Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3809/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1417/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Die am 1959 geborene Klägerin studierte in ihrer Heimat R. Zahnmedizin und kam als Asylbewerberin nach Deutschland. Seit April 2001 ist sie als Pharmareferentin tätig. In der Zeit von Dezember 1992 bis zuletzt März 2000 war die Klägerin wiederholt arbeitsunfähig krank gewesen, mit den Diagnosen (reaktive) Depression, depressive Episode, Belastungsreaktion/An-passungsstörung, phobische Störungen, Erschöpfungssyndrom und Suizidgefahr.
Am 24.10.2001 befand sich die Klägerin auf dem Heimweg von einer beruflich veranlassten Tagung in W. , als gegen 17 Uhr auf der Autobahn in einer leichten Linkskurve die Servolenkung ihres Pkws versagte und sie in gerader Richtung auf einen Parkplatz fuhr, wo der Wagen zum Stehen kam. Die Klägerin ließ den Wagen abschleppen und fuhr anschließend mit einem Mietwagen nach Hause, wo sie in der Nacht ankam. In der Woche nach dem Unfall war die Klägerin in Erholungsurlaub. Arbeitsunfähigkeitszeiten sind zeitnah lediglich für den 27.11.2001 (Diagnose: Kopfschmerz) dokumentiert. Erstmals mit Schreiben vom 25.11.2001 an die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, von dort aus an die zuständige Beklagte weitergeleitet, machte sie extreme Kopfschmerzen und Schlafstörungen mit Angststörungen als Unfallfolgen geltend.
Der die Klägerin wegen dieser Beschwerden behandelnde Psychiater M. berichtete über eine isolierte Phobie (hinsichtlich des Autofahrens) bei fortbestehender generalisierter Angststörung. Prof. Dr. St. , Universitätsklinik T. , konnte in seinem Gutachten (mit fachpsychologischem Zusatzgutachten von Dipl. Psych. N. ) auf neurologischem Gebiet keine krankhaften Veränderungen feststellen. Psychiatrisch bestehe eine spezifische Angststörung im Sinne einer vorübergehenden Verschlimmerung eines unfallunabhängig vorbestehenden Leidens (Angst und Depression), teilweise durch das Ereignis vom 24.10.2001 verursacht. Arbeitsunfähigkeit sei für zwei Wochen nach dem Vorfall anzunehmen, die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 v. H. für die Dauer eines Jahres, danach auf 10 v. H. einzuschätzen. Im Entlassungsbericht der psychosomatischen Fachklinik Bad D. , wo sich die Klägerin im September und Oktober 2003 auf Veranlassung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufhielt, wurden die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung und Spannungskopfschmerz genannt; die Klägerin wurde als arbeitsfähig entlassen. Der Nervenarzt Dr. F. , Beratungsarzt der Beklagten, verneinte eine posttraumatische Belastungsstörung und nahm eine unfallabhängige Behandlungsbedürftigkeit allenfalls für drei Monate nach dem Vorfall an.
Mit Bescheid vom 11.06.2004 und Widerspruchsbescheid vom 13.08.2004 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 24.10.2001 als Arbeitsunfall, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab.
Die Klägerin hat hiergegen am 09.09.2004 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Dieses hat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. H. , Klinik am W. in W. , eingeholt. Dr. H. hat eine Panikstörung angenommen, die Unfallfolge sei und zu einer MdE um 30 v. H. führe. Hieran hat er auch im Hinblick auf die Einwendungen des Nervenarztes Dr. Dr. W. in dessen beratungsärztlicher Stellungnahme für die Beklagte festgehalten. Der Nervenarzt M. hat sich hingegen in einer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme für die zusätzliche Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgesprochen.
Mit Urteil vom 10.02.2006 hat das Sozialgericht als Folge des Arbeitsunfalls eine Panikstörung festgestellt, die mit einer Unfallrente nach einer MdE um 20 v. H. zu entschädigen sei, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Beide Beteiligten haben gegen das im März 2006 zugestellte Urteil im selben Monat Berufung eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 11.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Nervenarztes Dr. H. vorgelegt, wonach eine Panikstörung nicht zu diagnostizieren, jedenfalls diese höchstens mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten sei.
Der Nervenarzt M. , die Nervenärztin Dr. Z. (Diagnose: Zustand nach Schreck- und Angstreaktion, posttraumatische Belastungsstörung) und der Nervenarzt M. (Diagnosen: Angststörung mit Panikstörung, Somatisierungsstörung, Schlafstörung) haben als sachverständigen Zeugen über die von ihnen aktuell erhobenen Befunde berichtet.
Prof. Dr. F. , Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie T. , hat für den Senat ein psychiatrisches Gutachten erstattet. Danach habe der Arbeitsunfall mit Wahrscheinlichkeit nur zu einer akuten Belastungssituation ohne messbare MdE geführt. Der heutige psychiatrische Zustand sei Ausprägung einer bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Krankheitsveranlagung.
Der auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Neurologe und Psychiater Dr. L. hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome und eine Panikstörung festgestellt. Die Symptomatik dieser Erkrankungen habe durch den Unfall zugenommen und bedinge bis Februar 2007 eine MdE um 20 v.H., danach um 40 v.H.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, diejenige der Klägerin hingegen nicht. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klage ist im Hinblick auf die vor dem Sozialgericht beantragte Feststellung von Unfallfolgen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG, im Hinblick auf die Gewährung einer Verletztenrente nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn der Arbeitsunfall hat keine Panikstörung verursacht und ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente besteht gleichfalls nicht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente auf Grund von ihnen ist aber die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörung, die bei dem Verletzten vorliegt und seine Erwerbsfähigkeit mindert. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Der Senat schließt sich hinsichtlich der Diagnose und der Kausalitätsbeurteilung den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. F. an. Danach besteht bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung (F 32.1 nach ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation [WHO]) sowie eine gemischte Angststörung mit Neigung zu Panikattacken (ICD-10 F 41.3). Keine dieser Gesundheitsstörungen ist indessen mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 24.10.2001 zurückzuführen. Es kann vielmehr nur davon ausgegangen werden, dass es zu einer noch am selben Tag weitgehend zurückgegangenen akuten Belastungsreaktion kam.
Der Senat hat keine Bedenken, das Gutachten von Prof. Dr. F. zu verwerten. In diesem Zusammenhang rügt die Klägerin, der Sachverständige hätte sie nur wenige Minuten gesehen und gesprochen. Zwar ist der Senat der grundsätzlichen Auffassung, dass gerade auf psychiatrischem Fachgebiet eine persönliche Begegnung des Sachverständigen mit dem Probanten erforderlich ist und grundsätzlich auch eine Exploration umfassen muss. Welche Zeitdauer hierfür erforderlich ist, hängt indessen von den Umständen des Einzelfalls ab und ist in erster Linie vom Sachverständigen selbst zu entscheiden. Im vorliegenden Fall jedenfalls ist es zu einer solchen Begegnung zwischen der Klägerin und Prof. Dr. F. gekommen. Wie viele Minuten diese gedauert hat, ist für den Senat nicht ausschlaggebend. Denn im Vordergrund der Beurteilung steht im vorliegenden Rechtsstreit nicht die aktuelle psychische Situation der Klägerin im Zeitpunkt der Untersuchung, sondern die genaue Diagnostik und die erforderliche Kausalitätsbeurteilung. Die Diagnostik wiederum hängt im Falle der Klägerin angesichts in den Akten dokumentierter wechselnder Befunde nicht ausschlaggebend von der aktuellen, im Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchung zu erhebenden Symptomatik ab. Maßgebend ist im vorliegenden Fall vielmehr eine Verlaufsbetrachtung anhand der von den behandelnden Ärzten und früheren Gutachtern dokumentierten Befunde. Gerade dies hat Prof. Dr. F. in seinem Gutachten geleistet. Auch hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung kommt es maßgeblich auf die Aktenlage und weniger auf die aktuelle Symptomatik an.
Dass die Klägerin an Panikstörungen nach F 41.0 der Klassifikation nach ICD-10 leidet, wie vom Sozialgericht festgestellt, ist nicht nachgewiesen. Der Senat kann der dies bejahenden Einschätzung von Dr. H. , auf die sich das Sozialgericht im Wesentlichen stützt, nicht folgen. Nach den Angaben der Klägerin bei Dr. H. sollen die Panikattacken bei Saunabesuchen, beim längeren Schwimmen, beim Autofahren oder auf Baustellen auftreten. Prof. Dr. F. hat insoweit auf fehlende angstfreie Zwischenzeiten und die - eine Panikstörung als Hauptdiagnose ausschließende - im Vordergrund stehende rezidivierende depressive Störung verwiesen und neben der depressiven Störung lediglich eine gemischte Angststörung mit Neigung zu Panikattacken als andere gemischte Angststörung nach F 41.3 der ICD-10 angenommen. Dies geht in die Richtung, in der sich auch die Diagnosen des Nervenarztes M. finden. Zwar hat Prof. Dr. F. die Diagnose von Dr. H. aufgrund der damaligen Befunde als "nachvollziehbar" bezeichnet. Dies reicht jedoch für den Nachweis der Erkrankung, wie sie Dr. H. beschrieben und einer Diagnose zugeführt und wie sie das Sozialgericht festgestellt hat, nicht aus, auch wenn hier Unschärfen bestehen.
Mit größerer Sicherheit ist - entgegen der Einschätzung des Nervenarztes M. und von Dr. Z. - eine posttraumatische Belastungsstörung nach F 43.1 der ICD-10 zu verneinen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. F ... Der Senat lässt offen, ob der Einschätzung des Gutachters zu folgen ist, wonach sich das Erlebnis der Klägerin auf der Autobahn nur bedingt als "Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde", wie in den ICD-10 verlangt, beschreiben lasse. Immerhin sah sich die Klägerin wegen des Ausfalls der Servopumpe einem für sie nicht mehr lenkbaren Fahrzeug ausgesetzt, dies bei hoher Geschwindigkeit und in einer langgezogenen leichten Linkskurve. Jedenfalls fehlt es an dem für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung notwendigen wiederholten Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen. Die von der Klägerin geschilderten sekundenartigen Wiedererinnerungen an den Vorfall und auch die entsprechenden Angaben von Dr. Zimmermann, reichen hierfür - so Prof. Dr. F. - nicht aus. Dementsprechend vermag sich der Senat auch nicht der diagnostischen Beurteilung einer posttraumatischen Belastungsstörung in dem von der Klägerin vorgelegten Entlassungsbericht der B. (stationärer Aufenthalt im Februar/März 2007) anzuschließen.
Die bestehende psychische Erkrankung der Klägerin, wie sie von Prof. Dr. F. diagnostiziert ist, und deren Vorhandensein der Senat nicht in Zweifel zieht, ist nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall verursacht worden oder auch nur Ergebnis einer Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens.
Die Klägerin litt, wovon alle Gutachter übereinstimmend ausgehen, bereits vor dem Arbeitsunfall an psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, insbesondere an einer Depression und an Angststörungen mit Neigungen zu Panikattacken. Zeitweise bestand sogar Suizidgefahr. Entsprechende Arbeitsunfähigkeitszeiten sind seit 1992 dokumentiert. Aus dem Register der AOK Mittlerer Oberrhein ergeben sich insoweit ärztliche Behandlungen wegen einer Belastungsreaktion/Anpassungsstörung, einer depressiven Episode/Depression, phobischen Störungen, einem Erschöpfungssyndrom und Globusgefühl. Zur Feststellung im Einzelnen wird auf Bl. 47 ff. der Verwaltungsakte verwiesen. Auch die Mitteilungen der behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten bestätigen dies. In der Zeit von April bis Juni 1999 war die Klägerin wegen Prüfungsangst ("starke phobische Ängste") in verhaltenstherapeutischer Behandlung bei der Psychologischen Psychotherapeutin Dr. K ... Trotz dieser - von ihr abgebrochenen - Therapie trat die Klägerin die Prüfungen nicht an. Der Nervenarzt Dr. G. berichtete im Verwaltungsverfahren über Behandlungen im März und April 2000 wegen einer akuten depressiven Episode, begleitet von psychosomatischen Beschwerden und Angsterscheinungen, dies vor dem Hintergrund einer für die Klägerin unklaren und sie belastenden beruflichen Situation und privater Probleme innerhalb der Familie. Die Angststörung äußerte sich - so die Angaben des Psychiaters M. gegenüber der Beklagten, beruhend auf seiner Exploration und Behandlung der Klägerin nach dem Unfall - schon vor dem Unfall in ausgeprägten Sorgen um den Gesundheitszustand der Familienmitglieder, Katastrophisierungsideen, falls ein Familienmitglied längere Zeit unterwegs war oder nicht rechtzeitig zurückkam, alle möglichen Alltagsschwierigkeiten wurden stark problematisiert und überzogen negativ bewertet. Die Klägerin wurde auch damals häufig in eine starke Angstanspannung versetzt und litt zum Teil unter Schlafstörungen. Ebenso kam es in der Vergangenheit - so die Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. F. - bei beruflicher Belastung zu psychischen Beschwerden, die medikamentös behandelt werden mussten.
Insgesamt führten somit bereits in der Vergangenheit Anlässe verschiedenster Art zum Auftreten von Angststörungen, die - entgegen der von der Klägerin geäußerten Auffassung - nicht nur geringfügig waren, sondern medikamentöse und therapeutische Behandlung erforderten und teilweise zur Arbeitsunfähigkeit führen. Das Ereignis vom 24.10.2001 stellt somit lediglich einen weiteren Anknüpfungspunkt dar, an dem sich die bereits vorbestehende Angststörung der Klägerin äußerte, ebenso wie bei späteren Anlässen (nach den Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. F. bei einem Saunabesuch oder in einem vollen Gruppenraum in der Reha-Klinik). Im Ergebnis ist - so überzeugend Prof. Dr. F. - der heutige Zustand Ausprägung der bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Krankheitsveranlagung, wobei die Ursache für den aktuellen Zustand insbesondere in einer aktuellen Partnerschaftsproblematik und einer chronischen beruflichen Überlastungssituation und nicht im dem Unfallereignis zu sehen ist. Die heute feststellbaren Ängste fügen sich nach dem Gutachten von Prof. Dr. F. somit in das bisherige Bild der Erkrankung der Klägerin. Der gegenteiligen Ansicht des Psychiaters M. (Schreiben vom 16.05.2002), die Beschwerden vor dem Unfall seien nicht so stark ausgeprägt gewesen, dass die Klägerin einer (fach)ärzt¬li¬chen Behandlung bedurfte, kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil es - wie dargelegt - solche Behandlungen durchaus gab.
Durch den Unfall kam es bei der Klägerin somit mit Wahrscheinlichkeit nur zu einer vorübergehenden akuten Belastungssituation. Immerhin konnte die Klägerin - so zutreffend Prof. Dr. F. - noch am selben Abend mit einem Mietwagen alleine von W. nach Karlsruhe, ihrem Wohnort, fahren. Es ist also bereits für den Unfalltag ein deutliches Nachlassen der Belastungssymptome innerhalb weniger Stunden feststellbar.
Dem Gutachten von Dr. H. vermag der Senat auch hinsichtlich der Kausalitätsfrage nicht zu folgen, denn in diesem fehlt die notwendige Abgrenzung zwischen den aktuellen Beschwerden, Befunden und Diagnosen und den vorbestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen. Die phobische Symptomatik vor dem Unfall bezog sich nicht nur auf anstehende Prüfungen, wie von Dr. H. angenommen, sondern war weit ausgeprägter. Soweit Prof. Dr. St. zu einer abweichenden Beurteilung gelangt ist, kann dem nach Prof. Dr. F. schon deswegen nicht gefolgt werden, weil die Phobie nicht nur auf das Autofahren begrenzt ist, sondern generell auftritt, und auch kein entsprechendes Vermeidungsverhalten der Klägerin vorliegt. Die Klägerin hat seit dem Unfall regelmäßig beruflich zu bewältigende Fahrstrecken mit dem Auto zurückgelegt. Die Einschätzung des Senats deckt sich - zumindest im Ergebnis - mit derjenigen von Dr. F. , Dr. Dr. W. und Dr. H ...
Der Senat vermag auch der Auffassung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. L. nicht zu folgen. Eine Panikstörung (ICD-10 F 41.0), die Dr. L. diagnostiziert hat, ist - wie bereits dargelegt - nicht nachgewiesen. Eine depressive Symptomatik liegt zwar vor, diese wurde jedoch, wie Prof. Dr. F. überzeugend dargelegt hat, durch den Unfall weder verursacht, noch richtungsweise verschlimmert. Soweit Dr. L. insoweit unter Hinweis auf den Verlauf von einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik ausgeht, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung. Das im Wesentlichen aus der Wiedergabe der Beweisfragen und deren stichpunktartigen Beantwortung bestehende Gutachten leidet insgesamt an erheblichen Mängeln, da Dr. L. weder eine Anamnese wiedergegeben noch eine detaillierte Begründung der vertretenen Auffassung noch eine auch nur ansatzweise Auseinandersetzung mit den zuvor erstatteten Gutachten vorgenommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls.
Die am 1959 geborene Klägerin studierte in ihrer Heimat R. Zahnmedizin und kam als Asylbewerberin nach Deutschland. Seit April 2001 ist sie als Pharmareferentin tätig. In der Zeit von Dezember 1992 bis zuletzt März 2000 war die Klägerin wiederholt arbeitsunfähig krank gewesen, mit den Diagnosen (reaktive) Depression, depressive Episode, Belastungsreaktion/An-passungsstörung, phobische Störungen, Erschöpfungssyndrom und Suizidgefahr.
Am 24.10.2001 befand sich die Klägerin auf dem Heimweg von einer beruflich veranlassten Tagung in W. , als gegen 17 Uhr auf der Autobahn in einer leichten Linkskurve die Servolenkung ihres Pkws versagte und sie in gerader Richtung auf einen Parkplatz fuhr, wo der Wagen zum Stehen kam. Die Klägerin ließ den Wagen abschleppen und fuhr anschließend mit einem Mietwagen nach Hause, wo sie in der Nacht ankam. In der Woche nach dem Unfall war die Klägerin in Erholungsurlaub. Arbeitsunfähigkeitszeiten sind zeitnah lediglich für den 27.11.2001 (Diagnose: Kopfschmerz) dokumentiert. Erstmals mit Schreiben vom 25.11.2001 an die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, von dort aus an die zuständige Beklagte weitergeleitet, machte sie extreme Kopfschmerzen und Schlafstörungen mit Angststörungen als Unfallfolgen geltend.
Der die Klägerin wegen dieser Beschwerden behandelnde Psychiater M. berichtete über eine isolierte Phobie (hinsichtlich des Autofahrens) bei fortbestehender generalisierter Angststörung. Prof. Dr. St. , Universitätsklinik T. , konnte in seinem Gutachten (mit fachpsychologischem Zusatzgutachten von Dipl. Psych. N. ) auf neurologischem Gebiet keine krankhaften Veränderungen feststellen. Psychiatrisch bestehe eine spezifische Angststörung im Sinne einer vorübergehenden Verschlimmerung eines unfallunabhängig vorbestehenden Leidens (Angst und Depression), teilweise durch das Ereignis vom 24.10.2001 verursacht. Arbeitsunfähigkeit sei für zwei Wochen nach dem Vorfall anzunehmen, die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 20 v. H. für die Dauer eines Jahres, danach auf 10 v. H. einzuschätzen. Im Entlassungsbericht der psychosomatischen Fachklinik Bad D. , wo sich die Klägerin im September und Oktober 2003 auf Veranlassung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aufhielt, wurden die Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung und Spannungskopfschmerz genannt; die Klägerin wurde als arbeitsfähig entlassen. Der Nervenarzt Dr. F. , Beratungsarzt der Beklagten, verneinte eine posttraumatische Belastungsstörung und nahm eine unfallabhängige Behandlungsbedürftigkeit allenfalls für drei Monate nach dem Vorfall an.
Mit Bescheid vom 11.06.2004 und Widerspruchsbescheid vom 13.08.2004 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 24.10.2001 als Arbeitsunfall, lehnte aber die Gewährung einer Rente ab.
Die Klägerin hat hiergegen am 09.09.2004 Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Dieses hat ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. H. , Klinik am W. in W. , eingeholt. Dr. H. hat eine Panikstörung angenommen, die Unfallfolge sei und zu einer MdE um 30 v. H. führe. Hieran hat er auch im Hinblick auf die Einwendungen des Nervenarztes Dr. Dr. W. in dessen beratungsärztlicher Stellungnahme für die Beklagte festgehalten. Der Nervenarzt M. hat sich hingegen in einer von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme für die zusätzliche Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ausgesprochen.
Mit Urteil vom 10.02.2006 hat das Sozialgericht als Folge des Arbeitsunfalls eine Panikstörung festgestellt, die mit einer Unfallrente nach einer MdE um 20 v. H. zu entschädigen sei, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Beide Beteiligten haben gegen das im März 2006 zugestellte Urteil im selben Monat Berufung eingelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2006 und den Bescheid der Beklagten vom 11.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.08.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren, sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.02.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Nervenarztes Dr. H. vorgelegt, wonach eine Panikstörung nicht zu diagnostizieren, jedenfalls diese höchstens mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten sei.
Der Nervenarzt M. , die Nervenärztin Dr. Z. (Diagnose: Zustand nach Schreck- und Angstreaktion, posttraumatische Belastungsstörung) und der Nervenarzt M. (Diagnosen: Angststörung mit Panikstörung, Somatisierungsstörung, Schlafstörung) haben als sachverständigen Zeugen über die von ihnen aktuell erhobenen Befunde berichtet.
Prof. Dr. F. , Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie T. , hat für den Senat ein psychiatrisches Gutachten erstattet. Danach habe der Arbeitsunfall mit Wahrscheinlichkeit nur zu einer akuten Belastungssituation ohne messbare MdE geführt. Der heutige psychiatrische Zustand sei Ausprägung einer bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Krankheitsveranlagung.
Der auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Neurologe und Psychiater Dr. L. hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome und eine Panikstörung festgestellt. Die Symptomatik dieser Erkrankungen habe durch den Unfall zugenommen und bedinge bis Februar 2007 eine MdE um 20 v.H., danach um 40 v.H.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, diejenige der Klägerin hingegen nicht. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klage ist im Hinblick auf die vor dem Sozialgericht beantragte Feststellung von Unfallfolgen nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG, im Hinblick auf die Gewährung einer Verletztenrente nach § 54 Abs. 1 und 4 SGG zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, denn der Arbeitsunfall hat keine Panikstörung verursacht und ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente besteht gleichfalls nicht.
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente auf Grund von ihnen ist aber die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörung, die bei dem Verletzten vorliegt und seine Erwerbsfähigkeit mindert. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Der Senat schließt sich hinsichtlich der Diagnose und der Kausalitätsbeurteilung den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. F. an. Danach besteht bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung (F 32.1 nach ICD-10 = Zehnte Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation [WHO]) sowie eine gemischte Angststörung mit Neigung zu Panikattacken (ICD-10 F 41.3). Keine dieser Gesundheitsstörungen ist indessen mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 24.10.2001 zurückzuführen. Es kann vielmehr nur davon ausgegangen werden, dass es zu einer noch am selben Tag weitgehend zurückgegangenen akuten Belastungsreaktion kam.
Der Senat hat keine Bedenken, das Gutachten von Prof. Dr. F. zu verwerten. In diesem Zusammenhang rügt die Klägerin, der Sachverständige hätte sie nur wenige Minuten gesehen und gesprochen. Zwar ist der Senat der grundsätzlichen Auffassung, dass gerade auf psychiatrischem Fachgebiet eine persönliche Begegnung des Sachverständigen mit dem Probanten erforderlich ist und grundsätzlich auch eine Exploration umfassen muss. Welche Zeitdauer hierfür erforderlich ist, hängt indessen von den Umständen des Einzelfalls ab und ist in erster Linie vom Sachverständigen selbst zu entscheiden. Im vorliegenden Fall jedenfalls ist es zu einer solchen Begegnung zwischen der Klägerin und Prof. Dr. F. gekommen. Wie viele Minuten diese gedauert hat, ist für den Senat nicht ausschlaggebend. Denn im Vordergrund der Beurteilung steht im vorliegenden Rechtsstreit nicht die aktuelle psychische Situation der Klägerin im Zeitpunkt der Untersuchung, sondern die genaue Diagnostik und die erforderliche Kausalitätsbeurteilung. Die Diagnostik wiederum hängt im Falle der Klägerin angesichts in den Akten dokumentierter wechselnder Befunde nicht ausschlaggebend von der aktuellen, im Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchung zu erhebenden Symptomatik ab. Maßgebend ist im vorliegenden Fall vielmehr eine Verlaufsbetrachtung anhand der von den behandelnden Ärzten und früheren Gutachtern dokumentierten Befunde. Gerade dies hat Prof. Dr. F. in seinem Gutachten geleistet. Auch hinsichtlich der Kausalitätsbeurteilung kommt es maßgeblich auf die Aktenlage und weniger auf die aktuelle Symptomatik an.
Dass die Klägerin an Panikstörungen nach F 41.0 der Klassifikation nach ICD-10 leidet, wie vom Sozialgericht festgestellt, ist nicht nachgewiesen. Der Senat kann der dies bejahenden Einschätzung von Dr. H. , auf die sich das Sozialgericht im Wesentlichen stützt, nicht folgen. Nach den Angaben der Klägerin bei Dr. H. sollen die Panikattacken bei Saunabesuchen, beim längeren Schwimmen, beim Autofahren oder auf Baustellen auftreten. Prof. Dr. F. hat insoweit auf fehlende angstfreie Zwischenzeiten und die - eine Panikstörung als Hauptdiagnose ausschließende - im Vordergrund stehende rezidivierende depressive Störung verwiesen und neben der depressiven Störung lediglich eine gemischte Angststörung mit Neigung zu Panikattacken als andere gemischte Angststörung nach F 41.3 der ICD-10 angenommen. Dies geht in die Richtung, in der sich auch die Diagnosen des Nervenarztes M. finden. Zwar hat Prof. Dr. F. die Diagnose von Dr. H. aufgrund der damaligen Befunde als "nachvollziehbar" bezeichnet. Dies reicht jedoch für den Nachweis der Erkrankung, wie sie Dr. H. beschrieben und einer Diagnose zugeführt und wie sie das Sozialgericht festgestellt hat, nicht aus, auch wenn hier Unschärfen bestehen.
Mit größerer Sicherheit ist - entgegen der Einschätzung des Nervenarztes M. und von Dr. Z. - eine posttraumatische Belastungsstörung nach F 43.1 der ICD-10 zu verneinen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. F ... Der Senat lässt offen, ob der Einschätzung des Gutachters zu folgen ist, wonach sich das Erlebnis der Klägerin auf der Autobahn nur bedingt als "Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde", wie in den ICD-10 verlangt, beschreiben lasse. Immerhin sah sich die Klägerin wegen des Ausfalls der Servopumpe einem für sie nicht mehr lenkbaren Fahrzeug ausgesetzt, dies bei hoher Geschwindigkeit und in einer langgezogenen leichten Linkskurve. Jedenfalls fehlt es an dem für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung notwendigen wiederholten Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen. Die von der Klägerin geschilderten sekundenartigen Wiedererinnerungen an den Vorfall und auch die entsprechenden Angaben von Dr. Zimmermann, reichen hierfür - so Prof. Dr. F. - nicht aus. Dementsprechend vermag sich der Senat auch nicht der diagnostischen Beurteilung einer posttraumatischen Belastungsstörung in dem von der Klägerin vorgelegten Entlassungsbericht der B. (stationärer Aufenthalt im Februar/März 2007) anzuschließen.
Die bestehende psychische Erkrankung der Klägerin, wie sie von Prof. Dr. F. diagnostiziert ist, und deren Vorhandensein der Senat nicht in Zweifel zieht, ist nicht mit Wahrscheinlichkeit durch den Arbeitsunfall verursacht worden oder auch nur Ergebnis einer Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens.
Die Klägerin litt, wovon alle Gutachter übereinstimmend ausgehen, bereits vor dem Arbeitsunfall an psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen, insbesondere an einer Depression und an Angststörungen mit Neigungen zu Panikattacken. Zeitweise bestand sogar Suizidgefahr. Entsprechende Arbeitsunfähigkeitszeiten sind seit 1992 dokumentiert. Aus dem Register der AOK Mittlerer Oberrhein ergeben sich insoweit ärztliche Behandlungen wegen einer Belastungsreaktion/Anpassungsstörung, einer depressiven Episode/Depression, phobischen Störungen, einem Erschöpfungssyndrom und Globusgefühl. Zur Feststellung im Einzelnen wird auf Bl. 47 ff. der Verwaltungsakte verwiesen. Auch die Mitteilungen der behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten bestätigen dies. In der Zeit von April bis Juni 1999 war die Klägerin wegen Prüfungsangst ("starke phobische Ängste") in verhaltenstherapeutischer Behandlung bei der Psychologischen Psychotherapeutin Dr. K ... Trotz dieser - von ihr abgebrochenen - Therapie trat die Klägerin die Prüfungen nicht an. Der Nervenarzt Dr. G. berichtete im Verwaltungsverfahren über Behandlungen im März und April 2000 wegen einer akuten depressiven Episode, begleitet von psychosomatischen Beschwerden und Angsterscheinungen, dies vor dem Hintergrund einer für die Klägerin unklaren und sie belastenden beruflichen Situation und privater Probleme innerhalb der Familie. Die Angststörung äußerte sich - so die Angaben des Psychiaters M. gegenüber der Beklagten, beruhend auf seiner Exploration und Behandlung der Klägerin nach dem Unfall - schon vor dem Unfall in ausgeprägten Sorgen um den Gesundheitszustand der Familienmitglieder, Katastrophisierungsideen, falls ein Familienmitglied längere Zeit unterwegs war oder nicht rechtzeitig zurückkam, alle möglichen Alltagsschwierigkeiten wurden stark problematisiert und überzogen negativ bewertet. Die Klägerin wurde auch damals häufig in eine starke Angstanspannung versetzt und litt zum Teil unter Schlafstörungen. Ebenso kam es in der Vergangenheit - so die Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. F. - bei beruflicher Belastung zu psychischen Beschwerden, die medikamentös behandelt werden mussten.
Insgesamt führten somit bereits in der Vergangenheit Anlässe verschiedenster Art zum Auftreten von Angststörungen, die - entgegen der von der Klägerin geäußerten Auffassung - nicht nur geringfügig waren, sondern medikamentöse und therapeutische Behandlung erforderten und teilweise zur Arbeitsunfähigkeit führen. Das Ereignis vom 24.10.2001 stellt somit lediglich einen weiteren Anknüpfungspunkt dar, an dem sich die bereits vorbestehende Angststörung der Klägerin äußerte, ebenso wie bei späteren Anlässen (nach den Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. F. bei einem Saunabesuch oder in einem vollen Gruppenraum in der Reha-Klinik). Im Ergebnis ist - so überzeugend Prof. Dr. F. - der heutige Zustand Ausprägung der bereits vor dem Unfall bestehenden psychischen Krankheitsveranlagung, wobei die Ursache für den aktuellen Zustand insbesondere in einer aktuellen Partnerschaftsproblematik und einer chronischen beruflichen Überlastungssituation und nicht im dem Unfallereignis zu sehen ist. Die heute feststellbaren Ängste fügen sich nach dem Gutachten von Prof. Dr. F. somit in das bisherige Bild der Erkrankung der Klägerin. Der gegenteiligen Ansicht des Psychiaters M. (Schreiben vom 16.05.2002), die Beschwerden vor dem Unfall seien nicht so stark ausgeprägt gewesen, dass die Klägerin einer (fach)ärzt¬li¬chen Behandlung bedurfte, kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil es - wie dargelegt - solche Behandlungen durchaus gab.
Durch den Unfall kam es bei der Klägerin somit mit Wahrscheinlichkeit nur zu einer vorübergehenden akuten Belastungssituation. Immerhin konnte die Klägerin - so zutreffend Prof. Dr. F. - noch am selben Abend mit einem Mietwagen alleine von W. nach Karlsruhe, ihrem Wohnort, fahren. Es ist also bereits für den Unfalltag ein deutliches Nachlassen der Belastungssymptome innerhalb weniger Stunden feststellbar.
Dem Gutachten von Dr. H. vermag der Senat auch hinsichtlich der Kausalitätsfrage nicht zu folgen, denn in diesem fehlt die notwendige Abgrenzung zwischen den aktuellen Beschwerden, Befunden und Diagnosen und den vorbestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen. Die phobische Symptomatik vor dem Unfall bezog sich nicht nur auf anstehende Prüfungen, wie von Dr. H. angenommen, sondern war weit ausgeprägter. Soweit Prof. Dr. St. zu einer abweichenden Beurteilung gelangt ist, kann dem nach Prof. Dr. F. schon deswegen nicht gefolgt werden, weil die Phobie nicht nur auf das Autofahren begrenzt ist, sondern generell auftritt, und auch kein entsprechendes Vermeidungsverhalten der Klägerin vorliegt. Die Klägerin hat seit dem Unfall regelmäßig beruflich zu bewältigende Fahrstrecken mit dem Auto zurückgelegt. Die Einschätzung des Senats deckt sich - zumindest im Ergebnis - mit derjenigen von Dr. F. , Dr. Dr. W. und Dr. H ...
Der Senat vermag auch der Auffassung des nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. L. nicht zu folgen. Eine Panikstörung (ICD-10 F 41.0), die Dr. L. diagnostiziert hat, ist - wie bereits dargelegt - nicht nachgewiesen. Eine depressive Symptomatik liegt zwar vor, diese wurde jedoch, wie Prof. Dr. F. überzeugend dargelegt hat, durch den Unfall weder verursacht, noch richtungsweise verschlimmert. Soweit Dr. L. insoweit unter Hinweis auf den Verlauf von einer Verschlechterung der depressiven Symptomatik ausgeht, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung. Das im Wesentlichen aus der Wiedergabe der Beweisfragen und deren stichpunktartigen Beantwortung bestehende Gutachten leidet insgesamt an erheblichen Mängeln, da Dr. L. weder eine Anamnese wiedergegeben noch eine detaillierte Begründung der vertretenen Auffassung noch eine auch nur ansatzweise Auseinandersetzung mit den zuvor erstatteten Gutachten vorgenommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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