L 6 VG 699/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 VG 1813/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 699/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetzt (OEG) streitig.

Die 1957 geborene Klägerin betreibt als selbstständige Kauffrau in der R. K.passage ein Einzelhandelsgeschäft (insbes. Toto-, Lotto-Annahme und Zeitschriften). Dort wurde sie am 5. Februar 2001 Opfer eines Überfalls, indem sie hinter der Theke stehend vom Täter mit einem vorgehaltenen Messer bedroht und aufgefordert wurde, die Kasse zu öffnen. Nachdem die Klägerin sich weigerte, dieser Aufforderung nachzukommen und dem Täter entgegnete, kaum Geld in der Kasse zu haben, betätigte dieser über die Theke hinweg an der Kasse die "Bar-Taste". Nachdem diese sich hierauf jedoch nicht öffnete, bat der Täter darum, nicht die Polizei zu rufen, entfernte sich aus dem Geschäft und flüchtete zu Fuß. Als Täter wurde ein seit Jahren betäubungsmittelabhängiger und bereits mehrfach vorwiegend wegen sog. Beschaffungsdelikte verurteilter Mann ermittelt, der mit Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 9. Juli 2001 wegen versuchten schweren Raubes in einem minderschweren Fall unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde.

Am 15. Februar 2001 beantragte die Klägerin beim früheren Versorgungsamt R. (VA) die Gewährung von Leistungen nach OEG. In dem unter dem 28. Februar 2001 ausgefüllten Formularantrag machte sie als schädigendes Ereignis den Überfall vom 5. Februar 2001 geltend und als Gesundheitsstörungen eine reaktive Depression nach psychischem Trauma. Das VA zog vom Amtsgericht Reutlingen die Strafakte des Verfahrens 7 Ls 26 Js 5529/01 bei, ferner die bei der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel (BGE) geführten Akten, wo die Klägerin unter dem 14. Februar 2001 eine Unfallmeldung abgegeben hatte. Darüber hinaus holte es einen Befundbericht bei dem behandelnden Arzt Dr. R. ein, der unter dem 25. September 2001 mitteilte, die Klägerin wegen der Folgen des Überfalls zwar teilweise behandelt zu haben, die spezielle psychische Traumatisierung sei jedoch in der Praxis der Dres. Sch. und M. bearbeitet worden. Seinen Ausführungen fügte er sein an die Bevollmächtigten der Klägerin gerichtetes Schreiben vom 22. Juni 2001 bei. Die Klägerin legte das Attest des Facharztes für Psychiatrie/Psychotherapie St. vom 27. September 2001 vor, der über drei psychotherapeutische Gesprächstermine mit Erstvorstellung am 22. Februar 2001 berichtete und diagnostisch von einer akuten posttraumatischen Belastungsstörung ausging. Es sei deshalb eine tiefenpsychologisch orientierte Gesprächspsychotherapie bei Dr. T. veranlasst worden, die im April 2001 begonnen habe. Bei Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sei eine Arbeitsunfähigkeit von zwei bis vier Wochen zu erwarten, wobei die Klägerin trotz deutlicher Einschränkungen aufgrund ihrer Selbstständigkeit weiterhin regelmäßig gearbeitet habe. Der Effekt der Psychotherapie sei abzuwarten. Das VA holte den weiteren Befundbericht des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. F. vom 20. November 2001 ein, der über eine kurzzeitige Behandlung im Februar 2001 und eine dann veranlasste neurologische und psychiatrische Weiterbehandlung durch die Dres. Sch. und M. berichtete. Nach deren Auskunft vom 15. Februar 2002 hatte sich die Klägerin dort einmalig am 26. Februar 2001 zur Untersuchung vorgestellt.

Das VA veranlasste das nervenärztliche Gutachten des Dr. M. vom 17. Oktober 2002 aufgrund einer Untersuchung am 15. Oktober 2002. Dieser diagnostizierte eine posttraumatische Anpassungsstörung nach Überfall und Bedrohung, die aktuell im Abklingen befindlich sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er vom 1. Februar bis 30. September 2001 auf 20 vom Hundert (v.H.) und danach auf weniger als 20 v.H. Das VA holte die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme ihrer Leitenden Ärztin W. vom 27. November 2002 ein und anerkannte mit Erstanerkennungsbescheid vom 15. Januar 2003 als Folge der Gewalttat vom 5. Februar 2001 eine "psychoreaktive Störung nach Bedrohung", hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 OEG an, lehnte die Gewährung einer Rente nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) jedoch mit der Begründung ab, eine MdE in einem rentenberechtigenden Grade um wenigstens 25 v.H. werde nicht erreicht. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, ihre psychoreaktiven Störungen in Form von Schlafstörungen und Angstattacken seien bis heute nicht endgültig therapiert und verfolgten sie nach wie vor. Dies hätte von dem Gutachter bei der Beurteilung der MdE eingehender berücksichtigt werden müssen. Die Schwere ihrer psychischen Beeinträchtigungen rechtfertige von Februar bis September 2001 weit mehr als eine MdE um 30 v.H. und danach zumindest eine solche von 25 v.H. Dass sie nach dem in Rede stehenden Vorfall ihre Tätigkeit weiter ausgeübt habe, beruhe allein auf ihrer persönlichen und finanziellen Situation, die sie dazu gezwungen habe, ihre selbstständige Tätigkeit weiter auszuführen. Das VA holte die vä Stellungnahme der Dr. M. vom 13. Mai 2003 ein, die sich der Beurteilung der Leitenden Ärztin W. vom 27. November 2002 anschloss und das Vorliegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit verneinte. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde auf das Gutachten des Dr. M., das schlüssig sei, Bezug genommen und weiter ausgeführt, auch eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG liege nicht vor. Denn die Klägerin müsse bei Ausübung ihres Berufes als selbstständige Kauffrau keine erheblich größere Energie als bei einer Beschäftigung im allgemeinen Erwerbsleben bei gleichen Schädigungsfolgen aufbringen, um einen wirtschaftlichen bzw. sozialen Schaden oder ein Abgleiten in ihrem Beruf zu verhindern.

Am 27. Juni 2003 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage und wiederholte im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren, wonach ihre psycho-reaktiven Störungen nach Bedrohung in Form von Schlafstörungen und Angstattacken noch immer nicht endgültig therapiert seien und die Schwere ihrer psychischen Beeinträchtigungen eine höhere MdE als von Dr. M. angenommen rechtfertige. Ihre tatsächliche gesundheitliche Situation werde dadurch nicht hinreichend deutlich, dass sie gezwungen gewesen sei, trotz ihrer Beeinträchtigungen ihren Betrieb aufrecht zu erhalten und ihre Tätigkeit fortzusetzen. Da sie und ihre minderjährige Tochter von den Einkünften aus dem Geschäft lebten, habe sie weder eine Krankschreibung noch die sofort notwendig gewesenen psychotherapeutischen Behandlungen in ausreichendem Maße wahrnehmen können. Es sei deshalb eine besondere berufliche Betroffenheit zu bejahen. Zwischenzeitlich stehe sie wieder in psychotherapeutischer Behandlung. Die Klägerin legte die Bescheinigung des Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Sch. vom 5. November 2004 vor, wonach sie dort seit Juli 2003 in Behandlung stehe. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er legte die vä Stellungnahme von Dr. Sch. vom 19. März 2004 vor. Das SG hörte die ärztliche Psychotherapeutin Dr. T. unter dem 2. Januar 2004 schriftlich als sachverständige Zeugin. Diese berichtete von einer psychotherapeutischen Behandlung der Klägerin vom 8. Mai bis 18. September 2001, aus der sie in deutlich gebessertem Zustand entlassen worden sei. Geblieben sei eine gewisse Restsymptomatik in Form von Angst bei Dunkelheit. Ihrer Auskunft fügte Dr. T. zwei an die BGE gerichtete Verlaufsberichte bei, aus denen sich ergibt, dass die Sitzungen in der Behandlungsphase zwischen Juni und September 2001 hatten unterbrochen werden müssen, um eine Destabilisierung durch akute Lebensereignisse abzufangen. Der ebenfalls schriftlich als sachverständiger Zeuge gehörte Psychiater St. berichtete in seiner Auskunft vom 30. Januar 2004 über vier Behandlungen von Februar bis April 2001, in denen eine Besserung der Symptomatik nicht habe erreicht werden können und eine tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie bei Dr. T. ab April 2001 vereinbart worden sei. Das SG zog die Verwaltungsakten der BGE bei und veranlasste im Hinblick auf die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung des Dr. Sch. vom 5. November 2004 dessen schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 21. Dezember 2004. Dr. Sch. berichtete über eine bei der Klägerin nach wie vor bestehende eingeschränkte Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Diagnostisch gab er eine posttraumatische Belastungsstörung an; rückblickend sei die Frage zu stellen, inwieweit diese Störung durch die psychotherapeutische Behandlung bei Dr. T. nachhaltig gebessert worden sei. Die Folgen des psychischen Traumas seien seines Erachtens nicht lediglich als leichtere psychovegetative oder psychische Störungen zu sehen, vielmehr lägen stärkere Einschränkungen vor, die eine MdE von mehr als 20 v.H. rechtfertigten. Auslösend für den Behandlungsantritt sei eine akute Verschlimmerung des vorbestehenden Krankheitszustandes durch Umzug und Auseinandersetzungen mit der Tochter gewesen. Mit Urteil vom 21. Dezember 2004 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei nicht in einem Zeitraum von sechs Monaten in einem rentenberechtigenden Grade gemindert gewesen. Soweit Dr. Sch. von wesentlichen Einschränkungen ausgehe, die eine höhere MdE bedingten, beruhe dies auf hinzugetretenen neuen Umständen, die losgelöst von dem Gewaltereignis eingetreten seien und zu einer akuten Verschlimmerung des vorbestehenden Krankheitszustandes geführt hätten. Wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sei die MdE auch nicht höher zu bewerten, weil die bei der Klägerin eingetretene Schädigungsfolge jeden Erwerbstätigen, der seine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit in einem öffentlich zugänglichen Bereich ausübe, gleichermaßen treffe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Bevollmächtigten der Klägerin am 22. Januar 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat die Klägerin am 21. Februar 2005 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Darüber hinaus macht sie geltend, die Beurteilung der Dr. T., wonach sich das Gesamtbild der Gesundheitsstörungen gebessert habe, sei unzutreffend gewesen. Dies werde durch das Schreiben der AOK - Die Gesundheitskasse R. (AOK) vom 3. Februar 2005 belegt, mit der diese ihre Leistungspflicht für eine Psychotherapie (Langzeittherapie) anerkannt habe. Ihre Einschätzung bezüglich ihrer besonderen beruflichen Betroffenheit werde im Übrigen durch das vom Senat gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholte Gutachten des Dr. Sch. bestätigt. Die Klägerin hat das Schreiben der AOK vom 3. Februar 2005 sowie den Arztbrief der Dres. Sch. und M. vom 26. Februar 2001 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Dezember 2004 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 15. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2003 zu verurteilen, ihr Beschädigtenrente zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig und hat die vä Stellungnahmen des Dr. G. vom 30. November 2005 und 4. Oktober 2007 vorgelegt.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Dr. Sch. vom 1. November 2005 erhoben. Dieser ging davon aus, dass sich bei der Klägerin nach der akuten Belastungsreaktion in den ersten Tagen nach dem Überfall eine posttraumatische Belastungsstörung mit einer hierdurch bedingten MdE um 30 v. H. entwickelt habe, die sich zum Herbst des Jahres deutlich gebessert habe, wobei eine Restsymptomatik jedoch weiterhin bestehe, für die eine MdE um 20 v.H. ab Oktober 2001 angemessen sei. In der Folgezeit habe sich ein Krankheitszustand entwickelt, der sowohl Elemente einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Anpassungsstörung und auch einer Dysthymia erkennen lasse. Der Senat hat die Verwaltungsakten der BGE beigezogen, im Hinblick auf die derzeit durchgeführte Psychotherapie die Auskunft der AOK vom 10. Mai 2007 eingeholt und Dr. Sch. unter dem 13. August 2007 schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört. Dieser berichtete, dass die Klägerin fortlaufend in seiner Behandlung stehe und ein Abschluss der Therapie nicht in Sicht sei. Das Thema Überall sei Anfang Juli 2007 durch verschiedene Umstände heftig wiederbelebt worden.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der BGE sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid des Beklagten vom 15. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Dieser hat es zutreffend abgelehnt, die von den anerkannten Schädigungsfolgen "psychoreaktive Störungen nach Bedrohung" ausgehenden Beeinträchtigungen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten mit einer MdE um zumindest 25 v.H. zu bewerten und der Klägerin Beschädigtenrente zu gewähren. Denn bei der Klägerin haben die Auswirkungen der Schädigung lediglich vorübergehend ein rentenberechtigendes Ausmaß erreicht. Ein Rentenanspruch wird dadurch jedoch nicht begründet.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG zwar Opfer einer Gewalttat geworden ist und dabei eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, die Folgen dieser Schädigung nach Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten jedoch nicht mehr so schwerwiegend sind, dass sie die Bewertung mit einer MdE um wenigstens 25 v.H. rechtfertigen und damit einen Rentenanspruch begründen (vgl. §§ 30 Abs. 1, Sätze 3 und 4, 31 Abs. 1 und 2 BVG). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.

Ebenso wie das SG vermochte sich auch der Senat nicht davon zu überzeugen, dass bei der Klägerin im Sinne der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2004 (AHP), die auch vom Senat im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung herangezogen werden, nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Überfall noch auf diesen zurückzuführende stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorgelegen haben. Insoweit ist insbesondere der Bericht der Dr. T. vom 27. September 2001 an die seinerzeitige Kostenträgerin der Behandlung, die BGE, von Bedeutung, den auch das SG zutreffend herangezogen hat. Danach befand sich die Klägerin zum Beendigungszeitpunkt der Therapie am 18. September 2001 in einem deutlich gebesserten Zustand, wobei lediglich noch eine Restsymptomatik in Form von Angst bei Dunkelheit verblieben war. Auch der im Verwaltungsverfahren seitens des VA hinzugezogene Gutachter Dr. M., der die Klägerin am 15. Oktober 2002, also nach Ablauf eines weiteren Jahres untersucht hatte, erhob keine Befunde mehr, die es rechtfertigen könnten, im Sinne der AHP von stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen, wie bspw. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen oder entsprechende somatoforme Störungen. Die von Dr. M. beschriebenen, nach den Angaben der Klägerin gelegentlich noch ein- bis zweimal monatlich auftretenden Albträume und Panikattacken sowie das wegen Angstgefühlen verbliebene Vermeidungsverhalten, alleine aus dem Haus zu gehen, stellen sich nicht als stärker behindernde Störungen in dem dargelegten Sinne dar, zumal das angegebene Vermeidungsverhalten sich ganz offensichtlich nicht auf jegliches Verlassen des Hauses bezog. Denn die Klägerin hat auch seinerzeit - wie schon in dem Zeitraum zuvor - ihre selbstständige berufliche Tätigkeit, die mit einem ständigen Aufenthalt in öffentlich zugänglichen Räumen und mit permanentem Kundenkontakt verbunden ist, weiterhin ausgeübt.

Anders als die Klägerin meint, hat auch weder das VA noch das SG im Rahmen der MdE-Bemessung zu ihren Ungunsten berücksichtigt, dass sie unmittelbar nach dem Überfall, insbesondere aus finanziellen Gründen, trotz erheblicher psychischer Beeinträchtigungen und dadurch bedingter Arbeitsunfähigkeit ihre Tätigkeit ohne Unterbrechung fortgeführt hat. Denn die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, die Dr. R. auf den Zeitraum bis Anfang April 2001 schätzte und der Facharzt für Psychiatrie St. auf zwei bis vier Wochen nach dem Vorfall, fällt vollständig in den Sechsmonatszeitraum nach dem schädigenden Ereignis, der für die geltend gemachte Beschädigtenrente nicht relevant ist, weil ein solcher Anspruch auch für schwerwiegende Gesundheitsstörungen nur dann besteht, wenn der entsprechende Zustand nicht nur vorübergehend ist, d. h. nicht nur bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten anhält.

Soweit die Klägerin sich durch die Auskünfte der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen in ihrer Auffassung bestätigt sieht, dass sie dauerhaft unter einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit leide, vermag der Senat diese Einschätzung der Klägerin nicht zu teilen. Denn die insoweit angehörte Psychotherapeutin Dr. T. hat die Klägerin ihren Angaben zu Folge lediglich bis 18. September 2001 behandelt und der Psychiater St. sogar nur bis 19. April 2001, so dass diese Ärzte bereits von vorneherein nicht in der Lage sind, über den weiteren Verlauf der Erkrankung zu berichten und damit Angaben darüber zu machen, wie sich die Beeinträchtigungen bei der Klägerin über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus entwickelt haben. Soweit der Psychiater St. es nicht für völlig ausgeschlossen erachtet hat, dass bei der Klägerin Spätfolgen auftreten können, hat er sich lediglich über die Möglichkeit einer zukünftigen Krankheitsentwicklung geäußert, den Eintritt solcher Spätfolgen selbst aber nicht beschrieben. Vielmehr hat er gleichzeitig betont, dass eine klare Aussage darüber eine aktuelle psychiatrische Untersuchung erfordere.

Im Sinne der Auffassung der Klägerin hat Dr. Sch. im Rahmen seiner dem SG erteilten Auskunft als sachverständiger Zeuge vom 21. Dezember 2004 zwar dargelegt, dass er die Folgen des psychischen Traumas nicht nur als leichte psychovegetative oder psychische Störungen einschätze, sondern vielmehr von stärkeren "Handicaps" mit wesentlichen Einschränkungen ausgehe, die eine MdE von mehr als 20 v.H. rechtfertigten. Allerdings ist insoweit zu beachten, dass Dr. Sch. - worauf auch schon das SG hingewiesen hat - im Rahmen dieser MdE-Einschätzung nicht allein die Folgen des psychischen Traumas vom 5. Februar 2001 berücksichtigt und bewertet hat, sondern gerade auch zahlreiche weitere Beeinträchtigungen mit einbezieht, die mit dem schädigenden Ereignis nicht in Zusammenhang stehen, so namentlich depressive Verstimmungen, Gereiztheit, Explosivität, Anspannung, Nervosität, Grübelzwänge, Konzentrationsstörungen und Zukunftsängste. Vor dem Hintergrund seiner weiteren Ausführungen, dass sich das Denken der Klägerin inhaltlich auf Sorgen, Nöte und Beeinträchtigungen zentriere, ist auch zu erklären, weshalb Dr. Sch. neben der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung den Verdacht auf eine Dysthymia (neurotische Depression) geäußert hat.

All diese Beeinträchtigungen, insbesondere die Symptome der depressiven Verstimmung können mit hinreichender Wahrscheinlichkeit jedoch nicht in wesentlicher Weise ursächlich auf den Überfall vom 5. Februar 2001 zurückgeführt werden. Dass die bei Dr. Sch. nahezu zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung bei Dr. T. im Juli 2003 begonnene Behandlung nicht wegen dem erneuten Auftreten erheblicher Krankheitssymptomen der posttraumatischen Belastungsstörung erforderlich wurde, klingt bereits in der von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigung des Dr. Sch. vom 5. November 2004 an. Darin ist ausgeführt, dass die nach Behandlungsbeginn im Juli 2003 zwischenzeitlich durchgeführten therapeutischen Sitzungen "u.a." aufgrund der Folgen des Überfalls in den eigenen Geschäftsräumen notwendig geworden seien. Auf die ausdrückliche Nachfrage des SG, welche anderen Gründe die Behandlung notwendig gemacht hätten, führt Dr. Sch. in seiner Auskunft als sachverständiger Zeuge unter dem 21. Dezember 2004 dann als weitere Gründe für die Behandlungsaufnahme einen Umzug sowie Auseinandersetzungen mit der Tochter auf. Diese weiteren Belastungsfaktoren und der Umstand, dass Dr. Sch. nicht den zuständigen Unfallversicherungsträger, nämlich die BGE, sondern die AOK als Kostenträger der für erforderlich erachteten Psychotherapie angesehen und dort um eine Genehmigung der begonnenen Langzeittherapie nachgesucht hat, macht zusammen mit seinen Ausführungen in dem daraufhin zur Prüfung der Leistungspflicht der AOK erstellten Bericht vom 10. Januar 2005 für den Senat hinreichend deutlich, dass zwar nach wie vor Symptome der anerkannten Schädigungsfolge vorliegen, die in Rede stehende Psychotherapie jedoch durch das Hinzutreten weiterer Belastungen, so namentlich wegen Konflikten mit Nachbarn und der 17-jährigen Tochter sowie der wirtschaftlichen Situation, erforderlich geworden ist. Schließlich berichtete die Klägerin auch gegenüber dem Sachverständigen Dr. Sch. anlässlich der gutachtlichen Untersuchung am 26. September 2005 von ihrer schwierigen finanziellen Situation seit Vollendung des 17. Lebensjahres ihrer Tochter, da zu diesem Zeitpunkt die Erziehungsrente von 740 EUR weggefallen sei und sie sich deshalb noch eine Nebentätigkeit habe suchen müssen. Der Umstand, dass die Vollendung des 17. Lebensjahres der am 22. Juni 1986 geborene Tochter der Klägerin im Juni 2003 aber mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Vorstellung bei Dr. Sch. im Juli 2003 korrespondiert, verdeutlicht diese schädigungsunabhängige besondere Belastungssituation der Klägerin bei Aufnahme der Behandlung durch Dr. Sch. anschaulich. In Einklang damit ist vor diesem Hintergrund auch ohne weiteres zu bringen, dass Dr. Sch. in dem angesprochenen Bericht vom 10. Januar 2005 auch hauptsächlich Symptome, wie Kopfschmerzen, Zittrigkeit, Mattigkeit, Konzentrationsstörung, Erschöpfung, innere Unruhe, Anspannung und Schlafstörung beschreibt, die er diagnostisch einer Dysthymia nach F34.1 der ICD-10 zuordnet, nicht aber einer posttraumatischen Belastungsstörung im Hinblick auf das vorliegend in Rede stehende Ereignis vom 5. Februar 2001. Insoweit erwägt er differentialdiagnostisch zwar zumindest vorübergehend das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung, jedoch zieht er diese Diagnose im Wesentlichen für den Zeitpunkt der Erstvorstellung und für einen nicht näher bezeichneten Zeitraum nach dem versuchten Raubüberfall im Jahre 2001 in Betracht.

Im Hinblick auf all diese Gesichtspunkte hält der Senat die Einschätzung des Dr. Sch. im Rahmen seiner Auskunft vom 21. Dezember 2004, wonach bei der Klägerin die schädigungsbedingte MdE weiterhin mit mehr als 20 v. H. zu bewerten sei, nicht für überzeugend. Auch das Vorbringen der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, wonach die Psychotherapie bei Dr. Sch. in erster Linie zur Behandlung der Folgen des Überfalls erforderlich geworden sei und Dr. Sch. eine Kostenübernahme nur deshalb bei der AOK veranlasst habe, weil dort anders als bei den Berufsgenossenschaften erfahrungsgemäß mit einer schnelleren Bearbeitung zu rechnen sei, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Denn abgesehen davon, dass die Klägerin den entsprechenden Antrag erst im Januar 2005, also erst zu einem Zeitpunkt gestellt hatte, zu dem die Therapie bereits seit nahezu neun Monaten lief (Therapiebeginn lt. "Angaben des Therapeuten zum Antrag des Versicherten" am 22. April 2004), was eine besondere Dringlichkeit nicht erkennen lässt, beschuldigt die Klägerin ihren Therapeuten mit diesem Vortrag sinngemäß auch einer strafbaren Handlung, indem sie diesem unterstellt, gegenüber der AOK falsche Tatsachen behauptet zu haben, um die Übernahme von Therapiekosten zu erreichen, die an sich der Leistungspflicht der BGE unterlägen. Für ein derartiges Verhalten sieht der Senat bei Würdigung seiner vorgelegten Auskünfte jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Auch aus dem Gutachten des Dr. Sch., das der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erhoben hat, lässt sich keine für sie günstigere Beurteilung herleiten. Auch dieser Sachverständige sah bei der Klägerin schädigungsbedingt auf Dauer lediglich Restsymptome einer Schlafstörung und ein angstbedingtes Vermeidungsverhalten und gelangte nicht zu einer MdE in einem rentenberechtigenden Ausmaß. Ob die von ihm für den Zeitraum ab Oktober 2001 zugrunde gelegte MdE um 20 v.H. überhöht ist - wie der Beklagte meint -, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben. Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung vermag der Senat aus dem insoweit bezeichneten Zeitpunkt auch nicht abzuleiten, dass eine Beeinträchtigung in einem rentenberechtigendem Ausmaß nicht lediglich vorübergehend vorgelegen hat, sondern jedenfalls bis 30. September 2001 und damit gerade über einen Zeitraum von mehr als sechs Monate hinweg. Denn Dr. T. berichtete bereits für den davor liegenden Zeitpunkt der Beendigung der Therapie und damit jedenfalls schon für den Zeitpunkt der letzten Therapiesitzung am 18. September 2001 von dem deutlich gebesserten Zustand und der lediglich noch verbliebenen Restsymptomatik in Form von Angst bei Dunkelheit. Da davon ausgegangen werden kann, dass dieser Zustand nicht erst mit dem Ende der letzten Therapiesitzung, sondern im Rahmen eines fortlaufenden Besserungsprozesses erreicht wurde, was die exakte Bestimmung eines konkreten Zeitpunkts für die Erreichung des insoweit beschriebenen Zustandes ohnehin ausschließt, vermag der Senat auch im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch. nicht festzustellen, dass die Klägerin über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinweg in einem rentenberechtigenden Ausmaß in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt war.

Da das SG letztlich mit zutreffender Begründung auch das Vorliegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit verneint hat, konnte die Berufung keinen Erfolg haben und war daher zurückzuweisen. Dass die Klägerin als selbständig Tätige aus finanziellen Gründen möglicherweise trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit ihre Tätigkeit - anders als ein Arbeitnehmer - fortgeführt hat und Behandlungsmaßnahmen nur unter erschwerten Bedingungen in Anspruch nehmen konnte, rechtfertigt es nicht, eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 2 Buchst. b BVG zu bejahen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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