L 8 SB 1665/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 1392/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1665/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte den Grad der Behinderung (GdB) des Klägers zu Recht von 80 auf 20 herabgesetzt hat.

Mit Bescheid vom 22.10.1997 stellte das Versorgungsamt Heidelberg (VA) bei dem am 1960 geborenen Kläger unter Berücksichtigung einer "Hodenerkrankung nach Operation" im Stadium der Heilungsbewährung einen GdB von 80 fest. Diese Entscheidung beruhte auf einer entsprechenden versorgungsärztlichen Stellungnahme, der die Berichte der Urologischen Klinik des Klinikums der Stadt M. vom 18.08. und 29.08.1997 zugrunde lagen. Danach war beim Kläger am 07.07.1997 wegen eines seminomatösen Keimzelltumors eine Semikastration links erfolgt.

Mit dem Antrag auf Verlängerung seines Schwerbehindertenausweises vom Juni 2002 legte der Kläger den Befundbericht der Urologischen Klinik des Klinikums der Stadt M. vom 03.04.2002 (Untersuchung 16.01.2002) vor, wonach sich kein Anhalt für einen Progress oder ein Rezidiv im Rahmen der Grunderkrankung ergeben habe. In der hierzu eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.07.2002 wurde die Auffassung vertreten, dass weiterhin ein GdB von 80 angenommen werden könne. Im Oktober 2002 solle eine Nachprüfung vorgenommen werden. Daraufhin wurde der Schwerbehindertenausweis des Klägers verlängert.

Im Rahmen der Nachprüfung holte das VA den Untersuchungsbericht der Urologischen Klinik des Klinikums der Stadt M. vom 28.08.2002 ein, wonach sich ein unauffälliger Status ohne Anhalt für Rezidiv oder Progress im Rahmen der Grunderkrankung ergeben habe. Daraufhin hörte das VA den Kläger mit Schreiben vom 04.11.2002 zur wegen eingetretener Heilungsbewährung beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 20 an. Mit Schreiben vom 28.11.2002 äußerte sich der Kläger dahingehend, dass nach den vorliegenden Befundberichten des Klinikums Mannheim außer Frage stehe, dass sehr wohl sein Grundleiden fortbestehe. Das VA befragte seine behandelnde Ärztin Dr. U., die (lediglich) den Untersuchungsbericht der Urologischen Klinik des Klinikums der Stadt M. vom 17.02.2003 übersandte. Danach fand sich weiterhin kein Anhalt für ein Rezidiv oder einen Progress im Rahmen der Grunderkrankung. Mit Neufeststellungsbescheid vom 07.05.2003 hob das VA den Bescheid vom 22.10.1997 auf und entschied, dass ab 10.05.2003 ein GdB von mindestens 20 nicht mehr vorliege.

Dagegen legte der Kläger am 05.06.2003 Widerspruch ein und machte einen GdB von mindestens 50 geltend. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens übersandte das VA dem Kläger den Untersuchungsbericht des Klinikums M. vom 17.02.2003 und gab ihm Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen binnen eines Monats zu äußern. Der Kläger brachte vor, der Bescheid vom 07.05.2003 sei rechtswidrig, da eine Änderung in den Verhältnissen seit der Verlängerung des Schwerbehindertenausweises am 18.07.2002 nicht eingetreten sei. Zudem sei nicht berücksichtigt, dass er unter erheblichen psychischen Erkrankungen leide, die sich in einer erheblichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit widerspiegelten. Der Kläger gab an, sich bei dem Internisten K. in psychotherapeutischer Behandlung zu befinden. Nachdem dieser trotz Erinnerungen den angeforderten Behandlungsbericht nicht vorlegte und auch nicht zu einem vom VA anberaumten Vernehmungstermin erschien, ersuchte das VA das Sozialgericht Mannheim (SG) im Wege der Amtshilfe um richterliche Vernehmung von K ... Dieser gab bei seiner Vernehmung am 30.11.2004 unter Vorlage eines schriftlichen Berichts an, der Kläger sei zu ihm wegen einer Krisenintervention gekommen. Er sei insgesamt fünfmal konsultiert worden, das letzte Mal am 08.03.2004. Er habe eine reaktive Depression aufgrund eines häuslichen Konflikts mit seinen Eltern diagnostiziert. Die Depression sei durch Antriebsminderung, Schlafstörungen, innere Unruhe, Selbstunsicherheit und sozialer Rückzug gekennzeichnet gewesen. Er würde die psychischen Störungen des Klägers mit einem GdB von 20 bewerten, d.h. noch als leichte psychische Störung, aber bereits schon im Übergang zu einer stärker behindernden Störung. Am 05.04.2005 erließ das nunmehr zuständige Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis einen Teilabhilfebescheid, mit dem unter Berücksichtigung einer Depression ein GdB von 20 seit 10.05.2003 festgestellt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.04.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Über den GdB sei letztmals mit Bescheid vom 22.10.1997 entschieden worden. Seither sei eine wesentliche Änderung insoweit eingetreten, als die Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren abgelaufen sei. Nunmehr sei nur noch die tatsächliche Funktionseinschränkung zu berücksichtigen. Der Verlust eines Hodens bedinge keinen GdB. Unter Berücksichtigung der Depression ergebe sich ein GdB von insgesamt 20.

Am 13.05.2005 erhob der Kläger Klage zum SG, mit der er einen GdB von 80 bis Mai 2007 geltend machte. Er wiederholte sein Vorbringen, dass sich die Verhältnisse seit der Verlängerung des Schwerbehindertenausweises am 18.07.2002 nicht geändert hätten. Mit der Verlängerung des Schwerbehindertenausweises habe der Beklagte entschieden, dass bis Mai 2007 weiterhin ein GdB von 80 vorliege. Sein Gesundheitszustand habe sich seither nicht gebessert.

Mit Urteil vom 24.02.2006, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17.03.2006, wies das SG die Klage ab. Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Herabsetzung des GdB seien die gesundheitlichen Verhältnisse, wie sie dem Bescheid vom 22.10.1997 zugrunde lagen. Nicht maßgeblich sei der dem Kläger am 18.07.2002 ausgehändigte verlängerte Schwerbehindertenausweis, da es sich hierbei nicht um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Der Schwerbehindertenausweis stelle keine eigenständige Regelung dar, da er nur zum Nachweis der anderweitig getroffenen Entscheidung über die Schwerbehinderteneigenschaft diene. Gegenüber dem maßgeblichen Zeitpunkt sei eine wesentliche Änderung der Behinderung des Klägers eingetreten. Nach rückfallfreiem Verlauf der Zeit der Heilungsbewährung (fünf Jahre) sei das Hodentumorleiden des Klägers nur noch mit der verbliebenen Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Der hier vorliegende Verlust des linken Hodens bedinge aber nach den "Anhaltspunkten" keinen GdB mehr. Die zusätzlich geltend gemachte psychische Erkrankung könne als leichtere psychovegetative bzw. psychische Störung angesehen werden und bedinge daher einen GdB von 20.

Dagegen hat der Kläger am 04.04.2006 Berufung eingelegt, mit der er sich weiterhin gegen die Herabsetzung des GdB wendet. Er macht weiter geltend, die erfolgte Herabsetzung des GdB sei rechtswidrig, da gegenüber dem maßgeblichen Vergleichszeitpunkt keine Änderung seiner gesundheitlichen Verhältnisse eingetreten sei. Maßgebend sei insoweit der Zeitpunkt der Verlängerung des Schwerbehindertenausweises im Juli 2007, die als Verwaltungsakt anzusehen sei. Es handele sich dabei um eine Regelung mit unmittelbarer Außenwirkung und nicht lediglich um eine Verwaltungsinterna. Im Übrigen sei auch der ermittelte GdB nicht zutreffend, da seine orthopädischen Erkrankungen nicht berücksichtigt worden seien. Bei ihm liege eine Schädigung der Halswirbelsäule (C3/C4) vor. Der Kläger hat hierzu den Bericht über die MRT der Halswirbelsäule des Radiologen Dr. F. vom 01.06.2006 übersandt. Ferner hat er die ärztliche Bescheinigung des Orthopäden Dr. H. vom 06.11.2006 und die von diesem im Rahmen der Untersuchung am 24.04.2007 angefertigten Messblätter für die oberen Gliedmaßen und die Wirbelsäule vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Februar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bringt vor, die im Juli 2002 erfolgte Verlängerung des Schwerbehindertenausweises stelle keine Verwaltungsentscheidung über die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft dar. Maßgeblicher Vergleichsbescheid sei der Erstfeststellungsbescheid vom 22.10.1997. Demgegenüber sei Heilungsbewährung eingetreten, sodass unter Berücksichtigung der Depression nun nur noch ein GdB von 20 anzunehmen sei. Daran habe sich auch mittlerweile nichts geändert, da die jetzt hinzugekommene Funktionsbehinderung der Wirbelsäule lediglich einen GdB von 10 bedinge und damit nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führe. Seitens der Schultergelenke bestehe nach den vorgelegten Messblättern keine Funktionseinschränkung in behinderndem Ausmaß. Der Beklagte legt die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. W. vom 27.02.2007 und 11.05.2007 vor.

Der Senat hat Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 20.07.2006 angegeben, der Kläger habe sich am 19.03.2006 nach einem Sturz von der Leiter erstmals bei ihm vorgestellt. Im Laufe der Konsultationen habe er einen Senk-Spreizfuß beiderseits, eine Cervicobrachialgie rechts und eine rechtsbetonte Protrusion/NPP C3/C4 diagnostiziert. Nach dem Röntgenbefund vom 24.04.2006 bestünden im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule leichte degenerative Veränderungen. Ferner verwies er auf die von ihm beigefügten Berichte von Dr. F. über die MRT der Halswirbelsäule vom 01.06.2006 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 02.05.2006. Ergänzend befragt, hat Dr. H. am 06.12.2006 unter Übersendung des Berichts von Dr. A. über die MRT der oberen Thoraxapparatur nativ vom 26.04.2006 angegeben, eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers sei seit seinen Angaben vom Juli 2006 aus orthopädischer Sicht nicht eingetreten, auch nicht als Folge des Sturzes vom 17.03.2006.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Neufeststellungsbescheid des Beklagten vom 05.04.2005 ist rechtmäßig. Der Beklagte hat den GdB mit dem angegriffenen Bescheid zu Recht von 80 auf 20 herabgesetzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide, weil entgegen seiner Auffassung eine wesentliche Änderung gegenüber dem maßgeblichen Vergleichsbescheid eingetreten ist. Er hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 05.04.2005 - dieser hat den ursprünglichen Bescheid vom 07.05.2003 in vollem Umfang ersetzt - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2005, mit dem der Beklagte im Wege der Neufeststellung den GdB wegen wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse von 80 auf 20 herabgesetzt hat. Mit der Anfechtungsklage macht der Kläger demgegenüber geltend, dass gegenüber dem maßgeblichen Vergleichszeitpunkt keine wesentliche Änderung eingetreten sei, sodass - gemäß dem Bescheid vom 22.10.1997 - weiterhin ein GdB von 80 anzunehmen sei. Im Übrigen werde ein GdB von 20 seinen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen nicht gerecht.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist nicht formell rechtswidrig, da der Kläger vor dem Erlass des Bescheides und des Widerspruchsbescheides ordnungsgemäß angehört worden ist (§ 24 Abs. 1 SGB X). Er ist aber auch nicht materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen für die erfolgte Herabsetzung des GdB wegen Eintritts einer tatsächlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist zu beachten, dass sich die Begründetheit der gegen die Aufhebung erhobenen Anfechtungsklage nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens beurteilt (Widerspruchsbescheid vom 20.04.2005). Danach eingetretene Änderungen sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.1997, 9 RVs 15/96, SozR 3-3870 § 3 Nr. 7).

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass sich im Gesundheitszustand des Klägers und in den sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen seit Oktober 1997 eine wesentliche Änderung ergeben hat. Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Verhältnisse maßgebend, die dem Bescheid des Beklagten vom 22.10.1997 zugrunde lagen. Hierbei handelt es sich um den maßgeblichen Vergleichsbescheid, mit dem das Ausmaß der Behinderung des Klägers zuletzt verbindlich festgestellt worden ist. Die im Juli 2002 erfolgte Verlängerung des Schwerbehindertenausweises bis Mai 2007 traf demgegenüber keine eigenständige Regelung hinsichtlich der Höhe des GdB; insbesondere wurde damit nicht weiterhin ein GdB von 80 festgestellt. Die erfolgte Verlängerung des Schwerbehindertenausweises des Klägers beschränkte sich allein auf die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Ausweises selbst. Mit dem Schwerbehindertenausweis bzw. der Verlängerung dieses Ausweises werden keine Feststellungen hinsichtlich der Höhe des GdB getroffen. Vielmehr ist der Inhalt des Ausweises von den - gesondert durch Verwaltungsakt zu treffenden - Entscheidungen der zuständigen Behörde hinsichtlich des GdB (und der Nachteilsausgleiche) abhängig. Dies macht § 69 Abs. 5 SGB IX deutlich, indem es heißt, auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden aufgrund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie im Falle des Abs. 4 dieser Vorschrift über weitere gesundheitliche Merkmale aus. Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach Teil 2 des SGB IX oder nach anderen Vorschriften zustehen (§ 69 Abs. 5 Satz 2 SGB IX). In § 69 Abs. 5 Satz 5 SGB IX ist zudem geregelt, dass der Ausweis berichtigt wird, sobald eine Neufeststellung unanfechtbar geworden ist. Damit ist klar, dass der Ausweis lediglich dem Nachweis der nach dem SGB IX getroffenen Feststellungen dient und insoweit keine eigene darüber hinausgehende Bedeutung hat.

Gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und der damit verbundenen Behinderung, die dem Erstfeststellungsbescheid vom 22.10.1997 zugrunde lagen, ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Seinerzeit war nach der am 07.07.1997 erfolgten Semikastration links eine "Hodenerkrankung nach Operation" im Stadium der Heilungsbewährung als Funktionsbeeinträchtigung anerkannt worden. Gleichzeitig wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist von fünf Jahren eine Nachprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse vorgenommen und dann nur noch das tatsächliche Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung bewertet wird. Das Stadium der Heilungsbewährung war nach Ablauf der Frist im Juli 2002 beendet, da es bis dahin nicht zu einer Progression bzw. zu einem Rezidiv der Tumorerkrankung gekommen ist. Dies steht für den Senat aufgrund der Untersuchungsberichte der Urologischen Klinik des Klinikums der Stadt M., insbesondere des Berichts vom 17.02.2003 fest. Dass keine Heilungsbewährung eingetreten und/oder die Heilungsbewährungsfrist noch nicht abgelaufen sei, macht auch der Kläger nicht (mehr) geltend. Der Beklagte war deshalb berechtigt, für die Zeit nach Ablauf der Heilungsbewährungsfrist eine Neufeststellung der Behinderung des Klägers ab 10.05.2003 - wie hier erfolgt - wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse vorzunehmen.

Zu Recht hat der Beklagte auch den GdB von 80 auf 20 herabgesetzt. Die Funktionsstörungen des Klägers bedingen seit 10.05.2003 keinen höheren GdB als 20. Während die Folgen der Semikastration links nach rückfallfreiem Ablauf der Heilungsbewährungsfrist - entsprechend Nr. 26.13 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 und 2008 (AHP) - mit einem GdB von 0 zu bewerten sind, ist für die Depression, an der der Kläger spätestens seit Oktober 2003 leidet, ein GdB von 20 anzusetzen. Diese Bewertung entspricht leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen, die nach Nr. 26.3 der AHP mit einem GdB von 0 bis 20 zu bewerten sind. Ein GdB von 30 (bis 40) setzt nach Nr. 26.3, S. 48 der AHP stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit voraus, die hier nicht belegt sind. Der Internist K., von dem der Kläger von Oktober 2003 bis März 2004 wegen psychischer Symptome behandelt worden ist, hat die psychische Störung des Klägers mit einem GdB von 20 bewertet und hinzugefügt, dass es sich noch um eine leichte psychische Störung handle, die sich aber bereits schon im Übergang zu einer stärker behindernden Störung befinde. Allerdings müsste für eine exakte Einordnung ein aktueller Befund erhoben werden. Spätere Behandlungen durch diesen Arzt oder durch einen anderen (Nerven-)Arzt sind aber offenbar nicht erfolgt. Auf eine entsprechende Anfrage des Senats hat der Kläger lediglich den bereits aktenkundigen Bericht des Internisten K. vom November 2004 vorgelegt; eine nochmalige Nachfrage nach weiteren Behandlungen, auch durch einen anderen Arzt, blieb unbeantwortet. Damit lässt sich ein höherer GdB bis zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (Widerspruchsbescheid vom 20.04.2005) nicht feststellen.

Ob die inzwischen beim Kläger vorliegende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die nach dem vom Senat als sachkundiges Parteivorbringen gewerteten und ihn überzeugenden versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 11.05.2007 allenfalls mit einer geringgradigen Funktionseinschränkung und deshalb nur mit einem den Gesamt-GdB nicht erhöhenden Teil-GdB von 10 verbunden ist, auch schon vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2005 bestanden hat, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn bereits zu diesem Zeitpunkt eine Funktionsbeeinträchtigung in ähnlichem Ausmaß vorgelegen haben sollte - ein stärkeres Ausmaß ist (auch mangels entsprechender ärztlicher Unterlagen) auszuschließen -, würde dies nicht zu einem höheren Gesamt-GdB als 20 führen, da Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von lediglich 10 grundsätzlich nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung führen. Etwaige nach dem Sturz vom 17.03.2006 dauerhaft verbliebene Funktionsbeeinträchtigungen haben außer Betracht zu bleiben, da - wie bereits erwähnt - nach der letzten Verwaltungsentscheidung eingetretene Veränderungen bei der hier zu treffenden Entscheidung über die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage nicht zu berücksichtigen sind. Im Übrigen ist mit Dr. W. (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 11.05.2007) ohnehin davon auszugehen, dass dieser Sturz keine dauerhaften Funktionseinschränkungen im Bereich der Schulter hinterlassen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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