L 6 U 3439/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 2837/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 3439/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Rechtsnachfolgerin der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), der Klägerin eine Verletztenrente zu gewähren hat.

Die 1951 geborene Klägerin erlitt Anfang April 2001 im Rahmen ihrer Tätigkeit als Maschinenführerin bei der H&S T.-Gesellschaft mbH. & Co. KG beim Schieben eines Gitterwagens einen Unfall, bei dem die linke Schulter in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Klägerin hat im unmittelbaren Anschluss an diesen Vorfall weitergearbeitet. Am 6. April 2001 stellte sich die Klägerin bei Dr. M. (Praktischer Arzt) vor, der ihr wegen des akuten Schmerzzustandes eine Injektion verabreichte und sie an Dr. St. (Facharzt für Orthopädie) überwies. Bei ihm sprach die Klägerin am 10. April 2001 vor. In seinem H-Arzt-Bericht vom gleichen Tag führte Dr. St. aus, die Klägerin sei am 2. April 2001 gestolpert, habe sich mit der linken Hand abgefangen und seither Beschwerden an der linken Schulter. Dr. St. beschrieb einen deutlichen Druckschmerz lateral/subacromial an der linken Schulter. Sonographisch zeigte sich ihm eine normal weite Muskelmanschette, keine Flüssigkeitsansammlung und eine intakte Bizepssehne. Zum Röntgenbefund gab Dr. St. an: "Linke Schulter in 2 Ebenen: Schultergelenk subacromial 10 mm, kein Hinweis für knöcherner Verschleiß". Dr. St. diagnostizierte eine Muskelzerrung der linken Schulter und riet zur Kühlung und Einreibung mit Voltaren. Über die Vorsprache der Klägerin am 10. April 2001 verfasste Dr. St. zudem einen an Dr. M. gerichteten Arztbrief vom 11. April 2001. Darin nannte er als Diagnosen einen Zustand nach beidseitigen Knie-Totalendoprothesenoperationen im Jahr 2000, einen Zustand nach einer Distorsion der rechten Schulter im Januar 2001 mit Verdacht auf eine partielle Rotatorenmanschettenruptur sowie eine Schulterdistorsion links. Zur Schulterdistorsion führte er aus, Hinweise für eine muskuläre oder knöcherne Verletzung hätten sich nicht gezeigt. Von Seiten der Kniegelenke sah er die Arbeitsfähigkeit der Klägerin längerfristig nicht mehr gegeben. Er habe ihr geraten,"die Rente einzureichen". Im Nachschaubericht vom 4. Juli 2001 erwähnte Dr. St. einen Zustand nach Schulterdistorsion mit persistierenden Beschwerden, zum Teil belastungsabhängig. Am 22. August 2001 wurde eine Kernspintomographie des linken Schultergelenks durchgeführt. Dr. B. (Facharzt für Nuklearmedizin/Fach¬arzt für diagnostische Radiologie) beschrieb in seinem Arztbrief vom 25. August 2001 eine Teilruptur der Supraspinatussehne, auf die Dr. St. in seinem weiteren Nachschaubericht vom 20. September 2001 die Beklagte im Zusammenhang mit dem Sturz der Klägerin hinwies.

Im Unfallfragebogen, den die Beklagte der Klägerin zuleitete, gab diese an, der Unfall habe sich am Montag, den 2. April 2001 ereignet. Sie sei erst am 4. April 2001 zu Dr. St. gegangen, weil sie zunächst gedacht habe, die Schmerzen würden wieder besser. Im "Schulterfragebogen" der Beklagten gab die Klägerin am gleichen Tag zu der Frage, wann die Schulterbeschwerden aufgetreten seien an: "Die Schmerzen waren immer da". Auf die Frage, ob die Schulterbeschwerden beim Auffangen einer Last aufgetreten seien, führte sie aus: "Es sind Dauerschmerzen". Zum Unfallhergang gab sie an, sie habe sich die Schulter an dem Gitterwagen angestoßen. Nach dem Ereignis sei es zu einem Bluterguss gekommen.

Die Beklagte forderte bei der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse (AOK Baden-Württemberg) das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin an. Darin waren für den Bereich der rechten Schulter einschlägige Vorerkrankungen dokumentiert.

Im Nachschaubericht vom 17. Dezember 2001 teilte Dr. St. mit, es sei zu einer Besserung der Beschwerdesymptomatik mit noch deutlicher endgradiger Rotationseinschränkung der linken Schulter bei der Innenrotation gekommen. Die Abduktion sei endgradig möglich, jedoch schmerzhaft.

Nachdem die Arbeitgeberin der Klägerin im September zunächst der Beklagten mitgeteilt hatte, ihr sei von einem Arbeitsunfall nichts bekannt, erstellte sie am 20. Dezember 2001 doch eine Unfallanzeige. Zum Unfallhergang wurde darin ausgeführt, die Klägerin habe zwei künstliche Kniegelenke, die des öfteren nach vorne weg knicken würden. Dabei sei sie gestürzt. Beim Auffangen mit der linken Hand habe sie sich die Schulter verletzt.

