L 1 SB 4003/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SB 1329/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 SB 4003/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 19. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die nachträgliche Zuteilung von Wertmarken für die Inanspruchnahme unentgeltlicher Personenbeförderung.

Der 1943 geborene Kläger, der nach seinen Angaben seit 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, beantragte zuletzt im August 2003 die Feststellung von Nachteilsausgleichen, nämlich die Zuerkennung des Merkzeichens "G" und des Merkzeichens "RF". Zuletzt war mit Bescheid vom 24. Juni 1997 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 ab 18. Dezember 1996 anerkannt worden. Mehrere Anträge auf Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sowie Zuerkennung von Merkzeichen, u.a. des Merkzeichens "G" blieben erfolglos. Mit Bescheid vom 8. August 2003 lehnte die Beklagte auf den Antrag des Klägers vom August 2003 die Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "RF" ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2004 zurückgewiesen. Das dagegen gerichtete Klageverfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG), Az.: S 2 SB 435/04 wurde durch Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 2005 beendet. Darin wurde ein GdB von 90 ab 19. März 2003 und von 100 ab 1. Dezember 2003 sowie die Merkzeichen "G" und "RF" ab 1. Dezember 2003 zuerkannt. In dem vom Kläger angestrengten Berufungsverfahren (L 6 SB 390/06) schlossen die Beteiligten unter dem 19. Mai 2005 einen Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, einen GdB von 100, den Nachteilsausgleich "RF" und den Nachteilsausgleich "G" ab 1. Januar 2003 festzustellen. Der Kläger nahm die Berufung daraufhin zurück. Mit Ausführungsbescheid vom 12. Juni 2006 wurde der gerichtliche Vergleich vollzogen.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2006 machte der Kläger gegenüber dem Versorgungsamt H. (VA) geltend, er möchte nun die Wertmarken für die Jahre 2003 bis 2006 erhalten, damit er von den M. Verkehrsbetrieben das in den Jahren 2003 bis 2006 gezahlte Fahrgeld wieder zurück erhalte. Er legte Kopien von Jahresverbundfahrkarten für das Verbundnetz "RNV" für die Jahr 2004 bis 2007 vor.

Mit Bescheid vom 3. August 2006 lehnte das VA den Antrag auf Rückerstattung von Fahrkosten ab, da das Gesetz keine Rechtsgrundlage für eine solche Erstattung vorsehe. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. August 2006 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 4. September 2006, persönlich beim Sozialgericht Mannheim abgegeben, wandte sich der Kläger an das Landessozialgericht und machte sinngemäß geltend, der Beklagte habe den Vergleich vom 19. Mai 2006 nicht ordnungsgemäß vollzogen. Er bitte um gerichtliche Prüfung und Information, wer dafür sorge, dass ihm die ab 1. Januar 2003 entstandenen Fahrkosten erstattet würden. Das SG leitete das Schreiben an das LSG weiter. Der Vorsitzende des 6. Senats des Landessozialgerichts teilte dem Kläger mit Schreiben vom 13. September 2006 mit, er könne keine Stellung dazu nehmen, ob die Beklagte den Vergleich richtig ausgeführt habe, da er schon den Ausführungsbescheid nicht kenne. Abgesehen davon sei es nicht Aufgabe der Gerichte, rechtsberatend tätig zu werden.

Mit Schreiben vom 22. September 2006 wandte sich der Kläger erneut an das VA und machte geltend, er könne gegen den Widerspruchsbescheid vom 25. August 2006 aus finanziellen Gründen nicht vorgehen, da er kein Geld für einen Anwalt habe. Er bitte daher um das "Offenlassen (offene Befristung) nach Ablauf des Datums der Klage" beim Sozialgericht Mannheim.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2006 teilte der Beklagte mit, die Klage sei entsprechend der Rechtsmittelbelehrung nur binnen eines Monats beim Sozialgericht zulässig, eine "offene Befristung" sei daher nicht möglich. Da er von der Möglichkeit der Klageerhebung keinen Gebrauch gemacht habe, seien die betroffenen Entscheidungen bindend geworden.

Mit Schreiben vom 4. November 2006 wandte sich der Kläger erneut an das VA und bat um Auskunft zum "Wertmarkenbestand ab 1.1.2003". Er wolle den von ihm bezahlten Eigenanteil an den Fahrkarten zurückhaben. Mit Schreiben vom 29. November 2006 teilte das VA erneut mit, dass die fraglichen Entscheidungen bindend geworden seien und eine Erstattung daher weiterhin nicht in Betracht komme. Der Kläger wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 15. Januar 2007 an den Leiter des Versorgungsamts, der mit Schreiben vom 2. April 2007 auf die dem Kläger schon bekannte Rechtslage verwies.

Am 12. April 2007 wandte sich der Kläger an das SG und machte geltend, mit Schreiben des Beklagten vom 2. April 2007 sei ihm mitgeteilt worden, dass er die Kosten für die Fahrkarten von 2003 bis 2006 nicht erstattet erhalte. Er beantrage, die Beklagte zu verurteilen, den gerichtlichen Vergleich vom 19. Mai 2006 auszuführen und zu entscheiden, dass ihm ab 2003 vergünstigte Wertmarken zustünden. Mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2007 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Die Klage sei zulässig erhoben, da das Schreiben des Klägers vom 4. September 2006 als Klage zu werten und noch innerhalb der Klagefrist beim SG eingegangen sei. Die Klage sei aber unbegründet, da kein Anspruch auf Erstattung der im Rückwirkungszeitraum angefallenen Fahrkosten bestehe.

Gegen den ihm am 20. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. August 2007 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

den Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheids vom 3. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2006 rückwirkend die ab 1. Januar 2003 entstandenen Fahrkosten für den öffentlichen Personennahverkehr zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den angefochtenen Entscheidungen.

Der Senat hat die Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Der Senat konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. März 2008 über den Rechtsstreit entscheiden, auch wenn der Kläger nicht anwesend war. Denn der zum Termin ordnungsgemäß über das von ihm als Zustelladresse benannte Postfach geladene Kläger ist in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Dabei lässt es der Senat offen, ob die Klage tatsächlich zulässig war, wie es das SG festgestellt hat. Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 4. September 2006 an das Landessozialgericht gewandt. Das Schreiben hat der Kläger persönlich beim SG Mannheim abgegeben. Dieses hat das Schreiben des Klägers aber offensichtlich nicht als Klage gegen den Bescheid vom 3. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. August 2006 gewertet - eine diesbezügliche Nachfrage beim Kläger ist nicht erfolgt - sondern dem Landessozialgericht vorgelegt. Auch dieses hat das Schreiben offenbar nicht als Klage gewertet, sondern als "Eingabe" bezeichnet und deshalb auch nicht gemäß § 91 Abs. 2 SGG an das SG abgegeben (wenn es davon ausgegangen wäre, Klage soll beim zuständigen Gericht, also dem SG erhoben sein, vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer § 91 SGG Rz. 6) oder nach § 98 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 17 ff Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) (sollte es davon ausgegangen sein, die Klage sei an das vermeintlich zuständige Gericht gerichtet gewesen) an das SG verwiesen. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich der Kläger nach Erhalt des Schreibens des Landessozialgerichts vom 13. September 2006 nicht weiter an die Gerichte, sondern das VA wandte, ist zumindest zweifelhaft, ob sein Schreiben vom 4. September 2006 tatsächlich als bestimmender Klageschriftsatz zu bewerten ist.

Der Kläger hat mit seinem Begehren jedenfalls in der Sache keinen Erfolg, so dass die Berufung unbegründet ist.

Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert; die unentgeltliche Beförderung verpflichtet zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages bei der Benutzung zuschlagspflichtiger Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist, dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung eines Betrages von 60,- EUR für ein Jahr oder 30,- EUR für ein halbes Jahr ausgegeben. Wird sie vor Ablauf der Gültigkeitsdauer zurückgegeben, wird auf Antrag für jeden vollen Kalendermonat ihrer Gültigkeit nach Rückgabe ein Betrag von 5,- EUR erstattet, sofern der zu erstattende Betrag 15,- EUR nicht unterschreitet; Entsprechendes gilt für jeden vollen Kalendermonat nach dem Tod des schwerbehinderten Menschen. Auf Antrag wird eine für ein Jahr gültige Wertmarke, ohne dass der Betrag nach Satz 3 zu entrichten ist, unter anderem an schwerbehinderte Menschen ausgegeben, die Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz oder die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch oder für den Lebensunterhalt laufende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), dem SGB VIII oder den §§ 27a und 27d BVG erhalten (§ 145 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 SGB IX). Die Ausgabe der Wertmarken erfolgt auf Antrag durch die nach § 69 Abs. 5 zuständigen Behörden (§ 145 Abs. 1 Satz 7 SGB IX).

Der Status des Schwerbehinderten und die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen beginnen grundsätzlich mit dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. BSGE 48, 167, 169 = SozR 2200 § 176c Nr. 1; BSG SozR 2200 § 176c Nr. 9; BSGE 60, 284, 285 = SozR 3870 § 3 Nr. 23). Dem entspricht es, dass in § 6 Abs 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) als Beginn der Gültigkeit des Ausweises in der Regel nicht etwa der Tag der behördlichen Feststellung oder der Zeitpunkt der Aushändigung des Ausweises, sondern der Tag des Eingangs des Antrages auf Feststellungen bzw. auf Ausstellung eines Ausweises im Sinne des § 69 SGB IX einzutragen ist. Nach § 6 Abs 1 Satz 2 SchwbAwV kann auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen sogar zusätzlich ein früherer Zeitpunkt als der der Antragstellung eingetragen werden. Der Gesetzgeber beabsichtigte somit für den Regelfall eine rückwirkende Geltung des Ausweises.

Dessen ungeachtet erhält der Behinderte die Möglichkeit, seinen Status als Schwerbehinderter und das Vorliegen der Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche nachzuweisen, erst mit der Aushändigung des - ggf. entsprechend gekennzeichneten - Schwerbehindertenausweises, welche die vorherigen Statusfeststellungen nach § 69 SGB IX voraussetzt.

Aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 19. Mai 2006 hat der Beklagte mit Ausführungsbescheid vom 12. Juni 2006 das Merkzeichen "G" festgestellt. Infolgedessen hat der Kläger frühestens zu diesem Zeitpunkt den entsprechend gekennzeichneten Schwerbehindertenausweis erhalten, selbst wenn die Eintragung schon ab 1. Januar 2003 Wirkung entfaltete. Für den bereits zurückliegenden Zeitraum vom 1. Januar 2003 bis Juni 2006 war der Kläger faktisch gehindert, Freifahrten in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl stehen ihm wegen der Unmöglichkeit, rückwirkend für diesen Zeitraum unentgeltliche Personenbeförderung in Anspruch zu nehmen, keine Ausgleichsansprüche in Geld zu. Für Geldansprüche, welche den Schwerbehinderten nachträglich wirtschaftlich so stellen, als habe er seinen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "G" bereits bei Beginn des Rückwirkungszeitraums besessen, findet sich in den geltenden gesetzlichen Vorschriften keine Stütze. Das gilt insbesondere für die Erstattung etwaiger in der Vergangenheit aufgewendeter Kosten für die Beförderung im Personennahverkehr.

Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 7. November 2001 (B 9 SB 3/01 R = SozR 3-3870 § 59 Nr. 1) zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes ausgeführt hat, ist das Fehlen entsprechender gesetzlicher Vorschriften auch nicht verfassungswidrig. Auszugehen sei davon, dass der in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigte Schwerbehinderte gegen den Versorgungsträger keinen Sozialleistungsanspruch hat, insbesondere keinen solchen auf unentgeltliche Personenbeförderung. Der Versorgungsträger ist insoweit nicht zu einer Leistung, auch nicht zu einer Sachleistung verpflichtet. Zwar ist die Versorgungsverwaltung an sich eine Leistungsverwaltung; soweit sie aber das SGB IX durchführt, hat sie nur die Aufgabe, Bescheide über die in § 69 SGB IX genannten Tatbestände, d.h. Feststellungsbescheide über die Zugehörigkeit von Behinderten zu einem bestimmten Personenkreis (Statusbescheide), zu erlassen, insbesondere das Vorliegen einer Behinderung, den GdB und das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Merkmale als Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen festzustellen. Die ihr außerdem nach näherer Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen obliegenden Verpflichtungen, entsprechende Ausweise und - für den Fall der Feststellung des Merkzeichens "G" -Beiblätter und Wertmarken auszustellen, dienen nur dieser Aufgabe. Der Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen "G" wird durch diese Unterlagen in die Lage versetzt, seinen Status nachzuweisen und die ihm eingeräumten Rechte (Nachteilsausgleiche) zu verwirklichen. Die Versorgungsbehörden würden bei der Anwendung des SGB IX nur dann über Sozialleistungen entscheiden, wenn die vorgenannten Feststellungen ihrerseits als Sozialleistungen anzusehen wären. Das hat das BSG aber - unbeschadet der Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften des Leistungsrechts auf die Statusbescheide der Versorgungsbehörden nach dem SGB IX (vgl. BSGE 60, 287, 291 = SozR 1300 § 48 Nr. 29) - noch zu den Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes in mehreren Entscheidungen verneint (BSGE 69, 14 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 3 und BSGE 66, 120 ff = SozR 3870 § 4 Nr. 4). Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nunmehr die Vorschriften des SGB IX anzuwenden sind, schließt sich der erkennende Senat der Auffassung des BSG an, denn eine Änderung der Beurteilung ist durch die Eingliederung des Rechts der schwerbehinderten Menschen in das Sozialgesetzbuch nicht gerechtfertigt. Mithin kann die späte Realisierbarkeit des dem Kläger zugedachten Nachteilsausgleichs schon deswegen keine irgendwie gearteten "Ersatzansprüche" gegen den Beklagten begründen, weil dieser nicht die unentgeltliche Beförderung, sondern lediglich die Feststellung eines vergünstigenden Status schuldet.

Auch gegen die Unternehmer des Nahverkehrs bestehen keinerlei Erstattungsansprüche. Es kann hier dahinstehen, welcher Natur der diesen gegenüber in § 145 SGB IX eingeräumte Anspruch auf unentgeltliche Beförderung ist, insbesondere ob er privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist und ob er etwa eine Sozialleistung in Gestalt einer Sachleistung im Sinne des § 11 SGB I zum Gegenstand hat. Selbst ein solcher Sachleistungsanspruch wäre jedenfalls immer nur im Rahmen des § 69 SGB IX, also erst ab Innehabung von Ausweis und von Wertmarken eingeräumt. Infolgedessen fehlt es für den Zeitraum, für den der Kläger Erstattung seiner Fahrtkosten geltend macht, auch in dieser Richtung an einem Leistungsanspruch, an dessen Stelle ein solcher Erstattungsanspruch treten könnte.

Auch § 145 SGB X bietet keine Rechtsgrundlage für das vom Kläger geltend gemachte Begehren, da darin nur die Erstattung nicht verbrauchter Wertmarken geregelt wird.

Ob es sich bei diesem spezialgesetzlich geregelten Erstattungsanspruch um eine abschließende Regelung handelt, die weitergehende Erstattungsansprüche ausschließt, kann offen bleiben. Denn weitergehende Erstattungsansprüche des Klägers bestehen auch dann nicht, wenn § 145 SGB IX kein abschließender Charakter zukommt.

Ein Erstattungsanspruch besteht nicht nach § 44 Abs. 1, 2 i.V.m. Abs. 4 SGB X, da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Denn die Entscheidung des Beklagten über die Herausgabe einer Wertmarke nur gegen Zahlung eines Eigenanteils stellt keinen Verwaltungsakt dar (st. Rspr., vgl. BSG vom 7.1.2001 aaO); zudem handelt es sich bei der Herausgabe einer Wertmarke zur unentgeltlichen Personenbeförderung nicht um eine Sozialleistung im Sinne des SGB IX. Eine Dienst-, Sach - und Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch (§ 11 SGB I) wird hierdurch nicht gewährt. Denn der Schwerbehinderte wird durch diese Unterlagen lediglich in Stand gesetzt, seinen Status Dritten gegenüber nachzuweisen und die ihm diesen gegenüber eingeräumten Rechte zu verwirklichen. Eine Regelungswirkung kommt der Herausgabe der Wertmarke gegen Zahlung eines Eigenanteils nicht zu, denn sie setzt keine unmittelbaren Rechtsfolgen dem Behinderten gegenüber. Dies gilt auch dann, wenn die Versorgungsverwaltung vor der Herausgabe zu prüfen hat, ob die Voraussetzung für die Herausgabe einer Wertmarke, d.h. das Vorliegen des Merkzeichens G, vorliegt. Rechtsfolgen werden in diesem Fall dennoch allein durch den statusbegründenden Bescheid mit der Zuerkennung des Merkzeichens gesetzt. Das Erfordernis, die Ausstellung des Beiblatts und die Herausgabe der Wertmarke zu beantragen, begründet ebenfalls keine Regelungswirkung der Herausgabehandlung. Vielmehr wird die Versorgungsverwaltung durch den Antrag lediglich in die Lage versetzt, die sich bereits aus dem Statusbescheid ergebenden Rechtsfolgen zu erfüllen.

Sollte für den Fall, dass zwar Verwaltungsaktsqualität angenommen, das Vorliegen einer Sozialleistung aber - zutreffend - verneint wird, folglich § 44 Abs. 2 SGB X für die Rücknahme der Herausgabeentscheidung zur Anwendung kommen können (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 9. Oktober 1997 - L 11 Vs 27/97), wäre ein Verwaltungsakt grundsätzlich nur für die Zukunft zurückzunehmen. Er könnte nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gründe, die eine Ermessensreduktion auf Null und damit eine Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der Herausgabeentscheidung begründen könnten, konnte der Senat nicht erkennen. Im übrigen wäre damit auch nur die Herausgabeentscheidung rückgängig zu machen, nicht aber eine Rechtsgrundlage für die Erstattung der geforderten Summe gegeben.

Auch Ansprüche aus dem allgemeinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch oder ein Folgenbeseitigungsanspruch kann der Kläger nicht für sich herleiten. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch scheitert schon daran, dass ein Ausgleich des vom Kläger gesehenen wirtschaftlichen Nachteils durch eine zulässige Amtshandlung nicht denkbar ist (vgl. dazu auch BSG vom 7.1.2001 a.a.O. unter Verweis auf OLG Nürnberg in NJW 1988, 1597 ff). Es verbleiben dem Kläger ggf. Amtshaftungsansprüche, diese aber nur dann, wenn dem betreffenden Beamten der Versorgungsverwaltung bei der Bearbeitung des Antrages eine zumindest fahrlässige Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Last fällt. Abgesehen davon, dass dafür keinerlei Anhaltspunkte bestehen, würde der Prüfung eines derartigen Anspruchs durch den erkennenden Senat die zwingende verfassungsrechtliche Rechtswegzuweisung in Art 34 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) entgegenstehen Dem Kläger steht auch kein Folgenbeseitigungsanspruch zu, da diese Rechtsfigur auf den Bereich der Eingriffsverwaltung beschränkt ist und es sich hier um die Zuwendung von Rechtsvorteilen handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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