Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 5911/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1427/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1945 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 15. April 1959 bis 31. März 1962 eine Ausbildung zur Verkäuferin. Diesen Beruf übte sie bis 29. Februar 1980 aus und war anschließend ab 3. März 1980 als angelernte Werkzeugschleiferin beschäftigt. Der Berufswechsel erfolgte nicht aus gesundheitlichen Gründen. Am 15. Juli 2002 beantragte die Klägerin, die seit 13. November 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist (Bescheid des Versorgungsamts S. vom 2. Februar 1999), die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts ließ die Beklagte die Klägerin von Internist Dr. B. begutachten. Dieser diagnostizierte thorakale Schmerzen unklarer Ursache bei angiographischem Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit (März 2001), ein Brustwirbelsäulen-Syndrom und Restbeschwerden nach Teilamputation der Zehen zwei bis vier rechts und Großzehenendgliedfraktur rechts. In seinem Gutachten vom 30. August 2002 vertrat Dr. B. die Auffassung, die Klägerin sei trotz ihrer Erkrankungen noch in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Lasten, ohne einseitige Körperhaltungen und ohne häufiges Bücken sechs Stunden täglich und länger zu verrichten. Mit Bescheid vom 4. September 2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie nach Auswertung von der Klägerin vorgelegter Arztunterlagen durch Dr. L. (sozialmedizinische Stellungnahme vom 10. Oktober 2002; Bl. M12 der Verwaltungsakten) mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2002 zurück.
Mit ihrer am 5. Dezember 2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. S. (Bl. 131 bis 133 der Klageakte) entgegengetreten. Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H., Internist Dr. D. und Dr. H., Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Kreiskrankenhaus B., eingeholt. Dr. H. hat die Klägerin in seiner Aussage vom 3. Februar 2003 nur noch für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten bis zu drei Stunden täglich zu verrichten, wobei das Schwergewicht der das berufliche Leistungsvermögen einschränkenden Erkrankungen auf kardiologischem Fachgebiet liege. Dr. D. hat in seiner Aussage vom 13. Mai 2003 ebenfalls ein dreistündiges Leistungsvermögen angenommen, aber auch eine spätere Steigerung für möglich gehalten. Das für das berufliche Restleistungsvermögen maßgebliche Leiden liege auf internistischem Fachgebiet; ein psychologisches Konzil habe er angeraten. Dr. H. hat die Klägerin am 11. Februar 2003 wegen eines Meniskushinterhorndefekts am rechten Kniegelenk operiert. Aus seiner Sicht, so Dr. H. in seiner Aussage vom 30. Juli 2003, sei die Klägerin uneingeschränkt arbeitsfähig. In der Folge hat das SG den Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. zum Sachverständigen ernannt; auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) haben darüber hinaus der Facharzt für Chirurgie Dr. K. und der Arzt für Allgemeinmedizin L. ein Gutachten über die Klägerin erstattet. Dr. F. hat die Klägerin in seinem Gutachten vom 7. März 2004 noch für fähig gehalten, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Zum selben Ergebnis ist Dr. K. in seinem Gutachten vom 12. August 2004 gelangt. Demgegenüber hat der Arzt L. die Auffassung vertreten, die Klägerin könne selbst eine sitzende Tätigkeit nur noch maximal vier Stunden täglich ausführen (Gutachten vom 3. September 2004). Mit Urteil vom 24. Februar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass die Klägerin zumindest leichte Arbeiten noch wenigstens sechs Stunden täglich ausüben könne.
Gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 9. März 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. April 2005 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die sozialmedizinische Beurteilung des Arztes L. bestätige überzeugend das mit Klage und Berufung geltend gemachte Begehren.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2002 zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat den Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin 3 (Schwerpunkte Kardiologie und Pulmologie) am Robert-Bosch-Krankenhaus S., Prof. Dr. S. mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 22. August 2005 ausgeführt, die Klägerin leide an eine atypischen Angina pectoris, an einer ängstlichen Depression von der Art der Dysthymia mit Somatisierungsstörungen, an multiplen Veränderungen des Skelettsystems, an einer medikamentös behandelten Hypercholesterinämie, an einer Teilamputation der Zehen zwei bis vier rechts und Großzehenquerfraktur im Endglied sowie an einem Zustand nach vaginaler Hysterektomie bei descensus uteri. Darüber hinaus bestehe der Verdacht auf eine Myokarditis bei retrospektiv myokarditischem Infiltrat in der initialen Kernspintomographie vom 7. August 2002. Leichte körperliche Arbeiten könne die Klägerin trotz dieser Erkrankungen noch sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausführen. Im übrigen hat sich Prof. Dr. S. den Beurteilungen von Dr. F. und Dr. K. in deren vom SG eingeholten Gutachten angeschlossen und sich ergänzend am 21. Juni 2006 geäußert.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG (S 13 RJ 5911/02) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 1427/05) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 153 Abs. 4 SGG), denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Anhörung der Klägerin hat keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 15. Juli 2002 ablehnende Bescheid vom 4. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2002. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.
Gemäß § 302b Abs. 1 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, der bereits am 31. Dezember 2000 bestanden hat, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Gewährung dieser Leistungen maßgebend waren. Dementsprechend bleiben §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.) anwendbar, wenn sich bei Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 ergibt (vgl. §§ 99 ff. SGB VI). Dies gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Rentenanspruch anerkannt wurde. Ergibt sich hingegen ein späterer Rentenbeginn, findet das neue Recht (§§ 43, 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung) Anwendung (vgl. hierzu Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 302b Rdnr. 3). Im Falle der Klägerin richtet sich der Rentenanspruch nach neuem Recht. Angesichts des erst am 15. Juli 2002 gestellten Rentenantrags könnte sich ein vor dem 1. Januar 2001 liegender Rentenbeginn nicht ergeben.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Klägerin ist noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verreichten. Sie ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. In Übereinstimmung mit dem SG hält auch der Senat die Sachverständigengutachten von Dr. B., Dr. K. und Dr. F. für überzeugend und vermag sich demgegenüber den abweichenden Einschätzungen der Ärzte für Allgemeinmedizin Dr. L. und Dr. H. sowie des Internisten Dr. D. nicht anzuschließen. Zunächst liegen auf orthopädisch/chirurgischem und nervenärztlichem Fachgebiet keine Leiden vor, die eine Einschränkung des beruflichen Restleistungsvermögens in rentenberechtigendem Umfang rechtfertigen könnten. Dies haben Dr. F. und Dr. K. in ihren Gutachten vom 7. März 2004 bzw. 12. August 2004 überzeugend dargelegt. Die abweichenden Beurteilungen von Dr. H., Dr. D. und Dr. L. stehen dem nicht entgegen, nachdem diese ihre (abweichenden) Einschätzungen des Leistungsvermögens der Klägerin jeweils mit Leiden des internistisch/kardiologischen Fachgebiets begründet haben. Diesbezüglich schließt sich der Senat der überzeugenden Beweiswürdigung des SG in den Gründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollumfänglich zu eigen und sieht deshalb (insoweit) von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Auf internistischem Fachgebiet liegen, wie insbesondere die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, ebenfalls keine Befunde vor, die geeignet wären, das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin auf ein unter sechsstündiges Maß zu reduzieren. Dieses Fachgebiet betreffend hat der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S. bei der Klägerin eine mit Luftnot verbundene atypische Angina pectoris diagnostiziert. Diese Einschätzung überzeugt, nachdem Prof. Dr. S. eine stenosierende koronare Herzkrankheit angiographisch ausschließen konnte und sich aktuell szintigraphisch kein signifikanter Ischämienachweis ergeben hat. Neben diesem im Vordergrund der das Leistungsvermögen limitierenden Leiden stehenden Erkrankung besteht bei der Klägerin noch eine medikamentös behandelte Hypercholesterinämie. Auch die internistischen Erkrankungen führen, wie Prof. Dr. S. aus den von ihm erhobenen Befunden nachvollziehbar und schlüssig gefolgert hat, nur zu quantitativen Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Klägerin muss deshalb Tätigkeiten in Kälte, Hitze oder starken Temperaturschwankungen, Schichtdienst, Akkordarbeiten und das Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10 kg zu vermeiden. Auch die internistischen Erkrankungen der Klägerin sind hingegen nicht so schwerwiegend, als dass hieraus – auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Leiden sämtlicher hier betroffener Fachgebiete – eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht folgen würde.
Angesichts der in der Argumentation schlüssigen und im Ergebnis überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S., deren Richtigkeit auch durch das bereits im Verlauf des Verwaltungsverfahrens eingeholte Gutachten des Internisten Dr. B., das im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden kann, bestätigt wird, vermochte der Senat auch hinsichtlich der sozialmedizinischen Bedeutung der internistisch/kardiologischen Krankheitsbilder den abweichenden Einschätzungen von Dr. H., Dr. D. und Dr. Lang nicht zu folgen. Alle drei haben ihre Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens nicht mit objektivierbaren Befunden belegen können. Soweit Dr. Lang eine koronare Herzkrankheit angenommen hat, ist dies von Prof. Dr. S. mit überzeugender Begründung widerlegt worden, nachdem eine solche Diagnose bereits bei einer im Jahr 2001 durchgeführten Koronarangiographie ausgeschlossen werden konnte. Dementsprechend sind die Beurteilungen von Dr. H., Dr. D. und Dr. Lang im Ergebnis nicht geeignet, die Richtigkeit der (aktuellen) Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. S. in Zweifel zu ziehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind weitere Ermittlungen von Amts wegen auch auf internistischem Fachgebiet nicht angezeigt, insbesondere ist der Senat nicht gehalten, eine weiterführende kardiologische Diagnostik (Herzmuskelprobeentnahme und feingewebliche Untersuchung) zur Klärung der bei der Klägerin weiterhin vorliegenden Beschwerdesymptomatik zu veranlassen. Eine solche, für die Klägerin mit einem hohen Gesundheitsrisiko verbundene Untersuchung könnte, wie Prof. Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Juni 2006 nachvollziehbar erläutert hat, lediglich zur Klärung der Ursachen der Beschwerdesymptomatik beitragen; für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin wäre das Ergebnis einer solchen Untersuchung hingegen ohne Relevanz.
Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. Die genannten, bei der Klägerin vorliegenden qualitativen Einschränkungen können zwar das Spektrum der für sie in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).
Ausgehend von diesem Schema ist die Klägerin allenfalls der Gruppe der unteren Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von höchstens zwölf Monaten zuzuordnen. Die Klägerin hat zwar zunächst den Beruf der Verkäuferin erlernt, sie hat diesen jedoch Ende Februar 1980 aufgegeben, wobei gesundheitliche Gründe nicht maßgeblich waren. Damit hat sich der Klägerin vom Berufsbild der Verkäuferin gelöst; ihr Berufsschutz bemisst sich deshalb nach der im Anschluss ausgeübten Tätigkeit als Werkzeugschleiferin, die eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten nicht erforderte. Die Klägerin genießt damit keinen qualifizierten Berufsschutz und kann auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf. Da sie jedenfalls noch im Stande ist, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich auszuüben, kann der Senat offen lassen, ob gesundheitsbedingte Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens einer Wiederaufnahme der zuletzt verrichteten Tätigkeit als Küchenhilfe entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1945 geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 15. April 1959 bis 31. März 1962 eine Ausbildung zur Verkäuferin. Diesen Beruf übte sie bis 29. Februar 1980 aus und war anschließend ab 3. März 1980 als angelernte Werkzeugschleiferin beschäftigt. Der Berufswechsel erfolgte nicht aus gesundheitlichen Gründen. Am 15. Juli 2002 beantragte die Klägerin, die seit 13. November 1998 als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt ist (Bescheid des Versorgungsamts S. vom 2. Februar 1999), die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts ließ die Beklagte die Klägerin von Internist Dr. B. begutachten. Dieser diagnostizierte thorakale Schmerzen unklarer Ursache bei angiographischem Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit (März 2001), ein Brustwirbelsäulen-Syndrom und Restbeschwerden nach Teilamputation der Zehen zwei bis vier rechts und Großzehenendgliedfraktur rechts. In seinem Gutachten vom 30. August 2002 vertrat Dr. B. die Auffassung, die Klägerin sei trotz ihrer Erkrankungen noch in der Lage, leichte und mittelschwere Arbeiten ohne Heben, Tragen oder Bewegen schwerer Lasten, ohne einseitige Körperhaltungen und ohne häufiges Bücken sechs Stunden täglich und länger zu verrichten. Mit Bescheid vom 4. September 2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie nach Auswertung von der Klägerin vorgelegter Arztunterlagen durch Dr. L. (sozialmedizinische Stellungnahme vom 10. Oktober 2002; Bl. M12 der Verwaltungsakten) mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2002 zurück.
Mit ihrer am 5. Dezember 2002 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Beklagte ist der Klage unter Vorlage einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. S. (Bl. 131 bis 133 der Klageakte) entgegengetreten. Das SG hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Arzt für Allgemeinmedizin Dr. H., Internist Dr. D. und Dr. H., Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Kreiskrankenhaus B., eingeholt. Dr. H. hat die Klägerin in seiner Aussage vom 3. Februar 2003 nur noch für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten bis zu drei Stunden täglich zu verrichten, wobei das Schwergewicht der das berufliche Leistungsvermögen einschränkenden Erkrankungen auf kardiologischem Fachgebiet liege. Dr. D. hat in seiner Aussage vom 13. Mai 2003 ebenfalls ein dreistündiges Leistungsvermögen angenommen, aber auch eine spätere Steigerung für möglich gehalten. Das für das berufliche Restleistungsvermögen maßgebliche Leiden liege auf internistischem Fachgebiet; ein psychologisches Konzil habe er angeraten. Dr. H. hat die Klägerin am 11. Februar 2003 wegen eines Meniskushinterhorndefekts am rechten Kniegelenk operiert. Aus seiner Sicht, so Dr. H. in seiner Aussage vom 30. Juli 2003, sei die Klägerin uneingeschränkt arbeitsfähig. In der Folge hat das SG den Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. F. zum Sachverständigen ernannt; auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) haben darüber hinaus der Facharzt für Chirurgie Dr. K. und der Arzt für Allgemeinmedizin L. ein Gutachten über die Klägerin erstattet. Dr. F. hat die Klägerin in seinem Gutachten vom 7. März 2004 noch für fähig gehalten, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Zum selben Ergebnis ist Dr. K. in seinem Gutachten vom 12. August 2004 gelangt. Demgegenüber hat der Arzt L. die Auffassung vertreten, die Klägerin könne selbst eine sitzende Tätigkeit nur noch maximal vier Stunden täglich ausführen (Gutachten vom 3. September 2004). Mit Urteil vom 24. Februar 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass die Klägerin zumindest leichte Arbeiten noch wenigstens sechs Stunden täglich ausüben könne.
Gegen das ihr gegen Empfangsbekenntnis am 9. März 2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11. April 2005 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die sozialmedizinische Beurteilung des Arztes L. bestätige überzeugend das mit Klage und Berufung geltend gemachte Begehren.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2002 zu verurteilen, ihr ab 1. Juli 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat den Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin 3 (Schwerpunkte Kardiologie und Pulmologie) am Robert-Bosch-Krankenhaus S., Prof. Dr. S. mit der Erstattung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt. Prof. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 22. August 2005 ausgeführt, die Klägerin leide an eine atypischen Angina pectoris, an einer ängstlichen Depression von der Art der Dysthymia mit Somatisierungsstörungen, an multiplen Veränderungen des Skelettsystems, an einer medikamentös behandelten Hypercholesterinämie, an einer Teilamputation der Zehen zwei bis vier rechts und Großzehenquerfraktur im Endglied sowie an einem Zustand nach vaginaler Hysterektomie bei descensus uteri. Darüber hinaus bestehe der Verdacht auf eine Myokarditis bei retrospektiv myokarditischem Infiltrat in der initialen Kernspintomographie vom 7. August 2002. Leichte körperliche Arbeiten könne die Klägerin trotz dieser Erkrankungen noch sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche ausführen. Im übrigen hat sich Prof. Dr. S. den Beurteilungen von Dr. F. und Dr. K. in deren vom SG eingeholten Gutachten angeschlossen und sich ergänzend am 21. Juni 2006 geäußert.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG (S 13 RJ 5911/02) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 1427/05) Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat konnte über die Berufung durch Beschluss der Berufsrichter und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 153 Abs. 4 SGG), denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Anhörung der Klägerin hat keine Gesichtspunkte ergeben, von dieser Verfahrensform abzuweichen.
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 15. Juli 2002 ablehnende Bescheid vom 4. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2002. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.
Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.
Gemäß § 302b Abs. 1 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, der bereits am 31. Dezember 2000 bestanden hat, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weiter, solange die Voraussetzungen vorliegen, die für die Gewährung dieser Leistungen maßgebend waren. Dementsprechend bleiben §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a. F.) anwendbar, wenn sich bei Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 ergibt (vgl. §§ 99 ff. SGB VI). Dies gilt unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt der Rentenanspruch anerkannt wurde. Ergibt sich hingegen ein späterer Rentenbeginn, findet das neue Recht (§§ 43, 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung) Anwendung (vgl. hierzu Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 302b Rdnr. 3). Im Falle der Klägerin richtet sich der Rentenanspruch nach neuem Recht. Angesichts des erst am 15. Juli 2002 gestellten Rentenantrags könnte sich ein vor dem 1. Januar 2001 liegender Rentenbeginn nicht ergeben.
Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).
Die Klägerin ist noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verreichten. Sie ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. In Übereinstimmung mit dem SG hält auch der Senat die Sachverständigengutachten von Dr. B., Dr. K. und Dr. F. für überzeugend und vermag sich demgegenüber den abweichenden Einschätzungen der Ärzte für Allgemeinmedizin Dr. L. und Dr. H. sowie des Internisten Dr. D. nicht anzuschließen. Zunächst liegen auf orthopädisch/chirurgischem und nervenärztlichem Fachgebiet keine Leiden vor, die eine Einschränkung des beruflichen Restleistungsvermögens in rentenberechtigendem Umfang rechtfertigen könnten. Dies haben Dr. F. und Dr. K. in ihren Gutachten vom 7. März 2004 bzw. 12. August 2004 überzeugend dargelegt. Die abweichenden Beurteilungen von Dr. H., Dr. D. und Dr. L. stehen dem nicht entgegen, nachdem diese ihre (abweichenden) Einschätzungen des Leistungsvermögens der Klägerin jeweils mit Leiden des internistisch/kardiologischen Fachgebiets begründet haben. Diesbezüglich schließt sich der Senat der überzeugenden Beweiswürdigung des SG in den Gründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollumfänglich zu eigen und sieht deshalb (insoweit) von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).
Auf internistischem Fachgebiet liegen, wie insbesondere die im Verlauf des Berufungsverfahrens durchgeführte Beweisaufnahme ergeben hat, ebenfalls keine Befunde vor, die geeignet wären, das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin auf ein unter sechsstündiges Maß zu reduzieren. Dieses Fachgebiet betreffend hat der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S. bei der Klägerin eine mit Luftnot verbundene atypische Angina pectoris diagnostiziert. Diese Einschätzung überzeugt, nachdem Prof. Dr. S. eine stenosierende koronare Herzkrankheit angiographisch ausschließen konnte und sich aktuell szintigraphisch kein signifikanter Ischämienachweis ergeben hat. Neben diesem im Vordergrund der das Leistungsvermögen limitierenden Leiden stehenden Erkrankung besteht bei der Klägerin noch eine medikamentös behandelte Hypercholesterinämie. Auch die internistischen Erkrankungen führen, wie Prof. Dr. S. aus den von ihm erhobenen Befunden nachvollziehbar und schlüssig gefolgert hat, nur zu quantitativen Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit. Die Klägerin muss deshalb Tätigkeiten in Kälte, Hitze oder starken Temperaturschwankungen, Schichtdienst, Akkordarbeiten und das Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10 kg zu vermeiden. Auch die internistischen Erkrankungen der Klägerin sind hingegen nicht so schwerwiegend, als dass hieraus – auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Leiden sämtlicher hier betroffener Fachgebiete – eine Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht folgen würde.
Angesichts der in der Argumentation schlüssigen und im Ergebnis überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S., deren Richtigkeit auch durch das bereits im Verlauf des Verwaltungsverfahrens eingeholte Gutachten des Internisten Dr. B., das im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden kann, bestätigt wird, vermochte der Senat auch hinsichtlich der sozialmedizinischen Bedeutung der internistisch/kardiologischen Krankheitsbilder den abweichenden Einschätzungen von Dr. H., Dr. D. und Dr. Lang nicht zu folgen. Alle drei haben ihre Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens nicht mit objektivierbaren Befunden belegen können. Soweit Dr. Lang eine koronare Herzkrankheit angenommen hat, ist dies von Prof. Dr. S. mit überzeugender Begründung widerlegt worden, nachdem eine solche Diagnose bereits bei einer im Jahr 2001 durchgeführten Koronarangiographie ausgeschlossen werden konnte. Dementsprechend sind die Beurteilungen von Dr. H., Dr. D. und Dr. Lang im Ergebnis nicht geeignet, die Richtigkeit der (aktuellen) Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. S. in Zweifel zu ziehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind weitere Ermittlungen von Amts wegen auch auf internistischem Fachgebiet nicht angezeigt, insbesondere ist der Senat nicht gehalten, eine weiterführende kardiologische Diagnostik (Herzmuskelprobeentnahme und feingewebliche Untersuchung) zur Klärung der bei der Klägerin weiterhin vorliegenden Beschwerdesymptomatik zu veranlassen. Eine solche, für die Klägerin mit einem hohen Gesundheitsrisiko verbundene Untersuchung könnte, wie Prof. Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. Juni 2006 nachvollziehbar erläutert hat, lediglich zur Klärung der Ursachen der Beschwerdesymptomatik beitragen; für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin wäre das Ergebnis einer solchen Untersuchung hingegen ohne Relevanz.
Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. Die genannten, bei der Klägerin vorliegenden qualitativen Einschränkungen können zwar das Spektrum der für sie in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).
Ausgehend von diesem Schema ist die Klägerin allenfalls der Gruppe der unteren Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von höchstens zwölf Monaten zuzuordnen. Die Klägerin hat zwar zunächst den Beruf der Verkäuferin erlernt, sie hat diesen jedoch Ende Februar 1980 aufgegeben, wobei gesundheitliche Gründe nicht maßgeblich waren. Damit hat sich der Klägerin vom Berufsbild der Verkäuferin gelöst; ihr Berufsschutz bemisst sich deshalb nach der im Anschluss ausgeübten Tätigkeit als Werkzeugschleiferin, die eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten nicht erforderte. Die Klägerin genießt damit keinen qualifizierten Berufsschutz und kann auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf. Da sie jedenfalls noch im Stande ist, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich auszuüben, kann der Senat offen lassen, ob gesundheitsbedingte Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens einer Wiederaufnahme der zuletzt verrichteten Tätigkeit als Küchenhilfe entgegenstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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