Mit Bescheid vom 2. September 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Die Klägerin sei wegen der Knieinstabilität gestürzt. Diese innere Ursache schließe einen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aus. Im Widerspruchsverfahren äußerte sich Dr. M. in seiner ärztlichen Bescheinigung vom 16. Juni 2003. Darin gab er u. a. an, die Klägerin sei am 2. April 2001 gestürzt, habe sich mit der linken Hand bzw. dem Arm abfangen können und sei dabei mit dem ganzen Gewicht auf die Hand gefallen und habe eine starke Stauchung der linken Schulter erlitten. Die Schmerzen hätten "in den letzten Tagen" stark zugenommen, weswegen sie ihn am 6. April 2001 aufgesucht habe. Dr. M. fügte seiner Bescheinigung verschiedene Arztbriefe aus den Jahren 1989 bis 2001 bei, in denen über Vorbehandlungen wegen Gesundheitsstörungen an der rechten Schulter berichtet wurde.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs (Widerspruchsbescheid vom 12. August 2003) erhob die Klägerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage (S 4 U 1727/03). In der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2004 gab die Klägerin an, sie habe am Unfalltag vertretungsweise für die Vorarbeiterin gearbeitet. Sie sei nicht mit der Schulter auf den Boden gestürzt. Sie habe versucht, sich an dem Gitterwagen festzuhalten. Mit der Schulter sei sie auf das Gitter gestürzt und dann zu Boden gesunken. Das Knie, das sie habe schützen wollen, habe den Boden nicht ganz erreicht. Die Schulter sei ganz blau gewesen. Das SG verurteilte die Beklagte mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 24. März 2004 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zur Anerkennung des Ereignisses vom 2. April 2001 als Arbeitsunfall und zur Gewährung der gesetzlichen Leistungen. Die Klägerin habe sich an einer betrieblichen Einrichtung verletzt. Sonst sei es wegen der bei ihr bestehenden Knieinstabilität nie zu ernsthaften Verletzungen gekommen.

Mit Schreiben vom 19. April 2004 teilte Dr. St. mit, die konservative Therapie habe zu einer ausreichenden Besserung geführt. Eine Arbeitsfähigkeit der Klägerin sei aus anderen Gründen nicht gegeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage von seiten der Schulter 5 v. H. oder 1/20 des Armwertes.

Auf Veranlassung der Beklagten erstellte Dr. W. (Chefarzt B.-Kreiskrankenhaus T., Unfallchirurgie und Orthopädie) aufgrund der Untersuchung der Klägerin vom 27. Mai 2004 am 12. Juni 2004 ein fachchirurgisches Zusammenhangsgutachten. Gegenüber Dr. W. gab die Klägerin an, sie sei am Morgen nach der Verletzung zu Dr. M. gegangen. Im Unterschied zur letzten Stellungnahme von Dr. St. vom 19. April 2004 machte die Klägerin gegenüber dem Gutachter erhebliche Beschwerden im Bereich der linken Schulter geltend. Dr. W. beschrieb eine weitgehend schmerzhafte Einsteifung im linken Schultergelenk mit nahezu vollständiger Aufhebung der aktiven und passiven Beweglichkeit, eine deutliche Muskelminderung im linken Schultergürtel, insbesondere der Supraspinatusregion und des Deltamuskels sowie röntgenologisch deutliche degenerative Veränderungen in der Ansatzzone der Rotatorenmanschette an beiden Schultergelenken, rechts ausgeprägter als links. Beim Sturz am 2. April 2001 sei es zu einer lokalen oberflächlichen Prellung des linken Oberarmes/linke Schulter mit hierdurch bedingter Hämatomverfärbung gekommen. Über einen indirekten Mechanismus sei es sicherlich zu einer Zerrung der Supraspinatussehne, welche jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittene degenerative Veränderungen aufgewiesen habe, gekommen. Die vorbestehende Schadensanlage sei sehr ausgeprägt gewesen, da am Unfalltag bereits eine röntgenologische Veränderung - mit einem gewissen Vorbehalt - zu erkennen sei. Vier Monate später seien fortgeschrittene degenerative Veränderungen kernspintomographisch eindeutig belegt worden. Der degenerative Vorschaden sei bereits wesentlich vorangeschritten gewesen, sodass es keiner besonderen äußeren Einwirkung zur Auslösung der akuten Erscheinung (erheblich schmerzhafte Bewegungseinschränkung) bedurft habe. Bezüglich der Supraspinatussehne sei das Unfallereignis, bei dem die Klägerin mit der linken Schulter an dem Gitter entlang geschliffen sei, geringfügig gewesen. Es hätte mit alltäglich vorkommenden plötzlichen Belastungen ausgetauscht werden können. Der Körperschaden hätte in naher Zukunft auch spontan eintreten können. Eine MdE liege nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht mehr vor.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2004 hob die Beklagte in Ausführung des Urteils vom 24. März 2004 den Bescheid vom 2. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2003 auf. Mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tag anerkannte sie den Unfall vom 2. April 2001 als Arbeitsunfall. Einen Anspruch auf Rente lehnte sie ab. Als "Folgen" des Arbeitsunfalls würden eine "folgenlos" verheilte Prellung der linken Schulter und Oberarmes bestehen. Unfallunabhängig bestünden altersbedingte Verschleißerscheinungen im Bereich des linken Schultergelenks mit Teilriss der Rotatorenmanschette, Bewegungseinschränkung und Muskelminderung. Diese seien ursächlich für die anschließende bzw. spätere Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit gewesen. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 30. Juli 2004. Im Nachschaubericht vom 6. Oktober 2004 hielt Dr. St. die Ablehnung der weiteren Behandlungsbedürftigkeit der linken Schulter zu Lasten der Beklagten für fragwürdig. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtete sich die am 23. November 2004 erhobene Klage. Da sie früher nie Beschwerden in der der linken Schulter gehabt habe, habe keine Vorschädigung vorgelegen. Das Unfallereignis sei geeignet gewesen, die Rotatorenmanschette zu schädigen. Die Beklagte müsse das Vorliegen von degenerativen Veränderungen beweisen. Dem hielt die Beklagte entgegen, der Gutachter habe die Beschwerdefreiheit der Klägerin vor dem Unfall erwähnt und berücksichtigt. Der Sturz habe nicht zum Reißen der Rotatorenmanschette führen können. Eine massive Verletzung umliegender Gewebs- und Knochenteilte habe nicht vorgelegen. Aufgrund der Untersuchung vom 11. Mai 2005 erstattete Dr. Bo. das fachorthopädische Gutachten vom 23. Mai 2005. Dr. Bo. beschrieb - wie in den Vorgutachten - bei der Klägerin eine Schulterteilsteife links bei degenerativer Rotatorenmanschettenläsion, Schultereckgelenksarthrose und initiale Schultergelenksarthrose, eine degenerative Rotatorenmanschettenläsion rechts und Schultereckgelenksarthrose rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkung sowie einen Zustand nach Implantation einer Kniegelenkstotalendoprothese beidseits. Ihre Gesundheitsstörungen seien unfall-unabhängig. Anlässlich des Arbeitsunfalls vom 2. April 2001 habe sich die Klägerin lediglich eine Prellung des linken Schultergelenks zugezogen. Für die Unfallunabhängigkeit der zuerst genannten Gesundheitsstörungen würden die radiologischen Kriterien sprechen. Danach habe eine nicht unerhebliche degenerative Schadensanlage bestanden. Ein Nachweis für eine frische oder kurz zurückliegende Ruptur sei nicht erbracht worden. Die Klägerin habe erst nach vier Tagen den Arzt aufgesucht. Schwerwiegende Veränderungen seien bei der Erstbehandlung durch den Orthopäden nicht festgestellt worden. Das Beschwerdebild habe im monatelangen Verlauf eher zugenommen. Das Fehlen von Beschwerden vor dem Arbeitsunfall schließe die Schadensanlage nicht aus. Das Unfallereignis sei nur eine so genannte Gelegenheitsursache gewesen.

Auf Antrag der Klägerin gem. § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstellte Prof. Dr. R. unter Mitwirkung von Dr. G. aufgrund der Untersuchung vom 25. Oktober 2005 das weitere orthopädische Gutachten vom 22. November 2005. Prof. Dr. R. sah eine schwere Schulterprellung links mit Teilruptur der Supraspinatussehne und fortgeschrittener Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks im Rahmen einer Frozen Shoulder bei vorbestehender degenerativer Läsion der Rotatorenmanschette links als Folge des Arbeitsunfalls vom 2. April 2001 an. Die Klägerin habe ihm gegenüber angegeben, der Unfall habe sich erst am Donnerstagabend ereignet und sie sei am nächsten Morgen zum Hausarzt und am folgenden Montag zum Orthopäden Dr. St. gegangen. Bei dem Unfall sei es sowohl zu einem direkten als auch zu einem indirekten Trauma gekommen, sodass der Unfallmechanismus teilursächlich für die jetzt vorliegenden funktionellen Einschränkungen der linken Schulter verantwortlich sein könne. Hätte sich der Unfall, so wie von der Klägerin bei der Begutachtung angegeben, tatsächlich erst am Donnerstag ereignet, läge zudem ein zeitnaher Arztbesuch vor, was ebenfalls für einen Zusammenhang sprechen würde. Im Übrigen messe er jedoch dem Zeitablauf der Behandlung nicht die Bedeutung bei wie die Vorgutachter. Ohne Zweifel müsse bei einer über 50-jährigen ein degenerativer Vorschaden als Teilursache vorausgesetzt werden. Allerdings würden keine Vorbefunde am linken Schultergelenk vorliegen. Tatsache sei, dass ein Vorschaden am rechten Schultergelenk bereits seit einiger Zeit bestanden habe. Trotz des von der T. Klinik über einen längeren Zeitraum (mehrere Jahre) beschriebenen degenerativen Umbauprozess im Bereich der Sehnen der linken Schulter, der im Prinzip zu bejahen sei, sei nicht auszuschließen, dass es am Unfalltag zu einem frischen Einreißen der Supraspinatussehne gekommen sei. Der röntgenologisch im Nachhinein festgestellten Veränderung sei keine besondere Bedeutung zuzumessen. Der kernspintomographische Befund sei auch nicht eindeutig. Es sei nicht korrekt, das Unfallereignis als Gelegenheitsursache abzuwerten. Die MdE bewertete Prof. Dr. R. mit 100 v. H. für den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit (ein halbes Jahr nach Unfalldatum). Für die Zeit danach führte der Gutachter aus: "Die unfallunabhängige Gesundheitsstörung entsprechend der degenerativen Vorerkrankung der Rotatorenmanschette in der linken Schulter wird mit 50 % bewertet". Die Beklagte erachtete dieses Gutachten für nicht schlüssig. Der Gitterwagen sei nicht schwer gewesen. Es sei lediglich ein direkter Sturz auf die Schulter anerkannt worden. Die Klägerin habe drei Tage lang nach dem Sturz noch vollschichtig gearbeitet. Es sei kein Drop-Arm diagnostiziert worden. Die MdE erscheine überhöht. Die gleichen Umfangsmaße an den Extremitäten würden eine massive Schonhaltung ausschließen. Dr. G. hielt dem in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Februar 2006 entgegen, der Unfallmechanismus sei von erstrangiger Bedeutung. Es dürfte daher nicht ein Unfallhergang unterstellt werden, der sich als nicht zutreffend erwiesen habe. Der 4 ½ Jahre nach dem Unfall dezidiert von der Klägerin geschilderte Hergang sei nicht von untergeordneter Bedeutung. Es sei diskussionswürdig, ob der Gitterwagen als schwer zu erachten sei. Hauptsache sei jedoch, dass die Klägerin ausgerutscht und mit dem linken Schultergelenk mit relativ großer Wucht gegen den Gitterwagen geprallt sei. Es habe sich daher um eine kombinierte direkte und indirekte Krafteinwirkung auf die linke Schulter gehandelt. Beide Traumamechanismen seien in der Lage, eine Rotatorenmanschettenruptur hervorzurufen. Es sei nicht richtig, dass ein direkter Stoß auf die Schulter nicht geeignet sei, einen Rotatorenmanschettenschaden zu verursachen. Auf die Diskrepanz hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs zwischen den zeitlichen Angaben der Klägerin und dem dokumentierten Verlauf habe er hingewiesen. Ein Drop-Arm-Zeichen sei kein gewichtiges Indiz.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2007 wies das SG die Klage ab. Es stützte sich auf die Einschätzung der Gutachter Dr. W. und Dr. Bo ... Dr. Bo. habe nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass bei der Klägerin eine erhebliche degenerative Vorschädigung bestanden habe, sodass nach seiner Auffassung auch bei jeder anderen alltäglichen Verrichtung der eingetretene Gesundheitsschaden in Form einer Sehnenruptur eingetreten wäre. Aufgrund der gravierenden Vorschädigung der Schulter der Klägerin seien die über die Prellung hinausgehenden Gesundheitsstörungen nicht als unfallbedingt zu qualifizieren. Vielmehr komme dem Unfallereignis insoweit lediglich der Charakter einer rechtlich unwesentlichen Gelegenheitsursache zu. Dem Gutachten von Prof. Dr. R. sei nicht zu folgen. Auch wenn das Unfallereignis letztlich im Einzelnen nicht zweifelsfrei rekonstruierbar sein dürfte, sei es aufgrund der auch von Prof. Dr. R. festgestellten, deutlichen degenerativen Vorschäden für das Gericht nicht mehr ohne weiteres geeignet, die rechtlich wesentliche Ursache für die späteren Schäden darzustellen. Im Übrigen wies das SG darauf hin, dass unter Beachtung der objektiven Beweislast etwaige Zweifel bezüglich des konkreten Geschehensablaufs und der damit verbundenen Frage, inwieweit neben den degenerativen Vorschädigungen das Unfallereignis selbst rechtlich als wesentliche Ursache anzusehen sei, letztlich zu Lasten der Klägerin gingen.

Gegen den ihr am 20. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 4. Juli 2007 beim SG eingegangene Berufung. Die Klägerin stützt sich auf die Einschätzung von Prof. Dr. R. und regt an, einen dritten Gutachter zu hören. Im Erörterungstermin vom 24. Oktober 2007 schildert sie noch einmal den Unfallhergang: Sie sei beim Schieben eines ca. 1 m breiten Gitterwagens mit dem rechten Fuß ausgerutscht und habe sich, um einen Sturz zu vermeiden, mit der rechten Hand am Gitter des Wagens festgehalten. Mit der linken Schulter sei sie dann gegen den Gitterwagen geprallt. Nach dem Aufprall habe sie sich wieder aufgerichtet und sofort einen leichten Schmerz verspürt. Sie habe dann noch bis zum Schichtende um 22:00 Uhr weiter gearbeitet. Da seien die Schmerzen dann stärker geworden. Ihr rechter Oberarm sei stark geschwollen und zunächst blau und später sogar schwarz geworden. Der Unfall habe sich nicht am Montag, den 2. April 2001, sondern am Donnerstag, den 5. April 2001 zugetragen. Tags darauf sei sie zum Hausarzt gegangen. Sie habe sich am Montag, den 9. April ein Spritze geben lassen und dann bis 12. April gearbeitet, da Urlaubszeit gewesen sei und niemand anderes zur Verfügung gestanden habe. Sie wisse genau, dass der Unfall am Donnerstag passiert sein müsse, weil sie am Donnerstag immer nach Schichtende ihre Schürzen und Hausschuhe, die sie im Betrieb trage, mit nach Hause nehme. Sie könne sich nicht erklären, weswegen sie zuvor in einer Erklärung ausdrücklich den 2. April 2001 als den Unfalltag benannt habe. Auf Nachfrage teilte sie mit, erstmals am Montag, den 9. April erzählt zu haben, dass sie am 5. April einen Unfall gehabt habe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids vom 15. Juli 2007 und unter Abänderung des Bescheids vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. November 2004 zur Gewährung einer Verletztenrente zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Erwiderung verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht überzeugende Entscheidung des SG.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin vom 24. Oktober 2007 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. November 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht für die Folgen des Arbeitsunfalls vom April 2001 keine Verletztenrente zu, da die Folgen dieses Unfalls keine MdE begründen.

