L 11 R 3447/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3172/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3447/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Mai 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, insbesondere ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, streitig.

Der 1975 geborene Kläger, der aus K. stammt, zog im Juni 1991 in die Bundesrepublik Deutschland. Er absolvierte von 1990 bis 15.07.1993 eine (von der Beklagten nicht anerkannte) Ausbildung zum Verkäufer in K. (Berufsschule in M.), indem er sich seinen Angaben zufolge immer wieder für 2 bis 3 Tage als Privatschüler nach K. begab, ein geordneter Schulbesuch sei aufgrund der Kriegswirren nicht möglich gewesen. Ab 01.04.1994 arbeitete er in der Gaststätte seines Vaters (Dorfschänke S.) als Kellner, zunächst bis 20.06.1999, unterbrochen durch den Bezug von Krankengeld vom 26.07.1994 bis 31.10.1995, 04.10.1997 bis 09.09.1998 und 06.01.1999 bis 20.06.1999. Vom 24.06.1999 bis 13.12.1999 erhielt er nach vorangegangener fristloser Kündigung Arbeitslosengeld.

Bei seiner Arbeitslosmeldung gab er an, seine Vermittlungsfähigkeit sei aus gesundheitlichen Gründen (Psychose) eingeschränkt. Er legte hierzu ein Attest seines behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. B. vor, wonach er sich nach seiner Krankenhausentlassung wegen einer chronischen seelischen Erkrankung weiter in Behandlung befände und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis auf weiteres nicht einsetzbar sei. Auf Aufforderung führte Dr. B. in einem freien nervenärztlichen Fachgutachten nach Aktenlage zusätzlich aus, dass der Kläger bereits 1994 zunehmend akustische Halluzinationen, einen religiösen Wahn, Verfolgungsideen, eine Unruhe und eine gehobene Stimmung entwickelt habe, deswegen erstmalig 1995 stationär in der Psychiatrischen Universitätsklinik H. unter der Diagnose einer schizoaffektiven Psychose behandelt worden wäre. Die empfohlene ambulante vorbeugende Behandlung habe er nicht fortgesetzt, so dass es in der Folgezeit wieder zu akustischen Halluzinationen, Personenverkennungen, religiösem und Beeinträchtigungswahn mit Logorrhoe, Unruhe und Größenideen gekommen wäre, die eine stationäre Behandlung 1996 im Psychiatrischen Zentrum N. nach sich gezogen hätten. Ende 1996 bis Frühjahr 1997 habe er erheblich Alkohol konsumiert, bei einem Heimaturlaub seine Medikation abgesetzt, so dass es zu einer dritten stationären Behandlung in Split gekommen wäre. Bis April 1998 sei es ihm dann relativ gut gegangen. Im zweiten Halbjahr habe er dann zunehmend dekompensiert mit einem maniformen Zustandsbild der schizoaffektiven Psychose, offenbar sehr viel Alkohol konsumiert. Hier sei er schließlich im Januar 1999 erneut stationär in die Psychiatrische Universitätsklinik aufgenommen worden. Der Kläger könne deswegen einer geregelten Arbeitnehmertätigkeit nicht nachgehen, mittelfristig käme allenfalls die Eingliederung in eine beschützende Werkstätte in Betracht. In dem daraufhin veranlassten ärztlichen Gutachten führte der Arbeitsamtsarzt Dr. S. aus, dass der Kläger wegen seiner Erkrankung einer regelmäßigen Arbeitnehmertätigkeit nicht nachgehen könne, auch nicht in absehbarer Zeit. Auf Veranlassung der Bundesanstalt für Arbeit beantragte der Kläger daraufhin Leistungen zur Rehabilitation. Der Antrag blieb jedoch deswegen erfolglos, weil die Erwerbsfähigkeit durch medizinische Leistungen zur Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne (Bescheid vom 03.12.1999).

