L 7 SO 5562/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SO 1323/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5562/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. September 2007 geändert. Unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 6. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2006 wird der Beklagte verpflichtet, den Bescheid des Landeswohlfahrtsverbands Württemberg-Hohenzollern vom 6. April 2004 mit Wirkung ab dem 18. Februar 2005 insoweit aufzuheben, als der darin festgelegte Kostenbeitrag für das Mittagessen 2,30 EUR überschreitet. Der Beklagte wird weiter verpflichtet, über den Überprüfungsantrag des Klägers vom 18. Februar 2005 für die Zeit vom 30. April 2004 bis 17. Februar 2005 erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger 2/3 der außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) über die Höhe des Kostenbeitrags, den der Kläger für die Einnahme des Mittagessens in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in W. a. N. zu entrichten hat.

Der 1962 geborene Kläger leidet an einer chronisch paranoiden Psychose in Form einer Schizophrenie und besucht seit 2. April 2002 die WfbM in W ... Er verfügt (Stand: 12/2005) über Einkommen in Höhe von 1038,35 EUR (774,24 EUR EU-Rente und 278,79 EUR Arbeitseinkommen in der WfbM abzüglich Unfallversicherung i.H.v. 9,48 EUR und Arbeitsmittelpauschale i.H.v. 5,20 EUR); im Jahre 2004 betrug seine Rente 762,89 EUR monatlich.

In seiner Sitzung vom 11. November 2003 beschloss der Verbandsausschuss des damaligen Landeswohlfahrtsverbands W.-H. (LWV) die Erhöhung der Kostenbeiträge für das Mittagessen in Werkstatten für Behinderte von 2,30 EUR auf 3,00 EUR.

Mit Bescheid des LWV vom 6. April 2004 wurden dem Kläger für die Zeit vom 30. April 2004 bis 29. April 2006 Leistungen der Eingliederungshilfe für den Besuch des teilstationären Arbeitsbereichs in der WfbM bewilligt. Durch Bescheid vom selben Tag wurde ab dem 30. April 2004 ein Kostenbeitrag nach § 43 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Höhe von 3,00 EUR pro in der Werkstatt eingenommenem Mittagessen erhoben, welcher durch Abzug vom Arbeitsentgelt einbehalten wurde. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Der Kläger stellte am 18. Februar 2005 beim seit 1. Januar 2005 für die Gewährung von Eingliederungshilfe zuständigen Landkreis E. den Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 6. April 2004 und Neufestsetzung des Kostenbeitrags unter Berücksichtigung der hierzu vorliegenden Rechtsprechung. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt E. mit Bescheid vom 6. April 2005 unter Hinweis darauf ab, eine Rücknahme sei nur möglich, wenn eine rechtswidrige Belastung vorliegen würde. Dies sei nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht Stuttgart (VG) habe in einer Entscheidung vom 2. Dezember 2004 (8 K 1300/04, RdLH 2005, 64) verlangt, dass neben den für die Beitragskalkulation herangezogenen abstrakten Parametern zumindest als Regulativ der tatsächliche Kostenaufwand in die Entscheidung hätte einbezogen werden müssen. Nach übereinstimmender Auffassung des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS) sowie der kommunalen Landesverbände liege der Preis für ein Mittagessen bei allen Werkstätten für behinderte Menschen über dem Betrag von 3,00 EUR. Erhebungen im Landkreis E. hätten ergeben, dass der Einkaufspreis eines Mittagessens ebenfalls bei 3,06 EUR liege, wobei noch keine Personalkosten berücksichtigt worden seien. Die Erhöhung des Kostenbeitrages auf 3,00 EUR sei somit begründet gewesen und damit zu Recht erfolgt.

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2006 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das VG bemängele in der genannten Entscheidung, dass nicht ermittelt worden sei, welche Kosten tatsächlich in den Werkstätten für Behinderte für das Mittagessen entstünden. Fakt sei jedoch, dass der LWV bei seiner Entscheidung sehr wohl auch die tatsächlichen Herstellungskosten berücksichtigt habe, auch wenn dies in den Bescheiden nicht ausdrücklich erwähnt worden sei. Eine aktuelle Erhebung des KVJS habe das damalige Ergebnis bestätigt, wonach die Kosten des Mittagessens in einer WfbM, das von Fremdbeschickern geliefert werde, den Preis von 3,- EUR deutlich übersteige. Die Essenpreise, die von den Fremdbeschickern in Rechnung gestellt würden, lägen demnach zwischen 4,12 EUR und 5,10 EUR jeweils für ein komplettes Mittagessen inklusive Umsatzsteuer. Darin seien die Gestehungskosten, die zusätzlich in der WfbM entstünden, noch nicht mit einberechnet. In der vom Kläger besuchten Werkstatt werde das Mittagessen zu einem Preis zwischen 3,80 EUR und 4,00 EUR bezogen. Auf der Grundlage dieser Erhebungen sei die Festsetzung des Kostenbeitrags für das Mittagessen in Höhe von 3,00 EUR zu Recht erfolgt. Gründe für eine Rücknahme des Kostenbeitragsbescheids lägen somit nicht vor.

Dagegen hat der Kläger am 27. Februar 2006 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit welcher er die teilweise Aufhebung des ursprünglichen Kostenbeitragsbescheids vom 6. April 2004 und die Festsetzung eines geringeren Beitrags zu den Kosten des Mittagessens weiterverfolgt hat. Der Kläger ist der Auffassung, die tatsächlichen Gestehungskosten des Mittagessens bildeten allenfalls die Höchstgrenze, zu der er herangezogen werden könne. Für die zumutbare Kostenheranziehung könne kein anderer Wert gelten, wie wenn dem Kläger die Sachleistung Mittagessen durch Dritte zufließen würde; in diesem Falle müsste der Wert des Mittagessens gemäß Ziffer 82.16 der Sozialhilferichtlinien (SHR) bewertet werden, was einen Tagessatz von 1,96 EUR je Mittagessen ergebe. Die Bruttoberechnung im Rahmen der nachträglichen Kostenheranziehung könne nicht zu anderen Ergebnissen führen, wie wenn das Einkommen von Anfang an im Rahmen einer Nettobetrachtung berücksichtigt worden wäre. Mit einer Heranziehung zu einem Preis pro Mittagessen in Höhe von 2,30 EUR, wie er lange Jahre verlangt worden sei, sei der Kläger allerdings einverstanden.

Mit Urteil vom 28. September 2007 hat das SG unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 6. April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2006 den Bescheid des LWV vom 6. April 2004 dahin gehend abgeändert, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, vom Kläger einen Kostenbeitrag von mehr als 2,30 EUR pro Mittagessen in der Werkstatt für Behinderte zu verlangen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, Grundlage für die Heranziehung zu den Kosten des Mittagessens sei bis 31. Dezember 2004 die Bestimmung des § 43 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 BSHG gewesen und ab 1. Januar 2005 die des § 92 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Behinderung des Klägers erfordere Leistungen für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Diese Leistungen in der Werkstatt für behinderte Menschen würden m Rahmen der Eingliederungshilfe erbracht. Die Leistungen seien nach § 43 Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in vollem Umfang zu erbringen, auch wenn dem betroffenen behinderten Menschen die Aufbringung der Mittel zum Teil zuzumuten sei. Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 BSHG bzw. § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB XII habe der behinderte Mensch in Höhe dieses zumutbaren Teils zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen. Diese Pflicht zum Kostenbeitrag werde bei Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 BSHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 SGB XII nochmals dahin eingeschränkt, dass die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhalts zumutbar sei. Anders als in den Einrichtungen gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-6 BSHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-6 SGB XII richteten sich die Kosten des Lebensunterhalts bei den in § 43 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 BSHG und § 92 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 SGB XII genannten Werkstätten für behinderte Menschen nicht nach der Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen, sondern, wie sich aus dem Umkehrschluss aus § 43 Abs. 2 Satz 2 BSHG, bzw. § 92 Abs. 2 Satz 3 SGB XII ergebe, nach den tatsächlich in Anspruch genommenen Kosten des Lebensunterhalts.

Da eine (landeseinheitliche) Bestimmung nach § 43 Abs. 2 Satz 4 BSHG, bzw. § 92 Abs. 2 Satz 5 SGB XII durch die zuständigen Landesbehörden über die Bemessung des Kostenbeitrags für das Mittagessen nicht getroffen worden sei, habe der jeweilige Sozialhilfeträger die Höhe des Kostenbeitrags selbst festzusetzen, wobei ihm ein Ermessen eingeräumt sei. Der Beklagte habe dieses Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Er habe zwar gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII berücksichtigt, dass eine Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen nur zumutbar sei, wenn das Einkommen des behinderten Menschen den zweifachen Eckregelsatz übersteige; der Kläger habe ein entsprechendes Einkommen. Es sei auch (obwohl von der Klägerseite bestritten) davon auszugehen, dass die tatsächlichen Gestehungskosten nicht unter dem eingeforderten Kostenbeitrag von 3,00 EUR lägen. Dies ergebe sich aus der aktuell vom KVJS vorgenommenen Erhebung. Im Übrigen sei es gerade beim Bezug von Mittagessen von Fremdbeschickern, wie dies auch in der Werkstatt am N. der Fall sei, äußerst realitätsnah, dass ein Mittagessen für 3,00 EUR nicht zu haben sein werde. Indessen stellten die tatsächlichen Gestehungskosten nur die Obergrenze des möglichen Kostenbeitrags dar. Als weitere Obergrenze für eine zumutbare Kostenheranziehung sei aber die Bewertung von Sachbezügen gemäß Ziff. 82.16 SHR zu beachten, was der Beklagte unterlassen habe. Die Bestimmungen der §§ 43 BSHG, § 92 SGB XII stellten hinsichtlich der Einkommensheranziehung Ausnahmevorschriften zugunsten behinderter Menschen dar. Danach habe der Sozialhilfeträger unabhängig von der Bedürftigkeit des Hilfesuchenden in Vorleistung zu treten. D. h., dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe werde nicht schon von Anfang an durch eine Gegenüberstellung von Einkommen und Bedarf Rechnung getragen, sondern erst im Nachhinein durch eine nachträgliche Kostenheranziehung. Eine Vorschrift, die hinsichtlich der Einkommensheranziehung vom Gesetzgeber als Privilegierung gewollt sei, dürfe sich durch die praktische Handhabung letztlich nicht zum Nachteil des behinderten Menschen auswirken. Dies wäre jedoch bei der Kostenheranziehung zu einem Kostenbeitrag von 3,00 EUR pro Mittagessen der Fall. Wäre der Kläger nämlich kein Hilfebedürftiger bzw. Leistungsberechtigter gemäß § 28 BSHG, bzw. § 19 Abs. 3 SGB XII, sondern lediglich berechtigt zur Hilfe zum Lebensunterhalt bzw. Grundsicherung, müsste die Leistungsberechtigung überprüft werden anhand einer Gegenüberstellung von Einkommen und Bedarf. Das von der Werkstatt für behinderte Menschen gewährte Mittagessen wäre dann eine Sachleistung, die gemäß Ziff. 82.16 SHR zu bewerten wäre. Demnach müsste eine Bewertung nach der Sachbezugsverordnung erfolgen. Gemäß § 1 Abs. 1 SachbezV wäre ein Mittagessen mit monatlich 78,25 EUR zu bewerten. Jedoch sei gemäß Ziff. 82.16 Abs. 1 Satz 2 SHR Obergrenze der Bewertung der im Regelsatz für die betreffende Leistung enthaltene Anteil, der wiederum für Ernährung und dort insbesondere für das Mittagessen in Ziff. 82.16 Abs. 2 SHR mit 2/5 aus 38 % des Regelsatzes bewertet sei. Dies entspreche bei einem bis 30. Juni 2007 geltenden Regelsatz von 345,00 EUR und unter Zugrundelegung von 30 Tagen/Monat einem Mittagessenspreis von 1,75 EUR, und bei einem Regelsatz von 347,00 EUR einem Betrag von 1,76 EUR. In diesem Falle hätte nur dieser Betrag dem Kläger in Anrechnung gebracht werden dürfen.

Gegen das dem Beklagten am 31. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat dieser am 23. November 2007 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe bei seiner Ermessensentscheidung, in welcher Höhe er den Beklagten zur Kostentragung nach § 92 SGB XII heranziehe, die allein maßgebliche Obergrenze der tatsächlich entstehenden Kosten des Mittagessens korrekt ermittelt und in seine Ermessenserwägungen eingestellt; nach Auskunft der Werkstätte lägen diese zwischen 3,80 und 4,00 EUR. Nach umfassender Abwägung sei der Beklagte daher zum Ergebnis gekommen, den Kläger mit einem Betrag heranzuziehen, der deutlich unter den realen Kosten liege, nämlich mit nur 3,00 EUR pro Mittagessen. Das SG übersehe, dass in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt sei, inwieweit Eingliederungshilfeempfänger im Falle des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII zur Kostenbeteiligung herangezogen werden dürften. So hätten sich etwa das VG Stuttgart (a.a.O.) und das VG Sigmaringen (Urteil vom 11. Januar 2006 - 1 K 137/05 - (juris)) exakt mit der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Frage zu beschäftigen gehabt. Auch in den dortigen Verfahren sei es um die Frage gegangen, ob sich die Obergrenze der Kostenbeteiligung aus den tatsächlich für das Mittagessen anfallenden Kosten ergebe oder ob die Obergrenze nicht vielmehr aus den Sozialhilferichtlinien von Baden-Württemberg zu entnehmen sei (dort Nr. 82.16), weil es sich bei dem Mittagessen um einen Sachbezug handle, der dem (fiktiven) Einkommen des Hilfeempfängers zuzurechnen sei, welches wiederum seinen Hilfebedarf entsprechend mindere. Beide Gerichte seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass allein die tatsächlich für das Mittagessen anfallenden Kosten die maßgebliche Obergrenze bildeten. Soweit das SG in seiner Entscheidung eine weitere, niedrigere Obergrenze aus der Bewertung von Sachbezügen gemäß Nr. 82.16 der SHR Baden-Württemberg hergeleitet habe, gehe dies fehl. Nach Auffassung der genannten Verwaltungsgerichte hätten die tatsächlichen Gestehungskosten des Mittagessens die einzige, d.h. die allein maßgebliche Obergrenze gebildet. Auch in der Literatur sei anerkannt, dass in den Fällen von § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 SGB XII die tatsächlichen Kosten des Mittagessens die allein maßgebliche Obergrenze bildeten. Für diese Auffassung spreche in erster Linie der Wortlaut des § 92 Abs. 2 Satz 4 SGB XII und dessen Zusammenspiel mit Satz 3. Denn während nach Satz 3 der Vorschrift "in den Fällen der Nummern 1 bis 6" nur die "für den häuslichen Lebensbereich ersparten Aufwendungen" als Obergrenze herangezogen werden dürften, finde sich in Satz 4, der die Nummern 7 und 8 zum Gegenstand habe, keine derartige Einschränkung. In diesen Fällen dürfe daher eine höhere Obergrenze zugrunde gelegt werden, nämlich die der tatsächlichen Kosten des Mittagessens. Dies ergebe sich mit hinreichender Klarheit aus dem Wortlaut des Satzes 4: "Wenn" das Einkommen des Hilfebeziehers den zweifachen Eckregelsatz übersteige, sei ihm "die Aufbringung der Mittel.zumutbar". Ausweislich der Gesetzesmaterialien solle auch nach dem Willen des Bundesgesetzgebers in den Fällen des § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII eine Auseinandersetzung darüber vermieden werden, in welcher Höhe sich im Einzelfall tatsächlich eine häusliche Ersparnis ergebe. Hinzu komme, dass eine Heranziehung der SHR Baden-Württemberg (Nr. 82.16) sachfremd erscheine. Schließlich beziehe der Kläger Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII und nicht etwa Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum Lebensunterhalt, die sich jeweils nach Regelsätzen bemesse. Gerade bei Eingliederungshilfebeziehern im Sinne des § 19 Abs. 3 SGB XII mit vergleichsweise hohem Einkommen erscheine die Heranziehung der Sozialhilferichtlinien unsachgemäß und ungerechtfertigt. Ausgeschlossen erscheine die Heranziehung der Sozialhilferichtlinien auch deshalb, weil § 92 Abs. 2 SGB XII die Frage der Zumutbarkeit als lex specialis selbst beantworte; für einen Rückgriff auf die Sozialhilferichtlinien bleibe daher insoweit kaum Raum. Richtig sei, dass § 92 SGB XII den behinderten Menschen insofern privilegieren wolle, als der Sozialhilfeträger - unter Durchbrechung des sonst geltenden sozialrechtlichen Nachrangprinzips - unabhängig von der Bedürftigkeit des Hilfesuchenden in Vorleistung zu treten habe, also zunächst uneingeschränkt leisten müsse und erst später prüfen dürfe, ob der Hilfeempfänger teilweise zur Kostenbeteiligung herangezogen werden könne. Daraus schließe das SG unzutreffenderweise, § 92 SGB XII sei generell als eine den behinderten privilegierende Vorschrift zu verstehen, weshalb als "weitere" Obergrenze für die Zumutbarkeit der Kostenheranziehung die Sozialhilferichtlinien heranzuziehen seien. Das SG vergleiche insoweit "Äpfel mit Birnen", denn der Kläger sei kein Grundsicherungsempfänger und sollte daher (einmal ganz abgesehen von der bereits dargelegten Qualifizierung von § 92 SGB XII als lex specialis) auch nicht ohne Not einem fremden Regelungsregime unterworfen werden, zumal beide Hilfearten auch noch in verschiedenen Abschnitten des SGB XII geregelt seien. Vor allem aber verkenne das SG, dass § 92 SGB XII keineswegs durchgängig privilegierend zugunsten des Hilfeempfängers wirke. So stelle § 92 Abs. 2 Satz 3 SGB XII bekanntlich (für die Nummern 1 bis 6) auf den Wert der "für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen" ab. Der Gesetzgeber erlaube damit sogar, im Einzelfall einen Kostenbeitrag zu verlangen, der über den Gestehungskosten liege, nämlich dann, wenn der Hilfebezieher über ein so hohes Einkommen verfüge, dass er zu Hause derart teuer zu speisen pflege, dass seine ersparten Aufwendung noch über den tatsächlichen Kosten des zur Verfügung gestellten Mittagessens lägen. Dieser Fall möge theoretisch anmuten, belege aber zweifellos, dass § 92 SGB XII nicht ausnahmslos privilegierend wirke, so dass der Schluss des SG gesetzessystematisch verfehlt erscheine. Allein aus der in § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB XII statuierten Vorleistungspflicht der Behörde dürfe nicht auf eine durchgängig privilegierende Wirkung der gesamten Norm geschlossen werden. Mit der Vorleistungspflicht solle lediglich erreicht werden, dass der Hilfebedürftige für die Zeit der Verwaltungstätigkeit nicht ohne Hilfe bleibe. Dass ein Kostenbeitrag zum Mittagessen nicht in einer Höhe verlangt werden dürfe, der - wie hier - noch unter den tatsächlichen Kosten des Mittagessens liege, falle jedenfalls unzweifelhaft nicht unter die vom Gesetzgeber gewollte Privilegierung. Der Beklagte habe daher zu Recht eine Reduzierung des Kostenbeitrags auf unter 3,00 EUR abgelehnt. Der Beklagte habe sich dabei maßgeblich an dem realen Kostenaufwand orientiert, der in der Werkstatt mit Zubereitung und Bereitstellung des Mittagessens tatsächlich verbunden sei. Die (zusätzliche) Obergrenze, die der Kläger bei der Kostenbeitragsbemessung unter Heranziehung der Sozialhilferichtlinien einziehen wolle, lasse sich rechtlich nicht begründen. Damit ziele der Kläger letztlich darauf ab, ihn - obwohl leistungsfähig - wie einen Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt zu behandeln. Dabei habe der Kläger aufgrund seiner Behinderung zwar Anspruch auf Eingliederungshilfe, nicht aber darauf, leistungsmäßig wie ein behinderter Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt behandelt zu werden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. September 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend und führt dazu aus, die genannten verwaltungsgerichtlichen Urteile seien - wenn auch mit einer anderen rechtlichen Begründung - zu dem Ergebnis gekommen, dass eine pauschale Heranziehung zu den Kosten von behinderten Menschen, die in Werkstätten arbeiteten, durch die Kostenträger nicht gerechtfertigt sei. Richtig sei, dass dabei das VG S. in einem obiter dictum angeregt habe, dass sich die Kostenträger an den tatsächlich entstehenden Kosten bei der Heranziehung orientieren könnten. Auf die grundsätzlichen Überlegungen auch der dortigen Kläger, wonach bei der Berechnung des Werts eines Mittagessens im Rahmen der Sozialhilfe kein Unterschied gemacht werden könne danach, ob diese Berechnung sich auf die Ermittlung eines dem Sozialhilfeempfänger außerhalb einer stationären Eingliederungsmaßnahme zufließenden Einkommens beziehe bzw. ob es sich um eine vom Hilfeempfänger zu erstattende Zuwendung im Rahmen einer durch den Sozialhilfeträger finanzierten (teil)stationären Eingliederungsmaßnahme (hier Werkstatt) handele, seien die Verwaltungsgerichte aber nicht eingegangen. Im Übrigen seien die der privaten leistungserbringenden Einrichtung, hier der Werkstatt für Behinderte der Samariterstiftung, entstehenden bzw. von ihr aufgebrachten Kosten unter sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten für das Heranziehungsverhältnis zwischen dem Beklagten als öffentlichem Sozialhilfeträger und dem Kläger als Sozialhilfeempfänger nicht entscheidungserheblich. Sozialhilferechtlich könne der Sozialhilfeträger immer nur eine Heranziehung zu den ihm selbst entstehenden Kosten geltend machen. Die der Einrichtung entstehenden bzw. dem Beklagten in Rechnung gestellten Kosten seien sozialhilferechtlich nur insoweit berücksichtigungsfähig, als sie die Obergrenze dessen nicht überschreiten, was einerseits der Kläger im Rahmen der Sozialhilfe zur Deckung seines HLU-Bedarfs als Ersatz vom Beklagten als Sozialhilfekostenträger verlangen könnte; bzw. andererseits das, was der Sozialhilfeträger seinerseits im Rahmen des Sozialhilfeverhältnisses mit dem Kläger ihm bei der (teilweisen) Deckung seines Lebensunterhalts als tatsächliches Einkommen für ein von Dritten im Rahmen einer Sachleistung empfangenes Mittagessen abziehen könnte. Dies ergebe sich auch aus den maßgeblichen Vorschriften der §§ 43 BSHG, 92 SGB XII. Diese machten einen behinderten Menschen, der im Übrigen möglicherweise nicht Sozialhilfeempfänger sei, für den Bereich einer Maßnahme der stationären oder teilstationären Eingliederungshilfe, deren Kosten er jedenfalls nicht voll selbst bezahlen könne, insgesamt zum Sozialhilfeempfänger. Im Rahmen der stationären oder teilstationären Eingliederungshilfe würden daher teilweise zugleich auch die Kosten des Lebensunterhalts übernommen. Dies könne aber selbstverständlich nur nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen erfolgen. Der Sozialhilfeträger könne daher im Rahmen der Festsetzung eines Ansatzes für die Gesamtkosten der Hilfe im Bereich der anteiligen Kosten für den Lebensunterhalt, hier des Mittagessens, allenfalls diejenigen Beträge kalkulatorisch einsetzen, die er auch dann zahlen dürfte, wenn der betreffende Mensch lediglich Empfänger der Hilfe zum Lebensunterhalt wäre. Deshalb formuliere § 92 Abs. 2 Satz 1 SGB XII auch ausdrücklich, dass eine Heranziehung "nur für die Kosten des Lebensunterhalts" (i.e.: die Kosten des Lebensunterhalts, soweit sie vom Sozialhilfeträger tatsächlich im Rahmen der Maßnahme übernommen wurden !) möglich ist. Maßgeblich sei somit, welcher Wert einem Mittagessen sowohl im Rahmen der Berechnung des Regelsatzes heute nach § 28 SGB XII zukomme wie auch entsprechend bei der sozialhilferechtlichen Wertberechnung auf der Einkommensseite nach § 82 SGB XII bzw. früher unter der Geltung des BSHG zugekommen sei. Nach der heute verwaltungsrechtlich verbindlichen Sozialhilferichtlinie 82.16 sei dies ein monatlicher Betrag von 38 % des Regelsatzes in Höhe von 347,- EUR = 131,86 EUR bzw. hiervon für das Mittagessen 2/5 = 52,75 EUR, also kalendertäglich bei durchschnittlich 30,4 Tagen ein Betrag von 1,74 EUR. Unter Geltung des BSHG sei der entsprechende Betrag nach der SHR Nr. 76.16 mit ca. 1,96 EUR pro Tag anzusetzen. Jedenfalls ergebe sich als weitere Obergrenze der Wert derjenigen Aufwendungen, die der Kläger als Besucher der Werkstatt und mit seiner Teilnahme am dortigen Mittagessen tatsächlich an häuslichen Aufwendungen erspare. Der Kläger nehme zwar an den Tagen, in welchen er die Werkstatt besuche, regelmäßig am dortigen Mittagessen teil. An anderen Tagen nehme er jedoch keineswegs regelmäßig ein Mittagessen ein bzw. besorge oder bereite sich kein solches Mittagessen, welches von Angebot, Umfang und Kosten mit dem in der Werkstatt vergleichbar wäre. Die Grenze der ersparten Aufwendungen liege zudem wieder bei den nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu Hause ersparten Aufwendungen. Nach den Pauschalgrundsätzen der Sozialhilfe sei dies jedoch nur der Anteil, der im Regelsatz für das tägliche Mittagessen anzusetzen sei. Die höheren Kosten eines Mittagessens in der Werkstatt dürften ihm jedoch nicht berechnet werden, da es sich um eine "aufgedrängte" Leistung im Rahmen der Sozialhilfe handeln würde.

Der Senat hat ergänzend eine Auskunft bei der Werkstatt für Behinderte W. der Samariterstiftung zu den dortigen Kosten des Mittagessens eingeholt. Diese hat unter dem 7. Februar 2008 mitgeteilt, das Mittagessen werde über die Zentralküche Geislingen, eine Einrichtung der Samariterstiftung Nürtingen bezogen. Es werde derzeit für ein Mittagessen, bestehend aus Suppe, Hauptspeise, Salat und Nachtisch ein Verrechnungspreis von 3,20 EUR in Anrechnung gebracht; darin seien keine Kosten für Getränke enthalten und auch kein WfbM-Personalkosten für das Aufbereiten, Anrichten, Verteilen und Abräumen des Essens. Grundlage für den Verrechnungspreis bilde eine interne Kalkulation, erstellt durch das Referat Pflegesatz/Controlling. Diese Kalkulation werde anhand einer Vollkostenrechnung auf Basis tatsächlich angefallener Ist-Kosten vorgenommen. Damit läge die Einrichtung nach ihrer Einschätzung etwas unter dem marktüblichen Preisniveau. So werde beispielsweise in der WfbM in A. das Mittagessen über einen Fremdanbieter bezogen. Qualität und Umfang der Leistung seien vergleichbar; der Anbieter berechne je Essen 3,95 EUR bzw. 4,23 EUR inklusive Mehrwertsteuer.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft, weil sie wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 6. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Februar 2006 (§ 95 SGG), mit welchem der Beklagte die Korrektur des Bescheids vom 6. April 2004 abgelehnt hat. Durch diesen Bescheid wurde vom Kläger ein Kostenbeitrag pro Mittagessen "ab dem 30. April 2004" erhoben. Inhaltlich steht dieser Bescheid allerdings in sachlichem und zeitlichem Kontext mit der Bewilligung von Eingliederungshilfeleistungen an den Kläger durch Bescheid vom selben Tag im Zeitraum 30. April 2004 bis 29. April 2006 für den Besuch des teilstationären Arbeitsbereich in der WfbM. Damit erstreckt sich bei der gebotenen Auslegung nach dem Empfängerhorizont der Regelungsgehalt auch des Kostenbeitragsbescheids trotz seiner sprachlichen Fassung auch (nur) auf diesen Zeitraum. Maßgeblicher Regelungszeitraum des Kostenbeitragsbescheids ist damit, wie vom SG zutreffend angenommen, der Zeitraum 30. April 2004 bis 29. April 2006 und damit ein Zeitraum von mehr als einem Jahr. Beiträge gehören zu den wiederkehrenden Leistungen i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl., § 144 Rdnr. 23 unter Hinweis auf BVerwG, NVwZ 1984, 790 zur Umlage von Wasserverbandsbeiträgen).

Die Berufung ist in dem aus Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Begründetheit des sog. Überprüfungsantrages misst sich an der Vorschrift des § 44 Abs. 2 SGB X. In Bezug auf Leistungsbescheide nach dem BSHG war die Bestimmung des § 44 SGB X nach der ständigen Rechtsprechung unanwendbar (vgl. BVerwGE 68, 285). An dieser auch vom Senat für richtig gehaltenen Auffassung hat sich für "Altfälle" nach dem BSHG auch nach deren Übergang auf die Sozialgerichte nichts geändert (vgl. Beschluss des Senats vom 9. Januar 2006 - L 7 SO 5243/05 PKH-B - und Urteil vom 1. Februar 2007 - L 7 SO 1667/06 -; Revision beim BSG anhängig unter B 8 SO 1/08 R). Allerdings ist vorliegend nicht die Überprüfung eines Leistungsgewährungsbescheids im Streit, sondern die eines - sich indessen sachlich auf eine Leistungsgewährung beziehenden - Kostenbeitragsbescheids, für welche die Anwendbarkeit von § 44 SGB X soweit ersichtlich vom BVerwG nicht entschieden worden ist. Auch wenn vorliegend keine Erhebung von "Beiträgen" i.S.v. § 44 Abs. 1 SGB X vorliegt - damit sind Sozialversicherungsbeiträge gemeint (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, § 44 Rdnr. 5) -, ist allerdings eine Parallele zu ziehen zu einem Heranziehungsbescheid zum Kostenersatz gegenüber einem Dritten nach § 92a BSHG (jetzt § 103 SGB XII); in dieser Konstellation hat auch das BVerwG (BVerwGE 109, 346) über eine Anwendung von § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X eine Überprüfung (im Ermessenswege) zugelassen. Denn auch ein Kostenbeitragsbescheid ergeht trotz des Kontexts mit einer Leistungsgewährung - formal - als belastender Verwaltungsakt gewissermaßen außerhalb des Sozialleistungsverhältnisses, weshalb eine hinreichende Vergleichbarkeit der Konstellationen besteht, die eine Anwendbarkeit von § 44 Abs. 2 SGB X auf den vorliegenden Kostenbeitragsbescheid rechtfertigt.

Nach § 44 Abs. 2 SGB X ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Bestimmung des Abs. 2 erfasst, wie bereits die Verwendung des Begriffs "im Übrigen" verdeutlicht, alle rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakte, die den Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X nicht genügen (vgl. zum Ganzen BSGE 61, 184, 185 ff = SozR 1300 § 44 Nr. 26; BSGE 69, 14, 18 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 3; Schneider-Danwitz, GesamtKomm. SGB- Sozialversicherung -, § 44 SGB X Anm 27; Schroeder-Printzen/Wiesner, SGB X, 3. Aufl 1996, § 44 RdNr 16), und zwar nicht nur insoweit, als sie Sozialleistungen betreffen. Der Anwendungsbereich des § 44 SGB X ist auch dann eröffnet, wenn die Rechtswidrigkeit in einem Ermessensfehler liegt (Steinwedel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Bd. 2, § 44 Rdnr. 29a m.w.N.).

Hiervon ausgehend war der Bescheid des LWV vom 6. April 2004 mit Wirkung für die Zukunft, also ab Stellung des Überprüfungsantrags vom 18. Februar 2005, zurückzunehmen, da er bei seinem Erlass rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft war.

Nach den den Beteiligten bekannten Entscheidungen des VG Stuttgart (a.a.O.) und des VG Sigmaringen (a.a.O.) setzt die Kostenbeteiligung des Behinderten für das Mittagessen beim Besuch einer Einrichtung nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG neben der Wahrung der Einkommensuntergrenze des § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG voraus, dass der Eigenanteil auf den tatsächlich gewährten Lebensunterhalt beschränkt ist. Bei der Bemessung des Kostenbeitrags hat der zuständige Sozialhilfeträger daher jedenfalls auch in den Blick zu nehmen, welcher reale Kostenaufwand in den Werkstätten für Behinderte, die zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören, mit der Zubereitung und Bereitstellung der Mahlzeit verbunden ist.

Dem wird der Bescheid vom 6. April 2004 nicht gerecht. Dieser Bescheid, welcher seinerseits keine eigenen Ermessenserwägungen enthält, rekurriert ersichtlich auf die vom Verbandsausschuss des LWV in seiner Sitzung vom 11. Dezember 2003 beschlossene Erhöhung der Kostenbeiträge für das Mittagessen in Werkstätten für Behinderte von 2,30 EUR auf 3,00 EUR. Allerdings hat der LWV als die nach Landesrecht zuständige Behörde (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 AGBSHG) bei dieser dem Bescheid vom 6. April 2004 zugrunde liegenden Beschlussfassung sein Ermessen, welches ihm durch § 43 Abs. 2 Satz 4 BSHG eingeräumt wird, fehlerhaft ausgeübt. Hierzu hat das VG S. in der genannten Entscheidung (a.a.O.) Folgendes ausgeführt: "Allerdings setzt die Beteiligung des Behinderten an den Kosten für den Lebensunterhalt neben der - im vorliegenden Fall unstreitigen - Wahrung der Einkommensuntergrenze des § 43 Abs. 2 Satz 3 BSHG voraus, dass der Eigenanteil auf den tatsächlich gewährten Lebensunterhalt, also auf die Kosten des Mittagessens, beschränkt ist. Hierunter ist der tatsächliche Aufwand zu verstehen, der in der Einrichtung entsteht, in welcher das Mittagessen eingenommen wird (vgl. E DV, NDV 2003, 8 Textziffer 130).

Diesen Gesichtspunkt hat der Beklagte nicht hinreichend in seine Ermessenserwägungen eingestellt. Ausweislich der Behördenakte wurde die Erhöhung des Kostenbeitrags tragend mit der Anpassung an die allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten begründet, die angesichts des Umstandes, dass die letzte Erhöhung bereits zehn Jahre zurückliege und der neue Kostenbeitrag ebenfalls längerfristig kalkuliert worden sei, eine Erhöhung rechtfertige. Als Orientierungspunkte für eine Neubemessung des Kostenbeitrages wurden dabei vom Beklagten die geltende Sachbezugsverordnung, der Durchschnittsbetrag aus dem Umfrageergebnis der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der im Regelsatz des Haushaltsvorstands enthaltene Anteil für das Mittagessen herangezogen. Zusätzlich wurde vom Beklagten auch die eigene Haushaltssituation in Rechnung gestellt mit der Folge, dass von den beiden Erhöhungsalternativen (Erhöhung um 0,20 Euro oder um 0,70 Euro) letztlich diejenige gewählt wurde, die dem Beklagten größere Einnahmen sicherstellt.

Zu Unrecht nicht in den Blick genommen wurde demgegenüber bei der Bemessung des Kostenbeitrags, welcher reale Kostenaufwand in den Werkstätten für Behinderte, die zum Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehören, mit der Zubereitung und Bereitstellung des Mittagessens tatsächlich verbunden sind. Dessen hätte es jedoch gerade im Interesse der kostenbeitragspflichtigen behinderten Personen bedurft, um zumindest eine Annäherung des von diesen zu bezahlenden Kostenbeitrages an die tatsächlich anfallenden Lebenshaltungskosten zu erreichen. Die hierfür notwendigen, dem Beklagten ohne Weiteres möglichen und zumutbaren - jedenfalls kursorischen - Kostenerhebungen bei den betroffenen Leistungserbringern seines Zuständigkeitsbereichs hätten dazu beitragen können, das von diesem gewählte grobe Kostenermittlungsraster durch ein feineres, an den realen Kosten ausgerichtetes und damit materiell gerechteres jedenfalls zu ergänzen. Zwar ist der Sozialhilfeträger im Rahmen seines Ermessensspielraums nicht an einer pauschalierenden Ermittlung der beitragsfähigen Kosten des Lebensunterhalts unter Heranziehung vorgegebener Parameter, wie den Werten der Sachbezugsverordnung oder anderen geeigneten Vergleichswerten, gehindert. Allerdings genügt es nicht, bei der eigenen Beitragskalkulation - wie geschehen - allein die Bandbreite der bundesweit erhobenen Kostenbeiträge zu eruieren und - unter Heranziehung abstrakter Sachbezugswerte und eigener Haushaltsinteressen - einen Kostenbeitrag innerhalb dieser Bandbreite zu bestimmen, ohne jedenfalls als weiteren Orientierungspunkt bzw. als Regulativ den tatsächlichen Kostenaufwand in den Einrichtungen des eigenen Zuständigkeitsbereichs zu ermitteln und in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen."

Nach dieser, auch vom erkennenden Senat nach Überprüfung der beigezogenen Unterlagen des LWV für richtig gehaltenen Auffassung handelte dieser damit bei der Festlegung des Kostenbeitrags auf 3,00 EUR ermessensfehlerhaft. Dieser Fehler liegt auch dem den Kläger betreffenden Kostenbeitragsbescheid vom 6. April 2004, welcher seinerseits - wie ausgeführt - keinerlei Ermessensbetätigung erkennen lässt, zugrunde.

Bei Verwaltungsakten i.S. des § 44 Abs. 2 SGB X, also solchen, die nicht Sozialleistungen betreffen, räumt allerdings nur Satz 1 dem Berechtigten einen Anspruch auf Aufhebung des rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts - ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft - ein. Hinsichtlich der Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit ist, wie sich aus der "Kann"-Formulierung des Satzes 2 ergibt, die Rücknahme in das Ermessen der Behörde gestellt (vgl. z.B. BSGE 69, 14, 19 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 3). Hiervon ausgehend trifft den Beklagten nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB X eine Rücknahmepflicht mit Wirkung für die Zukunft, welcher er nicht nachgekommen ist. Er ist daher unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Aufhebung des Bescheides vom 6. April 2004 mit Wirkung ab der Antragstellung vom 18. Februar 2005 zu verpflichten, soweit der festgesetzte Kostenbeitrag den - vom Kläger akzeptierten - Betrag von 2,30 EUR überschreitet. Dass der Kostenbeitrag für das Mittagessen bei einer Neufestsetzung möglicherweise rechtsfehlerfrei auf den nämlichen Betrag von 3,00 EUR festgesetzt werden könnte, steht dem nicht entgegen.

Was die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit betrifft, so liegt ein Ermessensausfall in Bezug auf das auszuübende Rücknahmeermessen vor. In den angegriffenen Entscheidungen des Landratsamts E. finden sich zwar Erwägungen, auch Ermessensgesichtspunkte zur Bemessung des Kostenbeitrags, aber keinerlei Ermessenserwägungen hinsichtlich einer Rücknahme des Bescheids vom 6. April 2004 mit Wirkung für die Vergangenheit, also ab dem 18. Februar 2005. Der Beklagte ist daher insoweit zur Neubescheidung des Überprüfungsantrages zu verpflichten. Er wird dabei von den ihm zustehenden Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch zu machen und dabei die Fehlerhaftigkeit der bei Erlass des Bescheids vom 6. April 2004 geltenden normativen Bestimmungen, namentlich die Nichtorientierung des Kostenbeitrags (auch) an den tatsächlich entstehenden Kosten, in den Blick zu nehmen haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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