Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 23/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 833/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der 1947 geborene Kläger war vom 08.01.1978 bis 29.09.1999 als Bandarbeiter bei der Firma A. AG beschäftigt. Seine Aufgabe war es, Feinnahtabdichtmasse mit einem Pinsel zu verstreichen. Seit dem 09.02.1997 war er arbeitsunfähig erkrankt. Nach einem Arbeitsversuch am 25.11.1997 wurde das Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 29.09. 1999 aufgelöst. Seit dem 01.06.1999 bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung.
Am 25.11.1999 zeigte der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. den Verdacht des Vorliegens einer BK an. Der teilte die Diagnose einer chronischen obstruktiven Bronchitis mit, die auch seit der Arbeitsunfähigkeit und der Nikotinkarenz progredient verlaufe. Seiner Anzeige fügte er eigene Behandlungsberichte über den Zeit5raum vom 02.04.1996 bis 02.10.1999, den Befundbericht des Krankenhauses B. vom 14.03.1997 über die dortige stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 09.02.1997 bis 19.02.1997, die Behandlungsberichte der Internisten und Kardiologen Dres. K. u. R. vom 10.03.1997, 09.04.1997 und 24.06.1998, den Entlassungsbericht über die Rehabilitationsmaßnahme in der Vorsorge- und Reha-Klinik St G. vom 01.09.1997, den Bericht der Klinik L ...03.03.1998 über die stationäre Behandlung vom 17.12.1997 bis 16.01.1998, das sozialmedizinische Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 15.04.1998 sowie den Bericht des Zentrums für Psychiatrie W. vom 02.06.1999 über die stationäre Behandlung vom 07.05.1999 bis 18.05.1999 bei.
Die Beklagte hat den Betriebsarzt der Firma A. AG Dr. W. befragt (Auskunft vom 01.02.2000), ein Vorerkrankungsregister der Krankenkasse beigezogen, eine Gefährdungsanalyse durch den technischen Aufsichtsdienst (TAD) erstellen lassen und von Prof. Dr. T. ein arbeitsmedizinisches Zusammenhangsgutachten veranlasst. Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 27.03.2001 ausgeführt, die chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit beruflich verursacht worden.
Nachdem sich die staatliche Gewerbeärztin Dr. H. dem Gutachten anschloss, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2001 die Anerkennung der Atemwegserkrankung als BK ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2001 zurück.
Am 04.01.2002 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und u. a. ausgeführt, es sei von der Beklagten nicht ausreichend ermittelt worden, welchen Stoffen er während seiner Beschäftigung bei der Firma A. AG ausgesetzt gewesen sei; die Beklagte habe sich lediglich mit dem zuletzt verwendeten Abdichtstoff "Plastilol" auseinandergesetzt. Der gleichzeitig an der Rohkarosse tätige Arbeitskollege habe mit einer Sprühpistole nicht Plastilol, sondern Lacke angebracht.
Die Beklagte hat daraufhin die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 19.02.2003 vorgelegt, wonach der Kläger während seiner Beschäftigung bei der Firma A. AG ausschließlich Kontakt zu der Grobnahtabdichtmasse der Bezeichnung Togoplast C 102N8669 der Fa. Teroson (als Plastilol bezeichnet) hatte, die mit einer PVC-Auslegepistole aufgebracht und mit einem Pinsel verstrichen worden sei. Der Bereich, in dem der Kläger gearbeitet habe, gehöre zu dem Abschnitt "Vorbehandlung und Nahtabdichtung", in dem keine Lackeierarbeiten im eigentlichen Sinne ausgeführt worden seien. Nachdem der Kläger diese Angaben bestritt, befragte die Beklagte nochmals ihren Präventionsdienst. In der Stellungnahme vom 22.04.2003 bestätigte diese nochmals, dass der Kläger in der Zeit seiner Beschäftigung vom 08.01.1978 bis zum 24.11.1997 zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu Lacken gehabt habe; es seien auch nicht gleichzeitig Lackierarbeiten vorgenommen worden.
In dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts unter Beweisaufnahme vom 21.11.2003 hat das SG den Diplom-Ingenieur N., der Firma A. AG zu den Arbeitsabläufen und Arbeitsbedingungen vernommen. Der Zeuge hat u. a. ausgesagt, der Kläger sei im Feinnahtbereich eingesetzt gewesen; mit einer Pistole würden PVC-Nähte angebracht, gelegt und mit einem Pinsel verstrichen. Die anderen Mitarbeiter hätten nichts anderes getan, als der Kläger auch. Bezüglich weiterer Einzelheiten der Aussage des Zeugen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
Der Kläger hat anschließend weiter vorgetragen, dass auch gleichzeitig andere Arbeiter Lackierarbeiten vernichtet hätten.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.01.2006 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den am 23.01.2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 20.02.2006 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er wiederum vorbringt, es seien gleichzeitig mit der Tätigkeit des Klägers Lackierarbeiten vernichtet worden, weshalb der Sachverhalts unzureichend aufgeklärt sei. Selbst wenn keine Lacke verwendet worden seien, sei er den anderen Stoffen, die die Kollegen verwendet hätten ausgesetzt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Januar 2006 den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 05. Dezember 2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sowohl der Präventionsdienst, als auch die Zeugeneinvernahme des Dipl. Ing. N. habe ergeben, dass der Kläger weder Lackarbeiten ausgeführt habe, noch in seiner Gegenwart solche Arbeiten ausgeführt worden seien. Auch das Krankheitsbild entspreche nicht dem Verlauf, der die Annahme einer beruflich bedingten Atemwegserkrankung Sinne der Nr. 4302 der Anlage zur BKV entspreche.
Der Berichterstatter hat dem Termin vom 05.07.2006 den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Der Senat hat eine schriftliche Auskunft des Sicherheitschemikers G. M., A. AG, eingeholt. Dieser hat in seiner Auskunft vom 15.08.2006 u. a. ausgeführt, Lackierarbeiten seien in dem Bereich, in dem der Kläger eingesetzt worden sei, nie durchgeführt worden.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143,144 Abs. 1 Satz SGG) sowie frist - und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzte Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV.
Streitgegenstand der zulässig erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) in Verbindung mit der Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 07.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2001, mit dem die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV abgelehnt hat.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind BK´en Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Hierzu zählen nach 4302 der Anlage zur BKV - die vorliegend allein in Frage stehen -durch toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Voraussetzung für die Anerkennung einer BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die Gesundheitsstörung nachgewiesen sind, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83; BSGE 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 261, 285; BSG SozR 3 - 2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG SozR 3 - 2200 § 548 Nr. 11).
Unumstritten ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger bei der A. AG eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat. Auch die Gesundheitsstörung - obstruktive Atemwegserkrankung - ist auf Grund der vorgelegten ärztlichen Unterlagen nachgewiesen. Hinsichtlich der schädigenden Exposition ist festzustellen, hat der Kläger nach eigenen Angaben mit einem Pinsel Feinnähte verstrichen hat. Der Sicherheitschemiker M. hat den verwendeten Stoff (AKD 473010) sowohl gegenüber der Beklagten in seiner Aktennotiz vom 8.8.1997 (Bl. 69 sowie Sicherheitsdatenblätter -Bl. 63-68) als auch in seiner Auskunft gegen über dem Senat vom 15.08.2006 wiederholt bezeichnet. Ebenso wurden die im Arbeitsbereich des Klägers verwendeten weiteren PVC-Materialien (Grobnahtabdichtungsmasse, Unterbodenschutz, Frontklappenunterfütterungskleber, Steinschlagdämmmasse, Dünnschicht-PVC) angegeben. Diese Kenntnisse sind dem Gutachter Prof. Dr. T. zur Verfügung gestellt worden. Entgegen dem Vortrag des Klägers im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren sind in seinen Arbeitsbereich keine Lackierarbeiten durchgeführt worden. Weitere Beschichtungsmaterialien, wie z. B. Lacke sind dort nach der Auskunft des Sicherheitschemikers M. nie eingesetzt worden. Somit ist der Vortrag des Klägers widerlegt, Prof. Dr. T. sei von unvollständigen Vorgaben der schädigenden Exposition ausgegangen. Soweit der Kläger nun noch vorbringt, im Atembereich Klägers seien Aerosole aufgetreten und ergänzend im Arbeitsplatzbereich zahlreiche verschiedene PVC-Plastilole verwendet worden, deren Auswirkungen nicht ermittelt worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass diese Stoffe bereits im Verwaltungsverfahren ermittelt und dem Gutachter bekannt gewesen sind. Bereits in seiner Stellungnahme vom 08.08.1997 hat der Sicherheitschemiker M. darauf hingewiesen, dass die verwendeten Produkte aufgrund der niedrigen Dampfdücke dieser Flüssigkeiten keinen nennenswerten Dämpfe dieser Stoffe in der Atemluft gegeben habe. Im Spritzbereich selbst hätten Aerosole auftreten können, die abzusaugen sind. Diese Umstände sind auch dem Gutachter bekannt gemacht worden. So hat der Gutachter dies auf Bl. 28 seines Gutachtens dies ausdrücklich festgestellt; das SG ist in dem angefochtenen Gerichtsbescheid ebenfalls darauf eingegangen. Der Kläger hat insoweit nichts Neues vorgetragen; weitere Ermittlungen sind deshalb nicht erforderlich. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die obstruktive Atemwegserkrankung durch die bei der Fa. A. verrichteten beruflichen Tätigkeiten verursacht worden ist, kann nicht festgestellt werden. Der Senat folgt hier der Beurteilung des Prof. Dr. T ... Sowohl die klinische und lungenfunktionsanalytische Untersuchung, der Krankheitsverlauf sowie die Tatsache, dass der Kläger 30 jahrelang (von 1967 bis 1997) geraucht hat, führen nach schlüssiger Darstellung des Gutachters dazu, dass die notwendige Wahrscheinlichkeit einer beruflich bedingten Erkrankung nicht angenommen werden kann. Der Gutachter hat ausführlich dargestellt, dass das langjährige Inhalationsrauchen die zahlenmäßig und pathophysiologisch wichtigste exogene Noxe für die Entstehung einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung darstellt. Der Gutachter hat einen arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (AIT) mit dem vom Kläger hauptsächlich verwendeten Produkt durchgeführt. Im Ergebnis hat der Gutachter fest gehalten, dass eine typische Reaktion im Bereich der Atemwege, die auf ein Asthma bronchiale hinweisen würden, nicht bestätigt wurden. Der Gutachter hat schließlich zur Überprüfung des Krankheitsverlaufs die vom behandelnden Lungenfacharzt festgestellten Messwerte berücksichtigt und daraus abgeleitet, dass seit derzeit Aufgabe der Berufstätigkeit die Atemwegsobstruktion zugenommen hat, was auch dem subjektiven Empfinden und Angaben des Klägers entspricht. Eine Zunahme der Beschwerden nach Beendigung der verdächtigen Exposition spricht jedoch gegen die berufsbedingte Verursachung. Die medizinischen Voraussetzungen der BK 4302 sind somit nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der 1947 geborene Kläger war vom 08.01.1978 bis 29.09.1999 als Bandarbeiter bei der Firma A. AG beschäftigt. Seine Aufgabe war es, Feinnahtabdichtmasse mit einem Pinsel zu verstreichen. Seit dem 09.02.1997 war er arbeitsunfähig erkrankt. Nach einem Arbeitsversuch am 25.11.1997 wurde das Arbeitsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 29.09. 1999 aufgelöst. Seit dem 01.06.1999 bezieht der Kläger Rente wegen Erwerbsminderung.
Am 25.11.1999 zeigte der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. den Verdacht des Vorliegens einer BK an. Der teilte die Diagnose einer chronischen obstruktiven Bronchitis mit, die auch seit der Arbeitsunfähigkeit und der Nikotinkarenz progredient verlaufe. Seiner Anzeige fügte er eigene Behandlungsberichte über den Zeit5raum vom 02.04.1996 bis 02.10.1999, den Befundbericht des Krankenhauses B. vom 14.03.1997 über die dortige stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 09.02.1997 bis 19.02.1997, die Behandlungsberichte der Internisten und Kardiologen Dres. K. u. R. vom 10.03.1997, 09.04.1997 und 24.06.1998, den Entlassungsbericht über die Rehabilitationsmaßnahme in der Vorsorge- und Reha-Klinik St G. vom 01.09.1997, den Bericht der Klinik L ...03.03.1998 über die stationäre Behandlung vom 17.12.1997 bis 16.01.1998, das sozialmedizinische Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 15.04.1998 sowie den Bericht des Zentrums für Psychiatrie W. vom 02.06.1999 über die stationäre Behandlung vom 07.05.1999 bis 18.05.1999 bei.
Die Beklagte hat den Betriebsarzt der Firma A. AG Dr. W. befragt (Auskunft vom 01.02.2000), ein Vorerkrankungsregister der Krankenkasse beigezogen, eine Gefährdungsanalyse durch den technischen Aufsichtsdienst (TAD) erstellen lassen und von Prof. Dr. T. ein arbeitsmedizinisches Zusammenhangsgutachten veranlasst. Prof. Dr. T. hat in seinem Gutachten vom 27.03.2001 ausgeführt, die chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung sei nicht mit Wahrscheinlichkeit beruflich verursacht worden.
Nachdem sich die staatliche Gewerbeärztin Dr. H. dem Gutachten anschloss, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2001 die Anerkennung der Atemwegserkrankung als BK ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2001 zurück.
Am 04.01.2002 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und u. a. ausgeführt, es sei von der Beklagten nicht ausreichend ermittelt worden, welchen Stoffen er während seiner Beschäftigung bei der Firma A. AG ausgesetzt gewesen sei; die Beklagte habe sich lediglich mit dem zuletzt verwendeten Abdichtstoff "Plastilol" auseinandergesetzt. Der gleichzeitig an der Rohkarosse tätige Arbeitskollege habe mit einer Sprühpistole nicht Plastilol, sondern Lacke angebracht.
Die Beklagte hat daraufhin die Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 19.02.2003 vorgelegt, wonach der Kläger während seiner Beschäftigung bei der Firma A. AG ausschließlich Kontakt zu der Grobnahtabdichtmasse der Bezeichnung Togoplast C 102N8669 der Fa. Teroson (als Plastilol bezeichnet) hatte, die mit einer PVC-Auslegepistole aufgebracht und mit einem Pinsel verstrichen worden sei. Der Bereich, in dem der Kläger gearbeitet habe, gehöre zu dem Abschnitt "Vorbehandlung und Nahtabdichtung", in dem keine Lackeierarbeiten im eigentlichen Sinne ausgeführt worden seien. Nachdem der Kläger diese Angaben bestritt, befragte die Beklagte nochmals ihren Präventionsdienst. In der Stellungnahme vom 22.04.2003 bestätigte diese nochmals, dass der Kläger in der Zeit seiner Beschäftigung vom 08.01.1978 bis zum 24.11.1997 zu keinem Zeitpunkt Kontakt zu Lacken gehabt habe; es seien auch nicht gleichzeitig Lackierarbeiten vorgenommen worden.
In dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts unter Beweisaufnahme vom 21.11.2003 hat das SG den Diplom-Ingenieur N., der Firma A. AG zu den Arbeitsabläufen und Arbeitsbedingungen vernommen. Der Zeuge hat u. a. ausgesagt, der Kläger sei im Feinnahtbereich eingesetzt gewesen; mit einer Pistole würden PVC-Nähte angebracht, gelegt und mit einem Pinsel verstrichen. Die anderen Mitarbeiter hätten nichts anderes getan, als der Kläger auch. Bezüglich weiterer Einzelheiten der Aussage des Zeugen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
Der Kläger hat anschließend weiter vorgetragen, dass auch gleichzeitig andere Arbeiter Lackierarbeiten vernichtet hätten.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.01.2006 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen den am 23.01.2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 20.02.2006 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er wiederum vorbringt, es seien gleichzeitig mit der Tätigkeit des Klägers Lackierarbeiten vernichtet worden, weshalb der Sachverhalts unzureichend aufgeklärt sei. Selbst wenn keine Lacke verwendet worden seien, sei er den anderen Stoffen, die die Kollegen verwendet hätten ausgesetzt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. Januar 2006 den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 05. Dezember 2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, eine chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Sowohl der Präventionsdienst, als auch die Zeugeneinvernahme des Dipl. Ing. N. habe ergeben, dass der Kläger weder Lackarbeiten ausgeführt habe, noch in seiner Gegenwart solche Arbeiten ausgeführt worden seien. Auch das Krankheitsbild entspreche nicht dem Verlauf, der die Annahme einer beruflich bedingten Atemwegserkrankung Sinne der Nr. 4302 der Anlage zur BKV entspreche.
Der Berichterstatter hat dem Termin vom 05.07.2006 den Sachverhalt mit den Beteiligten erörtert. Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Der Senat hat eine schriftliche Auskunft des Sicherheitschemikers G. M., A. AG, eingeholt. Dieser hat in seiner Auskunft vom 15.08.2006 u. a. ausgeführt, Lackierarbeiten seien in dem Bereich, in dem der Kläger eingesetzt worden sei, nie durchgeführt worden.
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143,144 Abs. 1 Satz SGG) sowie frist - und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzte Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV.
Streitgegenstand der zulässig erhobenen Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) in Verbindung mit der Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 07.06.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2001, mit dem die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr. 4302 der Anlage zur BKV abgelehnt hat.
Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind BK´en Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Hierzu zählen nach 4302 der Anlage zur BKV - die vorliegend allein in Frage stehen -durch toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Voraussetzung für die Anerkennung einer BK ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die Gesundheitsstörung nachgewiesen sind, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83; BSGE 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 261, 285; BSG SozR 3 - 2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten möchte, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG SozR 3 - 2200 § 548 Nr. 11).
Unumstritten ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger bei der A. AG eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat. Auch die Gesundheitsstörung - obstruktive Atemwegserkrankung - ist auf Grund der vorgelegten ärztlichen Unterlagen nachgewiesen. Hinsichtlich der schädigenden Exposition ist festzustellen, hat der Kläger nach eigenen Angaben mit einem Pinsel Feinnähte verstrichen hat. Der Sicherheitschemiker M. hat den verwendeten Stoff (AKD 473010) sowohl gegenüber der Beklagten in seiner Aktennotiz vom 8.8.1997 (Bl. 69 sowie Sicherheitsdatenblätter -Bl. 63-68) als auch in seiner Auskunft gegen über dem Senat vom 15.08.2006 wiederholt bezeichnet. Ebenso wurden die im Arbeitsbereich des Klägers verwendeten weiteren PVC-Materialien (Grobnahtabdichtungsmasse, Unterbodenschutz, Frontklappenunterfütterungskleber, Steinschlagdämmmasse, Dünnschicht-PVC) angegeben. Diese Kenntnisse sind dem Gutachter Prof. Dr. T. zur Verfügung gestellt worden. Entgegen dem Vortrag des Klägers im Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahren sind in seinen Arbeitsbereich keine Lackierarbeiten durchgeführt worden. Weitere Beschichtungsmaterialien, wie z. B. Lacke sind dort nach der Auskunft des Sicherheitschemikers M. nie eingesetzt worden. Somit ist der Vortrag des Klägers widerlegt, Prof. Dr. T. sei von unvollständigen Vorgaben der schädigenden Exposition ausgegangen. Soweit der Kläger nun noch vorbringt, im Atembereich Klägers seien Aerosole aufgetreten und ergänzend im Arbeitsplatzbereich zahlreiche verschiedene PVC-Plastilole verwendet worden, deren Auswirkungen nicht ermittelt worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass diese Stoffe bereits im Verwaltungsverfahren ermittelt und dem Gutachter bekannt gewesen sind. Bereits in seiner Stellungnahme vom 08.08.1997 hat der Sicherheitschemiker M. darauf hingewiesen, dass die verwendeten Produkte aufgrund der niedrigen Dampfdücke dieser Flüssigkeiten keinen nennenswerten Dämpfe dieser Stoffe in der Atemluft gegeben habe. Im Spritzbereich selbst hätten Aerosole auftreten können, die abzusaugen sind. Diese Umstände sind auch dem Gutachter bekannt gemacht worden. So hat der Gutachter dies auf Bl. 28 seines Gutachtens dies ausdrücklich festgestellt; das SG ist in dem angefochtenen Gerichtsbescheid ebenfalls darauf eingegangen. Der Kläger hat insoweit nichts Neues vorgetragen; weitere Ermittlungen sind deshalb nicht erforderlich. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die obstruktive Atemwegserkrankung durch die bei der Fa. A. verrichteten beruflichen Tätigkeiten verursacht worden ist, kann nicht festgestellt werden. Der Senat folgt hier der Beurteilung des Prof. Dr. T ... Sowohl die klinische und lungenfunktionsanalytische Untersuchung, der Krankheitsverlauf sowie die Tatsache, dass der Kläger 30 jahrelang (von 1967 bis 1997) geraucht hat, führen nach schlüssiger Darstellung des Gutachters dazu, dass die notwendige Wahrscheinlichkeit einer beruflich bedingten Erkrankung nicht angenommen werden kann. Der Gutachter hat ausführlich dargestellt, dass das langjährige Inhalationsrauchen die zahlenmäßig und pathophysiologisch wichtigste exogene Noxe für die Entstehung einer chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung darstellt. Der Gutachter hat einen arbeitsplatzbezogenen Inhalationstest (AIT) mit dem vom Kläger hauptsächlich verwendeten Produkt durchgeführt. Im Ergebnis hat der Gutachter fest gehalten, dass eine typische Reaktion im Bereich der Atemwege, die auf ein Asthma bronchiale hinweisen würden, nicht bestätigt wurden. Der Gutachter hat schließlich zur Überprüfung des Krankheitsverlaufs die vom behandelnden Lungenfacharzt festgestellten Messwerte berücksichtigt und daraus abgeleitet, dass seit derzeit Aufgabe der Berufstätigkeit die Atemwegsobstruktion zugenommen hat, was auch dem subjektiven Empfinden und Angaben des Klägers entspricht. Eine Zunahme der Beschwerden nach Beendigung der verdächtigen Exposition spricht jedoch gegen die berufsbedingte Verursachung. Die medizinischen Voraussetzungen der BK 4302 sind somit nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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