L 2 U 765/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 1582/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 765/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Sportunfalls vom 3. Juni 1977 (der Kläger nahm an einem Fußballspiel teil, das zwischen Beschäftigten seines Arbeitsgebers, der K. R. KG - Metallwarenfabrik - G., und Angehörigen eines anderen Unternehmens stattfand) als Arbeitsunfall streitig.

Der am 19. Januar 1947 geborene Kläger, der 1981 nach A. auswanderte, machte am 30. August 2004 bei der Beklagten einen 1975 erlittenen Arbeitsunfall geltend, dessentwegen er seit einigen Jahren arbeitsunfähig sei. Nach Durchsicht ihrer Grunddaten in elektronischer Form teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23. September 2004 mit, dass bei ihr ein Unfall aus dem Jahre 1975 bislang nicht gemeldet worden sei; bekannt seien zwei Bagatellunfälle vom 28. Juli 1976 und 3. Juni 1977. Die Unterlagen zu diesen Unfällen seien jedoch entsprechend der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist zwischenzeitlich vernichtet worden. Bezüglich des Unfalls vom 3. Juni 1977 sei in den Daten vermerkt, dass es sich nicht um einen Versicherungsfall gehandelt habe. Im weiteren Verlauf befragte die Beklagte die J. P. GmbH, x, x , die nach Kauf der am 1. Januar 2003 in Insolvenz befundenen Firma R. M. GmbH & Co. KG - Nachfolgerin der K. R. KG - gegründet worden ist (s. Bl. 28 d. Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg), nach einem Arbeitsunfall im Jahre 1975. Diese teilte unter dem 27. September 2004 mit, Unterlagen aus dieser Zeit seien nicht mehr vorhanden; am 30. September 2004 wurde telefonisch ergänzt, es gäbe auch keine Mitarbeiter mehr, die über den Kläger noch Auskünfte geben könnten. Es könne nicht einmal mehr festgestellt werden, ob der Kläger überhaupt ein Beschäftigter der R.-Metall Rollladenbau gewesen sei. Die AOK für den Kreis G. übersandte ihre Unterlagen und gab an, dass es sich bei dem Unfall vom 3. Juni 1977 um eine Distorsion der linken Hand mit nachfolgendem Kahnbeinbruch gehandelt habe. Ob der Kahnbeinbruch Arbeitsunfallfolge gewesen sei, lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen. Aus den übersandten Unterlagen ist ersichtlich, dass nach der Beurteilung der AOK die Arbeitsunfähigkeit vom 6. Juni 1977 bis 15. Juli 1977 und vom 19. Oktober bis 18. November 1977 wegen Arbeitsunfallfolgen vorgelegen hat, nicht jedoch die Arbeitsunfähigkeit vom 19. November 1977 bis 1. Mai 1978. Mit Schreiben vom 3. Oktober 2004 teilte der Kläger mit, er habe sich im Datum geirrt. Der geltend gemachte Unfall sei der vom 3. Juni 1977, als er die Firma R. bei einem Betriebsfußballspiel vertreten habe. Der Unfall habe sich um 15:00 Uhr auf einem Fußballplatz in B. D. ereignet, als er gestürzt sei. Personalchef S. und 14 Fußballspieler der Firma R. hätten den Unfall gesehen. Die Beklagte zog von der Unfallchirurgischen Klinik des Universitätsklinikums U. die dort vorliegenden Unterlagen von Dezember 1980 (OP: Spongiosaplastik) bei mit einem Bericht des Kreiskrankenhauses G. a. d. S. vom 21. Oktober 1977, demzufolge es sich um einen Sportunfall Anfang Juni 1977 gehandelt hat. Mit Bescheid vom 22. November 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab, da ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Sportunfälle seien nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen im Rahmen eines Betriebssports oder einer Gemeinschaftsveranstaltung als Arbeitsunfälle anzuerkennen. Zwar sei der Unfall der Beklagten gemeldet worden, aber der Umstand, dass der Unfall nicht anerkannt worden sei, lasse nur den Schluss zu, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Dagegen erhob der Kläger am 10. Dezember 2004 Widerspruch: Die Fa. R. habe das Betriebsfußballspiel autorisiert. Des Weiteren bemängelte er, dass die Beklagte ihn damals über ihre Entscheidung nicht informiert habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Am 18. März 2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und ergänzend vorgetragen, er habe zum dritten mal an einem Betriebsfußballspiel teilgenommen. Die Firma R. habe die Trikots gestellt mit dem Zeichen der R.-Metall. Zudem hätten bei den Betriebsfußballspielen regelmäßig 40 bis 50 Zuschauer der Firma teilgenommen. Da die Firma damals etwa 100 Beschäftigte gehabt habe, müsse man von einer Gemeinschaftsveranstaltung ausgehen. Auch müssten die Unfallärzte den Unfall der Beklagten gemeldet haben, da sonst ja keine Eintragung vorhanden wäre. Als Zeuge für den Arbeitsunfall hat er M. K. benannt. Die Beklagte hat vorgetragen, es könne nicht mehr festgestellt werden, ob eine förmliche Ablehnung des Ereignisses als Arbeitsunfall gegenüber dem Kläger erfolgt sei. In ihrem EDV-System sei das Ereignis mit dem Vermerk "Kein Versicherungsfall" gekennzeichnet worden. Ferner habe die AOK die Erkrankungszeiten ab 19. November 1997 nicht mehr als Folgen eines Arbeitsunfalls geführt, weshalb davon auszugehen sei, dass die AOK die ablehnende Entscheidung der Beklagten akzeptiert habe. Mit Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, da es sich weder um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung noch um eine unter Versicherungsschutz stehende Betriebssportveranstaltung gehandelt habe.

Am 7. Februar 2007 hat der Kläger Berufung eingelegt und vorgetragen, alle Beschäftigten hätten die Möglichkeit gehabt, am Betriebssport teilzunehmen. Neben M. K. sei auch A. B. als Zeuge zu vernehmen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Anerkennung eines Arbeitsunfalls vom 3. Juni 1977 zu verurteilen, ihm die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Senat hat von der J. P. GmbH die Auskunft vom 19. März 2007 eingeholt und die Zeugen M. K. und A.B. vernommen. Die J. P. GmbH hat angegeben, dass sie über den Sportunfall am 3. Juni 1977 keine Angaben machen könne. Es seien weder die beteiligten Personen bekannt noch, ob es sich um einen offiziellen Betriebssport gehandelt habe. Wegen der Aussage des Zeugen K. wird auf die Niederschrift vom 19. Oktober 2007 und wegen der schriftlichen Aussage des A.B. vom 14. Dezember 2007 auf Bl. 45/46 der Akte des Landessozialgerichts Baden-Württemberg verwiesen. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, der Zeuge K. habe bestätigt, dass das Betriebsfußballspiel der Firma R.-Metall tatsächlich stattgefunden und er sich hierbei verletzt habe. Entgegen dessen Aussage habe er den Zeugen aber nicht gefragt, ob dieser am Betriebssport teilnehmen möchte. Auch sei das Betriebsfußballspiel nicht vom Betriebsrat, sondern vom Personalchef S. organisiert worden. Es sei auch nicht richtig, dass kein Aushang über die Betriebsfußballspiele erfolgt sei. Die Fußballspiele hätten immer zwischen 15:00 und 17:00 Uhr stattgefunden. Die Aussagen des Zeugen seien auch teilweise widersprüchlich. Auch der Zeuge B. habe bezeugt, dass er für die Firma R. Betriebsfußball gespielt habe und der Unfall der Beklagten gemeldet worden sei.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger nicht nachweisen konnte, dass es sich am 3. Juni 1977 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Auch ist weder ein Verwaltungsakt bekannt, der den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt hat, noch kann aus dem Vermerk der AOK über teilweises Vorliegen von Arbeitsunfallfolgen eine Anerkennung der Beklagten abgeleitet werden.

Auf den im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltend gemachten Anspruch sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) anzuwenden, weil eine frühere bescheidmäßige Feststellung nicht gegeben und damit der Versicherungsfall erstmals nach Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 festzustellen ist (§ 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII).

Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit); Unfälle sind zeitlich begrenzte, von Außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 13. Dezember 2005 - B 2 U 29/04 R -, NJW 2007, 399 m.w.N.).

Im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit - und damit unter Versicherungsschutz - steht der Betriebssport nur unter bestimmten Voraussetzungen: zum Einen müssen die sportlichen Betätigungen einen Ausgleich für die meist einseitig beanspruchende Betriebsarbeit bezwecken, damit wesentlich auch den Interessen des Unternehmers dienen; er muss regelmäßig stattfinden; der Teilnehmerkreis muss im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens beschränkt sein; Übungszeit und -dauer müssen in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen und die Übungen müssen im Rahmen einer unternehmensbezogenen Organisation stattfinden (BSG a.a.O.). Das BSG hat in der oben genannten Entscheidung präzisiert, dass ein Wettkampfspiel gegen andere Betriebssportgemeinschaften nicht mehr dem Versicherungsschutz unterliegt. Dem schließt sich der Senat nach eigener Überzeugung an, da Wettkampfspiele nicht mehr wesentlich einen Ausgleich für die meist einseitig beanspruchende Betriebsarbeit bezwecken, sondern durch andere Motive wie Wettbewerb mit anderen oder die Erzielung persönlicher Höchstleistung bestimmt werden, was auch mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergehen kann. Dass solche Wettkämpfe die Freude an der - versicherten - regelmäßigen sportlichen Betätigung im Rahmen des Betriebsports erhöhen, kann unterstellt werden, führt aber nicht dazu, dass der Wettkampf wesentlich der versicherten Tätigkeit dient (BSG a.a.O.). Da vorliegend der Kläger in einem Wettkampfspiel gegen eine andere Betriebssportgemeinschaft verunfallt ist, steht er insoweit nicht unter Versicherungsschutz.

Der Unfall erfolgte aber auch nicht während einer sog. - unter Versicherungsschutz stehenden - betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen stehen nach ständiger Rechtssprechung unter Versicherungsschutz, wenn die Veranstaltung vom Unternehmen selbst veranstaltet oder von ihm zumindest gebilligt oder gefördert wird und alle Betriebsangehörigen daran teilnehmen können und sollen und wenn sie dazu dient, die betriebliche Verbundenheit zu fördern (vgl. BSG E 1 197; 7 und 249). Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar hat er behauptet, dass alle Beschäftigten des Betriebes am Betriebsfußballspiel aktiv oder - als Zuschauer - passiv teilnehmen konnten und die Spiele auch durch Aushang im Betrieb bekannt gemacht worden sind. Dies konnte jedoch kein Zeuge bestätigen; auch aus den Akten ergibt sich hierfür kein Hinweis. Im Gegenteil hat der Zeuge K. am 19. Oktober 2007 ausgesagt, dass er vor dem Unfall bringenden Fußballspiel nie gefragt worden war, ob er mitspielen möchte; er habe dabei zum ersten mal erfahren, dass es überhaupt eine Fußballmannschaft gibt. Zudem hat er ausgesagt, dass es mit ziemlicher Sicherheit keinen Aushang über die regelmäßigen Übungsstunden oder über die Wettkampfspiele mit anderen Firmen gegeben habe. Schließlich konnte er auch nicht bestätigen, dass einer der ca. 20 Zuschauer am Unfalltag Betriebsangerhöriger war. Damit ist nicht nachgewiesen, dass die oben genannten Voraussetzungen für eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorgelegen haben. Da der Kläger die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Anspruch begründenden Tatsachen trägt, geht die Nichterweislichkeit dieser Tatsachen zu seinen Lasten.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved