender Arbeitsplatz hätte vermittelt werden können, habe er bis 31.05.2006, mindestens aber vom 31.03.2003 bis 28.02.2005 Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Oktober 2005 und den Bescheid der Landesversicherungsanstalt Brandenburg vom 11. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie bleibe dabei, dass der Kläger (nur) als Facharbeiter anzusehen sei. Eine Ausbildungsberechtigung zur Lehrausbildung im Bäckerhandwerk habe der Kläger nach der aktenkundigen Bescheinigung der Handwerkskammer Cottbus vom 09.03.1992 nur bis zum 31.08.1992 gehabt, sodass seine Tätigkeit als lehrlingsverantwortlicher Ofenführer nicht mit der eines Lehrausbilders gleichzusetzen sei. Der Kläger könne sozial und gesundheitlich zumutbar auf die Tätigkeit eines Industriekaufmannes verwiesen werden. Ein Rentenanspruch aufgrund der Arbeitsmarktlage komme im Übrigen nur bei einem unter halbschichtigen Leistungsvermögen in Frage. Der Kläger sei aber noch zur vollschichtigen Ausübung der ihm zumutbaren Verweisungstätigkeit in der Lage. Die Beklagte hat die in der Datenbank für Ausbildungs- und Tätigkeitsbeschreibungen der Bundesagentur für Arbeit BERUFEnet enthaltenen Beschreibungen hinsichtlich des Berufes des Industriekaufmannes vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der LVA, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, vom 11.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2004, mit dem diese abschließend über den Rentenantrag des Klägers vom 21.07.2000 entschieden hat. Der vom Kläger nicht angegriffene Bescheid vom 11.10.2000 (Widerspruchsbescheid vom 28.02.2002) traf - was aus der Mitteilung der LVA vom 09.01.2002 und auch dem Widerspruchsbescheid vom 28.02.2002 eindeutig hervorgeht - nur eine vorläufige Entscheidung bis zum Abschluss der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme. Streitig ist somit ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 21.07.2000, den der Kläger auch nicht im Laufe des gerichtlichen Verfahrens wirksam auf einen späteren Zeitraum (etwa ab Beendigung der Umschulungsmaßnahme) beschränkt hat.

Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Berufsunfähigkeit richtet sich gemäß § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) nach dem SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (aF), weil der Kläger (auch) Leistungen für die Zeit vor dem 01.01.2001 begehrt und der Rentenantrag vor diesem Zeitpunkt gestellt wurde.

Dem Kläger steht eine Rente wegen Berufunfähigkeit nicht zu. Für die Zeit bis zum 21.01.2003 (Beendigung der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme) folgt dies aus § 116 VI aF. Nach Abs. 1 S. 2 dieser Bestimmung besteht neben einem Anspruch auf Übergangsgeld kein Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wozu auch die Rente wegen Berufsunfähigkeit zählt (§ 33 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI aF), und einen Anspruch (auch auf vorgezogenes) Übergangsgeld nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 28.02.2002 ausdrücklich anerkannt. Für die Zeit nach Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme steht eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu, weil der Kläger nach erfolgreich abgeschlossener Umschulung nicht berufsunfähig ist.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI aF haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Rentenanspruch sind erfüllt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten; auch die Beklagte ging bei ihrem ablehnenden Rentenbescheid davon aus, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hat.

Berufsunfähig sind gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI aF Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige" Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 107, 169). Kann der Versicherte diesen ohne wesentliche Einschränkung weiterhin ausüben, so schließt allein dies die Annahme von Berufsunfähigkeit aus. In der Regel ergibt sich der bisherige Beruf aus der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, die auch dann maßgebend ist, wenn sie nur kurzfristig ausgeübt worden ist, aber zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSGSozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164). Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Prüfung hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 138, 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufes in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 33). Grundsätzlich darf ein Versicherter im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nur auf die nächst niedrigere Stufe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 15).

Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften und Maßstäbe steht dem Kläger eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu. Zwar kann der Kläger seien erlernten Beruf als Bäcker und seine zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Ofenführer und stellvertretender Schichtleiter in einer Konditorei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Nach erfolgreicher Absolvierung einer Umschulung zum Industriekaufmann kann der Kläger jedoch auf diese Tätigkeit verwiesen werden (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI aF).

Bisheriger Beruf des Klägers im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI aF ist der des Bäckers, den er nach mit Erfolg abgelegter Abschlussprüfung im Juli 1985 bis zur krankheitsbedingten Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 31.10.2000 im Wesentlichen ausgeübt hat. Der Umstand, dass er seit 1992 als Ofenführer und später als stellvertretender Schichtleiter und lehrlingsverantwortlicher Ofenführer gearbeitet hat, ändert hieran nichts. Diese Tätigkeiten gehören zum Spektrum der Tätigkeiten eines gelernten Bäckers und stellen lediglich Spezialisierungen dar. Damit kommt er in den Genuss des Berufsschutzes eines Facharbeiters. Entgegen seiner Auffassung ist sein bisheriger Beruf nicht dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters zuzuordnen. Hierfür genügt die Tätigkeit als stellvertretender Schichtleiter in einer Konditorei nicht. Dass er von 1998 bis 1999 Ofenführer war, der insoweit für die Lehrlinge verantwortlich war, machte ihn schon deshalb nicht zum besonders hoch qualifizierten Facharbeiter, weil er zu dieser Zeit keine Ausbildungsberechtigung mehr hatte. Dies folgt aus der aktenkundigen Bescheinigung der Handwerkskammer C. vom 09.03.1992, wonach er diese nur bis 31.08.1992 besaß.

Der Kläger kann seinen bisherigen Beruf als Bäcker seit dem im Januar 1999 erlittenen privaten Skiunfall, bei dem er sich eine Distorsion der linken Hand zugezogen hat, nicht mehr ausüben. Dies folgt für den Senat in erster Linie aus dem von der LVA eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. K. vom 23.06.2004, der zu der überzeugend begründeten Beurteilung gekommen ist, dass die Belastbarkeit des linken Handgelenks des Klägers auf Dauer herabgesetzt und die Tätigkeit als Bäcker nicht mehr möglich sei.

Es kommt somit darauf an, ob dem Kläger eine objektiv und subjektiv zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden kann. Die Beklagte hat den Kläger auf den Beruf des Industriekaufmanns, zu dem der Kläger erfolgreich umgeschult worden ist, verwiesen. Diese Tätigkeit ist dem Kläger subjektiv zumutbar. Dies folgt aus§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI aF, wonach eine Verweisungstätigkeit, zu der der Versicherte durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist, stets zumutbar ist. Aufgrund dieser Regelung steht allerdings nur die soziale Zumutbarkeit des Ausbildungs- und Umschulungsberufs fest (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 35 S. 135). Nicht enthoben sind die Versicherungsträger und im Streitfall die Gerichte der Prüfung, ob diese Verweisungstätigkeit dem Versicherten auch objektiv zumutbar ist. Dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Klägers ausreichen, um der Tätigkeit eines Industriekaufmannes nachzugehen, steht für den Senat aufgrund der erfolgreich abgeschlossenen Umschulung zu diesem Beruf fest. Im Übrigen macht der Kläger auch nicht geltend, nicht die hierfür nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten zu haben. Vielmehr bringt er vor, er habe nach Beendigung der Umschulung am 21.01.2003 nicht als Industriekaufmann gearbeitet, weil er keinen entsprechenden Arbeitsplatz gefunden habe. Dies tangiert aber die Frage der für die Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht. Der Kläger ist auch aus gesundheitlicher Sicht in der Lage, in seinem Umschulungsberuf als Industriekaufmann zu arbeiten. Dabei handelt es sich um eine Bürotätigkeit ohne wesentliche körperliche Beanspruchung, die der Kläger trotz seiner Behinderung im Bereich der linken Hand bzw. des linken Unterarmes ohne quantitative Leistungseinschränkung ausüben kann. Dies entnimmt der Senat dem vom Beklagten eingeholten Gutachten des Orthopäden Dr. K. und den Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers, die sich der Beurteilung von Dr. K., wonach dem Kläger geeignete körperliche Tätigkeiten auch im zuletzt erlernten Beruf des Industriekaufmannes ganztags zumutbar seien, in vollem Umfang angeschlossen haben. Hinzu kommt, dass der Kläger den gesundheitlichen Anforderungen dieser Tätigkeit während der erst im Januar 2003 abgeschlossenen Umschulungsmaßnahme gewachsen war, was sich insbesondere am erfolgreichen Abschluss der Maßnahme zeigt. Dass sich die Beeinträchtigung des Klägers im Bereich der linken oberen Extremität seither wesentlich verschlimmert hat, wird vom Kläger weder geltend gemacht noch ist dies sonst wie ersichtlich. Soweit der Kläger im Klageverfahren vorgebracht hat, er verspüre auch bei einfachen Bürotätigkeiten am PC heftige Schmerzen im linken Handgelenk, so dass er es ab und zu kühlen müsse, um die Schmerzen zu mindern, lässt dies nicht auf ein fehlendes Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Industriekaufmann schließen, zumal der Kläger Rechtshänder ist und er die rechte Hand uneingeschränkt einsetzen kann. Dafür, dass der Kläger ausreichend leistungsfähig ist, spricht auch der Umstand, dass er nach seinen eigenen Angaben seit 01.06.2006 eine der Tätigkeit eines Industriekaufmannes zumindest ähnliche Tätigkeit ausübt.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat er auch keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil er seit Abschluss der beruflichen Rehabilitationsmaßnahme im März 2003 nicht als Industriekaufmann gearbeitet hat, weil ihm kein entsprechender Arbeitsplatz vermittelt worden ist. Berufsunfähig ist nämlich nach § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI aF nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Der Kläger war und ist zur vollschichtigen Ausübung der Tätigkeit als Industriekaufmann in der Lage. Damit scheidet ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit aus. Dass er nach der Umschulung nicht als Industriekaufmann gearbeitet hat, begründet den geltend gemachten Anspruch nicht. Eine sogenannte Arbeitsmarktrente kommt nur bei einem - hier nicht vorliegenden - unter vollschichtigen Leistungsvermögen in Betracht. Der Kläger beruft sich daher zu Unrecht auf die Rechtsprechung des BSG (SozR 2200 § 1246 Nr. 13). Das von ihm zitierte Urteil des BSG vom 29.03.2006 (B 13 RJ 41/05 R) befasst sich im Wesentlichen mit der Verpflichtung zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit auch nach erfolgreichem Abschluss einer berufsfördernden Leistung zur Rehabilitation. Bei der Tätigkeit des Industriekaufmannes handelt es sich im Unterschied zum dort entschiedenen Fall um eine konkrete und arbeitsmarktgängige Berufstätigkeit, die ohne Weiteres eine Nachprüfung ermöglicht, ob sie dem Leistungsvermögen des Klägers gerecht wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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