Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 SB 7954/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 930/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Die 1948 geborene Klägerin stellte am 08.10.2002 beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) erstmals einen Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz. Die Klägerin legte medizinische Unterlagen vor (Befundbericht Dr.G. vom 27.11.2000; Kreiskrankenhaus S. Koloskopiebericht vom 24.11.2000, Operationsbericht vom 24.11.2000, Berichte vom 05.12.2000, 20.12.2000, 26.04.2001, 20.12.2001 und 03.01.2002, Bescheinigung vom 09.12.2002). Nach versorgungsärztlicher Auswertung stellte das VA mit Bescheid vom 20.02.2003 bei der Klägerin den GdB mit 20 seit 08.10.2002 fest.
Am 26.04.2004 rügte die Klägerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten keine Nachricht über ihren Antrag erhalten zu haben und bat um Akteneinsicht, die das VA gewährte. Am 13.05.2004 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 20.02.2003 Widerspruch ein, hilfsweise stellte sie einen Antrag gem. § 44 SGB X. Sie führte zur Begründung aus, sie habe den Bescheid vom 20.02.2003 nicht erhalten. Die im Bescheid anerkannten Behinderungen dürften angemessen festgesetzt sein. Zusätzlich lägen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine Polyarthrose, Kniebeschwerden sowie Atembeschwerden vor. Das VA holte den Befundschein des Dr. O. von 02.06.2004 ein, der weitere Befundberichte vom 15.05.2003, 06.08.2003 und 11.12.2003 vorlegte. Außerdem zog das VA durch Dr. M. weitere medizinische Befundunterlagen bei (Dr. E. vom 16.01.2003, Dr. S. vom 21.01.2004, Dr. von Sch. vom 28.01.2004, Berichte M.hospital vom 12.02.2004 und 19.02.2004, Herzkatheter Protokoll vom 12.02.2004, Bericht Dr. O. vom 28.04.2004 sowie Laborbefunde). Nach versorgungsärztlicher Auswertung wurde der Widerspruch der Klägerin unter Berücksichtigung einer Herzleistungsminderung, Adipositas permagna, Bluthochdruck (Teil-GdB 20), eines Nabelbruches (Teil-GdB 10), einer Nierenfunktionseinschränkung, Harninkontinenz (Teil-GdB 10) sowie einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Gebrauchseinschränkung beider Beine (Teil-GdB 10) mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 22.11.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die angefochtene Entscheidung sei überprüft worden. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen könnten keinen höheren GdB als 20 begründen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 01.12.2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte unter Bezug auf ihr Widerspruchsvorbringen geltend, richtigerweise liege ein GdB von mindestens 30 vor. Bei einer Darmspiegelung sei ihr der Dickdarm durchstochen worden. Anschließend habe sie Beschwerden mit dem Herzen, mit hohem Blutdruck, Husten, "keine Luft bekommen", entwickelt, die sie psychisch erheblich beeinträchtigten. Sie leide subjektiv an sehr starken und deutlichen Beschwerden. Möglicherweise liege hier eine somatoforme Erkrankung vor. Die kardialen Beschwerden seien möglicherweise mit einem GdB von 20 sogar deutlich untersetzt. Hinzu komme eine erhebliche Adipositas. Es sei davon auszugehen, dass die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen und die kardiologische Problematik im Zusammenhang mit der Adipositas zu sehen seien. Weiter müssten auch die Fußbeschwerden berücksichtigt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich kein GdB von 30 ergeben solle, der zweifelsfrei vorliege.
