Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KN 1575/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 KNU 4687/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 5. August 2004 aufgehoben und die Klage gewiesen.
Außergerichtlichen Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1940 geborene Kläger war seit 29. April 1955 im Steinkohlebergbau unter Tage beim E. Bergwerks-Verein (EBV) K. beschäftigt. Nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung zum Bergmann (im April 1958) arbeitete er bis 18. Dezember 1961 als Knappe. Anschließend war er wegen Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsunfähig; am 26. April 1962 und wegen fortdauernder Beschwerden erneut am 12. Oktober 1962 erfolgten Bandscheibenoperationen im Bereich der LWS. Nach einer in der Zeit vom 17. Juli 1963 bis 14. Mai 1964 durchlaufenen Umschulung war der Kläger vom 15. Mai 1964 bis 30. September 1964 zunächst als angelernter Handwerker und vom 1. Oktober 1964 bis 16. November 1966 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Anschließend war er als stellvertretender Heimleiter und später als Heimleiter eines Wohnheims für ledige Bergleute tätig. Nach einer kurzfristigen Beschäftigung als Personalsachbearbeiter (1. November 1972 bis 31. Dezember 1972) übernahm er eine Tätigkeit als Bezirksfürsorger des Diakonischen Werks der Evangelischen Landeskirche beim Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Ö. und betreute gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Haus mit zwölf Pflegekindern. Vom 1. April 1978 bis 31. Dezember 1989 betrieb der Kläger selbständig das Pflegeheim D. in Z ... Diese Tätigkeit musste er Ende 1989 wegen seines Wirbelsäulenleidens aufgeben; seit Dezember 1998 bezieht er von der Bundesknappschaft Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Am 16. Juni 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer "Unfallrente". Er habe sowohl die Tätigkeit unter Tage, als auch die Beschäftigung als Heimleiter wegen seines Bandscheibenleidens aufgeben müssen. Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule seien erstmals 1958 bei der Arbeit im Untertagebetrieb aufgetreten. Nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen holte die Beklagte eine vorläufige Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes (TAD) zur beruflichen Wirbelsäulenbelastung ein. Dieser führte in seinem Vermerk vom 16. September 1999 aus, für die Beschäftigung unter Tage (vom TAD angenommener Zeitraum: April 1955 bis April 1963) sei eine Gefährdung hinsichtlich der BK 2108 anzunehmen, nicht hingegen bezüglich der BK 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule (HWS)). Da der Gefährdungszeitraum unter zehn Jahren liege, seien die beruflichen Voraussetzungen nicht gegeben. Zudem sei die gefährdende Tätigkeit deutlich vor dem Stichtag 1. April 1988 aufgegeben worden, so dass eine Anerkennung ohnehin nicht in Betracht komme. Mit Bescheid vom 15. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Neben den medizinischen Voraussetzungen sei für die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit zwingend erforderlich, dass die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nach dem 31. März 1988 erfolgt sei. Der Kläger habe diese aber bereits im April 1963 aufgegeben. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 zurück.
Die vom Kläger am 17. April 2000 beim Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage ist mit Beschluss vom 15. Mai 2000 an das örtlich zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen worden. Der Kläger hat vorgetragen, er habe während seiner Tätigkeit im Bergbau unter Tage regelmäßig Gewichte von 50 kg und darüber heben müssen. Dies sei für die aufgetretene Erkrankung der Wirbelsäule ursächlich gewesen. Auch die Tätigkeit als in der Pflege mitarbeitender Heimleiter sei mit erheblichen Belastungen der Wirbelsäule verbunden gewesen. Mit Beschluss vom 3. Juni 2002 hat das SG die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege beigeladen, weil sie als zuständiger Unfallversicherungsträger in Betracht komme. Diese hatte auf Anfrage des SG bereits zuvor eine Dosisberechnung beruflicher Wirbelsäulenbelastungen für die Tätigkeit des Klägers als Leiter des Pflegeheims D. (Zeitraum 1. April 1978 bis 31. Dezember 1989) vorgelegt. Dipl.-Ing. W. von der Beigeladenen hatte hierzu in seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2002 ausgeführt, die bewertete Gesamtdosis für den betrachteten Zeitraum betrage 19,1 Mega-Newton-Stunden (MNh). Dies entspreche einem Anteil von 76 % des Lebensdosisrichtwertes (17 MNh bei Frauen bzw. 25 MNh bei Männern). Zur Ermittlung der Lebensarbeitszeitdosis seien allerdings die bewerteten Gesamtdosiswerte aller Gefährdungszeiträume zu addieren. Der TAD der Beklagten hatte in seiner Stellungnahme vom 24. Mai 2002 die Belastungsdosis für die Tätigkeit im Bergbau mit 9,5 MNh bewertet.
Zur Ermittlung der medizinischen Voraussetzungen hat das SG den Orthopäden Prof. Dr. W. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 15. September 2003 hat dieser ausgeführt, der Kläger leide an einem degenerativen Lumbalsyndrom mit Lumboischialgien und Sensibilitätsstörungen bei Osteochondrose L 4/5 nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/5 (1962). Darüber hinaus hat der Sachverständige einen Zustand nach arthroskopischer Innenmeniskussanierung links (28. August 2003) und eine thorakale Spondylose diagnostiziert. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 (Mindestgesamtbelastungsdosiswert: 25 MNh) seien bei Addition der sich für die beiden Belastungszeiträume (Bergbau und Pflege) ergebenden Dosiswerte erfüllt. Die Erkrankung der Lendenwirbelsäule sei auf die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten im Bergbau und in der Pflege zurückzuführen. Relevante nicht belastungsbedingte Ursachen für die Entstehung der Bandscheibenerkrankung seien nicht ersichtlich. Die berufsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 v. H.
Die Beigeladene hat gegen dieses Gutachten Einwände erhoben und eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes sowie des beratenden Arztes Dr. C. vorgelegt. Ungeklärt sei nach wie vor, ob die Untertagetätigkeit als Ursache für die 1962 durchgeführten Bandscheibenoperationen feststehe. Deshalb müsse auch die Frage gestellt werden, ob sich das vorliegende Krankheitsbild auch ohne diese wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ergeben hätte. Außerdem komme eine MdE von 30 v. H. nur bei Funktionseinschränkungen mit funktionell bedeutsamen motorischen Ausfällen und/oder ausgeprägtem funktionell schwerwiegenden chronischen Wirbelsäulensyndrom in Betracht. Derartige Einschränkungen seien nicht dokumentiert. Dr. N. vom Präventionsdienst der Beigeladenen hat in seiner Stellungnahme vom 14. April 2004 dargelegt, die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers sei wahrscheinlich durch die berufliche Belastung nach den beiden Bandscheibenoperationen verschlimmert worden. Wesentliche konkurrierende Ursachen seien nicht ersichtlich. Die von Prof. Dr. W. angenommene MdE von 30 v. H. halte er trotz der geringen neurologischen Ausfälle aufgrund der extremen Funktionseinschränkung der LWS für gerechtfertigt. Orthopäde Dr. C. hat in seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 17. Mai 2004 ausgeführt, im Fall des Klägers müsse die frühe Aufnahme einer äußerst schweren beruflichen Tätigkeit berücksichtigt werden. Dieser sei erst 15 Jahre alt gewesen, in diesem Alter sei das Achsenskelett derartigen Anforderungen noch nicht gewachsen. Aufgrund dieser besonderen Umstände werde "eher die Anerkennung einer BK 2108 zu diskutieren und vorzuschlagen sein". Hinsichtlich der Einschätzung der MdE mit 30 v. H. seien allerdings Zweifel anzumelden. Hier könne nicht das Ausmaß der Schmerzmitteleinnahme maßgebend sein, weshalb eine MdE um 20 v. H. für adäquat angesehen werde. Mit Urteil vom 5. August 2004 hat das SG die Beigeladene verurteilt, eine LWS-Erkrankung als BK nach Nr. 2108 BKV anzuerkennen und dem Kläger ab 1. Juni 1999 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass nicht nur die arbeitstechnischen, sondern auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gegeben seien.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 23. September 2004 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 18. Oktober schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, für die Untertagetätigkeit ergebe sich selbst unter Zugrundelegung der bislang vorliegenden Berechnung des TAD der Beklagten nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) als Bewertungsmaßstab anerkannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) nur eine Lebenszeitdosis von 38,0 % des Lebenszeitdosisrichtwertes. Aber auch dieser Wert müsse in Zweifel gezogen werden, da der Kläger zu Beginn seiner Ausbildungszeit über Tage gearbeitet habe. Eine manifeste Bandscheibenerkrankung sei zudem nicht als berufsbedingt anzusehen, wenn der Erkrankungsbeginn deutlich vor Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren liege. Beim Kläger sei die Operationsindikation bereits nach sechsjähriger wirbelsäulenbelastender Tätigkeit aufgetreten. Diese sei deshalb nicht geeignet eine durch berufliche Tätigkeit verursachte Wirbelsäulenerkrankung hervorzurufen. Damit komme allenfalls die Verschlimmerung eines vorbestehenden berufs-unabhängig entstandenen Leidens durch die spätere Pflegetätigkeit in Betracht. Letztlich rechtfertige das beim Kläger vorliegende Wirbelsäulenleiden jedenfalls keine MdE von 30 v. H.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 5. August 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Der TAD der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 3. Februar 2006 ausgeführt, für die Tätigkeit im Platzbetrieb über Tage (29. April 1955 bis 31. August 1956) sei bei einer anzunehmenden Zahl von 260 Schichten eine Teilbelastungsdosis von 2,25 MNh zu Grunde zu legen. Für die Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung unter Tage (1. September 1956 bis 3. April 1958) ergebe sich für die ersten fünf Monate eine Teilbelastungsdosis von 0,704 MNh, für die restliche Ausbildungszeit und die anschließende Tätigkeit als Knappe im Abbau und Streckenvortrieb (bis Dezember 1961) eine Teilbelastungsdosis bpm 7,15 MNh. Die Gesamtbelastung für den Bergbau betrage dementsprechend 10,104 MNh.
Der Senat hat Prof. Dr. C. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 12. Juli 2007 mit die Einwände des Klägers abhandelnder Ergänzung vom 29. November 2007 dargelegt, nach Abwägung aller Befunde spreche mehr dagegen als dafür, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 2108 der BKV vorliege.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, die Klageakte des SG (S 2 KN 1575/00) sowie die Berufungsakte des Senats (L 13 KN 4687/04) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beigeladenen hat Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch ansonsten zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde.
Die Berufung ist auch begründet; das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der die Anerkennung einer Berufskrankheit und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2000. Dieser erweist sich als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend, soweit die Beklagte das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zu BKV verneint und deshalb einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente abgelehnt hat. Zu Unrecht hat das SG die Beigeladene verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer solchen BK Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren.
Es kann offen bleiben, ob sich der erhobene Anspruch noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes) richtet, weil der Zeitpunkt der Aufgabe aller belastenden Tätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2) hier im Dezember 1989 liegt. Nach der Übergangsregelung des § 214 Abs. 3 SGB VII gelten allerdings abweichend von der Grundregel des § 212 SGB VII - die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten erstmals festzusetzen sind. Die Voraussetzungen nach dem alten und nach dem neuen Recht für die Anerkennung der hier angeschuldigten BK sind im Wesentlichen gleich.
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) über die 26. (früher die 13.) Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Als BKen kommen solche Krankheiten in Betracht, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII; § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). In der Anlage 1 der BKVO waren seit In-Kraft-Treten der Zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO) vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2343) bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Nr. 2108) sowie durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Nr. 2110) als BKen erfasst, jeweils unter der Voraussetzung, dass die Erkrankung zum Unterlassen aller Tätigkeiten gezwungen hatte, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein konnten. Beide BK-Tatbestände sind wortlautgleich mit denselben Ordnungsnummern in der die Anlage 1 der BKVO ablösenden neuen Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S 2623) übernommen worden. Die Übergangsregelung des § 6 Abs. 3 BKV (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der 2. ÄndVO) steht der Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV nicht entgegen. Sie bestimmt, dass bei einem Versicherten, der am 1. Januar 1993 an einer Krankheit gelitten hat, die erst auf Grund der 2. ÄndVO als BK anerkannt werden kann, die Krankheit auf Antrag als BK anzuerkennen ist, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Ein möglicher Versicherungsfall konnte hier schon deshalb erst nach diesem Zeitpunkt eintreten, weil die tatbestandlich erforderliche Tätigkeitsaufgabe (vgl. BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2), wie dargelegt, erst 1989 erfolgt ist.
Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3 - 5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität müssen nicht nur möglich, sondern hinreichend wahrscheinlich sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - veröffentlicht in Juris). Das ist dann der Fall, wenn unter Zugrundelegung der herrschenden arbeitsmedizinischen Lehrauffassung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 203, 209; 43, 110, 113; BSG SozR 3 - 1300 § 48 Nr. 67).
Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK Nr. 2108 müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Der Versicherte muss infolge seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Bei ihm muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die aufgrund dieser versicherten Tätigkeit entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und der Versicherte darf tatsächlich keine solche Tätigkeit mehr ausüben.
In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat der Klägerin - darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - als Berglehrling und Knappe sowie als in der Pflege mitarbeitender Heimleiter versicherte Tätigkeiten ausgeübt (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 9 SGB VII). Er erfüllt, wie sich aus den Stellungnahmen des TAD der Beklagten (Stellungnahmen vom 24. Mai 2002 und vom 3. Februar 2006) und der Stellungnahme von Dipl.-Ing. Will vom 1. Februar 2002 ergibt, bei Addition der Belastungsdosen beider wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten auch die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen; denn die Gesamtbelastungsdosis von 29,204 MNh überschreitet den Orientierungswert von 25 MNh nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD), das der Senat zur notwendigen Konkretisierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen heranzieht (vgl. dazu BSGE 91, 23; BSG, Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 1/02 R, Beschluss vom 10. Januar 2005 - B 2 U 331/04 R - beide veröffentlicht in Juris; zu möglichen Risiken für bandscheibenbedingte Erkrankungen trotz (hier nicht vorliegenden) Unterschreitens der Orientierungswerte nach dem MDD, zu den Schwächen des MDD und zur (notwendigen) Modifizierung seiner Anwendung vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 - bislang nur als Terminsbericht veröffentlicht). Der Kläger leidet darüber hinaus an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108. Dies steht fest aufgrund der überzeugenden Ausführungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen Professor Dr. C., an deren Richtigkeit zu zweifeln für den Senat kein Anlass besteht. Prof. Dr. C. hat beim Kläger ausweislich seines Gutachtens vom 12. Juli 2007 monosegmentale schwergradige degenerative Veränderungen des Bewegungssegments L 4/5 nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/5 1962 mit hieraus resultierender Bewegungseinschränkung, Belastungsminderung und sensibler Nervenwurzelreizung diagnostiziert. Diese Einschätzung überzeugt, nachdem der radiologische Befund schwergradige degenerative Veränderungen im Segment zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper in Form einer nahezu vollständigen Reduktion der Höhe des Bandscheibenfachs, ein Vakuumphänomen im Bereich der verbliebenen Restbandscheiben, knöcherne Randwülste an den Grund- und Deckplatten sowie degenerative Veränderungen an den entsprechenden Wirbelbogengelenken mit einer hierdurch bedingten Einengung des Rückenmarkskanals auf dieser Höhe ergeben hat. Als klinisches Korrelat dieses radiologischen Befundes haben sich neben einer reizlosen Narbe nach zweimaliger Bandscheibenoperation Verspannungen und Druckschmerzen im Bereich der paravertebralen Muskulatur und eine etwa hälftig eingeschränkte Beweglichkeit in diesem Bereich gezeigt.
Ein Anspruch des Klägers scheitert hier aber daran, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Ursachenzusammenhang zwischen der gefährdenden Einwirkung und der vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung auch unter Berücksichtigung der medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, in Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff), die kein antizipiertes Sachverständigengutachten darstellen, sondern u. a. auch dem medizinischen Laien aus Verwaltung und Gerichtsbarkeit - und damit auch dem Senat - eine Arbeitshilfe sein soll (Konsensempfehlungen a.a.O. S. 229), nicht festgestellt werden kann. Die Verursachung einer Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule ist vielgestaltig. Die unter dem Begriff bandscheibenbedingte Erkrankungen subsumierten morphologischen und klinischen Krankheitsbilder stellen Zwischen- oder Endstadien des Alterungsprozesses der Wirbelsäule dar, von dem weite Teile der Bevölkerung in früherem oder höherem Alter und in unterschiedlicher Ausprägung grundsätzlich betroffen sind. Diese Degenerationsprozesse können nach allgemeiner medizinischer Erfahrung auch völlig unabhängig von äußeren Einwirkungen bzw. körperlichen Belastungen, rein schicksalhaft auf Grund konstitutioneller Faktoren in unterschiedlicher Ausprägung ablaufen. Andererseits gibt es kein hiervon abzugrenzendes belastungstypisches Krankheitsbild, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulen-Schadensbild der BK, das beschrieben wird durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägung in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und Entwicklung einer Begleitspondylose. Zu fordern ist hierfür eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss (Konsensempfehlungen a.a.O., S. 217).
In Anwendung dieser Kriterien spricht im Fall des Klägers mehr dagegen als dafür, dass die bei ihm vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch die berufliche Belastung hervorgerufen oder wesentlich verschlimmert worden ist. Der Senat folgt auch insoweit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. C. in dessen Gutachten vom 12. Juli 2007. Wirbelsäulenbeschwerden traten beim Kläger erstmals 1958 im Alter von 18 Jahren auf. Wie Prof. Dr. C. unter Hinweis auf die im Berufungsverfahren vorgelegte (korrigierte) Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 3. Februar 2006 überzeugend dargelegt hat, war die berufliche Belastung bis zu diesem Zeitpunkt bei weitem nicht ausreichend um eine bandscheibenbedingte Erkrankung zu verursachen. Bereits im Alter von 22 Jahren erfolgten dann zwei Bandscheibenoperationen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger lediglich sechs Jahre und acht Monate wirbelsäulenbelastend gearbeitet, wobei die Gesamtbelastungsdosis bis zu diesem Zeitpunkt lediglich 10,104 MNh betragen hat. Vor diesem Hintergrund geht auch der Senat davon aus, dass beim Kläger eine angeborene und schicksalsmäßige Schwäche der Bandscheibe L4/5 vorlag, der gegenüber der beruflichen Belastung eine überragende Bedeutung zukommt. Den abweichenden Auffassungen von Dr. C. und Prof. Dr. W. vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Beide sind davon ausgegangen, der Kläger habe bereits im Alter von 15 Jahren eine äußerst schwere Tätigkeit im Bergbau, vorwiegend unter Tage aufgenommen und bis April 1963 ausgeübt. Die (korrigierte) Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 3. Februar 2006 lag Dr. C. und Prof. Dr. W. noch nicht vor, so dass eine differenzierte Beurteilung der beruflichen Exposition, insbesondere des Umstands, dass der Kläger erst ab September 1956, also fast eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Ausbildung unter Tage beschäftigt wurde, nicht möglich gewesen ist. Demgegenüber verfügte Prof. Dr. C. über die korrigierte Stellungnahme des TAD der Beklagten, aus der sich zudem ergibt, dass der Kläger die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit im Bergbau nicht erst im April 1963, sondern bereits im Dezember 1961 aufgegeben hat. Vor diesem Hintergrund überzeugt den Senat die Schlussfolgerung von Prof. Dr. C., dass trotz des im Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit im Bergbau noch nicht ausgereiften Achsenskeletts eine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Durch die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit als in der Pflege mitarbeitender Heimleiter während der zweiten Belastungsperiode von April 1978 bis Dezember 1989 ist das vorhandene Krankheitsbild des Klägers nicht richtungsweisend und dauerhaft verschlimmert worden. Auch dies hat Prof. Dr. C. aus den von ihm erhobenen Befunden und den ausgewerteten Fremdbefunden sowie beigezogenen Röntgenbildern schlüssig gefolgert. Bereits zum Zeitpunkt des Beginns dieser Belastungsperiode bestanden als Folge der 1962 durchgeführten Bandscheibenoperationen schwergradige degenerative Veränderungen. Es handelt sich dabei um einen unter röntgenologischen und klinischen Gesichtspunkten zu erwartenden Verlauf, wie es ihn nach einer Bandscheibenoperation mit vollständiger Entfernung Bandscheibenmaterials natürlicherweise gibt. Dass die zweite Belastungsperiode nicht zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung der vorbestehenden Erkrankung geführt hat, hat Prof. Dr. C. in der Argumentation nachvollziehbar und im Ergebnis überzeugend mit dem Umstand begründet, dass die übrigen Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule keine Hinweise auf eine belastungsabhängige Schädigung aufweisen. Entsprechende Veränderungen waren erst nach Beendigung der Tätigkeit als Heimleiter erkennbar. Der abweichenden Beurteilung von Dr. N. in dessen Stellungnahme vom 14. April 2004 vermochte sich der Senat deshalb nicht anzuschließen.
Auch die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten von Prof. Dr. C. überzeugen nicht. Dass die schwergradigen degenerativen Veränderungen im Bereich des Bewegungssegments L 4/5 nicht durch die Tätigkeit im Bergbau verursacht wurden, hat Prof. Dr. C. überzeugend begründet und entspricht auch den Vorgaben der Konsensempfehlungen (a.a.O. S. 29), die eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung fordern. Eine solche ist im Fall des Klägers angesichts der Kürze der Exposition im Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Wirbelsäulenbeschwerden, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, gerade nicht gegeben. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. November 2007 hat Prof. Dr. C. zudem nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass ein Wirbelsäulenschaden auch ohne berufliche Belastung voranschreitet, weshalb eine eingetretene Verschlechterung allein den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang nicht zu begründen vermag.
Die Kostenentscheidung beruft auf § 193 SGG.
Außergerichtlichen Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung und Entschädigung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1940 geborene Kläger war seit 29. April 1955 im Steinkohlebergbau unter Tage beim E. Bergwerks-Verein (EBV) K. beschäftigt. Nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung zum Bergmann (im April 1958) arbeitete er bis 18. Dezember 1961 als Knappe. Anschließend war er wegen Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsunfähig; am 26. April 1962 und wegen fortdauernder Beschwerden erneut am 12. Oktober 1962 erfolgten Bandscheibenoperationen im Bereich der LWS. Nach einer in der Zeit vom 17. Juli 1963 bis 14. Mai 1964 durchlaufenen Umschulung war der Kläger vom 15. Mai 1964 bis 30. September 1964 zunächst als angelernter Handwerker und vom 1. Oktober 1964 bis 16. November 1966 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Anschließend war er als stellvertretender Heimleiter und später als Heimleiter eines Wohnheims für ledige Bergleute tätig. Nach einer kurzfristigen Beschäftigung als Personalsachbearbeiter (1. November 1972 bis 31. Dezember 1972) übernahm er eine Tätigkeit als Bezirksfürsorger des Diakonischen Werks der Evangelischen Landeskirche beim Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Ö. und betreute gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Haus mit zwölf Pflegekindern. Vom 1. April 1978 bis 31. Dezember 1989 betrieb der Kläger selbständig das Pflegeheim D. in Z ... Diese Tätigkeit musste er Ende 1989 wegen seines Wirbelsäulenleidens aufgeben; seit Dezember 1998 bezieht er von der Bundesknappschaft Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Am 16. Juni 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer "Unfallrente". Er habe sowohl die Tätigkeit unter Tage, als auch die Beschäftigung als Heimleiter wegen seines Bandscheibenleidens aufgeben müssen. Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule seien erstmals 1958 bei der Arbeit im Untertagebetrieb aufgetreten. Nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen holte die Beklagte eine vorläufige Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes (TAD) zur beruflichen Wirbelsäulenbelastung ein. Dieser führte in seinem Vermerk vom 16. September 1999 aus, für die Beschäftigung unter Tage (vom TAD angenommener Zeitraum: April 1955 bis April 1963) sei eine Gefährdung hinsichtlich der BK 2108 anzunehmen, nicht hingegen bezüglich der BK 2109 (bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule (HWS)). Da der Gefährdungszeitraum unter zehn Jahren liege, seien die beruflichen Voraussetzungen nicht gegeben. Zudem sei die gefährdende Tätigkeit deutlich vor dem Stichtag 1. April 1988 aufgegeben worden, so dass eine Anerkennung ohnehin nicht in Betracht komme. Mit Bescheid vom 15. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Neben den medizinischen Voraussetzungen sei für die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit zwingend erforderlich, dass die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nach dem 31. März 1988 erfolgt sei. Der Kläger habe diese aber bereits im April 1963 aufgegeben. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2000 zurück.
Die vom Kläger am 17. April 2000 beim Sozialgericht Heilbronn erhobene Klage ist mit Beschluss vom 15. Mai 2000 an das örtlich zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen worden. Der Kläger hat vorgetragen, er habe während seiner Tätigkeit im Bergbau unter Tage regelmäßig Gewichte von 50 kg und darüber heben müssen. Dies sei für die aufgetretene Erkrankung der Wirbelsäule ursächlich gewesen. Auch die Tätigkeit als in der Pflege mitarbeitender Heimleiter sei mit erheblichen Belastungen der Wirbelsäule verbunden gewesen. Mit Beschluss vom 3. Juni 2002 hat das SG die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege beigeladen, weil sie als zuständiger Unfallversicherungsträger in Betracht komme. Diese hatte auf Anfrage des SG bereits zuvor eine Dosisberechnung beruflicher Wirbelsäulenbelastungen für die Tätigkeit des Klägers als Leiter des Pflegeheims D. (Zeitraum 1. April 1978 bis 31. Dezember 1989) vorgelegt. Dipl.-Ing. W. von der Beigeladenen hatte hierzu in seiner Stellungnahme vom 1. Februar 2002 ausgeführt, die bewertete Gesamtdosis für den betrachteten Zeitraum betrage 19,1 Mega-Newton-Stunden (MNh). Dies entspreche einem Anteil von 76 % des Lebensdosisrichtwertes (17 MNh bei Frauen bzw. 25 MNh bei Männern). Zur Ermittlung der Lebensarbeitszeitdosis seien allerdings die bewerteten Gesamtdosiswerte aller Gefährdungszeiträume zu addieren. Der TAD der Beklagten hatte in seiner Stellungnahme vom 24. Mai 2002 die Belastungsdosis für die Tätigkeit im Bergbau mit 9,5 MNh bewertet.
Zur Ermittlung der medizinischen Voraussetzungen hat das SG den Orthopäden Prof. Dr. W. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 15. September 2003 hat dieser ausgeführt, der Kläger leide an einem degenerativen Lumbalsyndrom mit Lumboischialgien und Sensibilitätsstörungen bei Osteochondrose L 4/5 nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/5 (1962). Darüber hinaus hat der Sachverständige einen Zustand nach arthroskopischer Innenmeniskussanierung links (28. August 2003) und eine thorakale Spondylose diagnostiziert. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2108 (Mindestgesamtbelastungsdosiswert: 25 MNh) seien bei Addition der sich für die beiden Belastungszeiträume (Bergbau und Pflege) ergebenden Dosiswerte erfüllt. Die Erkrankung der Lendenwirbelsäule sei auf die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten im Bergbau und in der Pflege zurückzuführen. Relevante nicht belastungsbedingte Ursachen für die Entstehung der Bandscheibenerkrankung seien nicht ersichtlich. Die berufsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 v. H.
Die Beigeladene hat gegen dieses Gutachten Einwände erhoben und eine Stellungnahme ihres Präventionsdienstes sowie des beratenden Arztes Dr. C. vorgelegt. Ungeklärt sei nach wie vor, ob die Untertagetätigkeit als Ursache für die 1962 durchgeführten Bandscheibenoperationen feststehe. Deshalb müsse auch die Frage gestellt werden, ob sich das vorliegende Krankheitsbild auch ohne diese wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ergeben hätte. Außerdem komme eine MdE von 30 v. H. nur bei Funktionseinschränkungen mit funktionell bedeutsamen motorischen Ausfällen und/oder ausgeprägtem funktionell schwerwiegenden chronischen Wirbelsäulensyndrom in Betracht. Derartige Einschränkungen seien nicht dokumentiert. Dr. N. vom Präventionsdienst der Beigeladenen hat in seiner Stellungnahme vom 14. April 2004 dargelegt, die bandscheibenbedingte Erkrankung des Klägers sei wahrscheinlich durch die berufliche Belastung nach den beiden Bandscheibenoperationen verschlimmert worden. Wesentliche konkurrierende Ursachen seien nicht ersichtlich. Die von Prof. Dr. W. angenommene MdE von 30 v. H. halte er trotz der geringen neurologischen Ausfälle aufgrund der extremen Funktionseinschränkung der LWS für gerechtfertigt. Orthopäde Dr. C. hat in seiner Stellungnahme nach Aktenlage vom 17. Mai 2004 ausgeführt, im Fall des Klägers müsse die frühe Aufnahme einer äußerst schweren beruflichen Tätigkeit berücksichtigt werden. Dieser sei erst 15 Jahre alt gewesen, in diesem Alter sei das Achsenskelett derartigen Anforderungen noch nicht gewachsen. Aufgrund dieser besonderen Umstände werde "eher die Anerkennung einer BK 2108 zu diskutieren und vorzuschlagen sein". Hinsichtlich der Einschätzung der MdE mit 30 v. H. seien allerdings Zweifel anzumelden. Hier könne nicht das Ausmaß der Schmerzmitteleinnahme maßgebend sein, weshalb eine MdE um 20 v. H. für adäquat angesehen werde. Mit Urteil vom 5. August 2004 hat das SG die Beigeladene verurteilt, eine LWS-Erkrankung als BK nach Nr. 2108 BKV anzuerkennen und dem Kläger ab 1. Juni 1999 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass nicht nur die arbeitstechnischen, sondern auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV gegeben seien.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis am 23. September 2004 zugestellte Urteil hat die Beigeladene am 18. Oktober schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt vor, für die Untertagetätigkeit ergebe sich selbst unter Zugrundelegung der bislang vorliegenden Berechnung des TAD der Beklagten nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) als Bewertungsmaßstab anerkannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) nur eine Lebenszeitdosis von 38,0 % des Lebenszeitdosisrichtwertes. Aber auch dieser Wert müsse in Zweifel gezogen werden, da der Kläger zu Beginn seiner Ausbildungszeit über Tage gearbeitet habe. Eine manifeste Bandscheibenerkrankung sei zudem nicht als berufsbedingt anzusehen, wenn der Erkrankungsbeginn deutlich vor Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren liege. Beim Kläger sei die Operationsindikation bereits nach sechsjähriger wirbelsäulenbelastender Tätigkeit aufgetreten. Diese sei deshalb nicht geeignet eine durch berufliche Tätigkeit verursachte Wirbelsäulenerkrankung hervorzurufen. Damit komme allenfalls die Verschlimmerung eines vorbestehenden berufs-unabhängig entstandenen Leidens durch die spätere Pflegetätigkeit in Betracht. Letztlich rechtfertige das beim Kläger vorliegende Wirbelsäulenleiden jedenfalls keine MdE von 30 v. H.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 5. August 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.
Der TAD der Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 3. Februar 2006 ausgeführt, für die Tätigkeit im Platzbetrieb über Tage (29. April 1955 bis 31. August 1956) sei bei einer anzunehmenden Zahl von 260 Schichten eine Teilbelastungsdosis von 2,25 MNh zu Grunde zu legen. Für die Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung unter Tage (1. September 1956 bis 3. April 1958) ergebe sich für die ersten fünf Monate eine Teilbelastungsdosis von 0,704 MNh, für die restliche Ausbildungszeit und die anschließende Tätigkeit als Knappe im Abbau und Streckenvortrieb (bis Dezember 1961) eine Teilbelastungsdosis bpm 7,15 MNh. Die Gesamtbelastung für den Bergbau betrage dementsprechend 10,104 MNh.
Der Senat hat Prof. Dr. C. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 12. Juli 2007 mit die Einwände des Klägers abhandelnder Ergänzung vom 29. November 2007 dargelegt, nach Abwägung aller Befunde spreche mehr dagegen als dafür, dass beim Kläger eine BK nach Nr. 2108 der BKV vorliege.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, die Klageakte des SG (S 2 KN 1575/00) sowie die Berufungsakte des Senats (L 13 KN 4687/04) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beigeladenen hat Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch ansonsten zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde.
Die Berufung ist auch begründet; das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist der die Anerkennung einer Berufskrankheit und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2000. Dieser erweist sich als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend, soweit die Beklagte das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zu BKV verneint und deshalb einen Anspruch des Klägers auf Verletztenrente abgelehnt hat. Zu Unrecht hat das SG die Beigeladene verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer solchen BK Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren.
Es kann offen bleiben, ob sich der erhobene Anspruch noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften (Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes) richtet, weil der Zeitpunkt der Aufgabe aller belastenden Tätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2) hier im Dezember 1989 liegt. Nach der Übergangsregelung des § 214 Abs. 3 SGB VII gelten allerdings abweichend von der Grundregel des § 212 SGB VII - die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen auch für Versicherungsfälle vor dem In-Kraft-Treten des Gesetzes, wenn diese Leistungen nach dem In-Kraft-Treten erstmals festzusetzen sind. Die Voraussetzungen nach dem alten und nach dem neuen Recht für die Anerkennung der hier angeschuldigten BK sind im Wesentlichen gleich.
Anspruch auf Rente haben gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (früher §§ 580 Abs. 1, 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder BK) über die 26. (früher die 13.) Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII (§§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO) genannten Tätigkeiten erleidet. Als BKen kommen solche Krankheiten in Betracht, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII; § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO). In der Anlage 1 der BKVO waren seit In-Kraft-Treten der Zweiten Änderungsverordnung (2. ÄndVO) vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2343) bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (Nr. 2108) sowie durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen (Nr. 2110) als BKen erfasst, jeweils unter der Voraussetzung, dass die Erkrankung zum Unterlassen aller Tätigkeiten gezwungen hatte, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein konnten. Beide BK-Tatbestände sind wortlautgleich mit denselben Ordnungsnummern in der die Anlage 1 der BKVO ablösenden neuen Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl I S 2623) übernommen worden. Die Übergangsregelung des § 6 Abs. 3 BKV (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der 2. ÄndVO) steht der Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV nicht entgegen. Sie bestimmt, dass bei einem Versicherten, der am 1. Januar 1993 an einer Krankheit gelitten hat, die erst auf Grund der 2. ÄndVO als BK anerkannt werden kann, die Krankheit auf Antrag als BK anzuerkennen ist, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten ist. Ein möglicher Versicherungsfall konnte hier schon deshalb erst nach diesem Zeitpunkt eintreten, weil die tatbestandlich erforderliche Tätigkeitsaufgabe (vgl. BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2), wie dargelegt, erst 1989 erfolgt ist.
Die Feststellung einer BK setzt voraus, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 84; BSG SozR 3 - 5670 Anlage 1 Nr. 2108 Nr. 2). Der ursächliche Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie zwischen Einwirkung und Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) beurteilt sich nach der unfallrechtlichen Kausalitätslehre von der wesentlichen Bedingung. Danach sind nur die Bedingungen (mit-)ursächlich die wegen ihrer besonderen Bedeutung für den Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, a.a.O.). Die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität müssen nicht nur möglich, sondern hinreichend wahrscheinlich sein (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R - veröffentlicht in Juris). Das ist dann der Fall, wenn unter Zugrundelegung der herrschenden arbeitsmedizinischen Lehrauffassung mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 32, 203, 209; 43, 110, 113; BSG SozR 3 - 1300 § 48 Nr. 67).
Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK Nr. 2108 müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Der Versicherte muss infolge seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen bzw. in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Bei ihm muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die aufgrund dieser versicherten Tätigkeit entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und der Versicherte darf tatsächlich keine solche Tätigkeit mehr ausüben.
In Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze hat der Klägerin - darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - als Berglehrling und Knappe sowie als in der Pflege mitarbeitender Heimleiter versicherte Tätigkeiten ausgeübt (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 9 SGB VII). Er erfüllt, wie sich aus den Stellungnahmen des TAD der Beklagten (Stellungnahmen vom 24. Mai 2002 und vom 3. Februar 2006) und der Stellungnahme von Dipl.-Ing. Will vom 1. Februar 2002 ergibt, bei Addition der Belastungsdosen beider wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten auch die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen; denn die Gesamtbelastungsdosis von 29,204 MNh überschreitet den Orientierungswert von 25 MNh nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD), das der Senat zur notwendigen Konkretisierung der arbeitstechnischen Voraussetzungen heranzieht (vgl. dazu BSGE 91, 23; BSG, Urteil vom 19. August 2003 - B 2 U 1/02 R, Beschluss vom 10. Januar 2005 - B 2 U 331/04 R - beide veröffentlicht in Juris; zu möglichen Risiken für bandscheibenbedingte Erkrankungen trotz (hier nicht vorliegenden) Unterschreitens der Orientierungswerte nach dem MDD, zu den Schwächen des MDD und zur (notwendigen) Modifizierung seiner Anwendung vgl. BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 - bislang nur als Terminsbericht veröffentlicht). Der Kläger leidet darüber hinaus an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule im Sinne der BK 2108. Dies steht fest aufgrund der überzeugenden Ausführungen des vom Senat beauftragten Sachverständigen Professor Dr. C., an deren Richtigkeit zu zweifeln für den Senat kein Anlass besteht. Prof. Dr. C. hat beim Kläger ausweislich seines Gutachtens vom 12. Juli 2007 monosegmentale schwergradige degenerative Veränderungen des Bewegungssegments L 4/5 nach zweimaliger Bandscheibenoperation L 4/5 1962 mit hieraus resultierender Bewegungseinschränkung, Belastungsminderung und sensibler Nervenwurzelreizung diagnostiziert. Diese Einschätzung überzeugt, nachdem der radiologische Befund schwergradige degenerative Veränderungen im Segment zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper in Form einer nahezu vollständigen Reduktion der Höhe des Bandscheibenfachs, ein Vakuumphänomen im Bereich der verbliebenen Restbandscheiben, knöcherne Randwülste an den Grund- und Deckplatten sowie degenerative Veränderungen an den entsprechenden Wirbelbogengelenken mit einer hierdurch bedingten Einengung des Rückenmarkskanals auf dieser Höhe ergeben hat. Als klinisches Korrelat dieses radiologischen Befundes haben sich neben einer reizlosen Narbe nach zweimaliger Bandscheibenoperation Verspannungen und Druckschmerzen im Bereich der paravertebralen Muskulatur und eine etwa hälftig eingeschränkte Beweglichkeit in diesem Bereich gezeigt.
Ein Anspruch des Klägers scheitert hier aber daran, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Ursachenzusammenhang zwischen der gefährdenden Einwirkung und der vorliegenden bandscheibenbedingten Erkrankung auch unter Berücksichtigung der medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule (Konsensempfehlungen zur Zusammenhangsbegutachtung der auf Anregung des HVBG eingerichteten interdisziplinären Arbeitsgruppe, in Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff), die kein antizipiertes Sachverständigengutachten darstellen, sondern u. a. auch dem medizinischen Laien aus Verwaltung und Gerichtsbarkeit - und damit auch dem Senat - eine Arbeitshilfe sein soll (Konsensempfehlungen a.a.O. S. 229), nicht festgestellt werden kann. Die Verursachung einer Bandscheibenerkrankung der Lendenwirbelsäule ist vielgestaltig. Die unter dem Begriff bandscheibenbedingte Erkrankungen subsumierten morphologischen und klinischen Krankheitsbilder stellen Zwischen- oder Endstadien des Alterungsprozesses der Wirbelsäule dar, von dem weite Teile der Bevölkerung in früherem oder höherem Alter und in unterschiedlicher Ausprägung grundsätzlich betroffen sind. Diese Degenerationsprozesse können nach allgemeiner medizinischer Erfahrung auch völlig unabhängig von äußeren Einwirkungen bzw. körperlichen Belastungen, rein schicksalhaft auf Grund konstitutioneller Faktoren in unterschiedlicher Ausprägung ablaufen. Andererseits gibt es kein hiervon abzugrenzendes belastungstypisches Krankheitsbild, sondern nur ein belastungskonformes Wirbelsäulen-Schadensbild der BK, das beschrieben wird durch den Vergleich der Veränderungen zwischen Beschäftigten mit hoher Wirbelsäulenbelastung und der Normalbevölkerung hinsichtlich der Kriterien Lebensalter beim Auftreten der Schädigung, Ausprägung in einem bestimmten Alter, Verteilungsmuster der Bandscheibenschäden an der LWS, Lokalisationsunterschiede zwischen biomechanisch hoch und mäßig belasteten Wirbelsäulenabschnitten der gleichen Person und Entwicklung einer Begleitspondylose. Zu fordern ist hierfür eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung, wobei der bildgebend darstellbare Bandscheibenschaden seiner Ausprägung nach altersuntypisch sein muss, und eine ausreichende berufliche Belastung, wobei diese eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung aufweisen muss (Konsensempfehlungen a.a.O., S. 217).
In Anwendung dieser Kriterien spricht im Fall des Klägers mehr dagegen als dafür, dass die bei ihm vorliegende bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch die berufliche Belastung hervorgerufen oder wesentlich verschlimmert worden ist. Der Senat folgt auch insoweit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. C. in dessen Gutachten vom 12. Juli 2007. Wirbelsäulenbeschwerden traten beim Kläger erstmals 1958 im Alter von 18 Jahren auf. Wie Prof. Dr. C. unter Hinweis auf die im Berufungsverfahren vorgelegte (korrigierte) Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 3. Februar 2006 überzeugend dargelegt hat, war die berufliche Belastung bis zu diesem Zeitpunkt bei weitem nicht ausreichend um eine bandscheibenbedingte Erkrankung zu verursachen. Bereits im Alter von 22 Jahren erfolgten dann zwei Bandscheibenoperationen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger lediglich sechs Jahre und acht Monate wirbelsäulenbelastend gearbeitet, wobei die Gesamtbelastungsdosis bis zu diesem Zeitpunkt lediglich 10,104 MNh betragen hat. Vor diesem Hintergrund geht auch der Senat davon aus, dass beim Kläger eine angeborene und schicksalsmäßige Schwäche der Bandscheibe L4/5 vorlag, der gegenüber der beruflichen Belastung eine überragende Bedeutung zukommt. Den abweichenden Auffassungen von Dr. C. und Prof. Dr. W. vermochte sich der Senat nicht anzuschließen. Beide sind davon ausgegangen, der Kläger habe bereits im Alter von 15 Jahren eine äußerst schwere Tätigkeit im Bergbau, vorwiegend unter Tage aufgenommen und bis April 1963 ausgeübt. Die (korrigierte) Stellungnahme des TAD der Beklagten vom 3. Februar 2006 lag Dr. C. und Prof. Dr. W. noch nicht vor, so dass eine differenzierte Beurteilung der beruflichen Exposition, insbesondere des Umstands, dass der Kläger erst ab September 1956, also fast eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Ausbildung unter Tage beschäftigt wurde, nicht möglich gewesen ist. Demgegenüber verfügte Prof. Dr. C. über die korrigierte Stellungnahme des TAD der Beklagten, aus der sich zudem ergibt, dass der Kläger die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit im Bergbau nicht erst im April 1963, sondern bereits im Dezember 1961 aufgegeben hat. Vor diesem Hintergrund überzeugt den Senat die Schlussfolgerung von Prof. Dr. C., dass trotz des im Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit im Bergbau noch nicht ausgereiften Achsenskeletts eine berufliche Verursachung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Durch die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit als in der Pflege mitarbeitender Heimleiter während der zweiten Belastungsperiode von April 1978 bis Dezember 1989 ist das vorhandene Krankheitsbild des Klägers nicht richtungsweisend und dauerhaft verschlimmert worden. Auch dies hat Prof. Dr. C. aus den von ihm erhobenen Befunden und den ausgewerteten Fremdbefunden sowie beigezogenen Röntgenbildern schlüssig gefolgert. Bereits zum Zeitpunkt des Beginns dieser Belastungsperiode bestanden als Folge der 1962 durchgeführten Bandscheibenoperationen schwergradige degenerative Veränderungen. Es handelt sich dabei um einen unter röntgenologischen und klinischen Gesichtspunkten zu erwartenden Verlauf, wie es ihn nach einer Bandscheibenoperation mit vollständiger Entfernung Bandscheibenmaterials natürlicherweise gibt. Dass die zweite Belastungsperiode nicht zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung der vorbestehenden Erkrankung geführt hat, hat Prof. Dr. C. in der Argumentation nachvollziehbar und im Ergebnis überzeugend mit dem Umstand begründet, dass die übrigen Bewegungssegmente der Lendenwirbelsäule keine Hinweise auf eine belastungsabhängige Schädigung aufweisen. Entsprechende Veränderungen waren erst nach Beendigung der Tätigkeit als Heimleiter erkennbar. Der abweichenden Beurteilung von Dr. N. in dessen Stellungnahme vom 14. April 2004 vermochte sich der Senat deshalb nicht anzuschließen.
Auch die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten von Prof. Dr. C. überzeugen nicht. Dass die schwergradigen degenerativen Veränderungen im Bereich des Bewegungssegments L 4/5 nicht durch die Tätigkeit im Bergbau verursacht wurden, hat Prof. Dr. C. überzeugend begründet und entspricht auch den Vorgaben der Konsensempfehlungen (a.a.O. S. 29), die eine plausible zeitliche Korrelation zur Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung fordern. Eine solche ist im Fall des Klägers angesichts der Kürze der Exposition im Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Wirbelsäulenbeschwerden, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, gerade nicht gegeben. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 29. November 2007 hat Prof. Dr. C. zudem nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass ein Wirbelsäulenschaden auch ohne berufliche Belastung voranschreitet, weshalb eine eingetretene Verschlechterung allein den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang nicht zu begründen vermag.
Die Kostenentscheidung beruft auf § 193 SGG.
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