Nach § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, einen Anspruch auf Rente. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII).

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und - hier nicht einschlägig - Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleidet. Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang, vgl. BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92 S 257; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19), dass die Verrichtung zu dem Unfallereignis geführt hat und letzteres einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSGE 94, 269) - jedoch freilich für eine Rentengewährung.

Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem bei dem Unfall erlittenen Primärschaden einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen diesem und der verbliebenen Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Primärschaden und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSGE 19,52; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15 und vom 09.05.2006 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 ). Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen.

Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Zwischen den Beteiligten ist - auch vor dem Hintergrund des Urteils des SG vom 24. März 2004 - unstreitig, dass es sich bei dem Sturz beim Schieben des Gitterwagens um einen Arbeitsunfall handelte, der mit einer Prellung der linken Schulter (Gesundheitserstschaden) verbunden war. Dies steht auch für den Senat fest. Alle mit dem Fall befassten Gutachter (Dr. W., Dr. Bo., Prof. Dr. R.) haben die Diagnose einer Schulterprellung gestellt. Soweit Dr. W. auch noch eine Prellung des linken Oberarms nannte, hat die Beklagte diese Diagnose in den angefochtenen Bescheid übernommen. Eine streitentscheidende Bedeutung kommt dem nicht zu. Ebenfalls ist an dieser Stelle aus Sicht des Senats nicht von Bedeutung, dass Prof. Dr. R. die Prellung als "schwer" bezeichnete.

Die Rotatorenmanschettenläsion bzw. Teilruptur der Supraspinatussehne an der linken Schulter, die Dr. Bo. und Prof. Dr. R. in ihren Gutachten beschrieben haben und an deren Vorliegen der Senat keinen Zweifel hat, wurde vom SG zutreffend nicht als Folge des Arbeitsunfalls angesehen.

Der Senat stützt sich dabei - wie das SG - auf die schlüssigen Gutachten von Dr. W. und Dr. Bo ... Die Prüfung der Ursächlichkeit eines Unfallereignisses für einen Riss der Rotatorenmanschette stellt sich als Abwägung von Kriterien, die für bzw. gegen einen Zusammenhang sprechen dar. Die maßgeblichen Kriterien hat Dr. Bo. unter Bezugnahme auf die unfallmedizinische Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage S. 503 ff.) in seinem Gutachten übersichtlich zusammengestellt:

Prokriterien einer traumatisch bedingten Rotatorenmanschettenläsion sind danach: fehlende Vorerkrankung, unauffälliger Röntgenbefund, sofortige Arbeitseinstellung und Arztbesuch am selben oder darauf folgenden Tag, sofortiges und in den folgenden Wochen abklingendes Schmerzmaximum, frische Bankart-Läsion oder frischer Hill-Sachs-Defekt in der Röntgenaufnahme, ggf. bei operativer Behandlung fehlender Nachweis degenerativer Veränderungen bzw. Nachweis frischer Einblutungen.

Kontrakriterien sind: Arthrose des Schulterhauptgelenks oder Schultereckgelenks, Oberarmkopfhochstand, frühere Verletzungen der Schulter, Arbeitseinstellung bzw. Arztbesuch erst nach Tagen bzw. Wochen, zweiphasiger Schmerzverlauf, Schmerzmaximum nach Wochen oder Monaten, kernspintomographischer Nachweis einer Retraktion oder fettigen Degeneration des Muskels, fehlender bilddiagnostischer Nachweis einer Einblutung, im Falle operativer Behandlung der Nachweis stumpfer abgerundeter und mit der Umgebung verwachsener Rissränder.

Von Bedeutung sind ferner der Unfallhergang - geeigneter oder ungeeigneter Verletzungsmechanismus - und, soweit bei einer Operation erhoben, der histologische Befund.

Nach den Angaben der Klägerin bestanden bis zum Unfallereignis keine Beschwerden von Seiten der linken Schulter. Auch das Vorerkrankungsverzeichnis ist insoweit leer. Allerdings zeigte sich der Röntgenbefund und das im August 2001 erstellte MRT nicht unauffällig. Es zeigten sich vielmehr deutliche degenerative Veränderungen. Nachvollziehbar vertritt Dr. W. die Auffassung, dass die im MRT festgestellten Veränderungen nicht in den ca. vier Monaten seit dem Unfallereignis entstanden sein konnten. Dr. Bo. hat sich in der Bewertung der degenerativen Veränderungen als "fortgeschritten" Dr. W. angeschlossen. Soweit Prof. Dr. R. die diesbezüglichen Einschätzungen von Dr. W. und Dr. Bo. für nicht nachvollziehbar erachtet hat, räumte er andererseits doch ein, dass sicher von einem deutlichen degenerativen Vorschaden der Rotatorenmanschette auszugehen sei. Für das Bestehen sprechen aus Sicht des Senats im Anschluss an die Ausführungen von Dr. Bo. auch das Alter der Klägerin und die verschleißbedingten gleichartigen Beschwerden am rechten Schultergelenk. Soweit Prof. Dr. R. die Beschwerden an der rechten Schulter allein aufgrund der Rechtshändigkeit mit Überlastung der rechten Schulter interpretierte, überzeugt dies nicht. Vielmehr kann die Betroffenheit der Gegenseite auf einen vorbestehenden Schaden hinweisen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 512).

Die Klägerin hat die Arbeit nicht sofort nach dem Unfallereignis eingestellt. Nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. Bo. ereignete sich der Unfall ca. zwischen 20.00 und 20.30 Uhr. Danach hat sie - wie im Erörterungstermin beim LSG mitgeteilt - bis zum Schichtende um 22.00 Uhr weiter gearbeitet. Ein Arztbesuch am selben oder darauf folgenden Tag ist nicht nachgewiesen, denn der Senat sieht sich außer Stande den Unfalltag exakt festzustellen. Im H-Arzt-Bericht vom 10. April 2001, im von der Klägerin selbst ausgefüllten Unfallfragebogen vom 24. September 2001, der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 20. Dezember 2001 und auch in der ärztlichen Bescheinigung von Dr. M. vom 16. Juni 2003 wird als Unfalltag der 02. April 2001 genannt. Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls am 02. April 2001 hat die Klägerin auch im ersten Klageverfahren vor dem SG begehrt und im Klageantrag dieses Datum genannt. Die damalige Verurteilung der Beklagten erfolgte dementsprechend. Soweit sie inzwischen - sinngemäß bereits seit der Begutachtung durch Dr. W. - behauptet, der Unfall habe sich erst am 05. April 2001, also am Tag vor dem erst für den 06. April 2004 nachgewiesenen (der im Unfallfragebogen von der Klägerin angegebene Arztbesuch am 04. April 2001 ist nicht dokumentiert und widerspricht den Angaben im H-Arzt-Bericht) ersten Besuch bei ihrem Hausarzt, ereignet, kann sie nicht erklären, wie es zu der über Jahre hinweg erfolgten Falschbezeichnung des Unfalltages kommen konnte. Der Senat kann sich dies auch nicht erklären und geht davon aus, dass in der Regel zeitnah gemachte Angaben, zumal wenn sie schriftlich erfolgen, die zutreffenden sind. Dies gilt umso mehr, wenn die Angaben in einem Klageverfahren bis zu dessen Abschluss - wie hier der Fall - aufrecht erhalten werden. Für den 02. April 2001 als Unfalltag spricht darüber hinaus, dass Dr. M. in der Bescheinigung vom 16. Juni 2003 nicht nur angab, die Klägerin sei am 02. April gestürzt und am 06. April zu ihm gekommen. Er führte vielmehr weiter aus, "die Schmerzen hätten in den letzten Tagen stark zugenommen, weswegen sie mich dann am 06.04.2001 aufsuchte". Die von der Klägerin im Erörterungstermin abgegebene Behauptung, sie sei sich hinsichtlich des Unfalltages am 05. April sicher, da sie donnerstags immer Arbeitskleidung mit nach Hause nehme, belegt nicht, dass der Unfall am Donnerstag geschah. Weitere Ermittlungen sind insoweit nicht möglich, da die Klägerin nach eigenen Angaben erst am 09. April 2001 im Betrieb von ihrem Unfall erzählte, wobei anzumerken ist, dass die Betriebsleitung sogar im September 2001 - noch - keine Kenntnis von dem Ereignis hatte.

Ein sofortiges und dann abklingendes Schmerzmaximum kann nicht festgestellt werden. Wie eben zitiert, gehen aus der eben genannten Bescheinigung von Dr. M. im Gegenteil erst im Laufe von mehreren Tagen zunehmende Schmerzen hervor. Nach dem Gutachten von Dr. W. hat die Klägerin ihm gegenüber keine genauen Angaben zum Schmerzverlauf gemacht. Sie habe lediglich angegeben, in der ersten Nacht wegen starker Schmerzen keinen Schlaf gefunden zu haben. Dr. Bo. hat den Zeitpunkt des Auftretens von Beschwerden genauer abgefragt. Die Klägerin habe ihm mitgeteilt, zunächst "nicht viel gemerkt" zu haben, in der Nacht hätten die Schmerzen zugenommen. Abweichend davon vermerkte Prof. Dr. R., die Klägerin habe ihm mitgeteilt, sofort stärkste Schmerzen verspürt zu haben, ihr sei auch schwarz vor Augen geworden. Auch diesen Wechsel in der Darstellung kann der Senat nicht nachvollziehen. Er geht davon aus, dass die zuerst gemachten Angaben die zutreffenden sind. Die Angaben gegenüber Prof. Dr. R. erfolgten, nachdem der Klägerin aus dem Gutachten von Dr. Bo. die Bedeutung des Schmerzverlaufs für die Zusammenhangsbeurteilung bekannt war. Gegen den zuletzt behaupteten Schmerzverlauf spricht auch, dass Dr. St. in seinem Arztbrief vom 11. April 2001 an Dr. M. über die Vorsprache der Klägerin am 10. April 2001 die Beschwerden an der linken Schulter nur an untergeordneter Stelle erwähnte und - auch im Hinblick auf die Frage der Arbeitsfähigkeit - die Situation an den Kniegelenken in den Vordergrund rückte. An dieser Stelle ist auf die fragliche Entstehung eines Hämatoms (Bluterguss) aufgrund des Sturzereignisses einzugehen. Fraglich ist dies, da die Entstehung eines Hämatoms von der Klägerin erst im Unfallfragebogen, dann in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. März 2004, später gegenüber Dr. W. ("die Vorderaußenseite der linken Schultergelenksregion sei blau geworden") und schließlich auch im Erörterungstermin beim LSG ("Mein rechter Oberarm war stark geschwollen und zunächst blau und später sogar schwarz") angegeben wurde, ein solcher Befund jedoch weder im H-Arzt-Bericht von Dr. St. noch in der Bescheinigung von Dr. M. vom 16. Juni 2003 beschrieben wurde. Auch in den anamnestischen Angaben in den Gutachten von Dr. Bo. und Prof. Dr. R. wird ein Hämatom nicht erwähnt. Ob und in welchem Ausmaß ein Hämatom entstand, kann der Senat jedoch letztlich offen lassen, da Dr. W. nachvollziehbar die Auffassung vertritt, eine Hämatombildung bedeute nicht zwangsläufig, dass neben dieser sichtbaren Schädigung der Weichteile auch in der Tiefe eine traumatische Zerreißung der Rotatorenmanschette stattfand. Der Senat schließt sich dem - genauso wie Dr. Bo. dies getan hat - an.

Sonographisch konnte Dr. St. am 10. April 2001 keinen Gelenkerguss feststellen. Eindeutige Zeichen einer frischen bzw. erst kurz zurückliegenden Ruptur der Rotatorenmanschette konnten nach der überzeugenden Einschätzung von Dr. Bo., die Prof. Dr. R. insoweit auch nicht in Frage gestellt hat, nicht nachgewiesen werden.

Der Unfallhergang spricht nach Überzeugung des Senats nicht für eine wesentliche Verursachung der Rotatorenmanschettenläsion durch das Sturzereignis. Die Angaben der Klägerin zum Unfallhergang gegenüber den Gutachtern und dem Gericht sind insoweit übereinstimmend, dass davon ausgegangen werden kann, dass sie in gebeugter Armhaltung beim Schieben eines Gitterwagens, nachdem sie ausgerutscht war, mit der linken Schulter gegen den Gitterwagen prallte. Entsprechend der anerkannten Unfallfolge (s.o.) stellt sich die Einwirkung auf die Schulter damit vorrangig als direkte Prellung dar. Direkte Prellungen sind, worauf Dr. Bo. hinweist, nicht geeignet, eine Rotatorenmanschettenruptur hervorzurufen. Davon geht auch der Senat im Anschluss an die unfallmedizinische Literatur aus (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 507). Dies erklärt sich dadurch, dass die Rotatorenmanschette in der Tiefe geschützt durch den Muskelmantel des Deltamuskels und das knöchern-bindegewebige Schulterdach liegt. Geeignete Verletzungsmechanismen setzen vielmehr eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Sehne des Supraspinatus voraus (so auch mit Hinweis auf die weit überwiegende Lehrmeinung: Sächsisches LSG, Urteil vom 03. April 2003, L 2 U 2/01, zitiert nach Juris). Eine solche Zugbelastung tritt, wie Dr. Bo. ausführt, beim Sturz mit angelegtem Arm nicht auf.

Soweit Prof. Dr. R. von einem geeigneten Unfallhergang ausgeht und annimmt, es habe neben der direkten auch eine indirekte Krafteinwirkungskomponente (Sturz nach vorne, mit dem Versuch, die Kraft durch Festhalten abzufangen) bestanden, überzeugt dies den Senat nicht. Einzuräumen ist, dass auch Dr. W. die Möglichkeit eines indirekten Mechanismus sah. Der Senat schließt zwar nicht aus, dass eine gewisse indirekte Komponente beim Sturz aufgetreten ist. Gegen deren Bedeutung spricht jedoch, dass die Klägerin den Unfall vorrangig als Aufprall der linken Schulter auf den Gitterwagen beschrieb. Zudem kann auch aus der von Prof. Dr. R. beschriebenen indirekten Komponente nicht auf eine erhebliche Zugbelastung der Supraspinatussehne geschlossen werden. Eine solche Zugbelastung wurde von Prof. Dr. R., obwohl er entsprechende Beispiele in seinem Gutachten aufführte, für den vorliegenden Fall auch nicht näher dargelegt. Ferner geht Prof. Dr. R. zu Unrecht davon aus, dass die Klägerin den Gitterwagen mit einer relativ großen Kraftanstrengung schob. Die Beklagte hat dagegen zutreffend eingewandt, dass der - nach den Angaben der Klägerin bei Prof. Dr. R. leere - Gitterwagen nicht schwer war. Prof. Dr. R. ist dieser Einwendung in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14. Februar 2006 nicht ausdrücklich entgegen getreten. Soweit er in dieser Stellungnahme behauptet, auch ein direkter Stoß auf die Schulter sei geeignet, einen Rotatorenmanschettenschaden zu verursachen, setzt er sich in Widerspruch zur derzeit überwiegenden Lehrmeinung (s.o., zudem auch: Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Aufl., S. 233). Der Senat hält hingegen an dieser Lehrmeinung fest. Der von Prof. Dr. R. zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen früher angeblich in größerem Ausmaß bestandenen Adipositas der Klägerin misst der Senat in diesem Zusammenhang ebenfalls keine Erheblichkeit bei, da sie für den Sturzmechanismus keine Rolle spielt.

In der Zusammenschau sprechen die überwiegenden Kriterien gegen eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenläsion. Es konnte daher nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden, dass die bei der Klägerin vorliegende Läsion wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Mit dieser Bewertung soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Klägerin erst seit dem Unfallereignis Beschwerden hat.

Hierfür gibt es zwei Erklärungsmodelle: Zum einen kann es sein, dass die Rotatorenmanschettenläsion zum Unfallzeitpunkt bereits vorlag und der Klägerin lediglich keine Beschwerden machte. Dr. Bo. weist unter Bezugnahme auf einschlägige Fachliteratur darauf hin, dass eine Erklärung dafür, dass nach ungeeigneten Prellungen Beschwerden erstmals auftreten bzw. geklagt werden, auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnisse nicht möglich sei. Die Projektion auf das Ereignis erkläre sich möglicherweise daraus, dass ein Ereignis, das ansonsten unbeachtet bleiben würde, zur Erklärung für plötzlich bewusst werdende Schmerzen herangezogen werde. Aus seiner langjährigen Praxis bestätigt Dr. Bo., dass sehr viele Menschen ein ausgeprägtes Kausalitätsbedürfnis hätten und eine spontane Entstehung von Krankheiten schlecht nachvollziehen könnten. In diesem Zusammenhang ist noch darauf hinzuweisen, dass nach der unfallmedizinischen Literatur ab dem Alter von 50 Jahren auch mit spontanen Rupturen zu rechnen ist (Mehrhoff/Meindl/Muhr, a.a.O., S. 233). Ferner würden Schmerzen nach einem Sehnenriss davon abhängen, ob der der Ruptur zu Grunde liegende Prozess zu einem Ausfall der Schmerzrezeptoren geführt habe. Eine "leere Anamnese" könne deshalb weder eine Schadensanlage noch einen Vorschaden ausschließen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 506).

Zum anderen - jedoch anknüpfend an das eben Ausgeführte - besteht die Möglichkeit, dass die Rotatorenmanschette bei dem Unfallereignis tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen wurde, dies jedoch im Wesentlichen durch eine bereits vorhandene Vorschädigung bedingt war. Insoweit wird die generelle Auffassung vertreten, dass es den isolierten, ausschließlich traumatischen Supraspinatussehenenriss nicht gebe. In Frage komme allein ein Verletzungsmechanismus im Sinne der wesentlichen Teilursache bei bestehender Degeneration (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 506). Die oben dargestellten Kriterien dienen daher letztlich regelmäßig der Klärung der Frage der Wesentlichkeit.

Zusammenfassend geht der Senat davon aus, dass die Rotatorenmanschettenläsion entweder zum Zeitpunkt des Unfalls schon vorhanden war und durch den Unfall der Klägerin Beschwerden lediglich bewusst wurden oder dass eine Läsion beim Unfall eintrat, diese jedoch im Wesentlichen durch eine bereits vorhandene Vorschädigung bedingt war, so dass sich der Unfall lediglich als sog. Gelegenheitsursache darstellt. Diese Auffassung vertraten vorliegend Dr. W. und Dr. Bo ... Soweit Prof. Dr. R. dieser Auffassung ausdrücklich widersprach, wird auf die bereits ausgeführten Einwendungen gegen dessen gutachterliche Einschätzung verwiesen. Welche der beiden Optionen (vorbestehende Läsion, neu entstandene Läsion) zutrifft, kann dahingestellt bleiben, da in beiden Fällen ein Rentenanspruch der Klägerin nicht in Betracht kommt.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved