Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2492/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 5187/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. August 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Verletztenrente als Stützrente wegen des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1999.
Der Kläger ist 1941 geboren und war zuletzt beim städtischen Tiefbauamt der Stadt N.-U. beschäftigt. Seit 1. Oktober 2004 ist er Rentner. Am 13. Januar 1999 erlitt er einen Arbeitsunfall, als er von der Ladefläche eines Pritschenwagens fiel. Dabei zog er sich eine Schädelprellung, eine Prellung der linken Hand mit Mittelhandfraktur und Gelenkbeteiligung und eine Defektverletzung der Backenzähne rechts zu (Unfallmeldung des Arbeitgebers vom 18. Januar 1999; Durchgangsarztbericht Dr. H. vom 14. Januar 1999; Nachschaubericht Dr. H. vom 21. Januar 1999). Ab 29. März 1999 war der Kläger wieder arbeitsfähig.
Im Bericht über die Vorstellung des Klägers in der handchirurgischen Sprechstunde vom 21. Juli 1999 führte der Ärztliche Direktor Prof. Dr. K. aus, es bestehe eine Arthrose MHK V links (radiologisch: Pseudoarthrose basisnah metacarpal DV links mit arthrotischen Gelenkzeichen). Dem Kläger sei zur Versteifung des 5. Carpometacarpalgelenks der linken Hand geraten worden.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Handchirurg Dr. H. unter dem 7. Oktober 1999 mit, es liege eine in Fehlstellung verheilte Basisfraktur des Metacarpale V links vor. Der Kläger habe insbesondere beim Faustschluss durch die Einschränkung der Beugung sämtlicher Langfinger Probleme. Der Kläger sei arbeitsfähig, eine MdE in rentenberechtigendem Grad liege nicht vor. Bei der Kontrolluntersuchung am 27. Oktober 1999 sei eine deutliche Besserung der Beschwerden angegeben worden. Im Bericht vom 24. Mai 2000 wurde ausgeführt, der Kläger arbeite mit der verordneten Bandage, habe vor allem noch Schmerzen bei Drehungen. Es bestehe eine Verdickung und ein Druckschmerz über der Basis Metacarpale V bei uneingeschränkter Handfunktion.
Im November 2001 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte. Er habe noch immer Schmerzen in der Hand und bitte, ein Gutachten zu erstellen.
Im Rentengutachten vom 8. Februar 2002 führte der Chefarzt der Abteilung Allgemeine Chirurgie der D.klinik N.-U., Dr. R., aus, als Unfallfolge bestehe noch eine in Verkürzungsfehlstellung verheilte Metacarpale-V-Basisfraktur sowie eine Arthrose im Carpometacarpalgelenk. Die Erwerbsfähigkeit sei vom 30. März 1999 bis 28. Januar 2002 um 10 v.H., danach auf Dauer um 10 v.H. gemindert.
Mit Bescheid vom 7. März 2002 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 13. Januar 1999 als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, da die Erwerbsfähigkeit um weniger als 20 v.H. gemindert sei. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, da die beständigen Schmerzen nach seiner Auffassung nicht angemessen berücksichtigt worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2002 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht U. (SG) erhoben (Az.: S 3 U 1941/02), das nach Anhörung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen mit Urteil vom 2. April 2003 die Klage abgewiesen hat.
Der Kläger erlitt am 22. Juli 2002 einen weiteren Arbeitsunfall. Diesen erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2004 als solchen an, lehnte aber eine Rentengewährung ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Maß gemindert sei. Als Unfallfolgen erkannte die Beklagte an: Schwäche der Muskulatur an der Hinter- und Innenseite des linken Oberschenkels; geringfügige Bewegungseinschränkung (Beugebehinderung im linken Knie; mäßige Behinderung des Einbeinstands links).
Dagegen erhob der Kläger ebenfalls Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger zugleich geltend, ihm Stützrente wegen des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Dr. R. mit der Erstellung des zweiten Rentengutachtens. Dieser führte unter dem 31. August 2004 aus, es bestehe noch eine in Fehlstellung mit Verkürzung und Rotationsfehler verheilte Metacarpale-V-Basisfraktur und eine Arthrose im Carpometacarpalgelenk. Dies bedinge eine MdE um 10 v.H. Der Beratungsarzt Dr. B. gab dazu in seiner Stellungnahme vom 16. September 2004 an, die von Dr. R. mitgeteilten Befunde rechtfertigten eine messbare MdE nicht. Es sei keine Beeinträchtigung des Fein-, Spitz- und Grobgriffes festgestellt worden, keine Bewegungseinschränkung am Handgelenk und an allen Fingergelenken und bei Rechtshändigkeit nur fraglich eine Muskelminderung an der Mittelhand. Eine leichte Verkürzung des Fingerstrahls nebst einer leichten Drehfehlstellung reichten für eine MdE um 10 v.H. ebenfalls nicht aus.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 die Neufeststellung einer Verletztenrente ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2004 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. März 2004 (Arbeitsunfall vom 22. Juli 2002) zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 7. Dezember 2004 Klage zum Sozialgericht U. (SG, Az.: S 3 U 3644/04) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Dr. H., Orthopädisches Forschungsinstitut S., mit der Erstellung eines Gutachtens zu beiden Arbeitsunfällen beauftragt. In seinem Gutachten vom 23. März 2006 hat Dr. H. ausgeführt, beim Kläger bestünden belastungsabhängige Beschwerden und eine relativ diskrete Bewegungsstörung des 5. Fingers links nach solider Ausheilung in leichter Fehlstellung einer Mehrfragmentfraktur der Basis des 5. Mittelhandknochens, persistierende, teils belastungsabhängige Schmerzen im linken Oberschenkel nach mit Vernarbung und teilweiser Degeneration der betroffenen Muskelfasern ausgeheiltem ausgedehnten Muskelfaserriss mit Beteiligung mehrerer Muskeln und anschließender ausgeprägter Einblutung unter Marcumar, Verdacht auf fortgeschrittene Kniearthrose beidseits ohne wesentliche Funktionsstörungen sowie ein Wirbelgleiten L 5/S 1 ohne wesentliche Funktionsstörung. Die MdE für die Unfallfolgen an der Hand hat Dr. H. mit unter 10 v.H. bewertet, die Folgen des Unfalls vom 22. Juli 2002 mit 10 v.H. und die Gesamt-MdE für beide Verletzungen mit 10 v.H. vorgeschlagen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. November 2006 hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt, nachdem der gerichtliche Sachverständige Dr. H. die MdE mit 10 v.H. - für den Unfall vom 22. Juli 2002 - bestätigt habe.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2005 beantragte der Kläger, den Bescheid vom 12. Oktober 2004 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen, gestützt auf das Gutachten von Dr. R ...
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2005 ab, den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2005 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 11. August 2005 Klage zum SG erhoben. Nach Anhörung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen und nach Eingang des Gutachtens von Dr. H. hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei PD Dr. M., Chirurgische Universitätsklinik U., das Gutachten vom 31. Mai 2006 eingeholt. Dieser hat als wesentliche Unfallfolgen aufgeführt ein in Fehlstellung verheilter Bruch der Basis des 5. Mittelhandknochens links, ein Überkreuzungsphänomen des Kleinfingers über den Ringfinger links bei der Beugung mit Beeinträchtigung der primären Greifformen, eine Kraftminderung der linken Hand, eine posttraumatische Arthrose des 5. Carpometacarpalgelenks mit erheblicher Bewegungseinschränkung dieses Gelenks und glaubhafte subjektive Beschwerden. Die MdE hat er mit 10 v.H. eingeschätzt und dazu ausgeführt, das betroffene Gelenk sei quasi eingesteift, wobei die noch bestehende Beweglichkeit Schmerzen bereite. Die Fehlstellung des Bruchs sei erheblich, denn sie führe zu einem Drehfehler des 5. Strahls der Hand, wodurch die primären Greifformen und dabei insbesondere der Faustschluss und der Kraftgriff beeinträchtigt seien.
Das SG hat Dr. H. das Gutachten von PD Dr. M. mit der Bitte um ergänzende Stellungnahme vorgelegt. Dieser hat unter dem 28. August 2006 ausgeführt, er halte an seiner Bewertung fest. Die Beklagte hat auf Aufforderung des SG die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Brunner vom 18. Januar 2007 vorgelegt. Dieser hat sich der Beurteilung durch Dr. H. angeschlossen und zur Begründung ausgeführt, die Behinderung wirke sich weniger stark aus als der Verlust des ganzen Kleinfingers, was mit einer MdE um maximal 10 v.H. zu bemessen sei. Soweit PD Dr. M. die Verletzungen im Mittelhandknochen zur Bewertung der MdE herangezogen und von den in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur vorgeschlagenen Bewertungen einen Abschlag vorgenommen habe, sei zu berücksichtigen, dass die Behinderungen des Klägers weit weniger gravierend seien, trotz der Drehfehlstellung. Im übrigen spiele eine Arthrose und Bewegungseinschränkung im Gelenk zwischen dem 5. Mittelhandknochen und der Handwurzel eine nur so geringe Rolle, dass hieraus keine zusätzlich zu bewertende Funktionsstörung abzuleiten sei.
Durch Urteil vom 14. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt auf das Gutachten von Dr. H. und den Vorgaben der sozialmedizinischen Literatur. Der Auffassung von PD Dr. M. ist das SG nicht gefolgt, da dieser als Referenz den Bruch mehrerer Mittelhandknochen herangezogen und davon ausgehend "heruntergerechnet" habe. Dies sei aber nicht zulässig.
Gegen das ihm am 4. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. Oktober 2007 Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf das Gutachten von PD Dr. M. gestützt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts U. vom 14. August 2007 und den Bescheid vom 19. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Rücknahme des Bescheids vom 12. Oktober 2004 Verletztenrente als Stützrente ab 22. Juli 2002 nach einer MdE um 10 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 12. Oktober 2004 nach § 44 SGB X.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem der unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X sind jedoch nicht erfüllt, da die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 zu Recht die Neufeststellung einer (Stütz-)Rente abgelehnt hat.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die bestehenden Gesundheitsstörungen an der linken Hand des Klägers keine MdE um wenigstens 10 v.H. bedingen und damit auch kein Stützrententatbestand unter Berücksichtigung des Unfalls vom 22. Juli 2002 gegeben ist.
Beim Kläger liegen an der linken Hand belastungsabhängige Beschwerden und eine relativ diskrete Bewegungsstörung des 5. Fingers nach solider Ausheilung in leichter Fehlstellung einer Mehrfragmentfraktur der Basis des 5. Mittelhandknochens vor, darüber hinaus ein Überkreuzungsphänomen des Kleinfingers über den Ringfinger links bei der Beugung mit Beeinträchtigung der primären Greifformen sowie eine posttraumatische Arthrose des 5. Carpometacarpalgelenks vor. Dies steht nach den insoweit übereinstimmenden Gutachten von Dr. H. und PD Dr. M.fest.
Diese Unfallfolgen bedingen aber keine MdE um wenigstens 10 v.H. Nach den Vorgaben der unfallversicherungsrechtlichen Literatur ist der komplette Verlust des 5. Kleinfingers regelmäßig mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 641; Bereither/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang 12 J 051). Diese Bewertungsvorschläge legen nahe, auch nur für einen kompletten Funktionsverlust eines noch vorhandenen Fingers, der als Anhaltspunkt für die Bewertung dem Totalverlust gedanklich gleichgesetzt werden könnte, maximal eine MdE um 10 v.H. anzusetzen. Dies kann letztlich aber offen gelassen werden. Denn wenn, wie im vorliegenden Fall, der Finger noch funktionsfähig ist, lediglich ein Überkreuzungsphänomen des Kleinfingers über den Ringfinger links bei der Beugung mit einer geringfügigen Beeinträchtigung der primären Greifformen eintritt, rechtfertigt dies in einer vergleichenden Bewertung keine MdE um wenigstens 10 v.H. Dies hat Dr. H. in seinem Gutachten auch nachvollziehbar dargelegt, so dass sich der Senat dieser schlüssigen Bewertung anschließt.
Soweit PD Dr. M. "Amputationsverletzungen mit Beteiligung der Mittelhandknochen, bei denen auch die jeweiligen Fingerstrahlen mit betroffen sind" als Vergleichsmaßstab herangezogen und daraus eine MdE um 10 v.H. abgeleitet hat, kann sich dem der Senat nicht anschließen. Für diese Fälle ist in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 647; Bereither/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, a.a.O.) zwar eine MdE um 15 v.H. vorgesehen, regelmäßig wegen dem mit der Verletzung auch verbundenen Teilverlust an Sensibilität und einer Einschränkung der Feinmotorik. Diese Einschränkungen sind aber wesentlich gravierender als die beim Kläger bestehenden, zumal im Bereich des 5. Kleinfingers bei ihm keine Sensibilitätseinschränkungen vorliegen und die Feinmotorik lediglich bei der Greiffunktion minimal eingeschränkt ist. Dem entsprechend hat auch PD Dr. M. ausgeführt, dass beim Faustschluss an der linken Hand, bedingt durch die Drehfehlstellung, lediglich ein minimaler Abstand zwischen den Fingerkuppen D 2 bis D 5 und der distalen Hohlhandbeugefurche von 0-0-0-4 cm bei vollständiger Streckbarkeit der Finger verbleibt. Auch sind dem Kläger Komplexbewegungen, wie der Nacken- oder der Schürzengriff oder der Spitzgriff beidseits uneingeschränkt möglich.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass über die beschriebenen Einschränkungen der Greiffunktion hinaus die funktionelle Einsetzbarkeit der Hand und des Armes nicht wesentlich eingeschränkt ist. Es erfolgt keine Entlastung des linken Arms, die Unterarmdrehbeweglichkeit des linken Unterarms ist ebenso uneingeschränkt möglich wie die der Handgelenke. Soweit PD Dr. M. ausgeführt hat, der Kläger könne rechts 115 kg, links dagegen nur 70 kg beim Kraftgriff erreichen, was durch die Unfallfolgen zu erklären sei, spiegeln sich diese Differenzen der demonstrierten Kraft nicht in den nahezu seitengleichen Umfangmaßen der Arme wieder, d.h. beide Arme werden, bis auf die durch die Rechts- und Linkshändigkeit bedingten Unterschiede, gleichermaßen eingesetzt und der linke Arm wird gerade nicht geschont. Vergleichbar hat im Übrigen neben Dr. H. auch PD Dr. M. die geringfügigen Differenzen der Armumfänge erklärt ("die Muskulatur am linken Ober- und Unterarm ist leicht gegenüber der rechten Seite vermindert, wie dies für einen Rechtshänder typisch ist"). Dem entsprechend sind auch die geringeren Arbeitsspuren in der linken Hand gegenüber rechts zu erklären und weisen gerade nicht auf einen Mindergebrauch der linken Hand, bedingt durch den Unfall, hin.
Dies bestätigt letztlich auch der Nachschaubericht von Dr. T. vom 20. September 2007, bei dem sich der Kläger wegen der Unfallfolgen am 20. September 2007 erstmals vorgestellt hat. Dr. T. hat in seinem Bericht ausgeführt, es finde sich links eine deutlich beschwielte Hand, die grobe Kraft sei beiderseits unauffällig. Als auffällig an der linken Hand beschreibt er lediglich die unvollständige Beugung des linken Kleinfingers. Auch Dr. T. sieht eine rentenberechtigende MdE nicht als gegeben an.
Soweit beim Kläger über dem 5. Carpometacarpalgelenk ein Druck- und Stauchungsschmerz auslösbar ist, ist darauf hinzuweisen, dass die mit einer Verletzung üblicherweise verbundenen Schmerzen schon in die Bewertungsvorschläge der MdE eingeflossen sind und daher jedenfalls dann, wenn, wie hier, die Schmerzen schon ihrer Intensität wegen kein eigenständiges Krankheitsbild bedingen, keine höhere MdE rechtfertigen können. Gleiches gilt für die von PD Dr. M. beschriebene eingeschränkte Wackelweglichkeit im 5. Carpometacarpalgelenk.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Verletztenrente als Stützrente wegen des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1999.
Der Kläger ist 1941 geboren und war zuletzt beim städtischen Tiefbauamt der Stadt N.-U. beschäftigt. Seit 1. Oktober 2004 ist er Rentner. Am 13. Januar 1999 erlitt er einen Arbeitsunfall, als er von der Ladefläche eines Pritschenwagens fiel. Dabei zog er sich eine Schädelprellung, eine Prellung der linken Hand mit Mittelhandfraktur und Gelenkbeteiligung und eine Defektverletzung der Backenzähne rechts zu (Unfallmeldung des Arbeitgebers vom 18. Januar 1999; Durchgangsarztbericht Dr. H. vom 14. Januar 1999; Nachschaubericht Dr. H. vom 21. Januar 1999). Ab 29. März 1999 war der Kläger wieder arbeitsfähig.
Im Bericht über die Vorstellung des Klägers in der handchirurgischen Sprechstunde vom 21. Juli 1999 führte der Ärztliche Direktor Prof. Dr. K. aus, es bestehe eine Arthrose MHK V links (radiologisch: Pseudoarthrose basisnah metacarpal DV links mit arthrotischen Gelenkzeichen). Dem Kläger sei zur Versteifung des 5. Carpometacarpalgelenks der linken Hand geraten worden.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Handchirurg Dr. H. unter dem 7. Oktober 1999 mit, es liege eine in Fehlstellung verheilte Basisfraktur des Metacarpale V links vor. Der Kläger habe insbesondere beim Faustschluss durch die Einschränkung der Beugung sämtlicher Langfinger Probleme. Der Kläger sei arbeitsfähig, eine MdE in rentenberechtigendem Grad liege nicht vor. Bei der Kontrolluntersuchung am 27. Oktober 1999 sei eine deutliche Besserung der Beschwerden angegeben worden. Im Bericht vom 24. Mai 2000 wurde ausgeführt, der Kläger arbeite mit der verordneten Bandage, habe vor allem noch Schmerzen bei Drehungen. Es bestehe eine Verdickung und ein Druckschmerz über der Basis Metacarpale V bei uneingeschränkter Handfunktion.
Im November 2001 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte. Er habe noch immer Schmerzen in der Hand und bitte, ein Gutachten zu erstellen.
Im Rentengutachten vom 8. Februar 2002 führte der Chefarzt der Abteilung Allgemeine Chirurgie der D.klinik N.-U., Dr. R., aus, als Unfallfolge bestehe noch eine in Verkürzungsfehlstellung verheilte Metacarpale-V-Basisfraktur sowie eine Arthrose im Carpometacarpalgelenk. Die Erwerbsfähigkeit sei vom 30. März 1999 bis 28. Januar 2002 um 10 v.H., danach auf Dauer um 10 v.H. gemindert.
Mit Bescheid vom 7. März 2002 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 13. Januar 1999 als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, da die Erwerbsfähigkeit um weniger als 20 v.H. gemindert sei. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, da die beständigen Schmerzen nach seiner Auffassung nicht angemessen berücksichtigt worden seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2002 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht U. (SG) erhoben (Az.: S 3 U 1941/02), das nach Anhörung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen mit Urteil vom 2. April 2003 die Klage abgewiesen hat.
Der Kläger erlitt am 22. Juli 2002 einen weiteren Arbeitsunfall. Diesen erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 11. März 2004 als solchen an, lehnte aber eine Rentengewährung ab, da die Erwerbsfähigkeit nicht in rentenberechtigendem Maß gemindert sei. Als Unfallfolgen erkannte die Beklagte an: Schwäche der Muskulatur an der Hinter- und Innenseite des linken Oberschenkels; geringfügige Bewegungseinschränkung (Beugebehinderung im linken Knie; mäßige Behinderung des Einbeinstands links).
Dagegen erhob der Kläger ebenfalls Widerspruch. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger zugleich geltend, ihm Stützrente wegen des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1999 zu gewähren.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Dr. R. mit der Erstellung des zweiten Rentengutachtens. Dieser führte unter dem 31. August 2004 aus, es bestehe noch eine in Fehlstellung mit Verkürzung und Rotationsfehler verheilte Metacarpale-V-Basisfraktur und eine Arthrose im Carpometacarpalgelenk. Dies bedinge eine MdE um 10 v.H. Der Beratungsarzt Dr. B. gab dazu in seiner Stellungnahme vom 16. September 2004 an, die von Dr. R. mitgeteilten Befunde rechtfertigten eine messbare MdE nicht. Es sei keine Beeinträchtigung des Fein-, Spitz- und Grobgriffes festgestellt worden, keine Bewegungseinschränkung am Handgelenk und an allen Fingergelenken und bei Rechtshändigkeit nur fraglich eine Muskelminderung an der Mittelhand. Eine leichte Verkürzung des Fingerstrahls nebst einer leichten Drehfehlstellung reichten für eine MdE um 10 v.H. ebenfalls nicht aus.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 die Neufeststellung einer Verletztenrente ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2004 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. März 2004 (Arbeitsunfall vom 22. Juli 2002) zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 7. Dezember 2004 Klage zum Sozialgericht U. (SG, Az.: S 3 U 3644/04) erhoben. Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und Dr. H., Orthopädisches Forschungsinstitut S., mit der Erstellung eines Gutachtens zu beiden Arbeitsunfällen beauftragt. In seinem Gutachten vom 23. März 2006 hat Dr. H. ausgeführt, beim Kläger bestünden belastungsabhängige Beschwerden und eine relativ diskrete Bewegungsstörung des 5. Fingers links nach solider Ausheilung in leichter Fehlstellung einer Mehrfragmentfraktur der Basis des 5. Mittelhandknochens, persistierende, teils belastungsabhängige Schmerzen im linken Oberschenkel nach mit Vernarbung und teilweiser Degeneration der betroffenen Muskelfasern ausgeheiltem ausgedehnten Muskelfaserriss mit Beteiligung mehrerer Muskeln und anschließender ausgeprägter Einblutung unter Marcumar, Verdacht auf fortgeschrittene Kniearthrose beidseits ohne wesentliche Funktionsstörungen sowie ein Wirbelgleiten L 5/S 1 ohne wesentliche Funktionsstörung. Die MdE für die Unfallfolgen an der Hand hat Dr. H. mit unter 10 v.H. bewertet, die Folgen des Unfalls vom 22. Juli 2002 mit 10 v.H. und die Gesamt-MdE für beide Verletzungen mit 10 v.H. vorgeschlagen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. November 2006 hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt, nachdem der gerichtliche Sachverständige Dr. H. die MdE mit 10 v.H. - für den Unfall vom 22. Juli 2002 - bestätigt habe.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2005 beantragte der Kläger, den Bescheid vom 12. Oktober 2004 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückzunehmen, gestützt auf das Gutachten von Dr. R ...
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Mai 2005 ab, den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2005 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 11. August 2005 Klage zum SG erhoben. Nach Anhörung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen und nach Eingang des Gutachtens von Dr. H. hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei PD Dr. M., Chirurgische Universitätsklinik U., das Gutachten vom 31. Mai 2006 eingeholt. Dieser hat als wesentliche Unfallfolgen aufgeführt ein in Fehlstellung verheilter Bruch der Basis des 5. Mittelhandknochens links, ein Überkreuzungsphänomen des Kleinfingers über den Ringfinger links bei der Beugung mit Beeinträchtigung der primären Greifformen, eine Kraftminderung der linken Hand, eine posttraumatische Arthrose des 5. Carpometacarpalgelenks mit erheblicher Bewegungseinschränkung dieses Gelenks und glaubhafte subjektive Beschwerden. Die MdE hat er mit 10 v.H. eingeschätzt und dazu ausgeführt, das betroffene Gelenk sei quasi eingesteift, wobei die noch bestehende Beweglichkeit Schmerzen bereite. Die Fehlstellung des Bruchs sei erheblich, denn sie führe zu einem Drehfehler des 5. Strahls der Hand, wodurch die primären Greifformen und dabei insbesondere der Faustschluss und der Kraftgriff beeinträchtigt seien.
Das SG hat Dr. H. das Gutachten von PD Dr. M. mit der Bitte um ergänzende Stellungnahme vorgelegt. Dieser hat unter dem 28. August 2006 ausgeführt, er halte an seiner Bewertung fest. Die Beklagte hat auf Aufforderung des SG die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. Brunner vom 18. Januar 2007 vorgelegt. Dieser hat sich der Beurteilung durch Dr. H. angeschlossen und zur Begründung ausgeführt, die Behinderung wirke sich weniger stark aus als der Verlust des ganzen Kleinfingers, was mit einer MdE um maximal 10 v.H. zu bemessen sei. Soweit PD Dr. M. die Verletzungen im Mittelhandknochen zur Bewertung der MdE herangezogen und von den in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur vorgeschlagenen Bewertungen einen Abschlag vorgenommen habe, sei zu berücksichtigen, dass die Behinderungen des Klägers weit weniger gravierend seien, trotz der Drehfehlstellung. Im übrigen spiele eine Arthrose und Bewegungseinschränkung im Gelenk zwischen dem 5. Mittelhandknochen und der Handwurzel eine nur so geringe Rolle, dass hieraus keine zusätzlich zu bewertende Funktionsstörung abzuleiten sei.
Durch Urteil vom 14. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt auf das Gutachten von Dr. H. und den Vorgaben der sozialmedizinischen Literatur. Der Auffassung von PD Dr. M. ist das SG nicht gefolgt, da dieser als Referenz den Bruch mehrerer Mittelhandknochen herangezogen und davon ausgehend "heruntergerechnet" habe. Dies sei aber nicht zulässig.
Gegen das ihm am 4. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. Oktober 2007 Berufung eingelegt und sich zur Begründung auf das Gutachten von PD Dr. M. gestützt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts U. vom 14. August 2007 und den Bescheid vom 19. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Rücknahme des Bescheids vom 12. Oktober 2004 Verletztenrente als Stützrente ab 22. Juli 2002 nach einer MdE um 10 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 12. Oktober 2004 nach § 44 SGB X.
Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem der unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Die Voraussetzungen des § 44 SGB X sind jedoch nicht erfüllt, da die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2004 zu Recht die Neufeststellung einer (Stütz-)Rente abgelehnt hat.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die bestehenden Gesundheitsstörungen an der linken Hand des Klägers keine MdE um wenigstens 10 v.H. bedingen und damit auch kein Stützrententatbestand unter Berücksichtigung des Unfalls vom 22. Juli 2002 gegeben ist.
Beim Kläger liegen an der linken Hand belastungsabhängige Beschwerden und eine relativ diskrete Bewegungsstörung des 5. Fingers nach solider Ausheilung in leichter Fehlstellung einer Mehrfragmentfraktur der Basis des 5. Mittelhandknochens vor, darüber hinaus ein Überkreuzungsphänomen des Kleinfingers über den Ringfinger links bei der Beugung mit Beeinträchtigung der primären Greifformen sowie eine posttraumatische Arthrose des 5. Carpometacarpalgelenks vor. Dies steht nach den insoweit übereinstimmenden Gutachten von Dr. H. und PD Dr. M.fest.
Diese Unfallfolgen bedingen aber keine MdE um wenigstens 10 v.H. Nach den Vorgaben der unfallversicherungsrechtlichen Literatur ist der komplette Verlust des 5. Kleinfingers regelmäßig mit einer MdE um 10 v.H. zu bemessen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 641; Bereither/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Anhang 12 J 051). Diese Bewertungsvorschläge legen nahe, auch nur für einen kompletten Funktionsverlust eines noch vorhandenen Fingers, der als Anhaltspunkt für die Bewertung dem Totalverlust gedanklich gleichgesetzt werden könnte, maximal eine MdE um 10 v.H. anzusetzen. Dies kann letztlich aber offen gelassen werden. Denn wenn, wie im vorliegenden Fall, der Finger noch funktionsfähig ist, lediglich ein Überkreuzungsphänomen des Kleinfingers über den Ringfinger links bei der Beugung mit einer geringfügigen Beeinträchtigung der primären Greifformen eintritt, rechtfertigt dies in einer vergleichenden Bewertung keine MdE um wenigstens 10 v.H. Dies hat Dr. H. in seinem Gutachten auch nachvollziehbar dargelegt, so dass sich der Senat dieser schlüssigen Bewertung anschließt.
Soweit PD Dr. M. "Amputationsverletzungen mit Beteiligung der Mittelhandknochen, bei denen auch die jeweiligen Fingerstrahlen mit betroffen sind" als Vergleichsmaßstab herangezogen und daraus eine MdE um 10 v.H. abgeleitet hat, kann sich dem der Senat nicht anschließen. Für diese Fälle ist in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O. S. 647; Bereither/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, a.a.O.) zwar eine MdE um 15 v.H. vorgesehen, regelmäßig wegen dem mit der Verletzung auch verbundenen Teilverlust an Sensibilität und einer Einschränkung der Feinmotorik. Diese Einschränkungen sind aber wesentlich gravierender als die beim Kläger bestehenden, zumal im Bereich des 5. Kleinfingers bei ihm keine Sensibilitätseinschränkungen vorliegen und die Feinmotorik lediglich bei der Greiffunktion minimal eingeschränkt ist. Dem entsprechend hat auch PD Dr. M. ausgeführt, dass beim Faustschluss an der linken Hand, bedingt durch die Drehfehlstellung, lediglich ein minimaler Abstand zwischen den Fingerkuppen D 2 bis D 5 und der distalen Hohlhandbeugefurche von 0-0-0-4 cm bei vollständiger Streckbarkeit der Finger verbleibt. Auch sind dem Kläger Komplexbewegungen, wie der Nacken- oder der Schürzengriff oder der Spitzgriff beidseits uneingeschränkt möglich.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass über die beschriebenen Einschränkungen der Greiffunktion hinaus die funktionelle Einsetzbarkeit der Hand und des Armes nicht wesentlich eingeschränkt ist. Es erfolgt keine Entlastung des linken Arms, die Unterarmdrehbeweglichkeit des linken Unterarms ist ebenso uneingeschränkt möglich wie die der Handgelenke. Soweit PD Dr. M. ausgeführt hat, der Kläger könne rechts 115 kg, links dagegen nur 70 kg beim Kraftgriff erreichen, was durch die Unfallfolgen zu erklären sei, spiegeln sich diese Differenzen der demonstrierten Kraft nicht in den nahezu seitengleichen Umfangmaßen der Arme wieder, d.h. beide Arme werden, bis auf die durch die Rechts- und Linkshändigkeit bedingten Unterschiede, gleichermaßen eingesetzt und der linke Arm wird gerade nicht geschont. Vergleichbar hat im Übrigen neben Dr. H. auch PD Dr. M. die geringfügigen Differenzen der Armumfänge erklärt ("die Muskulatur am linken Ober- und Unterarm ist leicht gegenüber der rechten Seite vermindert, wie dies für einen Rechtshänder typisch ist"). Dem entsprechend sind auch die geringeren Arbeitsspuren in der linken Hand gegenüber rechts zu erklären und weisen gerade nicht auf einen Mindergebrauch der linken Hand, bedingt durch den Unfall, hin.
Dies bestätigt letztlich auch der Nachschaubericht von Dr. T. vom 20. September 2007, bei dem sich der Kläger wegen der Unfallfolgen am 20. September 2007 erstmals vorgestellt hat. Dr. T. hat in seinem Bericht ausgeführt, es finde sich links eine deutlich beschwielte Hand, die grobe Kraft sei beiderseits unauffällig. Als auffällig an der linken Hand beschreibt er lediglich die unvollständige Beugung des linken Kleinfingers. Auch Dr. T. sieht eine rentenberechtigende MdE nicht als gegeben an.
Soweit beim Kläger über dem 5. Carpometacarpalgelenk ein Druck- und Stauchungsschmerz auslösbar ist, ist darauf hinzuweisen, dass die mit einer Verletzung üblicherweise verbundenen Schmerzen schon in die Bewertungsvorschläge der MdE eingeflossen sind und daher jedenfalls dann, wenn, wie hier, die Schmerzen schon ihrer Intensität wegen kein eigenständiges Krankheitsbild bedingen, keine höhere MdE rechtfertigen können. Gleiches gilt für die von PD Dr. M. beschriebene eingeschränkte Wackelweglichkeit im 5. Carpometacarpalgelenk.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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