Das SG hörte den Orthopäden Dr. O. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dr. O. teilte in seiner Stellungnahme vom 29.03.2005 unter Vorlage von Befundberichten mit, entgegen dem Ansatz der Versorgungsamtsärzte müsse aufgrund der Fuß-, Knie- und Wirbelsäulenbeschwerden wenigstens ein GdB von 20 angesetzt werden.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 09.09.2005 entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2007 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass ein höherer GdB als 20 bei der Klägerin nicht festzustellen sei. Die Klägerin leide an einer hypersensitiven Herzerkrankung, die mit einem GdB von 20 zu bewerten sei. Die Nierenfunktionseinschränkung und die Harninkontinenz seien als leichtgradig einzuordnen und mit einem GdB von 10 zu bewerten. Auch die Erkrankung der Wirbelsäule sowie die Funktionsbeeinträchtigung des linken Kniegelenkes seien jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine GdB-relevante Erkrankung der Hüftgelenke liege nicht vor. Ebenso wenig gehe die Kammer vom Vorliegen einer psychischen oder psychovegetativen Erkrankung aus. Soweit die Klägerin bei einer Fußfehlform an Schmerzen im Bereich der Füße leide, erachte die Kammer die Bewertung mit einem Teil-GdB von mindestens 10 für nicht gerechtfertigt. Auch der im Dezember 2001 operierte Nabelbruch sei nicht mit einem GdB zu bewerten. Dies gelte auch für die Adipositas permagna, die alleine keinen GdB bedinge. Für besondere funktionelle Auswirkungen der Adipositas bestehe nach Auffassung der Kammer kein Anhaltspunkt, ebenso wenig für Folge- und Begleiterscheinungen. Damit habe der Beklagte bei der Klägerin den GdB mit 20 zutreffend bewertet.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 19.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22.02.2007 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, bei ihr liege ein therapieresistentes Wirbelsäulenleiden (Spondylchontrose-/arthrose, Rumpfmuskelinsuffizienz) vor. Hierzu hätte von Seiten des SG ein Gutachten eingeholt werden müssen. Das SG sei weiter zu Unrecht davon ausgegangen, dass ihre Adipositas nicht zu bewerten sei. Im Zusammenhang mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und dem auftretenden Wirbelsäulensyndrom sei die Benachteiligung bei einem Körpergewicht, welches bei ihr nahezu doppelt so hoch (125 Kilogramm bei 162 cm Körpergröße) wie das Normalgewicht sei, deutlich höher. Außerdem sei bei ihr im Jahr 2004 die Verdachtsdiagnose auf eine "Jammerdepression" gestellt worden. Aus dem Umstand, dass sie sich nicht in nervenärztliche Behandlung begeben habe, könne nicht gefolgert werden, dass bei ihr eine psychovegetative Erkrankung ausscheide. Die Befundlage lege eine psychovegetative Problematik nahe. Eine Blutdruckmessung habe bei ihr einen Wert von 240 ergeben. Deshalb sei auch das Rote Kreuz gerufen worden. Dies mag gegebenenfalls dafür sprechen, im Zusammenhang mit der Adipositas ihre Herz-Kreislauf-Problematik mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Sie sei zudem wegen eines Blasenleidens in urologischer Behandlung. Des Weiteren leide sie seit Jahren an Bronchitis und Asthma. Ungeachtet des vorliegenden Rechtsstreites stelle sich die Frage, ob sie überhaupt erwerbsfähig sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2004 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit mindestens 30 seit 8. Oktober 2002 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat Dr. O., Dr. B., Dr. von Sch., den Arzt D. und Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Internist Dr. von Sch. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.10.2007 unter Vorlage von Befundberichten über den Behandlungsverlauf berichtet und die erhobenen Befunde mitgeteilt. Er hat angegeben, die vom versorgungsärztlichen Dienst berücksichtigte Herzleistungsminderung und der Bluthochdruck mit einem GdB von 20 habe sich zurückgebildet. Auf seinem Fachgebiet schätzte er den GdB auf 0 ein. Der Urologe Dr. R. teilte in seiner am 14.11.2007 eingegangenen Stellungnahme unter Vorlage von Befundberichten die erhobenen Befunde mit. Wegen einer Urge-/Stressinkontinenz sowie einer chronischen Harnwegsinfektion schätzte er den GdB auf jeweils 10 und den Gesamt-GdB auf 20. Der Internist Dr. B. berichtet in seiner Stellungnahme vom 13.11.2007 unter Vorlage eines Befundberichtes über eine einmalige Untersuchung der Klägerin am 29.09.2004. Er gab an, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung habe bei normaler Lungenfunktion ausgeschlossen werden können. Der versorgungsärztliche Dienst habe eine chronische Atemwegserkrankung nicht berücksichtigt. Zu berücksichtigen sei attackenweise bis zu Hustensynkopen auftretender Husten und eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit. Auf pneumologischem Gebiet schätzte er den GdB auf 20. Der Arzt für Allgemeinmedizin D. teilte in seiner Stellungnahme vom 16.11.2007 unter Vorlage von Befundberichten die Befunde und Diagnosen mit. Er schätzte den GdB auf 50. Der Orthopäde Dr. O. teilte in seiner Stellungnahme von 22.11.2007 unter Vorlage von Befundberichten mit, die Klägerin befinde sich seit März 2005 weiterhin bei gleichbleibendem Gesundheitszustand in seiner Behandlung, zuletzt im September 2006, einmalig im August 2007.
Die Klägerin hat zu den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen Stellung genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreites ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 20.
Der Beklagte wird seit 01.01.2005 wirksam durch das Regierungspräsidium Stuttgart vertreten. Nach § 71 Abs. 5 SGG wird in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. In Baden-Württemberg sind die Aufgaben des Landesversorgungsamts durch Art 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz -VRG-) vom 01.07.2004 (GBl S. 469) mit Wirkung ab 01.01.2005 (Art 187 VRG) auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergegangen.
Auf Antrag des Behinderten stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den daraus resultierenden GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004/2008 (AHP) heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).
Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Ermittlungen sowie unter Berücksichtigung der in der Verwaltungsakte des Beklagten enthaltenen medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin der GdB mit 20 vom Beklagten zutreffend festgestellt wurde. Ein GdB von 30 (oder mehr) liegt bei der Klägerin nicht vor.
Eine dauerhafte Herzleistungsminderung und ein dauerhafter Bluthochdruck, die der Beklagte zusammen mit der Adipositas der Klägerin mit einem Teil-GdB von 20 berücksichtigt hat, liegt bei der Klägerin nicht vor, wie sich aus der im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. von Sch. ergibt. Nach seinen Angaben in der Stellungnahme vom 24.10.2007 besteht eine hypertensive Herzerkrankung bei der Klägerin nicht mehr; sie hat sich zurückgebildet. Auch ist der Blutdruck der Klägerin gut eingestellt, wie eine 24 Stunden Blutdruckmessung ergeben hat. Dr. von Sch. hat dementsprechend überzeugend auf seinem Fachgebiet den GdB auf 0 eingeschätzt. Unter diesen Voraussetzungen kann bei der Klägerin von einer dauerhaften Behinderung (auf kardiologischem Fachgebiet), die bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen wäre, nicht ausgegangen werden.
Das Wirbelsäulenleiden der Klägerin bedingt nach den vorliegenden Befundberichten insbesondere des Dr. O. einen Teil-GdB von 10, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid in den Entscheidungsgründen ausführlich ausgeführt hat. Dies gilt auch für eine Funktionsbeeinträchtigungen des linken Kniegelenkes der Klägerin. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er macht sich zur Begründung der vorliegenden Entscheidung die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides (Seite 6f Abs. 2 bis Seite 7 Absatz 2) zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen, auf die er verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet, die mit einem Teil-GdB zu berücksichtigen wären, liegen bei der Klägerin auch zur Überzeugung des Senates nicht vor. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Hüftgelenke sowie der Fußfehlform, wie das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides (Seite 7f Absatz 2, Seite 8 letzter Absatz) ebenfalls zutreffend ausgeführt hat. Auch diesen Ausführungen schließt sich der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung an. Danach kann bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet von einem Teil-GdB allenfalls von 20 ausgegangen werden. Dem entspricht auch die Bewertung des Dr. O. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 29.03.2005. Eine Veränderung im Gesundheitszustand der Klägerin ist nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. O. vom 22.11.2007 nicht eingetreten.
Die bei der Klägerin weiter vorliegende Urge-/Stressinkontinenz sowie die chronische Harnwegsinfektion bedingen nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. R. jeweils einen Teil-GdB von 10, die nach den dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen sind. Soweit Dr. R. auf seinem Fachgebiet den GdB mit 20 bewertet, kann diese Bewertung nicht gefolgt werden, das sie den Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB widerspricht.
Bei der Klägerin liegt auch keine Erkrankung der Atemwege vor, die bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. B. vom 13.11.2007 besteht bei der Klägerin eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung nicht. Die Lungenfunktion der Klägerin ist nach den von Dr. B. erhobenen Befunden normal. Auch sonst lässt sich den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen eine Einschränkung der Lungenfunktion der Klägerin nicht entnehmen. Zwar besteht nach den Angaben von Dr. B. bei der Klägerin eine chronische Atemwegserkrankung mit Husten und attackenweise auftretenden Hustensynkopen. Soweit Dr. B. wegen dieser Erkrankung den GdB auf 20 einschätzt, kann seiner Bewertung nicht gefolgt werden. Nach den AHP (Nr. 26.8, Seite 67f) ist bei einer chronischen Bronchitis ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion ein Teil-GdB von 20 bis 30 erst bei schwerer Form (fast kontinuierlich ausgiebig Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) gerechtfertigt. Dass bei der Klägerin von einer schweren Form der chronische Atemwegserkrankung auszugehen ist, lässt sich den Angaben des Dr. B. aber nicht entnehmen und ist auch aus den sonst vorliegenden Befundunterlagen nicht ersichtlich. Bei der Klägerin ist danach von einer leichten Form auszugehen, die nach den AHP einen Teil-GdB von 0 bis allenfalls 10 rechtfertigt, der bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen ist.
Auch auf nervenärztlichem Fachgebiet liegt bei der Klägerin keine Behinderung vor, die es rechtfertigt, den GdB auf 30 oder mehr festzustellen. Nach dem von Dr. O. dem SG vorgelegten Befundbericht des Dr. Böttger vom 18.09.2002 ergab eine neurologische Untersuchung bei der Klägerin einen komplett unauffälligem Befund. Auch auf psychologischen Gebiet ist den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nichts zu entnehmen, dass die Annahme rechtfertigt, bei der Klägerin liegt wegen einer seelischen / somatoformen Erkrankung eine bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigende Behinderung vor. Vielmehr war nach dem Bericht des Kreiskrankenhauses S. vom 26.04.2001 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 26.03.2001 bis 10.04.2001 der psychische - wie auch neurologische - Befund in allen Teilen regelrecht. Zwar hat Dr. von Sch. in seinem Arztbrief vom 28.01.2004 bei der Klägerin den Verdacht auf eine "Jammerdepression" diagnostiziert. Weiter hat der Arzt D. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 16.11.2007 (u.a.) eine Depression der Klägerin genannt. Dass die Klägerin deswegen in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in einer Weise beeinträchtigt ist, die nach den AHP bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist, lässt sich den vorliegenden Befundunterlagen, im Übrigen auch ihrem eigenen Vorbringen, nicht entnehmen. Hiergegen spricht, dass sich die Klägerin deswegen nicht in fachärztlicher Behandlung begeben hat, was den Schluss auf allenfalls leichtere psychovegetativen oder psychische Störungen nahelegt, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, deswegen bei der Klägerin den Gesamt-GdB auf 30 (oder mehr) anzuheben.
Die Adipositas permagna der Klägerin rechtfertigt nach den AHP für sich keinen GdB, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, worauf der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung ebenfalls Bezug nimmt. Dies gilt auch für den (operierten) Nabelbruch der Klägerin.
Soweit der Arzt D. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 16.11.2007 bei der Klägerin einen Gesamt-GdB von 50 angenommen hat, kann dieser Einschätzung nicht gefolgt werden. Dr. D. nennt keine Befunde, die abweichend von dem Ausgeführten einen GdB von 50 bei der Klägerin plausibel machen, zumal er Erkrankungen berücksichtigt, die bei der Klägerin nicht (mehr) vorliegen (spastische Bronchitis, COPD; Hypertonie, KHK, dek. Herzinsuffizienz).
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die durchgeführten Ermittlungen im Verfahren erster und zweiter Instanz aufgeklärt. Der Einholung von Sachverständigengutachten bedarf es daher nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Die 1948 geborene Klägerin stellte am 08.10.2002 beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) erstmals einen Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz. Die Klägerin legte medizinische Unterlagen vor (Befundbericht Dr.G. vom 27.11.2000; Kreiskrankenhaus S. Koloskopiebericht vom 24.11.2000, Operationsbericht vom 24.11.2000, Berichte vom 05.12.2000, 20.12.2000, 26.04.2001, 20.12.2001 und 03.01.2002, Bescheinigung vom 09.12.2002). Nach versorgungsärztlicher Auswertung stellte das VA mit Bescheid vom 20.02.2003 bei der Klägerin den GdB mit 20 seit 08.10.2002 fest.
Am 26.04.2004 rügte die Klägerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten keine Nachricht über ihren Antrag erhalten zu haben und bat um Akteneinsicht, die das VA gewährte. Am 13.05.2004 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 20.02.2003 Widerspruch ein, hilfsweise stellte sie einen Antrag gem. § 44 SGB X. Sie führte zur Begründung aus, sie habe den Bescheid vom 20.02.2003 nicht erhalten. Die im Bescheid anerkannten Behinderungen dürften angemessen festgesetzt sein. Zusätzlich lägen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine Polyarthrose, Kniebeschwerden sowie Atembeschwerden vor. Das VA holte den Befundschein des Dr. O. von 02.06.2004 ein, der weitere Befundberichte vom 15.05.2003, 06.08.2003 und 11.12.2003 vorlegte. Außerdem zog das VA durch Dr. M. weitere medizinische Befundunterlagen bei (Dr. E. vom 16.01.2003, Dr. S. vom 21.01.2004, Dr. von Sch. vom 28.01.2004, Berichte M.hospital vom 12.02.2004 und 19.02.2004, Herzkatheter Protokoll vom 12.02.2004, Bericht Dr. O. vom 28.04.2004 sowie Laborbefunde). Nach versorgungsärztlicher Auswertung wurde der Widerspruch der Klägerin unter Berücksichtigung einer Herzleistungsminderung, Adipositas permagna, Bluthochdruck (Teil-GdB 20), eines Nabelbruches (Teil-GdB 10), einer Nierenfunktionseinschränkung, Harninkontinenz (Teil-GdB 10) sowie einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und Gebrauchseinschränkung beider Beine (Teil-GdB 10) mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 22.11.2004 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die angefochtene Entscheidung sei überprüft worden. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen könnten keinen höheren GdB als 20 begründen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 01.12.2004 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Sie machte unter Bezug auf ihr Widerspruchsvorbringen geltend, richtigerweise liege ein GdB von mindestens 30 vor. Bei einer Darmspiegelung sei ihr der Dickdarm durchstochen worden. Anschließend habe sie Beschwerden mit dem Herzen, mit hohem Blutdruck, Husten, "keine Luft bekommen", entwickelt, die sie psychisch erheblich beeinträchtigten. Sie leide subjektiv an sehr starken und deutlichen Beschwerden. Möglicherweise liege hier eine somatoforme Erkrankung vor. Die kardialen Beschwerden seien möglicherweise mit einem GdB von 20 sogar deutlich untersetzt. Hinzu komme eine erhebliche Adipositas. Es sei davon auszugehen, dass die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen und die kardiologische Problematik im Zusammenhang mit der Adipositas zu sehen seien. Weiter müssten auch die Fußbeschwerden berücksichtigt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sich kein GdB von 30 ergeben solle, der zweifelsfrei vorliege.
Das SG hörte den Orthopäden Dr. O. schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dr. O. teilte in seiner Stellungnahme vom 29.03.2005 unter Vorlage von Befundberichten mit, entgegen dem Ansatz der Versorgungsamtsärzte müsse aufgrund der Fuß-, Knie- und Wirbelsäulenbeschwerden wenigstens ein GdB von 20 angesetzt werden.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. vom 09.09.2005 entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2007 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass ein höherer GdB als 20 bei der Klägerin nicht festzustellen sei. Die Klägerin leide an einer hypersensitiven Herzerkrankung, die mit einem GdB von 20 zu bewerten sei. Die Nierenfunktionseinschränkung und die Harninkontinenz seien als leichtgradig einzuordnen und mit einem GdB von 10 zu bewerten. Auch die Erkrankung der Wirbelsäule sowie die Funktionsbeeinträchtigung des linken Kniegelenkes seien jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Eine GdB-relevante Erkrankung der Hüftgelenke liege nicht vor. Ebenso wenig gehe die Kammer vom Vorliegen einer psychischen oder psychovegetativen Erkrankung aus. Soweit die Klägerin bei einer Fußfehlform an Schmerzen im Bereich der Füße leide, erachte die Kammer die Bewertung mit einem Teil-GdB von mindestens 10 für nicht gerechtfertigt. Auch der im Dezember 2001 operierte Nabelbruch sei nicht mit einem GdB zu bewerten. Dies gelte auch für die Adipositas permagna, die alleine keinen GdB bedinge. Für besondere funktionelle Auswirkungen der Adipositas bestehe nach Auffassung der Kammer kein Anhaltspunkt, ebenso wenig für Folge- und Begleiterscheinungen. Damit habe der Beklagte bei der Klägerin den GdB mit 20 zutreffend bewertet.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 19.02.2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22.02.2007 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, bei ihr liege ein therapieresistentes Wirbelsäulenleiden (Spondylchontrose-/arthrose, Rumpfmuskelinsuffizienz) vor. Hierzu hätte von Seiten des SG ein Gutachten eingeholt werden müssen. Das SG sei weiter zu Unrecht davon ausgegangen, dass ihre Adipositas nicht zu bewerten sei. Im Zusammenhang mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und dem auftretenden Wirbelsäulensyndrom sei die Benachteiligung bei einem Körpergewicht, welches bei ihr nahezu doppelt so hoch (125 Kilogramm bei 162 cm Körpergröße) wie das Normalgewicht sei, deutlich höher. Außerdem sei bei ihr im Jahr 2004 die Verdachtsdiagnose auf eine "Jammerdepression" gestellt worden. Aus dem Umstand, dass sie sich nicht in nervenärztliche Behandlung begeben habe, könne nicht gefolgert werden, dass bei ihr eine psychovegetative Erkrankung ausscheide. Die Befundlage lege eine psychovegetative Problematik nahe. Eine Blutdruckmessung habe bei ihr einen Wert von 240 ergeben. Deshalb sei auch das Rote Kreuz gerufen worden. Dies mag gegebenenfalls dafür sprechen, im Zusammenhang mit der Adipositas ihre Herz-Kreislauf-Problematik mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten. Sie sei zudem wegen eines Blasenleidens in urologischer Behandlung. Des Weiteren leide sie seit Jahren an Bronchitis und Asthma. Ungeachtet des vorliegenden Rechtsstreites stelle sich die Frage, ob sie überhaupt erwerbsfähig sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Februar 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2004 zu verurteilen, bei ihr den Grad der Behinderung mit mindestens 30 seit 8. Oktober 2002 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.
Der Senat hat Dr. O., Dr. B., Dr. von Sch., den Arzt D. und Dr. R. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Internist Dr. von Sch. hat in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 24.10.2007 unter Vorlage von Befundberichten über den Behandlungsverlauf berichtet und die erhobenen Befunde mitgeteilt. Er hat angegeben, die vom versorgungsärztlichen Dienst berücksichtigte Herzleistungsminderung und der Bluthochdruck mit einem GdB von 20 habe sich zurückgebildet. Auf seinem Fachgebiet schätzte er den GdB auf 0 ein. Der Urologe Dr. R. teilte in seiner am 14.11.2007 eingegangenen Stellungnahme unter Vorlage von Befundberichten die erhobenen Befunde mit. Wegen einer Urge-/Stressinkontinenz sowie einer chronischen Harnwegsinfektion schätzte er den GdB auf jeweils 10 und den Gesamt-GdB auf 20. Der Internist Dr. B. berichtet in seiner Stellungnahme vom 13.11.2007 unter Vorlage eines Befundberichtes über eine einmalige Untersuchung der Klägerin am 29.09.2004. Er gab an, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung habe bei normaler Lungenfunktion ausgeschlossen werden können. Der versorgungsärztliche Dienst habe eine chronische Atemwegserkrankung nicht berücksichtigt. Zu berücksichtigen sei attackenweise bis zu Hustensynkopen auftretender Husten und eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit. Auf pneumologischem Gebiet schätzte er den GdB auf 20. Der Arzt für Allgemeinmedizin D. teilte in seiner Stellungnahme vom 16.11.2007 unter Vorlage von Befundberichten die Befunde und Diagnosen mit. Er schätzte den GdB auf 50. Der Orthopäde Dr. O. teilte in seiner Stellungnahme von 22.11.2007 unter Vorlage von Befundberichten mit, die Klägerin befinde sich seit März 2005 weiterhin bei gleichbleibendem Gesundheitszustand in seiner Behandlung, zuletzt im September 2006, einmalig im August 2007.
Die Klägerin hat zu den eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen Stellung genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreites ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 20.
Der Beklagte wird seit 01.01.2005 wirksam durch das Regierungspräsidium Stuttgart vertreten. Nach § 71 Abs. 5 SGG wird in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten. In Baden-Württemberg sind die Aufgaben des Landesversorgungsamts durch Art 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Reform der Verwaltungsstruktur, zur Justizreform und zur Erweiterung des kommunalen Handlungsspielraums (Verwaltungsstruktur-Reformgesetz -VRG-) vom 01.07.2004 (GBl S. 469) mit Wirkung ab 01.01.2005 (Art 187 VRG) auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergegangen.
Auf Antrag des Behinderten stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den daraus resultierenden GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX), so dass auch hier die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004/2008 (AHP) heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5).
Nach dem Ergebnis der vom Senat und vom SG durchgeführten Ermittlungen sowie unter Berücksichtigung der in der Verwaltungsakte des Beklagten enthaltenen medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin der GdB mit 20 vom Beklagten zutreffend festgestellt wurde. Ein GdB von 30 (oder mehr) liegt bei der Klägerin nicht vor.
Eine dauerhafte Herzleistungsminderung und ein dauerhafter Bluthochdruck, die der Beklagte zusammen mit der Adipositas der Klägerin mit einem Teil-GdB von 20 berücksichtigt hat, liegt bei der Klägerin nicht vor, wie sich aus der im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. von Sch. ergibt. Nach seinen Angaben in der Stellungnahme vom 24.10.2007 besteht eine hypertensive Herzerkrankung bei der Klägerin nicht mehr; sie hat sich zurückgebildet. Auch ist der Blutdruck der Klägerin gut eingestellt, wie eine 24 Stunden Blutdruckmessung ergeben hat. Dr. von Sch. hat dementsprechend überzeugend auf seinem Fachgebiet den GdB auf 0 eingeschätzt. Unter diesen Voraussetzungen kann bei der Klägerin von einer dauerhaften Behinderung (auf kardiologischem Fachgebiet), die bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen wäre, nicht ausgegangen werden.
Das Wirbelsäulenleiden der Klägerin bedingt nach den vorliegenden Befundberichten insbesondere des Dr. O. einen Teil-GdB von 10, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid in den Entscheidungsgründen ausführlich ausgeführt hat. Dies gilt auch für eine Funktionsbeeinträchtigungen des linken Kniegelenkes der Klägerin. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er macht sich zur Begründung der vorliegenden Entscheidung die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides (Seite 6f Abs. 2 bis Seite 7 Absatz 2) zur Vermeidung von Wiederholungen zu eigen, auf die er verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Sonstige Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet, die mit einem Teil-GdB zu berücksichtigen wären, liegen bei der Klägerin auch zur Überzeugung des Senates nicht vor. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Hüftgelenke sowie der Fußfehlform, wie das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides (Seite 7f Absatz 2, Seite 8 letzter Absatz) ebenfalls zutreffend ausgeführt hat. Auch diesen Ausführungen schließt sich der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung an. Danach kann bei der Klägerin auf orthopädischem Fachgebiet von einem Teil-GdB allenfalls von 20 ausgegangen werden. Dem entspricht auch die Bewertung des Dr. O. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 29.03.2005. Eine Veränderung im Gesundheitszustand der Klägerin ist nach der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. O. vom 22.11.2007 nicht eingetreten.
Die bei der Klägerin weiter vorliegende Urge-/Stressinkontinenz sowie die chronische Harnwegsinfektion bedingen nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenauskunft von Dr. R. jeweils einen Teil-GdB von 10, die nach den dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen sind. Soweit Dr. R. auf seinem Fachgebiet den GdB mit 20 bewertet, kann diese Bewertung nicht gefolgt werden, das sie den Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB widerspricht.
Bei der Klägerin liegt auch keine Erkrankung der Atemwege vor, die bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist. Nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. B. vom 13.11.2007 besteht bei der Klägerin eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung nicht. Die Lungenfunktion der Klägerin ist nach den von Dr. B. erhobenen Befunden normal. Auch sonst lässt sich den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen eine Einschränkung der Lungenfunktion der Klägerin nicht entnehmen. Zwar besteht nach den Angaben von Dr. B. bei der Klägerin eine chronische Atemwegserkrankung mit Husten und attackenweise auftretenden Hustensynkopen. Soweit Dr. B. wegen dieser Erkrankung den GdB auf 20 einschätzt, kann seiner Bewertung nicht gefolgt werden. Nach den AHP (Nr. 26.8, Seite 67f) ist bei einer chronischen Bronchitis ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion ein Teil-GdB von 20 bis 30 erst bei schwerer Form (fast kontinuierlich ausgiebig Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) gerechtfertigt. Dass bei der Klägerin von einer schweren Form der chronische Atemwegserkrankung auszugehen ist, lässt sich den Angaben des Dr. B. aber nicht entnehmen und ist auch aus den sonst vorliegenden Befundunterlagen nicht ersichtlich. Bei der Klägerin ist danach von einer leichten Form auszugehen, die nach den AHP einen Teil-GdB von 0 bis allenfalls 10 rechtfertigt, der bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht zu berücksichtigen ist.
Auch auf nervenärztlichem Fachgebiet liegt bei der Klägerin keine Behinderung vor, die es rechtfertigt, den GdB auf 30 oder mehr festzustellen. Nach dem von Dr. O. dem SG vorgelegten Befundbericht des Dr. Böttger vom 18.09.2002 ergab eine neurologische Untersuchung bei der Klägerin einen komplett unauffälligem Befund. Auch auf psychologischen Gebiet ist den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nichts zu entnehmen, dass die Annahme rechtfertigt, bei der Klägerin liegt wegen einer seelischen / somatoformen Erkrankung eine bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigende Behinderung vor. Vielmehr war nach dem Bericht des Kreiskrankenhauses S. vom 26.04.2001 über eine stationäre Behandlung der Klägerin vom 26.03.2001 bis 10.04.2001 der psychische - wie auch neurologische - Befund in allen Teilen regelrecht. Zwar hat Dr. von Sch. in seinem Arztbrief vom 28.01.2004 bei der Klägerin den Verdacht auf eine "Jammerdepression" diagnostiziert. Weiter hat der Arzt D. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an den Senat vom 16.11.2007 (u.a.) eine Depression der Klägerin genannt. Dass die Klägerin deswegen in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in einer Weise beeinträchtigt ist, die nach den AHP bei der Bildung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen ist, lässt sich den vorliegenden Befundunterlagen, im Übrigen auch ihrem eigenen Vorbringen, nicht entnehmen. Hiergegen spricht, dass sich die Klägerin deswegen nicht in fachärztlicher Behandlung begeben hat, was den Schluss auf allenfalls leichtere psychovegetativen oder psychische Störungen nahelegt, die es nicht angezeigt erscheinen lassen, deswegen bei der Klägerin den Gesamt-GdB auf 30 (oder mehr) anzuheben.
Die Adipositas permagna der Klägerin rechtfertigt nach den AHP für sich keinen GdB, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat, worauf der Senat zur Begründung seiner eigenen Entscheidung ebenfalls Bezug nimmt. Dies gilt auch für den (operierten) Nabelbruch der Klägerin.
Soweit der Arzt D. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 16.11.2007 bei der Klägerin einen Gesamt-GdB von 50 angenommen hat, kann dieser Einschätzung nicht gefolgt werden. Dr. D. nennt keine Befunde, die abweichend von dem Ausgeführten einen GdB von 50 bei der Klägerin plausibel machen, zumal er Erkrankungen berücksichtigt, die bei der Klägerin nicht (mehr) vorliegen (spastische Bronchitis, COPD; Hypertonie, KHK, dek. Herzinsuffizienz).
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die durchgeführten Ermittlungen im Verfahren erster und zweiter Instanz aufgeklärt. Der Einholung von Sachverständigengutachten bedarf es daher nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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