Hierauf stellte der Kläger am 10.12.1999 bei der Beklagten einen ersten förmlichen Rentenantrag. Nachdem der Neurologe und Psychiater Dr. S. in seinem Gutachten feststellte, dass der Kläger an einem massiven postpsychotischen Defektsyndrom leide, somit einer Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nachgehen könne, lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 11.02.2000 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, ausgehend von einem Versicherungsfall vom 04.01.1999 (Eintritt der Arbeitsunfähigkeit) seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, denn der Kläger habe nur vier Jahre und sieben Kalendermonate mit anrechenbaren Zeiten zurückgelegt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.03.2000). Die dagegen erhobene Klage (S 9 RJ 983/00) beim Sozialgericht Mannheim (SG) wurde mit Urteil vom 20.02.2001 mit der Begründung abgewiesen, bei dem Kläger sei es Ende 1998 unter massivem Alkoholkonsum zu einer vollständigen Dekompensation und Ausbildung einer schweren Psychose mit manischen und schizoaffektiven Zügen gekommen. Die entsprechende Behandlung habe sich bis Juni 1999 hingezogen, ohne dass sich hierdurch der Gesundheitszustand gebessert habe und die Erwerbsfähigkeit des Klägers wieder hätte hergestellt werden können. Dies habe auch der behandelnde Nervenarzt Dr. B. bestätigt. Es bestünden auch erhebliche Zweifel daran, ob der Kläger tatsächlich beitragspflichtig beschäftigt gewesen wäre. Jedenfalls sei der Eintritt der Leistungsminderung zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt gewesen sei. Die hiergegen eingelegte Berufung nahm der Kläger im Februar 2002 zurück (L 8 RJ 1379/01).

Ab 01.05.2000 war der Kläger wieder in der Gaststätte seines Vaters als Kellner beschäftigt, beendet durch ordentliche Kündigung zum 31.01.2001. Sein Gehalt in Höhe von 900,- DM wurde im Dezember 2000 auf 2.600,- DM erhöht. Ab dem 23.02.2001 bezog er bis einschließlich 09.12.2001 Krankengeld. Ab dem 10.12.2001 war er wieder bis einschließlich 19.11.2002 als Kellner bei seinem Vater beschäftigt. Ausweislich der Arbeitsbescheinigung wurde das Beschäftigungsverhältnis zum 31.12.2002 wegen Krankheit beendet, die letzte Gehaltsabrechnung erfolgte im November 2002. Im September 2002 war sein Vater verstorben, die Gaststätte wurde von der Mutter fortgeführt. Aufgrund seiner Arbeitslosmeldung vom 12.06.2003 bezog er Arbeitslosengeld ab diesem Tag bis einschließlich 31.12.2004.

Am 23.05.2003 (Bl. 301 der Verw.-Akte der Beklagten) beantragte er erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung führte er aus, es müssten zunächst die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen geklärt werden. Er habe von 1990 bis Juli 1993 die Ausbildung zum Verkäufer absolviert. Angesichts der Tatsache, dass er die Berufsausbildung abgeschlossen habe und vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung der Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden sei, bestehe nach seiner Auffassung nach § 53 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.

Mit Bescheid vom 15.02.2005 wurden die zurückgelegten Versicherungszeiten festgestellt. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den er am 15.06.2005 wieder zurücknahm, und stellte zugleich Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Es müsse das von Dr. B. mitgeteilte Datum des Eintritts des Versicherungsfalles der Erwerbsunfähigkeit überprüft werden. Er habe zunächst bis 20.06.1999 Krankengeld und anschließend bis 31.12.1999 Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AfG) erhalten, im darauffolgenden Jahr wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen. Der Versicherungsfall sei daher erst zu einem Zeitpunkt eingetreten, in dem mehr als 60 bzw. mehr Pflichtbeiträge zurückgelegt worden wären.

Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme bei Dr. H. ein, wonach die getroffenen Feststellungen (erwerbsunfähig seit 1999) weiterhin gelten würden. Gestützt hierauf wurde der Antrag mit Bescheid vom 04.07.2005 mit der Begründung abgelehnt, der Rentenantrag sei zu Recht abgelehnt worden, da zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt gewesen wäre. Das Kontenklärungsverfahren sei abgeschlossen worden. An den Feststellungen zum Eintritt des Leistungsfalles habe sich auch nach nochmaliger Vorlage bei dem sozialmedizinischen Dienst nicht geändert. Es werde daher weiterhin davon ausgegangen, dass der Eintritt der Erwerbsminderung am 04.01.1999 gewesen sei.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, zwar hätte Dr. B. ein Attest ausgestellt, im Hinblick auf die weitere Entwicklung lasse dieses jedoch ohne weiteres die Möglichkeit zu, dass der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit deutlich nach dem 06.01.1999 eingetreten sei. Die Beklagte holte eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L. ein, der ausführte, es sei nachvollziehbar in Auswertung der Krankenunterlagen und der Rehabilitationsakte festgestellt worden, dass der Kläger seit 1999 auf Dauer erwerbsgemindert sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2005 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch mit der Begründung zurück, es seien weder im Überprüfungs- noch im Widerspruchsverfahren Unterlagen vorgelegt worden, die belegen würden, dass die Erwerbsunfähigkeit des Klägers zu einem späteren Zeitpunkt als bisher angenommen eingetreten sei. Das Attest von Dr. B. sei im sozialgerichtlichen Verfahren bereits bekannt gewesen. Es sei daher weiterhin davon auszugehen, dass der Leistungsfall im Januar 1999 eingetreten sei, zu diesem Zeitpunkt wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Hiergegen hat der Kläger erneut Klage beim SG erhoben, zu dessen Begründung er vortrug, er sei zwar im Januar 1999 in seiner Leistungsfähigkeit gemindert gewesen, dies jedoch nur im Sinne einer Arbeitsunfähigkeit von mehrmonatiger Dauer. In der Folgezeit sei er dann insoweit wieder genesen, dass er für längere Zeit voll erwerbsfähig gewesen sei. Mithin sei der Versicherungsfall erst Jahre nach 1999 eingetreten. Sein Krankheitsbild sei schwankend, Phasen von Erkrankungsschüben wechselten sich mit Phasen relativ langer Dauer der vollen Erwerbsfähigkeit ab. Erst nach dem Tode seines Vaters sei er aus dem Gleichgewicht geraten.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die Leistungsakte des Klägers von der Bundesagentur für Arbeit beigezogen, bei der Krankenkasse die Arbeitsunfähigkeitszeiten erfragt, die behandelnden Ärzte als sachverständigen Zeugen gehört und den Kläger anschließend nervenärztlich begutachten lassen.

Dr. B. führte aus, der Kläger habe sich vom 06.01. bis 15.05.1999 und dann wieder vom 20.05. bis 24.06.1999 in stationärer Behandlung befunden. Danach sei er weiter in der Praxis behandelt worden. Letztmalig sei dies am 16.07.2004 der Fall gewesen. Damals habe er den Kläger der Praxis verwiesen, weil er während der schon laufenden Sprechstunde an die Hauswand neben der Praxistür gepinkelt habe. Die Weiterbehandlung sei dann wegen eines Mangels an Vertrauen und Kooperationsbereitschaft abgelehnt worden. Ab Juni 1999 habe der Kläger immer wieder durchgehend über Konzentrationsstörungen geklagt, auch Unruhe angegeben sowie Schmerzen, Schwindel, Lust- und Kraftlosigkeit. Während des gesamten Verlaufs habe er sich wenig krankheitseinsichtig gezeigt. Es habe immer Schwankungen des Befindens gegeben, im Grunde aber keine längerfristige psychische Stabilisierung. Der Kläger sei daher seiner Einschätzung nach allenfalls für kurze Zeiträume einiger Wochen im zweiten Halbjahr 2000 und im Frühsommer 2002, aber nicht längerfristig in der Lage gewesen, ganztags als Mitarbeiter in einer Gaststätte zu arbeiten. Eine Mitarbeit in einem Restaurant sei auch deswegen wenig leidensgerecht, weil ein Mensch mit einer schizoaffektiven Psychose keine Wechsel- oder Nachtschicht verrichten sollte, weil dies die psychische Labilisierung und damit Wiedererkrankung fördern könne. Er habe deswegen auf Kosten seiner Restgesundheit gearbeitet.

Prof. Dr. B. berichtete, dass bei dem Kläger, den er seit 1996 kenne, seit Anfang an eine manische Symptomatik im Sinne einer schizoaffektiven Psychose zu beschreiben gewesen sei. Er sei seit vielen Jahren, gewiss seit Ende 1998, nicht mehr in der Lage gewesen, kontinuierlich einer Arbeit nachzugehen oder in einer Gaststätte mitzuarbeiten.

Die AOK H. teilte mit, der Kläger sei vom 05.01.1999 bis 15.05.1999, dann wieder vom 20.05.1999 bis 24.06.1999, 12.01.2001 bis 09.12.2001, 04.01.2002 bis 07.01.2002 und 09.10.2002 bis 07.05.2003 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Diagnose sei jeweils die psychiatrische Erkrankung gewesen.

Dr. R., Praxisnachfolger von Dr. S., sah sich zu einer Beurteilung des Leistungsvermögens außer Stande.

Der Sachverständige Dr. B. führte in seinem Gutachten aus, der Kläger leide an einer schizoaffektiven Psychose, jetzt überdauerndes, chronifiziertes manisches Zustandsbild mit zusätzlichen paranoiden Anklängen. Bei Ersterkrankung im Alter von 19 Jahren sei eine überdauernde, weitreichende, also quantitative Leistungsminderung durchgehend seit dem Jahr 2002 wahrscheinlich zu machen. Ausdrücklich sei aber festzuhalten, dass anhand der eigenen Untersuchung rückwirkend keine genaueren sozialmedizinischen Einschätzungen möglich geworden seien. Insofern bleibe es zwangsläufig bei groben Einschätzungen. Nach Angaben der Schwester des Klägers sei dieser bis Ende 2002 immer wieder über längere Strecken dazu in der Lage gewesen, im Lokal seines Vaters zu arbeiten.

Mit Urteil vom 23.05.2007, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 26.06.2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, zwischen den Beteiligten sei nur streitig, wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei. Die angefochtenen Bescheide gingen zutreffend von einen Leistungsfall am 06.01.1999 aus, so dass die Beklagte zu Recht den Überprüfungsantrag abgelehnt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger in stationäre Behandlung in die Psychiatrische Abteilung der Universitätsklinik H. aufgenommen worden. In diesem Zusammenhang habe auch Dr. B., der den Krankheitsverlauf ausführlich beschrieben habe, bestätigt, dass es Ende 1998 zu einer massiven Verschlechterung des Krankheitsbildes gekommen wäre. Die Behandlung habe sich bis 24.06.1999 hingezogen, ohne dass der Gesundheitszustand dadurch gebessert und die Erwerbsfähigkeit wieder hätte hergestellt werden können. Das habe auch der Gutachter Dr. S. in Auswertung der Befunde bestätigt. Dem stehe das Gutachten von Dr. B. nicht entgegen, der selbst eingeräumt habe, dass es bei groben Einschätzungen verbleiben müsse. Nach dem Maßstab des Vollbeweises könne daher nicht bewiesen werden, dass der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit nicht schon am 06.01.1999 vorgelegen habe. Dr. B. habe nämlich ausdrücklich bestätigt, dass es zu keiner längerfristigen psychischen Stabilisierung gekommen wäre. Der Kläger habe allenfalls kurzzeitig als Mitarbeiter in einer Gaststätte arbeiten können. Diese Tätigkeit sei nicht leidensgerecht gewesen, sondern auf Kosten der Restgesundheit erfolgt. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger Arbeitslosengeld bezogen habe und von Mai 2000 bis Mitte Januar 2001 und nochmals im Jahr 2002 einige Monate tatsächlich in der Gaststätte seines Vaters gearbeitete habe. Dem Beweisantrag, hierzu noch Zeugen zu vernehmen, sei nicht nachzugehen gewesen. Dass der Kläger tatsächlich gearbeitet habe, werde ihm geglaubt. Diese tatsächliche Arbeitsleistung sei für die Beurteilung, ob der Kläger berufs- oder erwerbsunfähig sei, zwar von wesentlicher Bedeutung. Das gelte aber dann nicht, wenn der Arbeitslohn zwar wirklich verdient werde, aber nur mit einem nicht zu fordernden Energieaufwand oder unter ständigen Schmerzen oder auf Kosten der Gesundheit. Dass dies bei dem Kläger der Fall sei, hätten die Angaben der behandelnden Ärzte ergeben. Das werde auch dadurch bestätigt, dass der Kläger nach Aufnahme seiner Tätigkeit bereits im gesamten Jahr 2001 krankgeschrieben worden wäre. Auch die Mitte Januar 2002 aufgenommene Tätigkeit hätte er nur bis Oktober durchführen können. Somit belegten auch die Krankheitszeiten, die allesamt aufgrund der nervenärztlichen Erkrankung erfolgt wären, sowie die Tatsache, dass er letztendlich nicht mehr in der Lage gewesen wäre, diese Tätigkeit weiter durchzuführen, dass er auf Kosten seiner Restgesundheit gearbeitet habe. Dies habe der Kläger auch im Kontenklärungsverfahren eingeräumt, wo er vorgetragen habe, dass er nach Abschluss seiner Berufsausbildung vor Ablauf von sechs Jahren bereits voll erwerbsgemindert gewesen sei.

Mit seiner dagegen am 12.07.2007 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, er habe noch im Herbst 2001 bis Mai 2002 die Fahrschule mit Ziel der Führerscheinablegung besucht und am 01.12.2001 eine vier Doppelstunden umfassende Ausbildung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen absolviert. Am 07.05.2002 habe er die Fahrerlaubnisprüfung der Klasse B bestanden. Dies bestätige die Richtigkeit der Erkenntnisse des Sachverständigen Dr. B ... Auch könne er durch Zeugen belegen, dass er tatsächlich gearbeitet und die ihm übertragenen Aufgaben auch erfüllt habe. Das SG habe nicht ausreichend gewürdigt, dass er seit 1999 beständig seiner Arbeit nachgegangen sei.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. Mai 2007 sowie den Bescheid vom 04. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Februar 2000 Rente wegen voller Erwerbsminderung seit 01. Mai 2003 zu gewähren, hilfsweise die Zeuginnen K. und S. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er alle anfallenden Arbeiten in der Gastwirtschaft im Rahmen eines normalen Arbeitstages erledigt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat eine Auskunft im Universitätsklinikum H. wie dem Psychiatrischen Zentrum N. eingeholt.

Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. führte aus, der Kläger sei vom 12.01.2001 bis 22.03.2001 (Abbruch durch Patient), dann wieder vom 17.04.2001 bis 18.04.2001 und 12.10.2002 bis 25.03.2003 wegen manischer Episoden bei schizoaffektiver Psychose stationär behandelt worden. Die Behandlungen hätten sich auf Akutversorgung und Reduktion der ausgeprägten schizomanischen Symptomatik gerichtet. Es handle sich um eine psychische Störung mit phasenhaftem Verlauf. Die Entlassungen seien im teilremittierten Zustand erfolgt. Verwertbare Angaben zum objektiven Leistungsbild könnten somit nicht gemacht werden. Entscheidend sei die ambulante Behandlung. Hier zeigten sich die Alltagsbelastung wie die Fähigkeiten aber auch Defizite, welche aus der Krankheit resultierten.

Prof. Dr. S., Leiter der Sektion Gerontopsychiatrie des Universitätsklinikums H., führte an, der Kläger habe sich nur vom 04. bis 07.02.2007 in stationärer Behandlung in der psychiatrischen Universitätsklinik H. wegen einer schizoaffektiven Störung befunden und somit könne die Frage, inwieweit und in welchem Umfang der Patient arbeits- oder berufsunfähig sei, nicht beantwortet werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die beigezogenen Akten S 9 RJ 983/00 und L 8 RJ 1379/01, die Arbeitsamtsakten sowie die Akten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne des § 144 Satz 2 SGG, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst.

Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 11.02.2000 und Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Überprüfung der Ausgangsentscheidung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI in der Fassung vor dem 01.01.2001 sind im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor. Der Kläger ist zwar erwerbsgemindert, er kann jedoch nicht nachweisen, dass der Leistungsfall nach dem 01.03.1999 eingetreten ist. Das hat das SG in Auswertung der sachverständigen Zeugenaussagen, der beigezogenen Akte der Agentur für Arbeit wie dem im Wege des Urkundsbeweises verwertbaren Gutachten von Dr. S. und dem Sachverständigengutachten von Dr. B. ausführlich begründet dargelegt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an und sieht insofern von einer weiteren Darstellung ab.

Auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren haben nicht zu einem anderen Ergebnis geführt. Die von dem Senat befragten Ärzte des Universitätsklinikums H. wie dem Psychiatrischen Zentrum N. sahen sich zu einer sicheren Beurteilung des objektiven Leistungsbildes außerstande und verwiesen insofern auf die ambulante Behandlung, wo sich im weiteren Krankheitsverlauf erst die Fähigkeiten und Defizite unter Alltagsbelastung zeigen könnten. Hierzu liegen die ausführlichen Angaben der den Kläger damals durchgängig behandelnden Nervenärzte Dr. B. und Prof. Dr. B. vor, die übereinstimmend bekundet haben, dass der Kläger bereits seit Ende 1998 nicht mehr zu einer verwertbaren Leistung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt imstande war. Dies habe insbesondere für eine Tätigkeit in der Gastwirtschaft gegolten, da der Kläger aufgrund seines Krankheitsbildes hier nur hätte auf Kosten seiner Gesundheit arbeiten können. Der Richtigkeit dieser Beurteilung stehen auch zur Überzeugung des Senats die Ausführungen von Dr. B. nicht entgegen. Der Sachverständige hat sich hinsichtlich der Feststellung des Versicherungsfalls allein auf die Angaben der Schwester des Klägers gestützt, dass der Kläger noch bis Ende 2002 immer wieder über längere Strecken in der Lage gewesen sei, im Lokal seines Vaters zu arbeiten. Andererseits hat er aber auch ausgeführt, wie schwierig es sei, rückwirkend genau den maßgeblichen Zeitpunkt festzustellen, dies müsse in akribischer Durchsicht der Akten rekonstruiert werden. Insofern liegen dem Senat nicht nur die beiden sachverständigen Zeugenaussagen vor, die Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen des Klägers zulassen, sondern auch die Krankheitszeiten, nämlich dass die Behandlung wegen der Manifestation der Erkrankung bis einschließlich Juni 1999 andauerte, und dass dem Kläger auch deswegen krankheitsbedingt fristlos gekündigt wurde.

In diesem Zusammenhang kommt es deswegen nicht darauf an, dass der Kläger vom 01.05.2000 bis 31.01.2001 und dann wieder am dem 10.12.2001 bis 19.11.2002 in der Gastwirtschaft seines Vaters beschäftigt war. Dass der Kläger eine solche Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat, konnte der Senat als wahr unterstellen. Hierzu liegen auch die entsprechenden Arbeitsbescheinigungen vor. Der Senat musste deswegen insbesondere nicht die vom Kläger benannten Zeuginnen vernehmen. Diese können allein zu der tatsächlichen Arbeit des Klägers, die aber unstreitig ist, Angaben machen, nicht hingegen zu der medizinischen Frage, ob eine solche Tätigkeit auf Kosten der Restgesundheit erfolgt ist. Hieran hat der Senat insbesondere im Hinblick auf die erheblichen Krankheitszeiten des Klägers während der Beschäftigung und den Umstand, dass der Kläger zweimalig, davon einmal fristlos, krankheitsbedingt gekündigt wurde, keinen Zweifel.

Der Kläger kann damit nicht nachweisen, dass seine Erwerbsunfähigkeit erst nach dem 06.01.1999 eingetreten ist. Diese Nichterweislichkeit geht nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (BSGE 19, 52) zu Lasten des Klägers.

Schließlich hat der Kläger die Wartezeit auch nicht vorzeitig nach § 53 Abs. 2 SGB VI dadurch erfüllt, dass er vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung voll erwerbsgemindert geworden und in den letzten zwei Jahren vorher mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gehabt hat. Ungeachtet dessen, dass der Kläger das Kontenklärungsverfahren abgeschlossen und die Anrechnung weiterer rentenrechtlicher Zeiten im ehemaligen J. damit ebenfalls bestandskräftig abgelehnt wurde, handelt es sich bereits deswegen nicht um eine Berufsausbildung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1, da der Kläger nach eigenen Angaben jeweils nur für zwei bis drei Tage während der gesamten dreijährigen Ausbildung in K. anwesend war, seinen Hauptwohnsitz weiter in Deutschland beibehielt, und deswegen nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Ausbildung die Zeit und Arbeitskraft des Versicherten ganz oder überwiegend in einem Umfang in Anspruch genommen hat, dass er an der Ausübung einer (anderen) versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit gehindert war (vgl. Niesel, in: Kasseler Kommentar, § 53 Rdnr. 19).

Die Berufung war deswegen zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved