L 11 R 5937/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 1365/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5937/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Oktober 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger anstelle der ihm gewährten Rente wegen Berufsunfähigkeit Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht.

Der 1952 geborene Kläger hat den Beruf des Elektroinstallateurs erlernt und war in der Folge als Elektroinstallateur, Fernmeldetechniker und seit 1975 bis zum Beginn der fortlaufenden Arbeitsunfähigkeit am 28. April 2004 als Kundendiensttechniker im Elektrobereich versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1. Juni 2000 erhält er von der Beklagten Rente wegen Berufsunfähigkeit (der Bescheid befindet sich nicht in den Akten).

Am 3. November 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Orthopäden G ... Dieser diagnostizierte ein chronisches Cervicalsyndrom bei Osteochondrose C5-C7 und ein Postnucleotomiesyndrom der Lendenwirbelsäule (LWS) bei Peridualfibrose L3, rechts nach BOP L4/4 rechts (2000); Osteochondrose L3/4 mehr als L5/S1. Er vertrat die Auffassung, dass für die letzte Tätigkeit des Klägers als Kundendienstmonteur nur noch ein Leistungsvermögen des Klägers von zur Zeit unter drei Stunden täglich bestehe. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Arbeiten in Zwangshaltungen, verbunden mit häufigem Bücken, Kälte und Nässereize, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Heben und Tragen von Lasten über 8 kg könne er jedoch noch sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die Beklagte hörte noch die Nervenärztin S., die die Ansicht vertrat, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr habe, und lehnte sodann mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 den Rentenantrag ab.

Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass seine Bandscheibenoperation aus dem Jahr 2000 und ein Bandscheibenvorfall, den er im Juni 2004 erlitten habe, nicht berücksichtigt worden seien. Der Bandscheibenvorfall sei mittels physiotherapeutischer Therapie behandelt worden. Hierdurch seien die Schmerzen zwar gelindert worden, er könne jedoch keinerlei Erwerbstätigkeiten mehr ausüben. Der Kläger legte den Therapiebericht des Physiotherapeuten M. und Arztbriefe des Radiologen Dr. E. und des Arztes für Allgemeinmedizin P. bei.

Im Anschluss daran beauftragte die Beklagte den Orthopäden Dr. B. mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens. Der Gutachter diagnostizierte unter Berücksichtigung von weiteren Arztbriefen des Radiologen Dr. R. und des Neurochirurgen Prof. Dr. O. 1. Haltungs- und bewegungsabhängiges lokales, rechtsbetontes LWS-Syndrom mit rechtsseitigen Ischialgien - bei röntgenologisch nachgewiesenem Beckenschiefstand rechts und funktioneller rechts-konvexer Skoliose (leichtgradig) - bei Hyperlordose (verstärkte Hohlkreuzbildung, radiologisch nachgewiesen) ohne Zeichen eines sensiblen/motorischen Wurzelreizsyndroms - nach erfolgreicher Bandscheiben-Operation L3/4 rechts (im Jahr 2000) und 2. einen neuropathischen Schmerz - medikamentös weitgehend kompensiert. Er vertrat die Auffassung, beim Kläger bestehe weiterhin ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung und ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2005 wies die Beklagte sodann den Widerspruch zurück. Der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung und zu ebener Erde regelmäßig mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Vermieden werden sollten Wirbelsäulenzwangshaltungen, häufiges Bücken und Tätigkeiten mit Kälte- und Nässereizen. Aufgrund des noch vollschichtigen Leistungsvermögens bestehe kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Hiergegen hat der Kläger unter Vorlage eines Befundberichtes des Allgemeinmediziners P. und einer Gesamtauskunft der Betriebskrankenkasse Miele über seine Arbeitsunfähigkeitsfälle seit 1995 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, seine Wirbelsäulenbeschwerden hätten sich zwischenzeitlich deutlich verschlechtert. Seit Anfang 2004 leide er unter massiv zunehmenden Rücken- und Nackenschmerzen. Schmerzbedingt müsse er ständig seine Körperhaltung ändern und sich immer häufiger auch hinlegen, um die Belastung der Wirbelsäule zu verändern. Die Schmerzen würden vom LWS-Bereich insbesondere in das rechte Bein ausstrahlen. Es komme dort zu anhaltenden Sensibilitätsstörungen mit häufig wiederkehrenden Taubheitsgefühlen und Lähmungserscheinungen. Seine Gehfähigkeit sei dadurch eingeschränkt. Die Schmerzsymptomatik sei therapieresistent. Zudem bestehe eine durch die schmerzbedingten Schlafstörungen verursachte zunehmende Erschöpfung, schnelle Ermüdbarkeit und Unkonzentriertheit. Er sei deshalb keinesfalls mehr in der Lage, zu den betriebsüblichen Bedingungen noch nennenswerte Erwerbstätigkeiten zu verrichten.

Das SG hat zunächst Dr. E. und den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. E. hat mitgeteilt, es handele sich beim Kläger um ein Postnukleotomie-Syndrom nach Bandscheibenoperation L4/5 links. Nach den ihm zur Verfügung stehenden Untersuchungsergebnissen sei vom Kläger eine leichte Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich nicht verrichtbar. Eine genaue Einschätzung der Leistungsfähigkeit sei aber nur durch ein gesondertes Gutachten möglich. Dr. K. hat über ein chronisches Schmerzsyndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation rechts, rezidivierende Blockierungen der LWS und des Iliosakralgelenks berichtet. Er habe in den letzten Monaten eine multimodale Schmerztherapie, manuelle Therapie und Krankengymnastik durchgeführt. Hierdurch sei es zu einer langsamen Besserung der Schmerzen gekommen. Er halte es für unmöglich, dass der Kläger einer geregelten Tätigkeit nachgehe.

Das SG hat Dr. H., Ärztlicher Leiter der Klinik für Orthopädie des Universitätsklinikums F., mit der Erstattung eines Gutachtens auf orthopädischem Fachgebiet beauftragt. Der Gutachter hat als beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörungen ein sogenanntes Postnukleotomie-Syndrom nach Bandscheibenoperation L3/4 2000, ein Instabilitätssyndrom der LWS in den Segmenten L3/4 und L5/S1, bislang ungeklärte Ellenbogengelenksbeschwerden beidseits, ein leichtes Nervus-ulnaris-Kompressionssyndrom beidseits und eine Subarachnoidalzyste S2 genannt. Entscheidend für die berufliche Leistungsfähigkeit sei die In-/Dysstabilität der LWS. Zur Verrichtung einer Tätigkeit in nennenswertem Umfang sei der Kläger nicht mehr in der Lage. Er könne allenfalls noch weniger als drei Stunden täglich einer leichten körperlichen Tätigkeit nachgehen.

Für die Beklagte hat sich hierzu der Chirurg Dr. S. dahingehend geäußert, dass beim Kläger kein In-/Dysstabilitätssyndrom vorliege. Dies zeige auch die Funktionsaufnahme. Die Beweglichkeit des Klägers im Bereich der Extremitäten und der Wirbelsäule sei nicht gravierend eingeschränkt. In der Gesamtzusammenschau sei deshalb nach wie vor von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auszugehen.

In einer ergänzenden Stellungnahme hat Dr. H. angegeben, das Krankheitsbild des In-/Dysstabilitätssyndroms sei nicht ausreichend bekannt. Dass beim Kläger keine relevante Bewegungseinschränkung bei Prüfung der Stabilität vorliege, stelle kein Argument gegen das Vorliegen eines solchen Syndroms dar. Bei etwa 50 % der Patienten, die unter diesem Syndrom leiden würden, seien die Röntgenfunktionsaufnahmen wertlos. Für das Vorliegen des Syndroms sprächen Traktionssporne an den Vorderkanten und typische Veränderungen in der Kernspintomographie mit Ödemreaktionen der angrenzenden Grund- und Deckplatten.

Die Beklagte hat in einer hierauf erneut von Dr. S. vorgelegten Stellungnahme darauf verwiesen, dass nicht allein die Diagnose, sondern die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen entscheidend seien.

Mit Urteil vom 24. Oktober 2006, der Beklagten zugestellt am 17. November 2006, hat das SG den Bescheid vom 9. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. November 2004 bis 31. Oktober 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger leide unter einem Postnukleotomie-Syndrom nach der Bandscheibenoperation im Bereich der LWS, weiter unter einem Instabilitätssyndrom der LWS-Segmente L3/4 und L5/1. Hinzu kämen Ellenbogengelenksbeschwerden und ein leichtes Nervus-ulnaris-Syndrom beidseits. Der Kläger verfüge deshalb nur noch über ein Leistungsvermögen von mehr als drei Stunden, jedoch weniger als sechs Stunden arbeitstäglich. Ihm sei deshalb Rente wegen voller Erwerbsminderung aus Arbeitsmarktgründen zu gewähren. Als Versicherungsfall sei der Monat April 2004, der Beginn der erneuten Krankschreibung, anzusetzen. Eine Besserung könne ggfs. durch einen operativen Eingriff erreicht werden.

Hiergegen richtet sich die am 27. November 2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie merkt zunächst an, dass schon die Formulierung "Syndrom" für sich spreche. Es handele sich hier nicht um eine fest umrissene solitäre Krankheit, sondern um den Ausdruck eines mehr oder weniger diffusen Geschehens/Krankheitsbildes. Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit komme es aber auch nicht auf die gestellten Diagnosen oder etwaige bildgebende Verfahren oder subjektiv geschilderte Beschwerden an. Entscheidend sei der objektiv festzustellende klinische Befund. Betrachte man die Beschreibung des klinischen Befundes und seine Auswirkungen auf Alltagsaktivitäten, so sei die von den Orthopäden G. und B. sowie von Dr. S. vertretene Beurteilung eines zumindest sechsstündigen Leistungsvermögens nachvollziehbar und schlüssig. Die Leistungsbeurteilung von Dr. H. sei nicht nachvollziehbar. Beispielhaft werde auf Seite 17 seines Gutachtens hingewiesen. Dort habe es Dr. H. als außerordentlich typisch bezeichnet, dass der Kläger nicht in der Lage sei, für mehr als zehn Minuten eine Körperhaltung in einer bestimmten Position einzunehmen. Dem stehe diametral entgegen, dass der Kläger regelmäßig selbst Auto fahre und zwar zumindest 50 km am Stück und außerdem auch viel Rad fahre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Oktober 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dr. H. habe sich in seiner ergänzenden Stellungnahme schlüssig und überzeugend mit der nunmehr wiederholten Argumentation der Beklagten auseinandergesetzt. Ergänzend hat der Kläger ein ärztliches Attest des Dr. K. vorgelegt. Danach sei dem Kläger, da sich das Zustandsbild bei ihm immer wieder sprunghaft und ohne Vorwarnung verändere, eine geregelte berufliche Tätigkeit aus hausärztlicher Sicht absolut unmöglich.

Der Senat hat Prof. Dr. W., Klinik für Neurologie in G., mit der Erstattung eines Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beauftragt. Prof. Dr. W. hat als Diagnosen ein chronisches Schmerzsyndrom nach operativer Versorgung eines Bandscheibenvorfalls L3/4 am 20. April 2000 und eine ängstlich selbstbeobachtende Persönlichkeit mit starker Fixierung auf ein mechanistisches Krankheitsbild ohne Nachweis einer depressiven Störung oder einer somatoformen Schmerzstörung im engeren Sinne genannt. Bis auf sensible Ausfälle im Bereich des rechten Beines ergäben sich keine funktionellen Defizite. Auf den Vorschlag von Verweisungstätigkeiten in seiner Firma z.B. auf einen Sachbearbeiter-Job in der Werkszentrale, habe der Kläger geantwortet, dies sei wegen der räumlichen Entfernung von 150 km zu seinem Wohnort nicht möglich. Auf gesundheitliche Gründe habe er nicht hingewiesen. Leichte bis teilweise mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen seien dem Kläger insgesamt noch vollschichtig möglich. Vermieden werden sollte auch das Tragen schwerer Lasten über 10 kg. Bezüglich des beruflichen Leistungsvermögens bestehe eine Übereinstimmung mit den Gutachten des Orthopäden G. und von Dr. B ... Die Diagnose eines Instabilitätssyndroms mit konsekutiver Leistungseinschränkung auf weniger als drei Stunden pro Tag habe aufgrund der erhobenen Befunde sowie der anamnestischen Angaben des Klägers nicht nachvollzogen werden können.

Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie T., hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein psychiatrisches Gutachten erstattet. Er hat auf neurologischem Fachgebiet eine Teilschädigung des Nervus peronaeus mit subjektiven Beschwerden (Gefühlsstörungen am rechten Bein) ohne funktionelle Ausfälle diagnostiziert. Dies sei aller Wahrscheinlichkeit nach durch die degenerativen LWS-Veränderungen verursacht worden. Hinweise für Erkrankungen aus dem psychiatrischen Formenkreis hätten sich nicht ergeben. Die beklagten Schmerzen seien nachvollziehbar; die funktionelle Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei aber von orthopädischer Seite zu beurteilen. Aus psychiatrischer Sicht sei der Kläger in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche zu arbeiten; besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich.

Der Kläger hat hierzu angemerkt, weiterhin an stetigen Schmerzen und erheblich an Schlafstörungen zu leiden und deswegen in regelmäßiger fachärztlicher und hausärztlicher Behandlung zu sein und sich psychotherapeutischen Maßnahmen zu unterziehen. In der letzten Monaten habe er etwa 7 kg Gewicht abgenommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung verurteilt. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Dem Kläger steht anstelle der ihm gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung keine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.

Voraussetzung für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist nach § 43 Abs. 2 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) insbesondere, dass der Versicherte voll erwerbsgemindert ist. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Voraussetzungen für die vom Kläger beantragte Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der ihm gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit liegen im Falle des Klägers indessen nicht vor. Er ist nicht voll erwerbsgemindert.

Bei der Beurteilung des gesundheitlichen Leistungsvermögens des Klägers stützt sich der Senat auf die schlüssigen und überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen G. und Dr. B., die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, und auf das von Prof. Dr. Dr. W. erstattete Gutachten, das vom Senat eingeholt worden ist. Darüber hinaus berücksichtigt er die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Befunde.

Danach stehen im Vordergrund des Beschwerdebildes die im Tatbestand näher dargestellten orthopädischen Gesundheitsstörungen, wobei es sich bei dem LWS-Befund um die orthopädische Hauptdiagnose handelt, und das chronische Schmerzsyndrom, das aufgrund des im April 2000 operierten Bandscheibenvorfalls L3/4 entstanden ist. Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. Dr. W. sind die Nervenaustrittspunkte im Bereich der Wirbelsäule frei und die Wirbelsäule gerade gewesen. Es hat ein Muskelhartspann paravertebral lumbal bestanden. Das Lasègue’sche Zeichen ist linksgradig positiv gewesen. Ein Husten- oder Pressschmerz hat sich nicht feststellen lassen. Die Extremitäten sind frei beweglich gewesen. Muskelatrophien haben nicht vorgelegen. Bezüglich der Reflexe ist lediglich der Patellarsehnenreflex rechts gegenüber links abgeschwächt gewesen. Ansonsten hat der Kläger noch eine Hypästhesie des gesamten Unterschenkels bis zum Knie reichend sowie des lateralen Fußrandes umfassend angegeben, der indessen keinem Dermatom zuzuordnen gewesen ist. Die im Dezember 2004 gefertigte Kernspintomographie der LWS hat nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. eine Steilstellung der LWS bei normal weitem Spinalkanal in allen dargestellten Segmenten gezeigt. Nachweisbar sind leichtgradige Bandscheibenprotrusionen L3/4, L 4/5 und L5/S1 ohne Wurzelaffektion und Narbengewebe im Operationsbereich L3/4 extraforaminal sowie eine Periduralfibrose L3 rechts gewesen.

Bei der Begutachtung durch Dr. H. hat sich eine Klopfempfindlichkeit der gesamten LWS und ein massiver Hartspann der paravertebralen Muskulatur gezeigt. Das Schober’sche Zeichen ist mit 10/14 cm gemessen worden. Gefühlsstörungen hat der Kläger bei der Begutachtung nicht angegeben. Sie sind auch nicht vorgefunden worden.

Der Orthopäde G. fand im Jahr 2004 eine Steilstellung der LWS mit paravertebralem Hartspann und Wannenbildung beim Vorwärtsneigen. Den Finger-Boden-Abstand maß er bei der Rumpfbeuge mit 60 cm, das Schober’sche Zeichen mit 10/13 cm. Feststellbar war auch ein Facettendruckschmerz L3/4 beidseits. Das Aufrichten aus der Rumpfbeuge erfolgte mit deutlicher Ausgleichsbewegung. Dr. B. gab an, dass er den Finger-Boden-Abstand mit 20 cm und das Schober’sche Zeichen mit 10/14 cm gemessen habe. Bei der Bewegungsprüfung habe der Kläger keine Schmerzen angegeben.

Darüber hinaus hat Prof. Dr. Dr. W. die Kopfbeweglichkeit nach links und ventral endgradig eingeschränkt gefunden. Dr. H. hat über eine Druck- und Klopfempfindlichkeit der mittleren Halswirbelsäule und einen geringen Hartspann der Nacken- und Schultermuskulatur berichtet. Im Bereich der Ellenbogengelenke hat Dr. H. eine Druckschmerzhaftigkeit des inneren Oberarmknochens im Bereich der Sehnenansätze der Unterarmbeugemuskulatur beschrieben. Die typischen Provokationsteste sind jedoch negativ gewesen. Die Beweglichkeit ist ebenso wie bei den Untersuchungen durch Prof. Dr. Dr. W., Dr. B. und den Orthopäden G. frei gewesen.

Außerdem besteht beim Kläger ein chronisches Schmerzsyndrom mit in das rechte Bein ausstrahlenden Schmerzen, intermittierend auftretenden linksseitigen Rückenschmerzen von der LWS in den Halsbereich ziehend, sowie Schmerzen im Bereich der Ellenbogengelenke medial beidseits. Bezüglich dieser Schmerzen ist nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. ein peripheres zentrales oder radikuläres Schädigungsmuster nicht gefunden worden.

Hinweise auf eine depressive Störung oder eine somatoforme Schmerzstörung von Krankheitswert haben sich aufgrund der umfassenden Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. W. auch mit Hilfe der Testpsychologie nicht ergeben. Dies steht im Einklang mit dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Prof. Dr. B., in dem Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet ebenfalls verneint worden sind. Den Schlafstörungen des Klägers und der Gewichtsabnahme kann daher kein entsprechendes Krankheitsbild zugeordnet werden. Prof. Dr. B. hat daher auch für den Senat überzeugend darauf verwiesen, dass die Leistungseinschätzung allein aus orthopädischer Sicht zu erfolgen habe.

Aufgrund der damit allein wesentlichen Gesundheitsstörungen auf orthopädischen Fachgebiet ist dem Kläger unbestrittenermaßen seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Kundendienstmonteur im Elektrobereich nicht mehr zumutbar. Infolgedessen erhält er auch Rente wegen Berufsunfähigkeit. Er ist aber noch fähig, zumindest leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen und Tragen schwerer Lasten über 10 kg vollschichtig zu verrichten. Der Senat sieht keinen Anlass, den - im Ergebnis - übereinstimmenden und überzeugenden Beurteilungen durch den Sachverständigen Prof. Dr. Dr. W. und die Orthopäden G. und Dr. B. nicht zu folgen, da sie im Einklang mit den erhobenen und dokumentierten Befunden und Funktionsbeeinträchtigungen stehen, schlüssig und nachvollziehbar sind.

Dagegen vermag sich der Senat der Beurteilung von Dr. H. nicht anzuschließen. Er hat seine Einschätzung, der Kläger könne nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten, auf das von ihm diagnostizierte In-/Dysstabilitätssyndrom der LWS gestützt. Diese Diagnose und die hieraus abgeleitete Einschränkung sind für den Senat nicht nachvollziehbar und im Anschluss an die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W. und die beratungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. S. nicht überzeugend. Insoweit ist zu beachten, dass Dr. H. selbst darauf hingewiesen hat, dass die Diagnosestellung einer In-/Dysstabilität der LWS recht schwierig sei. Zu beachten ist insoweit auch, dass auch nach der Befundung durch Dr. H. eine Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule bei Prüfung der Stabilität nicht vorgelegen hat. Radiologisch haben sowohl nach den Ausführungen von Dr. S. als auch Prof. Dr. Dr. W. keine Befunde vorgelegen, die die Diagnose eines Instabilitätssyndroms stützen würden. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte und in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger in der Lage ist, regelmäßig Fahrrad zu fahren, mit dem Wohnmobil in den Urlaub zu verreisen und selbst eine Arbeitsstelle als Sachbearbeiter in der Werkszentrale auch nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wegen der räumlichen Entfernung für nicht möglich hält, ist das Gutachten von Dr. H. nicht geeignet, die Schlussfolgerungen der Sachverständigen G. und Dr. B., die nunmehr eine Bestätigung im Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. gefunden haben, in Zweifel zu ziehen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. E. und Dr. K ... Dr. E. hat keine neuen Diagnosen mitgeteilt. Über Funktionseinschränkungen hat er überhaupt nicht berichtet. Er hat auch nicht dargelegt, in welcher Form die Schmerzen beim Kläger auftreten, weshalb sich auf seine Auskunft nicht stützen lässt, dass der Kläger auch eine leichte Tätigkeit von mindestens sechs Stunden täglich nicht verrichten kann. Zu beachten ist insoweit auch, dass er zur genauen Einschätzung der Leistungsfähigkeit auf ein Gutachten verwiesen hat. Dr. K. hat dargelegt, dass beim Kläger ein akut einschießender Schmerz die Bewegungsfähigkeit von jetzt auf nachher immer wieder akut einschränken könne. Andererseits hat er jedoch auf eine langsame Besserung der Schmerzen im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie hingewiesen. In Zeiten der akut auftretenden Bewegungseinschränkung ist der Kläger zweifelsohne arbeitsunfähig. Dies hat jedoch noch nicht zur Folge, dass er auf Dauer erwerbsunfähig wäre und auch leichte Tätigkeiten nicht mehr vollschichtig verrichten könnte. Soweit Dr. K. darauf hingewiesen hat, dass die Medikamentenkombination der Fahrtauglichkeit und Reaktionsfähigkeit des Klägers nicht zuträglich sei, vermag dies lediglich eine weitergehende Einschränkung des qualitativen Leistungsvermögens des Klägers zu bedingen. Ausgeschlossen wären damit lediglich noch Tätigkeiten, die an laufenden und gefährlichen Maschinen oder auf Leitern und Gerüsten zu verrichten sind bzw. solche, die das Zurücklegen von Fahrstrecken mit dem Auto zur Voraussetzung hätten. Letzteres stünde jedoch damit im Widerspruch, dass der Kläger mit dem Wohnmobil in den Urlaub fährt und in der Lage ist, den 50 km vom Wohnort entfernt praktizierenden Physiotherapeuten mit dem Auto aufzusuchen.

Mithin ist festzustellen, dass der Kläger leichte Tätigkeiten mit Funktionseinschränkungen noch vollschichtig verrichten kann.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit benannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern. Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Insbesondere ist z.B. der Ausschluss von Heben und Tragen schwererer Lasten bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" umfasst.

Schließlich ist dem Kläger auch der Arbeitsmarkt nicht verschlossen. Die Frage, ob es auf dem gesamten Arbeitsmarkt ausreichend Arbeitsplätze gibt, ist nur dann zu prüfen, wenn der Versicherte die noch in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausüben kann oder entsprechende Arbeitsplätze von seiner Wohnung nicht zu erreichen vermag, oder die Zahl der in Betracht kommenden Arbeitsplätze deshalb nicht unerheblich reduziert ist, weil der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, oder die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Im Falle des Klägers ist keiner dieser Fälle gegeben.

Die Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI). Der Rentenversicherung ist nur das Risiko einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung zugewiesen, nicht dagegen das Risiko einer Minderung der Erwerbsmöglichkeit oder der Arbeitslosigkeit (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, Gs 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Das Risiko, dass der Kläger keinen für ihn geeigneten Arbeitsplatz findet, geht nicht zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung.

Auf die Berufung der Beklagten war hiernach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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